„Ich ging im Buchladen so vor mich hin und nichts zu suchen, das war mein Sinn“… – in diesem Sinne genoss ich vor einigen Wochen einen Bummel durch einen großen Berliner Buchladen. Nach einem Urlaub, in dem ich wieder mal mehrere Romane durchgeschwartet hatte, brauchte ich neues Lesefutter und in der Abteilung Philosophie/Psychologie fiel mir ein Büchlein mit dem Titel „Konflikte lösen durch Gewaltfreie Kommunikation“ (Rosenberg 2010) ins Auge. Ich kenne das Konzept der „Gewaltfreien Kommunikation“ von Marshall B. Rosenberg schon von früher etwas, und weiß auch, dass es in linken, emanzipativen Kreise häufig propagiert und angewandt – aber auch kritisiert – wird.

Ganz vereinfacht ausgedrückt geht es in diesem Konzept darum, im zwischenmenschlichen Umgang allgemein und insbesondere in Konflikten bei den Beteiligten jeweils herauszufinden welche Bedürfnisse dahinter stecken und zu erkennen, dass es Strategien gibt, diese Bedürfnisse jeweils auf Kosten des Anderen, also primär gegeneinander durchzusetzen oder aber auch Strategien, bei denen dies nicht geschieht.

Manchmal schadet man anderen ja einfach dadurch, dass man die eigene Meinung sagt – dies aber auf eine Weise, durch die der andere sich verletzt oder gar angegriffen fühlt. Und mal ehrlich: Manchmal meint mans ja auch wirklich so. Auch der Ratschlag, nur über die eigenen Gefühle zu sprechen, ist ein probates Mittel, den anderen zu kränken. „Ich fühle mich gerade schlecht, nachdem Du dies oder jenes gesagt oder getan hast“ – ein scheinbar geschickter Vorwurf, gegen den der andere wehrlos ist.

Wenn ich Strategien verwende, bei denen anderen geschadet wird, so bin ich natürlich auch nicht glücklich damit. Es hilft also auch mir, nach Wegen zur Befriedigung meiner Bedürfnisse zu suchen, durch die andere keinen Schaden davon tragen bzw. sich verletzt fühlen. Das Ziel besteht also darin, konfliktärmere bzw. -freie Strategien für die Bedürfnisbefriedigung zu finden.

In der genaueren Beschreibung des Konzepts und der damit verbundenen Haltung beziehe ich mich hier vorwiegend auf das genannte Buch, das ein Gespräch von Marshall B. Rosenberg mit Gabriele Seils enthält.

Der Ausgangspunkt ist also der worst case: Es gibt Konflikte im zwischenmenschlichen Bereich oder sogar der Politik. Nun wird angenommen, dass Konflikte überall dort entstehen, „wo Menschen sich in ihren Bedürfnissen eingeschränkt fühlen“ (Rosenberg 2010: 4). Eine solche Situation soll verändert werden und dazu ist eine sprachliche Verständigung wesentlich. Bisher hindert uns die gesellschaftliche Tradierung aus alten Zeiten häufig daran, unsere Bedürfnisse auf eine angemessene Weise auszudrücken. Dies will Gewaltfreie Kommunikation überwinden. Wenn wir Gewaltfreie Kommunikation kennen lernen wollen, so reicht das Lesen von Büchern nicht aus, sondern das entsprechende neue Verhalten muss auch eingeübt werden und die entsprechende Haltung muss verinnerlicht werden.

Obwohl die Umsetzung wohl doch Anstrengungen erfordert, ist die Grundidee ganz einfach:

„Erstens: Beobachte dich selbst – was ist lebendig in dir? Und zweitens: Wodurch würde sich deine Lebensqualität verbessern, was würde dein Leben bereichern? Lerne diese beiden Dinge zu kommunizieren, ehrlich, ohne jegliche Kritik. Es sind nur diese beiden Fragen. Es geht darum, sie gegenüber anderen Menschen auszudrücken und entsprechende Informationen von seinem Gegenüber empathisch aufzunehmen.“ (Rosenberg 2010: 12)

Als Handreichung für das Einüben dieser Haltung gibt es eine Reihenfolge, die nützlich ist (vgl. Rosenberg 2010:15):

  1. Beobachten: Es geht darum, das die Debatte, den Konflikt auslösende Geschehen einfach nur zu benennen. Was ist der Auslöser? Dabei soll es noch nicht darum gehen, was jemanden daran stört, aufregt usw.
  2. Gefühle: Jetzt ist der Platz für Gefühle: Wie fühle ich mich mit der Situation? Wie fühle ich mich, wenn der andere sich auf die gegebene Weise verhält? Schon diese Trennung von Beobachtung und Gefühl ist hilfreich, um zu sehen, wie sehr meine Gefühle auch die Wahrnehmung der Tatsache oft schon beeinflussen.
  3. Bedürfnisse: Jetzt geht es um die Kerndimension der Gewaltfreien Kommunikation: die Bedürfnisse. Bedürfnisse sind dann befriedigt, wenn wir uns lebendig fühlen und werden dann nicht befriedigt, wenn unsere Lebendigkeit eingeschränkt wird. Im letzteren Fall entsteht die Frage: Wodurch würde sich meine Lebensqualität verbessern und ich mehr Lebendigkeit gewinnen?
  4. Bitte: Die Antwort auf die Frage, was mich lebendiger machen würde, wird nun als Bitte an mein Gegenüber formuliert. Dies sollte konkret, situations- und gegenwartsbezogen sein.

Zwei Zitate sind aus meiner Sicht richtungsweisend für das Ziel der Gewaltfreien Kommunikation:

„Willst du lieber Recht haben oder glücklich sein?“ (Rosenberg 2010:15)

„Ich denke, das Ziel im Leben ist nicht, immer glücklich zu sein, sondern all unser Lachen zu lachen und all unsere Tränen zu weinen.“ (ebd.: 18)

Literatur

  • Marshall B. Rosenberg (2010): Konflikte lösen durch Gewaltfreie Kommunikation. Ein Gespräch mit Gabriele Seils. Herder.
  • Marshall B. Rosenberg (2007): Das können wir klären. Wie man Konflikte friedlich und wirksam lösen kann. Junfermann.
  • Klaus-Dieter Gens (2007): Mit dem Herzen hört man besser. Junfermann.

Weiteres zur Kommunikation, speziell auch zur Gewaltfreien Kommunikation hier im Philosophenstübchen: