Um es gleich vorwegzunehmen: ich denke wie viele andere auch, dass wir in der Gesellschaft, die nach dem Kapitalismus entstehen kann, kein Geld mehr brauchen. Ich stehe also nicht auf dem Standpunkt, dass es in einer arbeitsteiligen, komplexen Gesellschaft Geld geben muss, etwa um Austauschbeziehungen oder die Arbeitsteilung zu vermitteln.
Trotzdem weiß ich nicht, ob die Konzentration auf eine Kritik des Geldes bzw. die Forderung nach seiner Abschaffung die zentrale Forderung sein sollte, wenn es um die Abschaffung von kapitalistischer Ausbeutung und Unterdrückung geht.
Geld gab es bereits lange vor dem Kapitalismus, ebenso wie die Herstellung von Produkten für den Tausch. Vor dem Kapitalismus bestimmte diese Warenproduktion aber nicht die gesamte gesellschaftliche Struktur. Der Gegenstand des Marxschen „Kapitals“ ist der Kapitalismus, so dass alle Kategorien vor allem für Verhältnisse im Kapitalismus gelten werden. Trotzdem gab es häufig Vorformen für diese Verhältnisse auch schon vorher. Die Vorstellung, die „einfache Wertform“( x Ware A = y Ware B) aus dem Wertformkapitel bei Marx (MEW 23: 63) bzw. die Zirkulationsform W-G-W könnte historisch einer Gesellschaftsform der „einfachen Warenproduktion“ entsprechen (Engels in MEW 25: 20, 909), wird heute kaum noch vertreten. In einem Kinderbuch über Geld aus der DDR wird diese Vorstellung ganz lustig und „realistisch“ illustriert:
„Nehmen wir an, Bauern und Viehzüchter einigten sich, daß zur Aufzucht eines Ochsen die gleiche Zeit benötigt wurde wie für den Anbau von acht Sack Getreide. Für Käufer und Verkäufer war ein Ochse acht Sack Getreide wert.“ (Reinhard Zilch: auf Mark und Pfennig)
Bei Marx jedenfalls tauchen diese logischen Formen (x Ware A = y Ware B ; W-G-W) als Handlungspraxis ausdrücklich auch „in den ersten Anfängen“ nur zufällig und gelegentlich auf und nicht als Kennzeichnung einer ganzen Produktionsweise (MEW 23: 80).
Jedenfalls gibt es Waren und Geld bereits vor dem Kapitalismus, allerdings nicht als dominierende Faktoren, welche die Gesellschaft strukturieren. Sie verändern im Verlaufe der Geschichte häufig ihre Form, wobei „die verschiednen Formen des Geldes […] der gesellschaftlichen Produktion auf verschiednen Stufen“ (MEW 42: 58-59) entsprechen.
1. Geld
Geld gibt es zu mindestens in diesen zwei Stufen:
- Geld als Vermittlung im Zyklus W-G-W, hierbei ist Gebrauchswert des Produktes der Endzweck der Handlung.
- Geld als Kapital, wie es bereits in der Zirkulation G-W-G vorgebildet ist und sich im Zyklus G-W-G+ΔG als Selbstzweck realisiert (dazu im Abschnitt 2. mehr).
Marx hatte im ersten Band des „Kapitals“ zuerst die Entstehung der Geldform untersucht (MEW 23: 84). Geld als solches entsteht dadurch, dass eine bestimmte Ware durch eine „gesellschaftliche Tat“ zum allgemeinen Äquivalent gemacht wird (ebd.: 101):
In einem Warenaustausch hat Paul die Ware A und Peter die Ware B. Schauen wir uns die Situation aus der Sicht von Paul an (man kann das dann auch wechselweise mit Peter machen). Er möchte gegen seine Ware A eine Ware B eintauschen, die denselben Wert verkörpert. Es geht ihm um den Gebrauchswert von B, sonst würde er diese Ware ja nicht erwerben wollen. Die eigene Ware gilt für ihn nur als austauschbarer Wert und er will erfahren, wie viel sie „wert ist“.
Nehmen wir jetzt eine andere Ware C auf dem Markt. (Es könnte erst einmal jede sein, auch B). Es geht darum, die Art und Menge von C zu finden, so dass ihr Gebrauchswert (in Naturalform) äquivalent wird zum Wert von A. Der Gebrauchswert von C drückt dann den (Tausch-)Wert der Ware A aus. Marx braucht einige Seiten um schließlich darzulegen, dass es im Folgenden logisch und praktisch dazu kommt, dass schließlich eine einzige Ware C für alle anderen diese Äquivalentform annimmt und das ist dann das Geld. Geld ist damit jene spezifische Warenart, „mit deren Naturalform die Äquivalentform gesellschaftlich verwächst“ (MEW 23: 83). Zu jeder Ware A gibt es jetzt als Äquivalent den entsprechenden Geldwert, der Tauschwert der Ware A erhält in C eine „besondre Existenz neben der Ware selbst“, das Geld (MEW 42: 77). Marx zitiert an anderer Stelle Sismondi, der die besondere Existenz des Geldes mit der Existenz eines Schattens verglich:
„Der Handel hat den Schatten vom Körper getrennt und die Möglichkeit eingeführt, sie getrennt zu besitzen.“ (Sismondi, zit. in MEW 42: 146)
Diese besondere Existenz verkörpert zwar die gesellschaftlichen Beziehungen in der Produktion, man sieht ihr diese aber nicht mehr direkt an. Marx spricht davon, „daß die Menschen der Sache (dem Geld) das Vertrauen schenken, was sie sich nicht als Personen schenken“ (ebd.: 94). Dies ist nicht nur eine Frage des Wünschen und Wollens, sondern ergibt sich, wenn die gesellschaftlichen Beziehungen sich tatsächlich in solcher Weise „versachlicht“ haben. Es herrscht „[d]ie Vergleichung an der Stelle der wirklichen Gemeinschaftlichkeit und Allgemeinheit“ (ebd.: 95).
Eine Warengesellschaft ist eine Gesellschaft, in der die Herstellung von Produkten für andere (als Konsumgüter oder Vorprodukte) von vereinzelten („Privat-„-Produzenten) in einer Weise geschieht, dass es keine Absprachen zwischen Herstellern und Nutzern gibt, sondern sich die Beziehung zwischen Produzenten und Nutzern als eine von Verkäufern und Käufern auf dem Markt darstellt. Die eben ganz verkürzt dargestellte Wertformanalyse zeigt, dass jede Warenproduktion mit Geld verbunden ist. Und solange der „Tauschwert die gesellschaftliche Form der Produkte bleibt“, (MEW 42: 80) kann das Geld nicht aufgehoben werden. Marx warnt hier ausdrücklich:
„Es ist nötig, dies klar einzusehn, um sich keine unmöglichen Aufgaben zu stellen und die Grenzen zu kennen, innerhalb deren Geldreformen und Zirkulationsumwandlungen die Produktionsverhältnisse und die auf ihnen ruhenden gesellschaftlichen Verhältnisse neugestalten können.“ (MEW 42: 80)
Letztlich steckt in dem, was uns als natürliche Sache gesetzt scheint, dem Geld, „ein Gesellschaftsverhältnis, eine bestimmte Beziehung der Individuen aufeinander“ (ebd.: 165, kursiv A.S.). Ohne eine Veränderung dieser Beziehungen helfen auch Manipulationen am Geldsystem nicht viel und über das Geldsystem die Beziehungen verändern zu wollen, ist vergleichbar mit dem Versuch, durch mit Hilfe der Bewegungen eines Hundeschwanzes den Hund steuern zu wollen. „Man schlägt den Sack und meint den Esel“, wie Marx in einer längeren Ausführung schreibt:
„Andererseits ist es ebenfalls klar, daß in dem Maße, wie der Gegensatz gegen die herrschenden Produktionsverhältnisse wächst und diese selbst zur Umhäutung gewaltsamer hindrängen, die Polemik gegen das Metallgeld oder das Geld überhaupt sich richtet, als die frappanteste, widerspruchsvollste und härteste Erscheinung, worin das System handgreiflich gegenübertritt. Durch allerlei Künsteleien an demselben sollen dann die Gegensätze, deren bloße sinnfällige Erscheinung es ist, aufgehoben werden. Ebenso klar, daß manche revolutionäre Operationen mit demselben gemacht werden können, insofern ein Angriff auf dasselbe alles andre beim alten zu lassen und nur zu rektifizieren scheint. Man schlägt dann auf den Sack und meint den Esel. Indes, solang der Esel das Schlagen auf den Sack nicht fühlt, trifft man in der Tat nur den Sack und nicht den Esel. Sobald er fühlt, schlägt man den Esel und nicht den Sack. Solange die Operationen gegen das Geld als solches gerichtet sind, ist es bloß ein Angriff auf Konsequenzen, deren Ursachen bestehn bleiben; also Störung des produktiven Prozesses, die der solide Grund dann auch die Kraft besitzt, durch mehr oder minder gewaltsame Reaktion als bloße vorübergehende Störungen zu setzen und zu beherrschen.“ (MEW 42: 166, fett von A.S.)
Zwar gibt es Geld schon lange, aber „[e]s ergriff auch nie das ganze der Arbeit“ (MEW 42: 37). Aber im Laufe der Zeit wurde „jeder Produzent vom Tauschwert seiner Ware abhängig“ (ebd.: 81). Die Entstehung der Herrschaft des Geldes war mit den Erfordernissen der Arbeitsteilung verbunden (vgl. auch ebd.: 129), wobei sich das Geld verselbständigte:
„Das Bedürfnis des Austauschs und die Verwandlung des Produkts in reinen Tauschwert schreitet voran im selben Maß wie die Teilung der Arbeit, d.h. mit dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion. Aber in demselben Maße, wie dieser wächst, wächst die Macht des Geldes, d.h. setzt sich das Tauschverhältnis als eine den Produzenten äußere und von ihnen unabhängige Macht fest. Was ursprünglich als Mittel der Förderung der Produktion erschien, wird zu einem den Produzenten fremden Verhältnis. (MEW 42: 81)
Marx entwickelt Marx eine Stufenfolge von Herrschaftsverhältnissen: In den ersten Gesellschaftsformen entwickelten sich „Persönliche Herrschaftsverhältnisse (zuerst ganz naturwüchsig)“, mit der Macht des Geldes entsteht „Persönliche Unabhängigkeit, auf sachlicher Abhängigkeit gegründet.“ (MEW 42: 91) Dass diese persönliche Unabhängigkeit nur ein Schein ist und nur bei einer Abstraktion von den Existenzbedingungen gilt, zeigt Marx an anderer Stelle (ebd.: 97).
2. Kapital
Es entsteht nun die Frage, wie Geld zu Kapital wird. Marx klärt auch diese Frage schon im ersten Band des „Kapitals“: Sobald die endlosen Austauschvorgänge zwischen Geld und Waren: W-G-W-G-W-G… nicht mehr mit dem Zweck der Aneignung von Gebrauchswerten ablaufen, wofür der Teilprozess W-G-W steht, sondern die Zirkulation des Geldes entsprechend der Formel G-W-G zum Selbstzweck wird, geht es letztlich um die Vermehrung des eingesetzten Geldes (um den Betrag G) und die Formel wird zu G-W- G+G. Dieser Wechsel von Mittel und Zweck ist schon mit dem Geld ermöglicht: „Um die Tauschfähigkeit der Ware zu sichern, wird ihr die Tauschfähigkeit selbst als eine selbständige Ware gegenübergestellt. (Vom Mittel wird es Zweck)“ (MEW 42: 131).
Mit dieser Mittel-Zweck-Umkehr wird mehrwertheckendes Geld zu Kapital. Das Geld bezieht sich als Kapital auf sich selbst, es wird zum prozessierenden Verhältnis. (vgl. MEW 42: 442)
Und woher kommt das Mehr-Geld? Arbeitet es tatsächlich selbst?
Marx zeigt im gleichen Kapitel, dass die Steigerung des Werts durch ΔG ihre Quelle nicht innerhalb der Zirkulation hat, sondern in der Aneignung von dem (Mehr-)Wert, den die Arbeitenden mehr erzeugen, als sie zur Reproduktion ihrer Arbeitskraft in Form von erhalten (MEW 23: 175ff.). Dies setzt Bedingungen voraus, „wo der Besitzer von Produktions- und Lebensmitteln den freien Arbeiter als Verkäufer seiner Arbeitskraft auf dem Markt vorfindet […].“ (MEW 23: 184)
Analytisch gesehen entsteht das Kapital also aus Geld, insofern es Mehrwert heckt und der Grund dafür liegt in der Aneignung unbezahlter Mehrarbeit. Historisch gesehen erfordert der Übergang von Gesellschaften mit oder ohne Geld, in denen dieses aber nicht die gesamte Gesellschaftsstruktur bestimmte, zum Kapitalismus eine historische Zäsur, die sich nicht automatisch aus den Gesetzmäßigkeiten der vorherigen Gesellschaften bzw. den Geldfunktionen alleine ergibt („sog. ursprüngliche Akkumulation“, vgl. MEW 23: 741ff.). Wir werden noch darauf zurückkommen.
August 19, 2011 at 1:25 am
„Die Vorstellung, die „einfache Wertform“( x Ware A = y Ware B) aus dem Wertformkapitel bei Marx (MEW 23: 63) bzw. die Zirkulationsform W-G-W könnte historisch einer Gesellschaftsform der „einfachen Warenproduktion“ entsprechen (Engels in MEW 25: 20, 909), wird heute kaum noch vertreten.“
Ich denke, dass man das dem guten Engels so auch nicht unterschieben sollte. Er behauptet ja nicht, dass Marx bei der Entwicklung der Wertformanalyse im ersten Band des Kapitals eine historische Etappe und im zweiten und dritten Band eine andere historische Etappe der Warenproduktion beschreibt. Engels wendet ja gerade ein, dass Marx seine Aussagen zum Wert (logisch) entwickelt (!) und keine Dogmen anhand von Definitionen aufstellt. Was hstorisch allerdings unterschieden werden muss ist natürlich, ob Lohnabhängigkeit und industrielle Produktion vorherrschend ist oder nicht, denn hier kommt die organissche Zusammensetzung rein und der Ausgleich der Profitraten zwischen Branchen mit unterschiedlicher orgamischer Zusammensetzung.
Gruß hh
August 19, 2011 at 2:41 pm
Ich denke schon dass Engels an vielen Stellen gezeigt hat, dass er die logische Entwicklung sehr historisierend interpretiert:
Die logische Behandlungsweise ist für ihn „in der Tat nichts andres als die historische, nur entkleidet der historischen Form und der störenden Zufälligkeiten. Womit diese Geschichte anfängt, damit muß der Gedankengang ebenfalls anfangen, und sein weiterer Fortgang wird nichts sein als das Spiegelbild, in abstrakter und theoretisch konsequenter Form, des historischen Verlaufs….“ (MEW 13: 475).
Weiter: „Wir gehen bei dieser Methode aus von dem ersten und einfachsten Verhältnis, das uns historisch, faktisch vorliegt, her also von dem ersten ökonomischen Verhältnis, das wir vorfinden. Dies Verhältnis zergliedern wir.“ (MEW 13: 475).
Es ist ja gerade der Gag der materialistischen „Umstülpung des Idealismus“: „Dies bei Hegel selbst mystisch, weil die Kategorien als präexistierend, und die Dialektik der realenWelt als ihr bloßer Abglanz erscheint. In Wirklichkeit umgekehrt: die Dialektik des Kopfs nur Widerschein der realen Bewegungsformen der realen Welt…“ (MEW 20: 475)
Und unter Bewegung verstand Engels allemal zeitliche Veränderung, keine logischen Folgerungen.
Irgendwie ist das komisch: Erst muss man sich fast verzweifelt gegen die übliche ML-Interpretation stemmen, die lediglich die „Einheit des Logischen und Historischen“ in folgendem Sinne beschwor:
wobei eigentlich IMMER das zuerst genannte Zitat von Engels als Autoritätsbeweis herhalten musste.
Jetzt scheint es andersherum zu sein, Engels soll das nicht behauptet haben…
August 19, 2011 at 8:19 pm
Ich würde zu bedenken geben, ob es ohne weiteres möglich ist, auch die Basiskategorien „Geld“ und „Ware“ in eine Zeit der Nicht-Warenproduktion bruchlos zurückzutransportieren, wenn es sich bei beiden doch um Kategorien des Kapitalismus handelt. Zwar sagst du, sie seien nicht dominant gewesen in der vorkapitalistischen Zeit, aber ich denke, sie waren auch inhaltlich etwas anderes. Ok, das ist nicht soo wichtig, solange man sich nicht mit den vorbürgerlichen Verhältnissen beschäftigt.
Dass eine Forderung nach Abschaffung des Geldes ohne eine Aufhebung der Verhältnisse, in denen Geld bzw. Wert die gesellschaftliche Vermittlung organisieren, nicht möglich ist, scheint mir klar zu sein. Die meisten kommen jedoch noch nicht mal bis zur abstrakten Forderung nach Abschaffung des Geldes, sondern manipulieren nur am Geld selbst herum, weil ihnen nicht klar ist, dass es sich beim Geld nicht bloß um Vereinfachungsmittel für den Austausch handelt, sondern um ein gesellschaftliches Verhältnis, das es aufzuheben gelte.
August 23, 2011 at 4:28 pm
Ich transportiere die Kategorien „Geld“ und „Ware“ nicht „bruchlos“ zwischen vorkapitalistischer und kapitalistischer Gesellschaftsform hin und her, aber ich sehe etwas durchaus Übergreifendes und dann für den Kapitalismus eine neue wesentliche Spezifik. Das ist wie mit den Kategorien „Arbeit“ oder „Subjekt“ – wenn wir alle allgemeinen Kategorien, die tatsächlich erst im Kapitalismus zu ihrer höchsten Abstraktion kommen, als Worte für die Zeiten vorher ausschließen, verlieren wir neben den Brüchen die Übergänge, die Kontinuitäten, das Durchgehende aus dem Blick.
(Nebenbei: als ich letztens wieder bolo´bolo las, war mir klarer als vorher, warum der Autor für alle Phänomene des individuellen und gesellschaftlichen Lebens neue Kunstwörter geprägt hat: Weil eben alle anderen „versaut“ sind von der bisherigen von Herrschaft und Ausbeutung gekennzeichneten Gesellschaftsformen. Aber ich sehe das nicht als sinnvollen Ausweg an, z.B. die Handelswaren im alten Griechenland nicht mehr „Waren“ nennen zu dürfen, nur weil die Waren im Kapitalismus eine neue Qualität annehmen.)
Es kommt nur drauf an, die Brüche an den richtigen Stellen richtig zu bestimmen und das versuche ich mit dem Klarmachen der Bedeutung der Trennung von Arbeitskräften und Lebens- sowie Produktionsmitteln.
August 29, 2011 at 10:00 pm
„Die meisten kommen jedoch noch nicht mal bis zur abstrakten Forderung nach Abschaffung des Geldes, sondern manipulieren nur am Geld selbst herum, weil ihnen nicht klar ist, dass es sich beim Geld nicht bloß um Vereinfachungsmittel für den Austausch handelt, sondern um ein gesellschaftliches Verhältnis, das es aufzuheben gelte.“
Ja, das zeigt in der Tat, dass historische Bewegungen und Widersprüche sehr viel mehr sind als Widerspiegelungen logischer Bewegungen und Widersprüche. „Abschaffung des Geldes“ (bzw. der dem Geld zugrunde liegenden privateigentümliche Formen der Arbeitsteilung) und „nur am Geld herum manipulieren“ sind logisch Gegensätze. Historisch aber entwickelt sich das eine (logischwerweise) aus dem anderen.
August 31, 2011 at 10:14 am
Du schreibst „Historisch aber entwickelt sich das eine (logischwerweise) aus dem anderen.“ Das hat Marx in seinen Brief(entwürfen) an V. Sassulitsch aber anders gesehen. Außerdem hat er nicht umsonst gegen Proudhon und die Stundenzettler polemisch argumentiert. Wenn das „logischerweise“ in eine Abschaffung des Geldes übergehen würde, hätte er sich das ja sparen können. Der Übergang kann nur geschehen über das Erleben und die Reflexion der dabei entstehenden Widersprüche und das geschieht nicht einfach „logischerweise“, sondern muss entgegen von Verleugnungen und Verdrängungen durchgesetzt werden.
November 14, 2012 at 4:42 pm
Es müssen erst Erfahrungen mit den Möglichkeiten und Grenzen des „Herummanipuliern am Geld“ gemacht werden (z.B. mit Ökosteuern oder -zöllen, aus denen Transformationsprogramme finanziert werden) damit im Schoße der alten Gesellschaft der Gedanke an einer sozialen Steuerung der Produktion in einer hochkomplex arbeitsteiligen Gesellschaft überhaupt AUF HINREICHEND BREITER GRUNGLAGE heran reifen kann.
In meinen Augen ist die Erfahrung mit Pol Pot im Übrigen genug historische Erfahrungen mit der „Abschaffung des Geldes“.
In seinen Brief(entwürfen) an V. Sassulitsch hat Marx keineswegs die Möglichkeit einer „Abschaffung von Geld“ behauptet (statt dessen Absterben als Ergebnis langwierger Übergangsprozesse in denen sich eine Menschheit herausbildet, die das globale Miteinander auf Basis eines weltgemeinschaftlichen Nachhaltigkeitsmanagements regelt) sondern die Möglichkeit erwogen, dass eine revolutionäre Umwälzung in den am meisten (also solche) entwickelten Industrienationen eine Form der sozialen Steuerung etablieren könnten, die es Kulturen auf Basis lokaler Gemeineigentümlichlichkeit erlauben könnte, ihre Produktionsweisen als Element eines sozialistischen Großen und Ganzen zu bewahren. Sprich: es müssen sich nicht erst ÜBERALL kapitalistische Warenproduktion durchsetzen und den Kräfteüberschuss erzwingen, der sie am Ende überwinden wird.
November 14, 2012 at 5:05 pm
Meines Erachtens dürfte Geld in dem Maße überflüssig und ins Museum für die menschliche Vorgeschichte verbannt werden können, wie es gelingt, ein rationales Arbeitszeitmanagement als Teil eines – am Ende weltgemeinschaftlichen – Nachhaltigkeitsmanagement zu etablieren,
Mai 1, 2015 at 4:06 pm
Liebe Frau Schlemm,
ich habe zwar keine/kaum Ahnung – geschweige denn Wissen – von Marx, sehr wohl aber maße ich mir mittlerweile an, unser Geldsystem verstanden zu haben. Ich habe das Thema Geld- und Geldpolitik über 10 Jahre unterrichtet und musste im Jahre 2008 feststellen, dass ein zentraler Bestandteil der Geldschöpfung in 99,9 % aller Lehrbücher falsch dargestellt war und uns – und somit leider wohl auch Marx – auf die falsche Fährte gelockt hatte (siehe hierzu auch mein Kommentar im Fazit der FAZ: http://blogs.faz.net/fazit/2015/04/17/wenn-ungleichheit-zur-wachstumsbremse-wird-5696/#comments).
Wenn Sie tiefer in die Thematik einsteigen möchten, empfehle ich Ihnen insbesondere die folgenden Beiträge, die ich in den letzten 2 Jahren veröffentlicht habe: ‚Zinsmythen‘, ‚Geldmythen‘, ‚Bankmythen‘, ‚Schuldmythen‘. Und die alte Frage, wie aus Geld mehr Geld werden kann, habe ich für mich hier beantwortet: https://zinsfehler.wordpress.com/2015/03/23/die-citoyage-keynesianischer-monetarismus-als-ordnungspolitisches-korrektiv/
LG Michael Stöcker
Mai 8, 2015 at 8:01 pm
Wenn Sie noch kein Wissen von Marx haben, sollten Sie das aber nachholen. Er entwickelt Denk-Zeuge, mit denen die kapitalistische Wirtschaft so durchdrungen werden kann, dass man nicht auf oberflächlichen Erscheinungen stecken bleibt. Die jetzigen Lehrbücher können schon aus zeitlichen Gründen den Marx nicht auf die falsche Fährte gelockt haben 😉