Ich habe nicht vor, das gesamte „Kapital. Zweiter Band“ von Karl Marx darzustellen. Aber ich beginne mal, weil ich eh gerade dabei bin, das für unsere Lesegruppe vorzubereiten. Nach der Darstellung der Stellung der Thematik „Zirkulation“ in der Gesamtstruktur des Werks „Das Kapital“ geht es nun los mit:
Erster Abschnitt: Die Metamorphosen des Kapitals und ihr Kreislauf
In der Zirkulation des Kapitals drückt sich aus, dass das Kapital keine statische Gegebenheit ist, sondern „ein Prozeß, in dessen verschiednen Momenten es immer Kapital ist.“ (MEW 42: 183).
„Das Kapital wird abwechselnd Ware und Geld [… es ist] selbst der Wechsel dieser beiden Bestimmungen.“ (MEW 42: 186)
Der Abschnitt „Die Metamorphosen des Kapitals und ihr Kreislauf“ unterteilt sich in verschiedene Kapitel und im 1. Kapitel werden die 3 Stadien des Kreislaufs des Geldkapitals erläutert. In diesem Blogbeitrag werde ich nur bis zum Abschluss des 1. Stadiums (Kreislauf des Geldkapitals) kommen.
Die Argumentationsweise dringt auch hier von den Erscheinungen zum Wesen vor. Die Prozesse der Zirkulation können nur verstanden werden, wenn ihre Voraussetzungen in den Blick kommen: die vorausgesetzten Klassenverhältnisse (mehr dazu gleich).
Was uns jetzt interessiert, ist der Kreislauf des Geldkapitals, denn „Geld ist die erste Form, worin das Kapital als solches erscheint.“ (MEW 42: 178). Es geht hier um Kapital lediglich in der Form als Geld, und dies ist lediglich eine Erscheinung des Kapitals, noch nicht die „ganze Wahrheit“. Der Kreislauf des Geldkapitals kann mit folgender Symbolik beschrieben werden:
Das Symbol G steht für Geld, W für Waren und die gestrichenen Formen G‘ und W‘ für jeweils erhöhte Mengen. Bereits vor dem Kapitalismus wurde gab es Handelskapital, das kauft, um zu verkaufen, wobei die Produktionsweise noch nicht durchgehend von der Produktion für den Tausch bestimmt ist. (vgl. MEW 42: 178)
Der Kreislauf unterteilt sich in drei Phasen:
- Der Kapitalist schießt Kapital in Geldform vor, um bestimmte Waren einzukaufen, nämlich Produktionsmittel und Arbeitskräfte. Dabei muss das Verhältnis von Arbeitskräften zu Produktionsmitteln genau darauf abgestimmt sein, dass für eine bestimmte Menge an Arbeitskräften genau die richtige Menge an Produktionsmitteln zur Verfügung steht.
- Das Kapital, das jetzt in Form von Produktionsmitteln und Arbeitskräften vorhanden ist, wird produktiv konsumiert, im Produktionsprozess werden neue Waren mit mehr Wert erzeugt. Kapital ist dann „produktives Kapital“ (MEW 24: 34), wenn es mehrwertschaffend eingesetzt wird.
- Die produzierten Waren werden verkauft, gegen Geld eingetauscht.
Gleichheit, Freiheit und Klassenverhältnis
Auf dieser Ebene der Zirkulation sind Käufer und Verkäufer jeweils gleichgestellt und die gegenseitige Übergabe ihrer Waren geschieht freiwillig und wird nicht durch Gewalt erzwungen. Dies ist die Grundlage für die spezifisch kapitalistisch-bürgerliche Gleichheit und Freiheit. Bleiben wir auf dieser Betrachtungsebene stehen, gibt es am Kapitalismus nichts auszusetzen. Alle sind gleichermaßen frei:
„Es ist unmöglich, irgendeinen Unterschied oder gar Gegensatz unter ihnen auszuspüren, nicht einmal ihre Verschiedenheit.“ (MEW 42: 167)
Der Unterschied wird erst auf den zweiten Blick deutlich: Hier bei der Unterteilung der vom Geldkapital gekauften Ware als Arbeitskraft und Produktionsmittel. Beide sind, abstrahiert von ihrem Unterschied, dasselbe: Waren. Und insofern man das Geld nur als Geld betrachtet (und nicht das Geldkapital in seiner Kapitalfunktion), erscheinen sie auch als Gleichberechtigte. Aber ihr Unterschied ist einer ums Ganze, einer, der sich als Gegensatz erweist: Sobald die Arbeitskräfte ihrer Lebens- und Produktionsmittel beraubt sind (sie wurden es in der „sog. ursprünglichen Akkumulation“ (MEW 23: 652) und werden es auch heute noch durch die „Globalisierung“ immer umfassender), entsteht unter der an der Oberfläche erscheinenden Gleichheit ihr Gegensatz:
Das zeigt sich auch in der jeweiligen Position der Menschen, die jeweils Eigentümer an Produktionsmitteln (bzw. Geldkapital) sind bzw. Eigentümer ihrer Arbeitskraft. Die einen können durch den Kauf von Produktionsmitteln und Arbeitskräften die gesellschaftliche Produktion in Gang setzten, insofern sind sie die Herrschenden, sie haben die Macht, über den Zweck der Produktion zu bestimmen.
Die anderen, die ihrer Lebens- und Produktionsmittel beraubt wurden, die nur noch ihre Arbeitskraft besitzen, können sich erst dann produktiv betätigen, wenn sie diese Arbeitskraft verkaufen und dann durch die Kapitalisten „in Verbindung mit den Produktionsmitteln“ gebracht werden. (MEW 24: 36).
Die Arbeitskraft stellt eine Fähigkeit zur Arbeit bereit, sie ist Arbeit der Möglichkeit nach, aber im Zustand der Trennung von den Produktionsmitteln kann sie nicht wirklich werden.
„Wirklichkeit wird er [der Gebrauchswert der Arbeitskraft] erst, sobald er vom Kapital sollizitiert, in Bewegung gesetzt wird, da Tätigkeit ohne Gegenstand nichts ist […].“ (MEW 42: 193)
Wenn sie dann unter dem Befehl des Kapital wirklich wird, also als gekaufte Produktionselemente zusammen wirksam werden, treten die Produktionsmittel „dem Besitzer der Arbeitskraft gegenüber als fremdes Eigentum“ (MEW 24: 37).
An dieser Stelle versuch(t)en nun die Konzepte der Beseitigung, d.h. der Aufhebung der kapitalistischen Verhältnisse mit ihren Vorstellungen vom „gesellschaftlichen Eigentum“ oder den Commons (siehe auch den Commons-Blog) den Hebel anzusetzen: Die Trennung zwischen Arbeitskräften und ihren Lebens- und Produktionsmitteln muss wieder aufgehoben werden.
Einen anderen Zugang zu dieser Fragestellung erhält man, wenn man nicht nur berücksichtigt, dass vorhandene Produktionsmittel nicht im Besitz der Arbeitenden sind, sondern dass es möglich sein kann, neu hergestellte Produktionsmittel im Besitz der Arbeitenden (bzw. von selbstorganisierenden Kooperativen) bleiben, d.h. als Nicht-Privateigentum hergestellt und verteilt wird. Solche Formen der Produktion stellen derzeitig die Produktion Freier Software und von Gütern unter der Creative-Commons-Lizenz dar.
(siehe hierzu den Kommentar von Stefan Mz.)
Dabei wird davon ausgegangen, dass nicht das gesamte Arbeitsvermögen der Menschen als Arbeitskraft durch das Geldkapital gekauft wird, sondern dass den Menschen zusätzliches Arbeitsvermögen zur Verfügung steht (vgl. dazu meinen früheren Blogbeitrag „„Arbeitsvermögen“ als kritisch-utopische Kategorie“).
Wir sehen also, dass schon im 1. Stadium des Kreislaufs des Geldkapitals, wenn wir das Wissen aus dem 1. Band des Kapitals mit einbeziehen, vielseitige Erkenntnisse erwachsen. Vor allem zeigt sich dass wir immer wieder von den Erscheinungen zum tiefer liegenden Wesen vordringen müssen, wenn wir die grundlegenden Gegensätze und Widersprüche dieser Gesellschaft begreifen wollen und uns nicht mit dem oberflächlichen Schein von formaler Gleichheit und Freiheit zufrieden geben wollen (obgleich dieser real existierende Schein gegenüber historisch früheren Zuständen mitunter durchaus auch als Fortschritt zu werten ist).
Insgesamt gilt:
„Im Ganzen der vorhandnen bürgerlichen Gesellschaft erscheint dieses Setzen als Preise und ihre Zirkulation etc. als der oberflächliche Prozeß, unter dem aber in der Tiefe ganz andre Prozesse vorgehn, in denen diese scheinbare Gleichheit und Freiheit der Individuen verschwindet.“ (MEW 42: 173)
Geld ist nicht identisch mit Kapital
Eine wichtige Unterscheidung taucht in diesen Ausführungen immer wieder auf: Obgleich Kapital Geldform annimmt, ist Geld nicht immer Kapital, denn „Das Geld als Kapital ist eine Bestimmung des Geldes, die über seine einfache Bestimmung als Geld hinausgeht.“ (MEW 42: 176). Marx selbst hatte schon in den „Grundrissen“ unterschieden:
Geld ist erst Kapital,
- „sobald das Kapital als Tauschwert gesetzt wird, der sich verselbständigt nicht nur gegen die Zirkulation, sondern sich in ihr enthält“ (MEW 42: 184) und dies geschieht nur da,
- „wo der Besitzer von Produktions- und Lebensmitteln den freien Arbeiter als Verkäufer seiner Arbeitskraft auf dem Markt vorfindet […].“ (MEW 23: 184)
Das den Kapitalismus Charakterisierende ist also nicht die Geldvermittlung – die gibt es zumindest schon vorher- sondern die Tatsache, dass Arbeitskräfte und Besitzer von Lebens- und Produktionsmitteln voneinander getrennt sind, d.h. die Arbeitskräfte ihrer Lebens- und Produktionsmittel beraubt wurden (d.h. wenn „Privatproduktion“) vorliegt.
Fundamental ist also nicht das Geld, sondern das Klassenverhältnis:
„Es ist nicht das Geld, mit dessen Natur das [Klassen-]Verhältnis gegeben ist; es ist vielmehr das Dasein dieses Verhältnisses, das eine bloße Geldfunktion in eine Kapitalfunktion verwandeln kann.“ (MEW 24: 37)
Deshalb reicht es nicht aus, die Kapitalismuskritik als Geldkritik zu formulieren:
„Solange die Operationen gegen das Geld als solches gerichtet sind, ist es bloß ein Angriff auf Konsequenzen, deren Ursachen bestehn bleiben […].“ (MEW 42: 166)
Beim Thema Geld entsteht außerdem folgender Unterschied: Eine Ware, die der Kapitalist mit Kapital in Geldform einkauft, ist die Arbeitskraft. Der Arbeiter kauft für dieses Geld Waren für seine Konsumtion. Für ihn ist das Geld ein bloßes verschwindendes Zirkulationsmittel“ (MEW 24: 35). Geld hat für Kapitalisten und Arbeiter eine unterschiedliche Funktion: für Kapitalisten dient es als Geldkapital (indem es den Kauf der Produktionsagentien ermöglicht und damit Voraussetzung für die Produktion ist), für die Arbeitskraft als verschwindendes Zirkulationsmittel, lediglich eingesetzt für die Konsumtion. Auf dieser Ebene zeigt sich übrigens die Begrenzung einer Strategie, die über das Konsumverhalten die Produktion(z.B. in Richtung sozialer Produktionsbedingungen, ökologischer Produktion) steuern will. Geld ist nicht gleich Geld, sondern Kapital als Geld herrscht auf einer fundamentaleren Ebene als Zirkulationsgeld beim Konsumieren.
August 10, 2011 at 12:36 am
„Auf dieser Ebene zeigt sich übrigens die Begrenzung einer Strategie, die über das Konsumverhalten die Produktion (z.B. in Richtung sozialer Produktionsbedingungen, ökologischer Produktion) steuern will. Geld ist nicht gleich Geld, sondern Kapital als Geld herrscht auf einer fundamentaleren Ebene als Zirkulationsgeld beim Konsumieren.“
Es gibt m.E. viele Gründe, Grenzen des sozial bzw. ökologisch refektierten Konsumierens auszutesten, sie auf diese Weise aufzudecken (und damit auch besser verschieben zu können) usw. All das kann gegebenenfalls einfließen in den Gedanken an die Notwendigkeit einer weltkomunistischen Steuerung der Produktion. Aber welche Bedeutung in dieser Angelegenheit die Tatsache haben soll, dass Geld für Kapitalgesellschaften, nicht aber für den Endverbraucher Kapital ist, ist mir nicht einsichtig. heißt: ich versteh’s nicht. Wie ist das gemeint?
August 10, 2011 at 8:48 am
Gemeint ist damit, dass die Möglichkeiten der Einflussnahme eben nicht gleichberechtigt sind, wie es erscheint, sondern dass Geld als Kapital eine grundlegendere, durch „Konsumgeld“ nicht aufzuhebende, Machtposition begründet.
August 10, 2011 at 8:54 am
Du schreibst:
Wenn man von bestimmten Software-Arten absieht, die tatsächlich Produktionsmittel sind, sind die meisten Freien Produkte eher als Konsumgüter einzuschätzen. Die Produktionsmittel, mit denen die Freien Güter (im Sinne Freier Software und der CC-Lizenzen) hergestellt werden, sind in der Regel immer noch Privateigentum. Gleichwohl werden sie dafür genutzt, Freie Güter herzustellen und keine Waren. Bis zu Produktion von Freien Produktionsmitteln ist noch einiges an Weg zurückzulegen. Hierbei zeigt sich aber: Die Eigentumsform allein sagt noch nichts aus über die Nutzungsweise. Auch privateigentümliche Mittel können als Commons-Ressourcen eingesetzt werden. Umgekehrt heißt auch, dass der Fokus allein auf die Eigentumsfrage zur kurz greift. Entscheidend ist die reale Verfügung über die Mittel zur Herstellung unser Lebensbedingungen.
August 10, 2011 at 9:05 am
Letztlich geht es darum, ob die Trennung zwischen Verfügung über Lebens- und Produktionsmittel und Verfügung über die Arbeitskraft aufgehoben werden kann. Inwieweit sich das Privateigentümliche auch an den Commons als Pferdefuß zeigt, über die lediglich anders „real verfügt“ werden soll, werden wir sicher noch sehen.
August 10, 2011 at 10:53 am
Ich meine nicht, dass »lediglich« anders real verfügt werden müsse und das war’s. Bisher wurde nur die Realverfügung übersehen oder gering geschätzt (etwa im Realsoz.).
These: Im Verhältnis von Rechtsform und Sozialform hat die Sozialform den Primat.
August 10, 2011 at 11:10 am
Für die DDR war aber auch grundsätzlich eine andere Rechtsform gegeben. Wenigstens grundsätzlich war das Eigentum „gesellschaftlich“ – dies ermöglicht eine andere „reale Verfügung“ auf andere Weise als eine Rechtsform, in der das Eigentum grundsätzlich erst mal „privat“ ist und man dann mit allen Tricks arbeiten muss, um es zu „hacken“.
Zum Verhältnis von Rechts(Eigentums)form und Sozialform:
Wenn Du mit „Sozialform“ die Produktionsverhältnisse meinst, hast Du also recht.
Ansonsten gilt auch
August 10, 2011 at 3:23 pm
In der DDR gab es eine kollektive Rechtsform, aber real verkauften die Beschäftigten nur ihre Arbeitskraft und hatten keine wirkliche Verfügung. Die grundsätziche Ermöglichung einer anderen Real-Verfügung war abstrakt, aber nicht konkret.
Um auf dem privat-eigenen Computer Freie Software herzustellen, muss man erstmal nicht mit Tricks arbeiten. Die Tricks (wie das Copyleft bei der GPL) kommen erst beim Produkt ins Spiel, um dessen freie Verfügbarkeit etc. zu schützen.
Produktionsverhältnisse werden traditionell wesentlich als Eigentumsverhältnisse verstanden. Damit gerät die Sozialform (oder gesellschaftliche Vermittlungssform) aus dem Blick. Auch in dem Engelberg-Zitat geht das unter. Darin besteht das Problem: Die Rechtverhältnisse sagen erstmal nichts über die Form der gesellschaftlichen Vermittlung aus. Auch der Klassenbegriff sagt darüber nichts aus.
August 12, 2011 at 3:49 pm
Ich habe immer noch Probleme damit, die Ebene, auf der Du von „Sozialformen“ sprichst, zu bestimmen. Das ist irgendwie eine Chimäre, die sich nicht zwischen Produktionsverhältnissen und Kooperationsbeziehungen (entsprechend der Unterscheidung aus der KritPsych) entscheiden kann, aber auch nicht grad eine geeignete Vermittlungskategorie ist.
Das Problem, was ich habe ist: Gesellschaftliches Eigentum an Pm ist grundsätzlich kompatibel mit der sozialen Form der Verfügung der Menschen über ihre Lebens- und Produktionsmittel (leider war es auch kompatibel mit der Form als Staatseigentum). Ist die kapitalistische Eigentums- und Rechtsform, sind die kapitalistischen Produktionsverhältnisse in gleicher Weise kompatibel mit der sozialen Form „Commons“ oder stehen die nicht eher in gegensätzlicher Position dazu, bei der man lediglich unter Ausnutzung der „doppelten Funktionalität“ als Keimform überlebt?
Bei sozialistischen ETV (Gesellschaftliches Eigentum) wäre ein Wechsel der sozialen Form ohne Aufhebung der Gesellschaftsform möglich (gewesen), bei Kapitalismus ist es noch die keimhafte Vorstufe für den noch zu vollziehenden Funktions- und Dominanzwechsel.
Beim Reden über die „soziale Form“ geht mir dieser Unterschied auf der Ebene der (sozialistischen oder kapitalistischen) Produktionsverhältnisse verloren.
Und da ich Deine Entgegnung voraus ahne (Du siehst den Realsozialismus wohl eher auch „nur“ als Staats-kapitalismus), so dazu noch:
Ich denke, doch, dass es einen grundlegenden Unterschied zwischen „realsozialistischem“ „gesellschaftlichem Eigentum“ und dem bürgerlich-kapitalistischen „Privateigentum“ gibt. Es gefällt mir nicht, angesichts unserer nun als „3.Weg“ vertretenen Commonsalternative diese Unterschiede so zu verwischen, dass „alle Katzen grau“ werden.
August 13, 2011 at 10:42 am
„Ich habe immer noch Probleme damit, die Ebene, auf der Du von „Sozialformen“ sprichst, zu bestimmen. Das ist irgendwie eine Chimäre, die sich nicht zwischen Produktionsverhältnissen und Kooperationsbeziehungen (entsprechend der Unterscheidung aus der KritPsych) entscheiden kann.“
Mir geht es genau umgekehrt. In meinen Augen war die Volkseigentumsillusion der DDR eine Chimäre. Die bildete nicht die soziale Realität ab und war auch nicht wirklich als Anspruch formuliert, diese soziale Realität (zunehmend gemeinsam, d.h. kommunistisch) herzustellen. (Dazu war sie auch zu sehr – notwendiges – Volksbeherrschungsmittel)
Gesellschaftliches Eigentum ist nicht nur „grundsätzlich kompatibel mit der sozialen Form der Verfügung der Menschen über ihre Lebens- und Produktionsmittel“ sondern es ist damit identisch (und der Satz eigentlich eine Tautologie). Wobei ich auf das grundsätzliche Problem aufmerksam machen möchte, dass die Substantivierung sozialer Möglichketen der (Mit-) Bestimmung von Zwecken, Mitteln und Methoden der Produktion und Aneignung deren Resultate als „Eigentum“ oder „Eigentumsverhältnisse“ einer Fetischisierung Vorschub leistet was dann zur nachhaltigen Erkenntnisbremse werden kann.
Das wirkt sich dann vielleicht auch darauf aus, wie man auf die Konsumsphäre als ein mögliches Feld sozialer Emanzipation blickt, d.h., ob man gewill ist, hier „kommunistisches Potenzial“ zu entdecken und sich die Frage stellt, wie (unter welchen Bedingungen) sich das persönliche und institutionelle Aneignungsvermögen in eine weltkommunistische Richtung weiterentwickeln könnte.
August 13, 2011 at 11:38 am
Wenn man die auch noch frühe Marxsche Bestimmung, dass Eigentum „Verfügung über fremde Arbeitskraft“ ist (MEW 3: 32) nimmt, so ist keine Form des Eigentums „grundsätzlich kompatibel mit der sozialen Form der Verfügung der Menschen über ihre Lebens- und Produktionsmittel“. (An anderer Stelle schreibt er aber, dass es Eigentum immer gäbe,weil Menschen im Produktionsprozess immer was aneignen und das Angeeignete sei dann halt das in Eigentumsbeziehung stehende. Man könnte dem begegnen, indem man dieses nur „Besitz“ nennt.).
Siehst Du trotzdem gar keinen Unterschied zwischen den Eigentumsformen in – nehmen wir mal speziell die Länder um die Gesellschaftsform-Bezeichnungen außen vor zu lassen – der BRD und der DDR? (Diese Frage geht an H.-H. wie auch an St.) Es gibt doch – dialektisch betrachtet – bei Unterschieden und sogar Gegensätzen tatsächlich eine identität. Es bringt doch nun aber nichts, immer wieder nur zu wiederholen: A = A. Mich interessiert dann doch wenigstens der Unterschied.
Die Substantivierung beim Eigentum hat aber vielleicht tatsächlich einen Sinn: Es verselbständigt sich tatsächlich gegenüber dem individuellen (und wohl auch kooperativen) Handeln.
Worauf ich immer hinaus will, ist, die Lösung der Eigentumsfrage, die irgendwie was mit den nicht in die Summe der Einzelkooperationen reduzierbaren systemischen Zusammenhängen zu tun hat, nur scheinbar als gelöst vorzustellen, weil man sie nur noch auf die Ebene der Kooperationen bezieht.
Da die neuen gesellschaftlichen Verhältnsse eben tatsächlich in ihrer Keimform nur innerhalb kooperativer Nischen innerhalb des Alten existieren können (wegen ihrer doppelten Funktionalität), liegt das auch nahe. Mir fehlt da aber noch die tatsächlich gesamtgesellschaftliche Antizipation. Ich weiß nicht, ob alles, was wir bisher mit „Commons“ verbinden, das wirklich leisten kann. Es ist m.E. eher ein Platzhalter für den noch zu findenden Begriff.
P.S. Zu den ETV in der DDR noch: Für die Landwirtschaft sieht das übrigens alles doch spezifisch aus. Da waren und sind die (Neu-)Bauern echte Eigentümer ihres Landes, sie waren in der DDR nur von der Verfügung darüber ausgeschlossen. (Was man heute in den Dörfern sieht: Wovon haben die Leute ihre Höfe saniert, Wärmedämmung gemacht usw.? Nicht nur und nicht vorwiegend aus ihren Lohnarbeitseinnahmen…)
August 15, 2011 at 11:12 pm
Ja irgend eine soziale Form des Aneignens gibt es immer. Die Frage ist, wie (unter welchen Umständen) die Vorherschaft privateigentümlicher durch die Vorherrschaft gemeineigentümlicher Formen der Aneignung ersetzt werden sollte bzw. wie dies auch wirklich geschehen könnte. Ob man das nun „Aneignen“ oder „In-Besitz-Nehmen“ nennt, ist eigentlich egal.
Natürlich gab es Unterschiede in den Eigentumsverhältnissen in Ost und West so wie es ja auch bei den Produkten einige Unterschiede gab (dem Kapitalismus waren die Bedürfnisse nach dem Trabbiefahren egal) Wie die juristischen Konstrukte des „realen Sozialismus“ nun im Einzelnen waren, weiß ich jetzt auch nicht so genau. Ist ne interessante Frage.
Aber das Entscheidende war doch das tatsächliche Mitgestaltungvermögen bzw. wie sich dieses entwickelt.
Wie aber soll sich unter der Knute der Stasi ohne ausreichende Meinungs- bzw. Presse- und Wissenschaftsfreiheit, mit einer im Geheimen dümpelnden Plankomission und der Kriminalisierung der Veröffentlichung von Umweltdaten irgendeine Form von Sozialismus (d. h. sich in Richtung Gemeineigentümlichkeit entwickelnde Aneignungsbeziehungen) entwickeln können?
„Da die neuen gesellschaftlichen Verhältnsse eben tatsächlich in ihrer Keimform nur innerhalb kooperativer Nischen innerhalb des Alten existieren können“
Das sehe ich anders. Anreicherung von Gestaltungsvermögen und (Welt-)Vergemeinschaftiungsprozesse mit Sozialismus-Potenzial sind vielfältiger und finden auch innerhalb privateigentümlicher Rechtsverhältnisse also innerhalb der normalen kapitalistischen Ökonomie statt – zu sehen an Phänomenen wie etwa dem Ökoaudit, Reflektionsinstrumente wie dem ökologischen Fußabdruck auch CSI, überhaupt alle Ansätze, Institutionen Versuche nachhaltiger Enwicklung unter Einschluss von Ideen eines Green New Deal.
„Ich weiß nicht, ob alles, was wir bisher mit „Commons“ verbinden, das wirklich leisten kann. Es ist m.E. eher ein Platzhalter für den noch zu findenden Begriff“
Commons, Gemeingüter bedeuten gemeinsame Verantwortung für gesellschaftliche Reichtümer (deren Produktion, Pflege und Aneignung). Solche „sozialistischen Inseln“ können absolut funktional mit dem Restkapitalismus zugleich aber auch (ebenso wie das oben Genannte) Kaimform seiner Überwindung sein.
August 16, 2011 at 6:14 am
Eine Ergänzung:
Man sollte den marx’schen Kommunismus nicht als Anti-Kapitalismus missverstehen und „Geldbeziehungen“ folglich als Feindesland betrachten. Solch eine Fetischisierung des Geldes hindert m.E. auch daran, in solchen Mechanismen wie etwa die Ökosteuer klar zu sehen (nämlich das darin – auch – steckende Sozialismuspotenzial wahrzunehmen).
August 16, 2011 at 2:49 pm
@Annette#4: Ich meine in der Tat, dass die gesellschafliche Vermittlungsform (die ich Sozialform nannte, an Wort hänge ich nicht) die entscheidende Kategorie ist. Demgegenüber ist die Eigentumsform sekundär, ist nur abgeleitete Kategorie. Die Art und Weise die Lebensbedingungen herzustellen, bestimmt die Eigentums-/Rechtsform und nicht umgekehrt. Primat der Produktion, das halte ich nach wie vor für richtig.
Die Rechtsform des Eigentums unterschied sich natürlich im Realsoz und Kapitalismus. Sie spiegelte jeweils die reale gesellschaftliche Vermittlungsform wider: Vermittlung der Produktion über die Markt in freier Konkurenz und Vermittlung über den Staat in zentralgeplanter Produktion (im Details jeweils wechselseitig mit Elementen des Gegenüber). Es war ein Unterschied im Gleichen, also kein wesentlicher Unterschied, aber auch nicht alles graue Katzen. Das realsoz. gesellschaftliche Eigentum wird m.E. zu recht auch kollektives Privateigentum genannt. Die Privateigentumsform war nicht überschritten, sie war kollektiviert worden, und Maintainer war der Staat (es ändert sich übrigens auch nichts wesentlich, wenn der Maintainer eine Kommune, ein Kollektivbetrieb o.ä. ist). Auch bei den anderen Kategorien (Wert, Preis, Geld, Lohn etc.) findet man diesen wesensgleichen Unterschied.
Was die Commons nun machen — und das ist IMHO das Wertvolle an ihnen — ist, dass sie eine Vermittlungsform zur Geltung bringen, die sich von der kapitalistischen Vermittlung (über die o.g. Formen) wesentlich unterscheidet. Daher ist die Sentenz „jenseits von Markt und Staat“ völlig zutreffend (dass die unterschiedlich interpretiert wird, steht auf einem anderen Blatt). Hier hast du tatsächlich eine andere Art und Weise, die Lebensbedingungen herzustellen, natürlich nur keimförmig, und dies erstmal trotz der feindlichen Eigentumsform (dafür ist sie nämlich nicht gemacht und gedacht). Wenn man so will, sind die Commons die schon lange gesuchte Subversion der Exklusionslogik wie das die GPL im Softwarebereich so wirkungsvoll hinbekommen hat.
Aber, da stimme ich dir zu, die Commons selbst sind kein gesellschaftstheoretisches Konzept. Sie repräsentieren der Potenz nach nur eine Mikrologik, nämlich die Inklusionslogik, deren Verallgemeinerung erst neue gesellschaftliche Verhältnisse konstituieren können. Genau diese Verallgemeinerung müssen wir auf den Begriff bringen (und damit meine ich nicht: bloß ein Wort dafür zu finden). Es geht um das Auf-den-Begriff-bringen einer qualitativ neuen gesellschaftlichen Art und Weise, die Lebensbedingungen herzustellen, kurz: einer qualitativ neuen Vermittlungsform. Und qualitativ neu heißt hier: Sie hat nichts mehr zu tun mit Waren- und abgeleiteten Formen des Kapitalismus, sie hat ihre Funktionen aber übernommen (zu produzieren, verteilen etc.). Eben: Aufhebung.
Am Ende dieses Prozesses wird dann auch kein Eigentum mehr stehen — weder gesellschaftliches, gemeinschaftliches noch individuelles — weil es dieser Rechtsform nicht mehr bedarf. Das hat nichts mit dem Prozess der Aneignung zu tun: Aneignung ist zunächst einmal nur das Zu-Eigen-Machen, das in die praktische Verfügung nehmen. Davon begrifflich zu trennen ist die Rechtsform des Eigentums. Daher ist es wichtig, auch heute zwischen Besitz (der tätige, konkrete Aspekt) und Eigentum (der abstrakte, rechtsförmige Aspekt) zu unterscheiden. Eigentum ist für die individuelle und kollektive Aneignung nicht erforderlich. Dies siehst du anschaulich sofort, wenn du etwa an die Aneignung von Wissen denkst.
Ich hoffe, dass jetzt ein wenig klar geworden ist, warum die wirklich fehlende Kategorie in der an Marx orientierten Theoriebildung die der gesellschaftlichen Vermittlungsform ist. Zwar gab es Platzhalter (etwa: Vergesellschaftung), die aber weil sie nur Platzhalter waren, nicht inhaltlich qualifiziert waren und am Ende keine analytische Rolle spielten. Mit PK und PV schien alles gesagt, und folgerichtig wurde PV auf die Eigentumsform verengt, obwohl gleichzeitig immer der Primat der PK betont wurde (ein Widerspruch, den ich früher einfach hinnahm). Die Vorstellung war einfach zu verlockend: Wenn wir die Eigentumsfrage „gelöst“ haben, sprich per errungener Macht über die Produktion verfügen können, dann können wir selbst eine andere Art und Weise der Produktion in die Welt setzen. Das kann heute empirisch als widerlegt gelten, und es ist nun „nur“ noch theoretisch zu begreifen (s.o.) und in Richtung eines Aufhebungskonzeptes zu überschreiten. Das ist sicherlich nicht so einfach.
August 16, 2011 at 2:53 pm
@HH#8: Es sollte deutlich geworden sein, warum wir vermutlich nicht überein kommen werden. Lustig finde ich ja, wie du die inhaltliche Bedeutung des Geldfetischs kurzerhand umdrehst und gegen eine grundlegende Kritik des Kapitalismus wendest. Raffiniert!
August 16, 2011 at 9:06 pm
Er meint, ich würde seine und (auf den normalen Kapitalismus also nicht den ehemaligen Osten bezogen auch deine) grundlagende Kritik am Kapitalismus auf pfiffige Weise negieren, nach der es nämlich kein richtiges Keimen sozialistischer Dispositive in falschen (weil privateigentümlich mit Geld vermittelten) Produktions- bzw. Aneignungsverhältnissen geben könne, (ich vermute, weil der Fetischcharakter der Ware und insbesondere des Geldes verkennen lässt, dass „Geld Verstand in Unsinn und Unsinn in Verstand verwandelt“) (Marx in den Pariser Manuskripten).
Das stimm auch 😉 aber nicht, weil mir das zu kapitalismuskritisch sondern zu wenig kommunistisch ist.
August 16, 2011 at 9:11 pm
Huch? Jetzt ist Annette Schlemms Frage nach dem Sinn Stefan Mz Kritik wieder weg. (Bitte trotzdem mitdenken, weil meine Antwort ja nun ohne diese Nachfrage etwas komisch da steht.)
August 19, 2011 at 5:06 pm
[…] Geld (G) wird als Kapital eingesetzt, wenn es zum Kauf der Produktionsfaktoren (W: Waren, dies sind hier Produktionsmittel und Arbeitskräfte) eingesetzt wird. Diese Produktionsfaktoren
wirken als produktives Kapital (P) so, dass das entstehende Produkt als Ware mehr Wert (verkörpert durch den Anstrich `) enthält, als die Produktionsfaktoren verkörperten (W´>W). Beim Verkauf dieser Ware (W´) wird mehr Geld (G´) eingelöst als für die Produktionsfaktoren ausgegeben worden war (G). Damit haben wir die erste Betrachtungsweise des Kreislaufs des Kapitals in seinen drei Stadien kurz geschildert, den Kreislauf des Geldkapitals (siehe auch hier): […]
August 21, 2011 at 10:19 am
„Die Rechtsform des Eigentums unterschied sich natürlich im Realsoz und Kapitalismus. Sie spiegelte jeweils die reale gesellschaftliche Vermittlungsform wider: Vermittlung der Produktion über die Markt in freier Konkurenz und Vermittlung über den Staat in zentralgeplanter Produktion (im Details jeweils wechselseitig mit Elementen des Gegenüber). Es war ein Unterschied im Gleichen, also kein wesentlicher Unterschied, aber auch nicht alles graue Katzen.“
Soweit stimme ich dem zu.
„Das realsoz. gesellschaftliche Eigentum wird m.E. zu recht auch kollektives Privateigentum genannt. Die Privateigentumsform war nicht überschritten, sie war kollektiviert worden, …“
Letzteres zu entwirren gelingt mir aber nicht. Ich verstehe unter Privateigentum das Vermögen von Institutionen bzw. Personen, in letzer Instanz über gesellschaftliche Ressourcen und Potenziale frei, z.B. auch frei von sozialer Rücksichtnahme und sozialen Rechtfertigungszwängen, (in letztfer Instanz) zu verfügen. (Je privater, desto mehr von sozialem Rechtfertigungsverlangen befreit).
Eine gewisse Kollektivierung privateigentümlicher Verfügungsgewalten findet, worauf Marx ja schon hinwies, z.B. in Aktiengesellschaften statt.
Aber welche Kollektive von Privatmenschen und Institutionen hatte zu welchem privaten Nutzen (!?) reale Verfügung über die Produktionsmittel bzw. -potenziale der DDR?
Entscheidend ist für mich das Fehlen von Voraussetzungen für die Entwicklung kommunistischer Aneignungsrechte und -pflichten. Die SED-Diktatur mit ihrer staatlichen Geheimwirtschaft waren doch wohl nicht dabei, gemeineigentümliche Bestimmungsverhältnisse zu schaffen. Oder habe ich da was übersehen?
August 25, 2011 at 4:10 pm
Genau, Lenin sah darin eine Vorstufe zum Sozialismus. Er hätte nicht mehr irren können.
Es ist doch nur eine klitzekleine Umdrehung weitergedacht: Es ist eben nicht mehr die AG, sondern die AG in Staatsbesitz. Was dich zu irritieren scheint, ist das Wörtchen „privat“ darin. Die Idee war — irgendwie auch nachvollziehbar — dass aus privat allgemein wird, wenn der Staat der kollektive Eigentümer ist. War aber nicht. Aus zwei Gründen:
Erstens dem Begriffe nach: Privateigentum heisst Ausschluss Dritter von der exklusiven Verfügung des Eigentümers über die Sache. Eigentum ist also eine Sozialbeziehung von Eingeschlossenen und Ausgeschlossenen bzgl. einer Sache. Das galt strikt auch im Realsoz. Dass die Menschen dagegen verstießen uns sich „ihr“ Eigentum auch tatsächlich aneigneten, wurde sanktioniert, wurde als Diebstahl bestraft.
Zweitens: Weil die Eigentumsform nichts am Betriebssystem ändert. Jede wohlmeinende Abweichung in besten Absichten verstieß gegen das Wertgesetz des gültigen Betriebssystems der Mehrwertproduktion. Das wurde gegen Ende des Realsozialismus auch offen so gesagt. Vorher geschah es verbrämt: „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“, oder „Ich leiste was, ich leiste mir was“. Der Zwang der Ökonomie hat dahin geführt, wo wir heute stehen: Zur-Geltung-bringen des Wertgesetzes, ohne voluntaristische Abweichung. Das wurde erreicht. Heute heißt es: „X-land lebt über seine Verhältnisse“. Erst Verwertung, dann Konsum, wird erklärt. Wer sich nicht mehr verwerten kann, hat Pech gehabt oder muss die NATO rufen.
September 9, 2011 at 6:46 pm
Peter Römer: Entstehung, Rechtsform und Funktion des kapitalistischen Eigentums. Köln, Pahl-Rugenstein. S. 23:
„Die Vorstellung vom Eigentum als einer Beziehung des Menschen zu einer Sache erfaßt das Wesen des Eigentums deshalb aus zwei Gründen nicht richtig: einmal, weil der prozeßhafte Charakter des Eigentums in eine statische Subjekt-Objekt-Beziehung aufgelöst wird, zum anderen, weil das Eigentum, seinem Wesen nach ein gesellschaftliches Verhältnis ist, das über die Innehabung von Sachen nur vermittelt wird.
Es wäre auch unrichtig, dieses gesellschaftliche Verhältnis, wie es gelegentlich bei der juristischen begrifflichen Erfassung des Eigentums geschieht, negativ als Ausschließungsverhältnis anzusehen; als eine Beziehung zu einer Sache also, die ein ausschließliches Recht auf Innehabung der Sache darstellt und die Macht gewährt, alle anderen Menschen von dem Zugriff auf die Sache und deren Gebrauch auszuschließen. Dabei wird wiederum das Wesen des Eigentums als Aneignungsprozess verkannt.“
September 9, 2011 at 11:46 pm
Vielleicht wird hier aber das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Natürlich negiert die private Bestimmungsgewalt über Produktionsmittel bzw. Produktivkräfte (mittels „Privateigentum“) die gemeinschaftliche Bestimmungsgewalt. Je privater, desto weniger bedarf der Gebrauch der Macht ber die Produktionsmittel der sozialen Rechtfertigung. Die verschwindet andererseits auch nicht ganz und lässt sich auch unter der Hülle des „Privateigentums“ ausbauen. Konkurrenz und die Bedürfnisse der Kunden begrenzen die private Macht allerdings nur selbst wieder privateigentümlich – obwohl auch sie von unterschiedlichem sozialen Gehalt sein können.
August 25, 2011 at 7:00 pm
Mehrwert? Es gab natürlich Lohabhängigkeit. Aber ich denke nicht, dass das ein passendes Wort ist. Lässt sich zeigen, dass es eine Klasse der Produktionsmittelbestimmer gab, die sich Zugriffsrechte in der Form von Geld aneignete und Besitztitel auf Produktionsmittel und alles, was über die Reproduktion der Arbeitskräfte hinaus an gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit geleistet werden musste?
Es gab natürlich trotz Mauer ökonomische Zwänge, die aus der Konkurrenz zum normalen Kapitalismus der frei miteinander konkurrierenden Privatunternehmen des Westens erwuchsen, die eben effzienter waren, weil die Konkurrenz sie zur Effizienz nötigte. Weshalb im Westen ein viel größerer Fächer und auch eine viel größere Quantität an Bedürfnissen nach Gebrauchswerten entstehen und befriedigt werden konnte.
Was wiederum als Maßstab für Begehrlichkeiten Ost diente. Und die Staatsparteilenker, die nun ganz unbehelligt von einer kritischen Öffentlichkeit, freier Wissenschaft usw, (also Dinge, ohne die eine Verallgemeinerung der Bestimmungsgewalt also die Entwicklung wirklichen Gemeineigentums unmöglich ist) darüber befanden, ob sie jetzt z.B. mehr Investitutionsgüter oder Konsumgüter produzieren lassen sollten, waren in ihren Entscheidungen natürlich entsprechend unfrei. (Die Kopplung von Freiheit zur Willkür und aus der Konkurrenz zum Westen erwachsene Zwänge führte dann auch zu grotesken Erscheinungen wie Verpflichtungen von Betrieben, unabhängig von ihren technischen Möglichkeiten einen bestimmten Prozentsatz Konsumgüter herstellen zu müssen.
Das Entscheidende war wohl ein zu geringer Grad an Produktivkraftentwicklung. Die Staatshandelsländer glichen ja auch mehr sozialfeudalistischen Verhältnissen (zwar mit nur sehr verdrucksten und verschämten „Luxusgebahren“ der Staats – und Parteiaristrokraten aber immerhin einer dem Gottensgnadentum recht ähnlichen Legitimationsideologie – und dass die preußische Verbeamtung auf die „Arbeiterklasse“ ausgedehnt wurde).
Die notwendige Aufholjagdt konnte zwar – und zwarin Ost und West – vorübergehend Entwicklungsdiktaturen stabilisieren, Aber ab einer bestimmten Stufe gehts ohne Demokratie nicht weiter…
Gruß hh
PS. Was du mit „Wertgesetz“ meinst, ist mir nicht klar. Bei Marx kann ich über ein Wertgesetz nichts finden..
August 27, 2011 at 7:07 am
Na sicher, Mehrwert. Du sagst es selbst: Das ist der produzierte Wert-Anteil oberhalb der Reproduktionskosten der Arbeitskraft. Dieser wurde staatlich angeeignet und an die verschiedenen Fonds abgeführt. Und ja, die Funktion des PM-Besitzers wurde vom Staat wahrgenommen. Es ist ein Irrtum, »Klasse« als soziologische Kategorie zu fassen, es ist eine gesellschaftliche Funktion. Wer die Maske dieses Charakter aufgesetzt hat, ist unwesentlich für die Funktion. Besitztitel gab’s auch. Kurz: Alle wesentlichen Funktionen, die für den Betrieb der warenproduzierenden Gesellschaft DDR notwendig waren, gab es.
Und wenn du fragst, was das »Wertgesetz« sei, so hast du es selbst in einer umgangssprachlichen Formulierung genannt. Das sind die »ökonomischen Zwänge«. Das »Wertgesetz« besteht darin, dass sich Waren im Durchschnitt zu ihren Werten, d.h. der durch sie verkörperten abstrakten Arbeit austauschen müssen. Das findest du bei Marx v.a. im Vorwort zum 3. Band des »Kapital«. Es ist aber richtig, dass er diese Formulierung sonst eher selten benutzt. Ich meine damit einfach nur, dass auch eine staatsförmig organisierte Warenproduktion nicht gegen den Äquivalententausch, die »ökonomischen Zwänge«, verstoßen kann, ohne irgendwann in die Krise zu geraten. »Ökonomische Zwänge« sind jedoch keine naturalen Zwänge, sondern der gesellchaftlichen Form — Warenproduktion — geschuldet. Die Konkurrenz der DDR zum Westen war eine Konkurrenz in der gleichen Form.
August 29, 2011 at 10:52 am
Mit der Bestimmung des „Eigentums“ als primär juristisches Verhältnis und als eins der höchsten Abstraktion ist natürlich eine Vorentscheidung getroffen, die alle anderen konkreteren Bestimmungmomente von vornherein ausschließt. Sabine Nuss betrachtet eine solche Ansicht als Folge einer Naturalisierung: Weil das Eigentum im Kapitalismus diese abstrakte Form annimmt, werden die damit verbundenen Merkmale als Merkmale von „Eigentum schlechthin“ angenommen.
Die Frage ist, wo man die Bruchlinie sieht: zwischen „Eigentum“ (klassengesellschaftsspezifisch, also abzuschaffen) und „Aneignung“ (überhistorisch, seine Form ändernd) – oder ob man einen weiter gefassten, konkret-allgemeinen (?) Eigentumsbegriff hat, bei dem es um Beziehungen geht, „die bestimmen, wer sich welche der produzierten gesellschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten aneignen kann“ (M. Brie, zitiert in S. Nuss), und der unter kapitalistischen Bedingungen seine eigene Abstraktion wahr werden lässt (wie bei der „Arbeit“).
Da brauchen wir uns nicht um des Kaisers Bart zu streiten und uns gegenseitig vorwerfen, ob wir oder ob wir nicht diesen oder jenen Eigentumsbegriff verwenden, aber wir müssen transparent machen, welchen wir meinen und dann über die Inhalte reden.
Ich befürchte oft, dass mit dem einfachen Wegwerfen des abstrakten Eigentumsbegriffs die inhaltliche Problematik zu stark reduziert wird, die im konkret-allgemeinen Begriff noch drinstecken würde.