Rein praktisch zeigt sich das auch daran, dass die politischen Handlungsspielräume immer kleiner werden. Fast war ich schon versucht, unserer Angela Merkel zu wünschen, dass sie die Scherereien der krisenhaften Entwicklung jetzt auch auslöffeln muss und sich nicht nach einer anscheinend gelungenen Politik mit Ehren überhäuft zurückziehen kann. Nachdem ich erfahren habe, dass die neue Große Koalition ihre Wahlversprechen durch eine enorm hohe Schuldenaufnahme erfüllen will, beginne ich zu fürchten, dass es ihr gelingt, damit noch durch die nächsten 4 Jahre (oder bis zu vorgezogenen Neuwahlen) durchzukommen und den ganzen Schlamassel dann wieder an rosa-rote Krisenverwalter und Buh-Leute abzugeben. Vorher werden schnell noch einige „Schalter“ umgelegt: die auf starre Grundlastversorgung orientierte Energiepolitik blockiert den weiteren Ausbau der Erneuerbaren und mit dem Ende von Hartz IV werden noch brutalere Erpressungsmechanismen für die Ärmsten installiert.
Mal sehen, wie lange die Regierenden und die Regierten noch so tun, als würden sie daran glauben, dass die gegenwärtige Krise des Kapitalismus durch einen neuen „Aufschwung“ beendet werden kann und dann wieder das „normale Leben“ beginnt. Einen „Kapitalismus mit menschlichem Antlitz“ hat es für viele Menschen lediglich in vielleicht zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in einigen privilegierten Regionen und für einige privilegierte Klassen und Schichten gegeben. Jedoch ist es dieses schöne Bild, das immer wieder alle Hoffnungen speist – Hoffnungen, die für die Elenden dieser Erde, deren Ressourcen im Zuge der Globalisierung ersatzlos vernutzt werden, bereits so sehr zusammen brechen, dass in vielen Regionen keine politische Stabilität mehr zu erreichen ist. Hoffnungen, die am weltweit zunehmenden Hunger zerbrechen und die durch die beginnenden Kämpfe um die Ressourcen im ausgehenden Ölzeitalter konterkariert werden. Auch bei uns werden diese Hoffnungen immer brüchiger. Um nicht psychisch ganz kaputt zu gehen, tun wir meistens noch so, als würde uns wenigstens eine Zusatzversicherung vor Altersarmut schützen. Die bürgerliche Demokratie jedoch hat an Glaubwürdigkeit bereits stark verloren, wie die geringe Wahlbeteiligung zeigt. Mit der vervielfachten Staatsverschuldung und nach den Privatisierungen wichtiger Bereiche bleibt auch kaum noch Spielraum. Die Politik, von der man lange die Illusion haben konnte, sie sei unbeeinflusst oder sogar ein Regulator für die Auswüchse der kapitalistischen Wirtschaft, zeigt sich immer stärker als fundamentale Basis für die Interessen des Kapitals. Dadurch wird sie immer mehr an Anerkennung und Legitimierung verlieren.
Gilt das auch für die „demokratischen“ Verhandlungen über die Klimaprobleme? Schließlich tagen im Dezember in Kopenhagen nicht die Regierungsoberhäupter der maßgeblichen kapitalistischen Staaten, wie bei den bisherigen Anti-Globalisierungsprotesten, auf dessen Tradition auch die Klimakonferenzgegner sich beziehen, die dazu aufrufen„den Gipfel zu übernehmen und für einen Tag zu einer offenen Klimagerechtigkeitskonferenz zu machen“ (Broschüre „Klima-Casino schließen!“).Kritiker dieser radikalen Aktionen betonen, dass die Klimakonferenzen von der UNO getragen sind und damit legitim. Im Neuen Deutschland wird die Alternative deutlich benannt:
„Entweder man gesellt sich zu den Lobbyisten und versucht in mühseliger Kleinarbeit, Politiker zu einer Klimaschutzpolitik zu bewegen, die ihren Namen verdient. Oder man bläst zum Sturm auf Kopenhagen…“
Wie ich in meinem Blogbeitrag „Vor dem Klimagipfel in Kopenhagen: Stören oder Appellieren?“ rezensiert der Autor Felix Werdermann parallel die Broschüre „Klima-Casino schließen!“ und die „Standpunkte“ 18/2009 der Rosa-Luxemburg-Stiftung zu diesem Thema. Für ihn sind die Störer „unbedarfte Polit-Aktivisten“; damit liegt seine Sympathie eindeutig auf der anderen Seite als meine. Seine hämische Grundkritik an den Gipfelgegnern ist, dass sie „erstaunlich wenig Alternativen anzubieten haben“. Obwohl deren Broschüre dazu einiges aussagt (unter dem mutigen Titel „Öko-Kommunismus Sha-la-la-la-la“), scheint Werdermann Protest nur zuzulassen, wenn gleichzeitig eine Blaupause für die perfekte Revolution und die neue Gesellschaftsform vorgelegt wird. Ich denke aber, dass gerade die Hoffnung auf eine „Klimapolitik, die ihren Namen verdient“ ohne Infragestellung der kapitalistischen Verhältnisse eine haltlose Illusion ist.
Schauen wir uns einmal die Bilanz im Bereich der Anti-Atom-Politik an. Ich übernehme dazu eine nette Tabelle aus einem Flugblatt von der letzten Anti-Atom-Demo:
Kommentar verfassen