So sieht eine technische Utopie aus: Neben einem Elektromotor und einem hydraulischen Getriebe soll der Hauptrahmen dieses E-Riders mit einer photoaktiven Schicht versehen sein, die auch Solarenergie zum Antrieb und für die technischen Spielereien dieses High-Tech-Geräts nutzt. Diese Schicht wird über eine Nanoteilchen-Tinte aufgetragen.

Nanotinten sind auch die erste Anwendung der Nanotechnik, die im Bereich der Solarzellen bekannt wurden.

Das Thema von nanotechnikbasierten Solarzellen wurde vor allem bekannt durch spektakuläre Ankündigungen, Solarzellen könnten bald wie Lack aufgetragen oder sogar auf Papier gesprayt werden. Vor allem die Firma Nanosolar machte durch immer neue Ankündigungen von extrem kostengünstigen gedruckten Solarzellen von sich reden. Die Idee hat es tatsächlich in sich: Wenn es gelingt, Solarzellen mit einem viel geringerem technischen Aufwand herzustellen als bisher, könnte ein Durchbruch in Richtung einer Weltenergieversorgung mit erneuerbaren Energien erzielt werden.

Der Übergang von ersten Funktionsnachweisen im Labor zur industriemäßigen Produktion war jedoch schwieriger als vorhergesehen, deshalb hat sich die Euphorie inzwischen auch etwas gelegt. Trotzdem sollten die bisherigen Ergebnisse und die Chancen weiterer hartnäckiger Forschungs- und Entwicklungsarbeit nicht unterschätzt werden.

Es gibt verschiedene Ansätze, für Silizium- und Kupfer-Indium-Gallium-(Di)Selenid (CIGS)-Dünnschichtsolarzellen die Absorberschichten nicht mehr im Vakuum zu beschichten, sondern mittels nanoteilchenbasierten Tinten aufzubringen. Hier werden die Ansätze mit Siliziumtinte von Innovalight, mit GIGS-Tinten von Brian Korgel, ISET und Nanosolar vorgestellt – weitere Ansätze wie von HelioVolt wären zu nennen.

Es ist sicher kein Zufall, dass bei diesen Nanotinten als ersten Nanoanwendungen im PV-Bereich nicht primär auf optische oder elektrische Effekte aus den Nanoeigenschaften der Teilchen gesetzt wird, sondern zunächst erst einmal auf ihre mechanischen Eigenschaften (Herstellbarkeit als Tinte, bei gleichzeitiger Nutzung der gleichen Größe, was eine bessere Kristallisierung verspricht). Zwar werden in Verlautbarungen oder Patenten auch Nanoeffekte wie die „Multi-Excitonen-Generation“ (MEG, dazu siehe später) genannt, aber diese waren nicht die Hauptmotivation der Entwicklung der Nanotinten, sondern viel „einfachere“ Grundkonzepte.

Silizium-Nanotinte von Innovalight

Die Firma Innovalight entwickelte druckbare Siliziumtinten, die sie für die Erzeugung von selektiven Emittern anbietet (vgl. Patent US 000007 615 393 B1). Selektive Emitter sind eine Weiterentwicklung der Standardsolarzelle, bei der Rekombinationsverluste im Emitter vermieden werden (Rentzing 2010). Das hat erst mal noch nichts mit Nanotechnik zu tun. Nano kommt bei der Herstellung der Siliziumtinte ins Spiel. Die Siliziumtinte wird hergestellt, indem aus einem Siliziumprecursor („precursor“=Vorläuferstoff) Silizium-Nanopartikel hergestellt werden, die sich durch eine sehr einheitliche Größenverteilung auszeichnen (vgl. Patent WO 002008 030966 A1). Die Größe dieser Siliziumnanopartikel, die bis zu 2 nm klein sein können, ist genau regelbar und dies erweist sich als wichtig für die Herstellung stabiler Tinten und Schichten bei niedrigen Temperaturen (Antoniadis 2009). Nano-Siliziumtinte der Firma Innovalight (Quelle: Website)

Die für Inkjetprinter optimierte Tinte wird nach dem Drucken thermal getrocknet und bietet gleichzeitig eine automatische Mustererkennung für das Sreenprinten der Silberkontakte. Es wurden Wirkungsgradsteigerungen um ca. 1% erreicht (ebd.). Aufstrebene Solarfirmen wie JA Solar und Yingli Solar kooperieren bereits mit Innovalight. Diese Technik steht für mono- wie auch multikristalline Wafer zur Verfügung. Angestrebt werden Zellwirkungsgrade von 20%, erreicht wurden im ersten Quartal 2010 bereits 19%.

Selektive Emitter per Si-Nanotinte erfordern nur einen zusätzlichen Prozessschritt in der Silizium-Wafer-Solarzellenproduktion (Quelle: Dessau 2010)

Neben dem Einsatz für selektive Emitter eignet sich die Drucktechnik insbesondere auch für die Emitterausbildung für Solarzellen, bei denen beide Kontakte auf die Rückseite verlagert sind – ein entsprechend „passendes“ Patent von Richard M. Swanson liegt beispielsweise von Sunpower vor (US 2008/0121279 A1).

Es wird inzwischen auch berichtet (NREL 2007), dass die Nanopartikel von Innovalight einen wichtigen Quanteneffekt zeigen: Pro Photon wird nicht nur ein Elektron-Loch-Paar erzeugt, sondern mehrere (Multiple exciton generation – MEG, siehe später).

Andere Patente von Innovalight (bspw. US 7,521,340 B2) zeigen die Erzeugung dünner Si-Schichten mit Hilfe der Nanotechnik, wodurch traditionelle CVD (Chemical vapour deposition)-Techniken abgelöst werden können und auch ganz neuartige Materialien verarbeitet werden können. Dabei sind die Nanoteilchen zuerst in einer Lösung, deren flüssige Anteile nach dem Druck durch Wärme entfernt werden. Das danach entstehende poröse Material wird durch weitere Erhitzung verdichtet zu der erwünschten Dünnschicht.

Ausbildung dünner Schichten aus Nanoteilchen
(Patent US 7,521,340 B2 von Innovalight)

Aus solchen Schichten lassen sich dann ganze Solarzellen drucken (Patent WO 2008/039757):
Technologie:
Aus einer Nanoteilchen enthaltenden Lösung gedruckte Solarzelle
(Patent WO 2008/039757 von Innovalight)

CIGS-Nanotinten

Kupfer-Indium-Gallium-(Di)Selenid (CIGS)-Solarzellen gehören zu den eingeführten Dünnschichtsolarzellen. Sie erreichen im Labor bereits Wirkungsgrade um 20 % und Module erreichen 10-12%. Für diese Solarzellen gibt es bereits seit längerer Zeit vielfältige Versuche, die aufwendigen Vakuum-Beschichtungstechniken für die Absorberschicht durch druckbare Materialien zu ersetzen.


CIGS-Solarzelle  (Quelle: leicht verändert nach Wikipedia)

Brian Korgel

Eines der vielversprechendsten Ansätze für nanobasierte Solarzellen ist die Entwicklung von Solarzellen, die gedruckt werden können wie Zeitungen und die als Wandfarbe aufgetragen werden können. In diese Richtung forscht beispielsweise Brian Korgel von der University of Texas. Brian Korgel patentierte eine Methode, bei der z.B. ca. 12 nm kleine Nanopartikel aus den erforderlichen Absorbermaterialien auf fast beliebige Oberflächen gedruckt, gesprayt oder anders aufgetragen werden können (WO 2009/137637).

Eine Nachbehandlung durch Trocknen in einer Vakuumkammer, Behandlung durch Sauerstoffplasma u.ä. ist anschließend notwendig. Im Jahr 2009 erreichten die Forscher um Brian Korgel einen Wirkungsgrad von 1%, 2011 bereits 3% (Quelle). Korgel ist optimistisch und hofft in wenigen Jahren den Wirkungsgrad auf 10% erhöhen zu können. (Quelle)

ISET

Die Firma International Solar Electric Technology (ISET) entwickelte ebenfalls eine nanobasierte Drucktechnik für CIGS-Solarzellen.

Nanotinte für CIGS-Solarzellen von ISET (Quelle: Firmenwebsite)

Die CIGS-Nanopartikel werden in einer Tinte aufgebracht, dann durch H2 reduziert und dann einer Selenisierung durch H2Se ausgesetzt (vgl. auch Patent US 000005 985 691 A).

Ein besonderer Vorteil dieser Technik besteht darin, dass kein Materialabfall entsteht wie bei den traditionellen Techniken, bei denen mindestens 50% des eingesetzten Materials nicht in der Solarzelle landen.

Nanosolar

Mit der ersten scheinbar industrietauglichen Nano-Druck-Technik machte das Unternehmen Nanosolar Furore. Es zog Hoffnungen auf sich, enttäuschte diese aber lange Zeit regelmäßig. Der langjährige Firmenchef Martin Roscheisen wurde gar als „Ankündigungsweltmeister“ tituliert. Vorwiegend im Zusammenhang mit dieser Firma wurde die „Nanotech-Revolution in der Solarenergie“ ausgerufen. Ein ausführlicher Bericht erschien beispielsweise 2007 in „bilder der wissenschaft“ (Bernreuter 2007).


Nanotinte für CIGS-Solarzellen von Nanosolar (Quelle: Firmenwebsite)
Der besondere Gag besteht darin, dass die für eine Solarzelle wichtigen Materialschichten nicht mühsam in großen Vakuumanlagen mittels recht komplexer und langsamer Beschichtungsprozesse aufgebracht werden müssen, sondern in normaler Umgebung „einfach aufgedruckt“ werden können. Dadurch können die Kosten überdurchschnittlich gesenkt werden.
Die ersten Patente wurden 2001 angemeldet, so z.B. das Patent US 6,268,014 zur Formierung von Solarzellenmaterial durch Teilchen. Die Herstellung der Nanopartikel wird z.B in Patent US 2008 014 208 beschrieben. Der bei ISET eingesetzte Zwischenschritt mit dem H2Se-Gas kann hier eingespart werden. Neben der Vereinfachung des Produktionsprozesses insgesamt (Drucken statt Vakuumbeschichtung) ergibt sich hier ein weiterer Vorteil der Nanopartikel: Die Partikel sind ungefähr gleich groß, schmelzen bei ungefähr derselben Temperatur und bringen deshalb einheitlichere kristalline Phasen hervor.
Dünnschicht aus Nanopartikeln (Patent US 6,268,014)

Das Patent erwähnt weitere wichtige neue nanobasierte Eigenschaften von Nanoteilchen wie das Quantum-Confinement – die in der vorgestellten Technik allerdings letztlich keine Rolle spielen.

Nanotinte für CIGS-Solarzellen von Nanosolar (Quelle: Firmenwebsite)


SEM (scanning electron microscope)- Aufnahme eines Nanosolar-CIS-Films
(Quelle: Nanosolar 2007)

Die mit photoaktiven Schichten  bedruckten Folien werden  in der Fabrik in San Jose, Kalifornien, hergestellt – in der bundesdeutschen Kleinstadt Luckenwalde wurde eine Fabrik eröffnet, in der aus den bedruckten Rollen Solarmodule hergestellt werden. Die Herstellungskosten wurden mit 0,30 US-$ pro Watt geplant und ab Dezember 2007 wurden CIGS-Zellen für nur 0,99 US-$ pro Watt versprochen. Der Wirkungsgrad soll bei über 14 % liegen. Eine Drucklinie sollte aufgrund ihrer bedeutend höheren Schnelligkeit fast alle konventionellen Photovoltaikwerke in Deutschland ersetzen können.

Visionen schienen sich zu erfüllen. Eine Drucklinie sollte in einem Jahr so viele Solarzellen drucken können, dass damit ein Atomkraftwerk überflüssig wird. In 10 Jahren hätten wir mit diesen Solarzellen den gesamten Planeten auf Solarstrom umstellen können.

„Im Prinzip braucht man nur 1000 dieser Maschinen, Silizium (Sand) und Alufolie.“ (Quelle )

Aber es wurde bald klar, dass man diese Solarzellen nicht einfach bestellen kann und als sich die Marktführer der Dünnschichtszene auf einer Konferenz trafen, hatte nur der CEO von Nanosolar, der vollmundige Martin Roscheisen, kein vorzeigbares Panel dabei. Die PV-Zeitschrift PHOTON vom Januar 2009 wird dem „Ankündigungsweltmeister“ sein „lautstarkes Schweigen“ ziemlich süffisant vorgeworfen (Papathanasiou 2009). Ende 2006 wollte Nanolar  ein fertiges Modul dem Technikmuseum in San Jose vermachen und eins bei eBay versteigern. Die Versteigerung wurde wegen eines Verstoßes gegen die Geschäftsbedingungen abgebrochen und das Museum hat das Modul wohl auch nicht zu sehen bekommen. Von Experten werden grundsätzliche Zweifel an der Wirkfähigkeit der hergestellten Solarzellen geäußert und auf jeden Fall wurden wohl die Schwierigkeiten bei der Hochskalierung vom Labormaßstab in die Industrie unterschätzt. Über das Hin und Her der Spekulationen berichtet beispielsweise der Blog von Edgar A. Gunther.
Seit 2005 wollte Nanosolar Photovoltaik-Preisführer werden – dies konnte durchaus als Angriff auf die gesamte sich gerade etablierende weltweite Photovoltaikindustrie auf Siliumwaferbasis oder traditioneller dünner Schichten verstanden werden. Deshalb waren die Reaktionen auf die nicht eingehaltenen Versprechen nicht nur bedauernd.

Aus Luckenwalde gab es ständig positive Zeitungsmeldungen: Mitte 2007 ersteigerte Nanosolar eine entsprechende Halle, ab 19.12.2007 soll die Produktion aufgenommen worden sein. Es wird berichtet, dass nur an Großkunden geliefert würde – an welche, ist bis heute unklar. Dann aber gabs eine neue Entwicklung: Im Jahr 2008 beschloß Luckenwalde, eine PV-Anlage auf einer ehemaligen Mülldeponie zu errichten, die für die Nanosolar-Solarmodule als Referenzobjekt genutzt werden kann. Am 20.5.2008 erfolgte die Grundsteinlegung.

Im August 2010 wurde schließlich die Fertigstellung eines 1,1 MW Solarparks mit Nanosolar-Panels gefeiert. (Quellen 1 ,2) Ausgerechnet diesen Triumph über alle Zweifler kann Martin Roscheisen nicht mehr als CEO von Nanosolar feiern, denn seit Ende März ist er nicht mehr Vorstandsvorsitzender, sondern Geoff Tate (Quelle). Der „bewährte Industrieveteran“ wurde gebraucht, um nun doch endlich die Massenproduktion anzuwerfen, wie in der Zeitschrift PHOTON (Mai 2010, S. 90) etwas hämisch bemerkt wird.
1,1 MW-Solarpark mit Nanosolarpanels (Quelle: Nanosolar-Website)

Ein weiterer geplanter Solarpark in dieser Gegend wird –entgegen den Erwartungen – nicht mit Nanosolarpanels bestückt, sondern mit a-Si-Panels der Firma Masdar PV (Quelle).

Das Vorgehen, keine Panels auf den freien Markt zu liefern, sondern nur mit wenigen engen Partnern zu verbauen, ermöglicht natürlich auch niemandem eine unabhängige Qualitäts- und Ausbeuteabschätzung. Gunther vermutet, der Produktionsprozess habe eine nur sehr geringe Ausbeute (und er fragt, wo der ganze Abfall landet) und für die Solarparkpanels berechnet er einen Wirkungsgrad der Module von um die 8%.

Es ist spannend, diese Entwicklung weiter zu verfolgen.

Die Idee mit dem Nanosolar-Rahmen am Fahrrad wird aber wohl trotzdem eher eine Schnapsidee bleiben. Wer mag, kann sich ja mal ausrechnen, wieviel Fläche da zur Verfügung steht und was da als Strom rauszuholen wäre…