„Energieeinsatz und Wirtschaftskrise“ heißt ein Buch, das heute noch viel zitiert wird, obwohl es schon im Jahr 1976 (dt. 1977) veröffentlicht wurde. Autor ist der Ökosozialist Barry Commoner.
Die Ölkrise im Jahr 1973 hatte die Abhängigkeit der Wirtschaft von fossilen Energiequellen deutlich gemacht. Commoner untersucht in grundsätzlicher Weise, wie gesellschaftlich mit natürlichen Bedingungen (bezogen auf Energie) umgegangen wird.
Die Energiekrise zeigte erstmalig auf, dass (fossile) Energie nicht einfach als „frei verfügbarer Vorrat“ behandelt werden kann. Commoner weist dabei als erstes nach, dass (zumindest 1977) die Ölknappheit nicht auf einer Erschöpfung der Ressourcen beruht(e), sondern auf wirtschaftlichen Entscheidungen, weniger Anstrengungen auf die Förderungen des US-amerikanischen Öls zu verwenden. Der Grund liegt in gesunkenen Erträgen, die es für die Wirtschaft weniger attraktiv macht, in US-amerikanische Erdölproduktion zu stecken als in andere Bereiche. Konzerne bieten keine Gewähr für die größtmögliche Ausnutzung der Ressourcen, denn sie haben nur Profitinteresse:
„Die Ölgesellschaften scheinen schlecht gerüstet zu sein, um die ordnungsgemäße langfristige Entwicklung einer bestimmten Ressource – wie etwa die Öllager unter dem Festland der USA – voranzutreiben und der ablenkenden Verlockung zu widerstehen, wenn sich anderwärts rentable Investitionsgelegenheiten bieten.“ (Commoner 1977: 60)
Dies zeigt schon den roten Faden der weiteren Argumentation. An den Problemfeldern Ölförderung, Kernenergie, Verkehr, Landwirtschaft und Petrochemie zeigt er auf, wie das Ökosystem, das (stofflich-energetische) Produktionssystem und das (monetäre) Wirtschaftssystem jeweils miteinander zusammenhängen.
Er zeigt, dass im real existierenden Kapitalismus die Steuerung vom Wirtschaftssystem her erfolgt, während eine ressourcenangepasste Produktionsweise genau von der anderen Seite her Regulationsimpulse erfahren müsste.
Der Ansatz von Commoner zeichnet sich erstens dadurch aus, dass er sich bei der Frage nach der Rolle der Ökosysteme ausdrücklich nicht nur auf Umweltschäden und die Frage der Ressourcenverfügbarkeit beschränkt, sondern erklärt, inwieweit eine konsequent thermodynamische Betrachtung für diese Debatte notwendig ist (siehe Teil II dieses Berichts). Zweitens erläutert er konkret und präzise, wie die jeweiligen Bedingungen (Öksystem, Thermodynamik und wirtschaftliche Entscheidungen) sich in die Form des Produktionssystems einschreiben.
Außerdem wird deutlich, dass die Probleme „nicht von irgendeiner rücksichtslosen abstrakten Kraft namens „Wachstum“ herbeigeführt [wurden], sondern durch bewußtes menschliches Handeln aus dem Motiv des ökonomischen Faktors – dem Wunsch nach Maximierung der Profite“ (Commoner 1977: 195)
Commoner zeigt, „daß Energieprobleme nicht zu lösen sind durch technologische Kunstgriffe, ausgeklügelte Steuerprogramme oder Flickwerk-Gesetzgebung. Die Energiekrise und der Knoten der technologischen, wirtschaftlichen und sozialen Fragen, in welchen sie verfranst ist, erfordern eine große nationale Anstrengung: um bessere Alternativen zu entdecken für die zutiefst fehlerhaften Institutionen, die bestimmen, wie die Ressourcen der Nation verwendet werden.“ (ebd.: 13)
In den folgenden Texten beschäftige ich mich noch ausführlicher mit den naturwissenschaftlichen Grundlagen eines angemessenen Umgangs mit energetischen Ressourcen und gesellschaftliche Entscheidungsgrundlagen.
- Thermodynamische Effizienz als Kernelement einer umweltverträglichen Produktions- und Lebensweise
- Energienutzung und Produktionstechnik
- Menschliche Arbeit, Wirtschaft und Energie/Entropie
- Gesellschaftliche Entscheidungsgrundlagen für eine zukunftsfähige Produktionsweise und Energiepolitik
Literatur:
Commoner, Barry (1977): Energieeinsatz und Wirtschaftskrise. Die Grundlagen für den radikalen Wandel. Reinbek: Rowohlt.
Dezember 10, 2011 at 9:35 am
„Außerdem wird deutlich, dass die Probleme „nicht von irgendeiner rücksichtslosen abstrakten Kraft namens „Wachstum“ herbeigeführt [wurden], sondern durch bewußtes menschliches Handeln aus dem Motiv des ökonomischen Faktors – dem Wunsch nach Maximierung der Profite“
Tscha, das bringt für mich das Dilemma der Verdinglichungskritik zum Ausdruck. Zwar möchte ich Michael Heinrichs Belehrung in seinem Vortrag auf der diesjährgen „Marx-Herbstschule“ nachvollzehen, dass die „Verdinglichung“ sozialer Beziehungen im Kapitalismus real ist (Marx:“die gesellschaftlichen Beziehungen erscheinen als das, was sie sind, als Beziehungen von Sachen“). Nur wie beschreibt man Prozesse der Entdinglichung, also der Emanzipation aus den kapitalistischen Sachzwängen, die sich ja auch unter der Oberflche keimförmich entwickeln? Prozesse der Hervorhebung mitmenschlicher Verantwortlichkeit (und deren Ausdehnung)? Da gerät man leicht ins andere Extrem und hilft sich mit Moralismus und Kritik schlechter Tugendhaftigkeiten – und schon landet man bei der berühmten Gier wie z.B. der Gier nach „Maximalprofiten“. (Und womöglich der Illusion, dass es ein Zurück zu bescheidenen Normalprofiten „ehrbarer Kaufleute“ geben könnte).
Februar 14, 2012 at 12:20 pm
[…] Arbeiten wie die von Barry Commoner (siehe dazu hier) sind eher phänomenologische Beschreibungen als ausreichend tiefgründige Analysen. Es ist zu […]