Quelle: BUND-Website

Im Zusammenhang mit den Heilsversprechen durch Nanotechnik spielt die Umweltfrage eine große Rolle. Nanotechnik soll die Umwelt retten, ohne unsere Konsummuster und Produktionsweise in Frage zu stellen. Rein technisch gibt es auch viele Möglichkeiten – aber es legen sich auch schwarze Schatten auf die grünen Versprechungen:

Die Versprechen werden etwa durch den „Nanotruck“ werbend zusammen gefasst:

  • Schadstoffentstehung vermeiden (durch effizientere Herstellungsverfahren mit weniger Nebenprodukten)
  • Schadstoffe besser zurückhalten (durch wirksame Bindemittel oder Hochleistungsfilter)
  • Schadstoffe besser nachweisen (durch Nanosensoren mit genauerer Unterscheidung bestimmter Stoffe)
  • Schadstoffe aus Boden, Wasser und Luft vollständiger, in kürzeren Zeiträumen und mit geringerem Kostenaufwand abbauen

Niels Boeing hat im Jahr 2008 über einige dieser Chancen in seiner Beitragsreihe „Grün, grüner, nano?“ berichtet.

Er meint, dass die „Nanotechnologien einen wichtigen Beitrag leisten“ könnten, „das gegenwärtige Wirtschaftssystem auf einen umweltverträglicheren Weg zu bringen.“ Niels Boeing nennt hier mehrere positive Beispiele, bei denen Nanomaterialien z.B. in Katalysatoren, in Akkus und mehreren anderen Anwendungen, bei denen Nanomaterialien als Beschichtung verwendet werden und zu Energie- und Materialersparnis führen. Erste Abschätzungen der Effekte sprechen von einer CO2-Einsparung für Großbritannien in 5 Jahren von 12 Millionen Tonnen (bei einem Gesamtausstoß von 3 400 Tonnen in diesem Zeitraum). Für die Bundesrepublik wird eine Senkung des Energieverbrauchs bis 2030 um 6,7 % durch Nanomaterialien prognostiziert, was 171 Terrawattstunden entspricht. Den Kernenergiestrom von 140,5 TWh, oder den Steinkohlestrom von 145 TWh könnte man damit schon ersetzen.

Dem muss natürlich eine Aufstellung der möglichen Risiken gegenüber gestellt werden. Das bezieht sich zunächst einmal auf die Problematik der Nanoteilchen (Synthetische Biologie, neuroelektrische Schnittstellen und Nanoroboter-Problematiken seien hier ausgeblendet.). Trotzdem war auch der kritische Blick auf diesen Teil der Nanotechnik bisher recht einseitig. Es wurde vor allem geschaut, inwieweit die fertigen Nanoteilchen gesundheitlich oder umweltmäßig riskant bzw. gefährlich sein könnten. Aber es gibt noch andere Gründe für den neuen Titel des aktuellen Beitrags (2010) von Boeing: „Nano: mehr schwarz als grün“.

Er bezieht sich dabei auf einen Report der Organisation „Friends of the Earth“ mit dem Titel: „Nanotechnology, climate and energy: over-heated promises and hot air?” .Diese Studie macht gleich am Anfang darauf aufmerksam, dass die allermeisten Nanoanwendungen nicht direkt dazu entwickelt wurden und werden, die Energieeffizienz zu steigern oder den ökologischen Fußabdruck der Produkte zu verringern, sondern es werden Konsumgüter mit neuen Funktionalitäten entwickelt, wodurch die ökologische Last insgesamt eher steigt. Um dies genauer zu analysieren, wurden Lebenszyklusanalysen durchgeführt. Bei allen üblicherweise optimistisch beworbenen Einsatzmöglichkeiten von Nanotechniken in umweltrelevanten Bereichen zeigen sich neben dem Licht auch sehr, sehr großen Schattenbereiche. Ich beziehe mich im folgenden lediglich auf das Beispiel der Nanosolarzellen:

Es bestehen große Hoffnungen darin, dass nanobasierte Techniken im Zusammenhang mit neuen Solarzelltypen, die diese Techniken maximal ausnutzen, die Kosten für die Photovoltaik enorm senken und die Anwendungsmöglichkeiten ausweiten könnten. Gleichzeitig versprechen theoretische Rechnungen und Laborexperimente eine Steigerung des Wirkungsgrads. Eine funktionierende Nanotechnik würde hier eine wahre Revolutionierung der Solarzellentechnik mit sich bringen: Einerseits würde der Wirkungsgrad von Solarzellen, insbesondere auch bei nicht optimaler Einstrahlung, sich erhöhen, andererseits ist die Herstellung der nanobasierten Solarzellen selbst kostengünstiger als die jetzigen Techniken für siliziumwaferbasierte Solarzellen (insbesondere, weil bei den angewandten Drucktechniken keine teure Vakuumtechnik benötigt wird).

Prognose der Entwicklungsdynamik verschiedener Solarzellengenerationen

Die Praxis liegt noch weit hinter diesen Versprechung, Probleme macht vor allem das Hochskalieren der Laborergebnisse in die industrielle Praxis. Diese derzeitigen Probleme können dazu verleiten, diese Technik zu unterschätzen. Dazu kann derzeit auch beitragen, dass die Kosten für die siliziumbasierten Solarzellen in den letzten Jahren enorm gesunken sind und der Kostenvorteil deshalb nicht mehr so groß erscheint. Trotzdem ist es auch möglich, vor allem, wenn die Anwendungsfelder sich ausweiten (Fassaden, flexible Solarzellen auf Reisetaschen etc.), dass sich neuartige Konzepte durchsetzen und die jetzige Technologie wie die einstige Motorkutsche in die Geschichte eingeht, die nur eine Durchgangsetappe zum modernen Automobil war.
Nun aber genug der Begeisterung. Entwicklungsprobleme wie die noch ungenügenden Wirkungsgrade von Nano-Solarzellen (6-13 % im Vergleich zu 17 bis 23 % Siliziumsolarzellen) und die Probleme mit der Skalierbarkeit könnten behoben werden. Eventuell auch das der geringen Lebensdauer. Nicht behoben werden kann allerdings das Problem der geringen und abnehmenden Verfügbarkeit von vielen benötigten Materialien (Indium, Gallium, Selen, Telluride…) und der recht hohen Toxizität (z.B. Cadmium, Titanoxid, Nanosilber, Kohlenstoff-Nanotubes). Aber es gibt noch ein weiteres, ganz grundlegendes Problem: In der Studie von „Friends of the Earth“ wird besonders betont, dass die Herstellung der Nanomaterialien sehr energieaufwändig und ev. auch umweltschädlich ist. Natürlich ist es bisher kaum möglich, vollständige Lebenszyklusanalysen durchzuführen. Aber speziell für die farbstoff- und fullurenbasierten Nanosolarzellen muss festgestellt werden (Studie, S. 18):

  • hoher Energie- und Materialverbrauch bei der Herstellung der Nanopartikel
  • recht geringer Wirkungsgrad bei der Umwandlung der Sonnenenergie
  • relativ kurze Lebensdauer
  • Nutzung relativ seltener und schlecht recycelbarer Materialien.

Der hohe Energie- und Materialverbrauch beruht z.B. bei den Kohenstoffnanotubes auf einer großen Prozesswärme und einer sehr geringen Ausbeute mit sehr hohem Reinigungsaufwand, wobei viel Energie verbraucht wird. 99,9 % der eingesetzten Materialen werden zu eventuell giftigem Müll, nur der Rest sind die erwünschten Produkte. Es werden auch viel Wasser benötigt und giftige Chemikalien verwendet. Auch wenn sich die Effektivität dieser Prozesse noch um das zehnfache erhöhen sollte, bleibt der Energieaufwand höher als bei der Aluminiumproduktion. 1 Kilogramm Nanotubes können die Energie von 167 Barrel Öl enthalten- oder andersherum: In 63 kg Nanotubes steckt die Energie der Hiroshima-Explosion! Ein Gramm Nanotubes erhöhte das Potential der globalen Erwärmung ebenso wie 40,62 Gramm Methan, das 56 mal wirksamer ist als CO2. Bei der Produktion von Nanoteilchen aus Titandioxid werden 3 bis 6 mal so viel CO2-Emissionen als bei der Erzeugung von normalem Titandioxid erzeugt.

Während Niels Boeing noch vor zwei Jahren davon ausging, dass „der effiziente Umgang mit Stoffen“ der Nanotechnik „gewissermaßen ins Programm eingeschrieben“ ist, vermutet er 2010 vor allem bezüglich des hohen Energie- und Materialverbrauchs, „dass es sich um ein generelles Problem von Nanotechnologien handelt“. In der Studie der „Friends of the Earth“ wird sogar befürchtet, dass die immensen Fördermittel, die im Bereich „Nanotechnikanwendungen im Energie- und Umweltbereich“ ausgegeben werden, der Umwelt nicht helfen – aber eine neue Generation von Umwelt- und Gesundheitsgefahren hervorbringen. Wenn die Nanotechnik getrennt wird von ihren ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Aspekten, so besteht die Gefahr, dass Nanotechnik zu „einem Nanoschritt vorwärts – mehreren Schritte rückwärts“ führt. Die Konzentration auf alleinige Technikfortschritte im Interesse der reichen Industriestaaten vergrößert die Kluft gegenüber den anderen Regionen in der Welt. Sie führt wahrscheinlich zu mehr Warenproduktion und damit zu mehr Energie- und Materialverbrauch entsprechend dem herrschenden Konsummustern.

Diese Einordnung in den gesellschaftlichen Kontext ist auch wichtig für nanotechnikkritische Ansichten. Es sind nicht die nano-kleinen Dimensionen unseres menschlichen technischen Handelns, die per se zu den genannten Problemen führen – sie sind es unter unangemessenen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.

Deshalb unterstütze ich auch angesichts der tiefschwarzen Schatten, die sich auf das grüne Image von Nanotechniken legen, Niels Boeing in seinen abschließenden Bemerkungen:

„Wenn grüne Nanotechnologien derzeit eher schmutzig als nachhaltig sind, sollte man sie nicht abschreiben, sondern sie endlich in eine umfassende Roadmap einbetten. Ein Allheilmittel für Nachhaltigkeit sind sie sicher nicht – aber ein wichtiger Baustein, auf den wir nicht verzichten sollten.“