Im vorigen Text wurde gezeigt, dass die menschliche Arbeit ein „physikalischer Prozeß der Energie- und Stofftransformation [ist], der sich unter bestimmten gesellschaftlichen Verhältnissen vollzieht“ (Schyga 1997).
Darauf verweist auch Barry Commoner (1977: 13). Er zeigt,
…“ daß Energieprobleme nicht zu lösen sind durch technologische Kunstgriffe, ausgeklügelte Steuerprogramme oder Flickwerk-Gesetzgebung. Die Energiekrise und der Knoten der technologischen, wirtschaftlichen und sozialen Fragen, in welchen sie verfranst ist, erfordern eine große nationale Anstrengung: um bessere Alternativen zu entdecken für die zutiefst fehlerhaften Institutionen, die bestimmen, wie die Ressourcen der Nation verwendet werden.“
Schon in den 70er Jahren zeigte es sich, dass die Krisen im Energie-, im Umwelt- und im Wirtschaftssystem ineinander verzahnt sind und Commoner vermutet dahinter ein „gemeinsames Urübel“. Dieses sieht er nicht im Ökosystem verankert, denn wie er anhand der Ölkrise 1973 zeigt, war diese nicht wirklich durch eine Erschöpfung der Ölvorkommen verursacht gewesen. Das Produktionssystem (die materiell-energetisch(-informationelle)-technische Basis) weist deutliche Mängel auf, diese sind für Commoner der unmittelbare Grund für die meisten der Schwierigkeiten (ebd.: 196).
„Allerdings sind diese Mängel nicht von sich aus […], entstanden. Sie sind ihm vielmehr von außen aus ökonomischen Erwägungen auferlegt worden.“ (ebd.: 196)
Wie früher schon gezeigt, haben strukturelle Entscheidungen zugunsten bestimmter Infrastrukturen, Produkten und Produktionstechniken zumeist nicht nur einen sachlichen technischen Hintergrund, sondern werden nach Maßgabe wirtschaftlicher „Rentabilität“ entschieden, worunter sich durch die Konkurrenz exekutierte der Zwang zur Kapitalakkumulation verbirgt. Dabei wurden auf der Grundlage der recht gut verfügbaren fossilen Energie eher die problemverursachenden und thermodynamisch inneffizienten Lösungen bevorzugt. Die marktvermittelte Bedarfsbefriedigung ist ebenso inneffektiv in Bezug auf die ökologischen und thermodynamischen Bedingungen wie in Bezug auf soziale bzw. globale Gerechtigkeit. Die gesellschaftlichen Verhältnisse, die derzeit durch den Kapitalismus bestimmt sind, wirken richtungsgebend auf die stofflich-energetischen Naturumwandlungsprozesse.
„Sozialer Bedarf besteht an einem System, das Energie für eine geeignete Aufgabe effizient anwendet; aber diesem Bedarf wird einzig dadurch entsprochen, daß diese Waren auf den Markt geworfen und dann das Beste gehofft wird. Ein Ofen wird nicht hergestellt und verkauft als des Herstellers wirksamster Beitrag zur Deckung des sozialen Bedarfs, daß die Wohnungen der Leute im Winter bei 23° (C) zu halten sind. Wenn der Zweck des Fabrikanten durch jene thermodynamische Aufgabedefiniert würde, wäre das Produkt zwangsläufig alles andere als ein Ofen – vielleicht eine Wärmepumpe oder ein Solarkollektor.“ (215)
Die menschliche Arbeit im Kapitalismus trägt ein Doppelgesicht: einerseits werden wirklich Naturprozesse zweckmäßig verändert, andererseits unterliegt diese Tätigkeit dem Imperativ der Kapitalakkumulation. Diese Widersprüchlichkeit erfasst Marx u.a. mit der Bezeichnung „Doppelcharakter der Arbeit“. Ökonomische Prozesse sind einerseits (konkrete) Arbeitsprozesse (auf der Ebene des Stoffwechsels zwischen Mensch und Natur), andererseits (Kapital-)Verwertungsprozesse (auf der gesellschaftlichen Ebene).
In der Arbeit als einem „physikalische[n] Prozeß der Energie- und Stofftransformation, der sich unter bestimmten gesellschaftlichen Verhältnissen vollzieht“ (Schyga 1997), entstehen Produkte, die menschliche Bedürfnisse befriedigen und ein niedrigeres Maß an Entropie verkörpern als das Naturmaterial vor der Verarbeitung. Wie alle Ordnungsprozesse führt die Arbeit zu einer Verlagerung von Entropie in das Äußere. Die folgende Abbildung zeigt die Wechselwirkungen zwischen der der Natur und der gesellschaftlichen Sphäre (aus: Huneke 2000):
Die Darstellung ist deshalb etwas einseitig, weil die Bezeichnung „degradierte Natur“ nicht berücksichtigt, dass das menschliche Tun in der Natur nicht von vornherein auf eine zerstörerische Ressourcenentnahme und Abfallauslagerung reduziert sein muss, sondern auch Ko-Evolutionsprozesse beinhaltet, das Schaffen von Kulturlandschaften usw. usf..
Der Nutzen eines Produkts muss auf jeden Fall in Hinsicht auf die mit ihm verbundenen thermodynamischen Auswirkungen auf die Umwelt bewertet werden – dies kann jedoch in einer kapitalistischen Marktwirtschaft nicht geschehen.
Nach nur wenigen Jahrzehnten der Blüte der „sozialen Wohlstandsgesellschaft“ (eigentlich nur 50er und 60 Jahre) in wenigen Ländern dieser Erde zeigt sich spätestens seit den 70er Jahren die Krisenhaftigkeit dieser Produktions- und Krisenprozesse. Altvater spricht davon, dass nach dem Widerspruch zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen nun die Widersprüchlichkeit von Produktivkräften, Produktionsverhältnissen und Produktionsbedingungen zum Tragen kommt.
Diese Widersprüchlichkeit wird die menschliche Entwicklung wohl immer in gewissem Maße begleiten. Im Kapitalismus nimmt sie eine spezielle Form an, eine, die die Existenz der Menschheit riskiert. Ein Ausweg aus dieser spezifischen Widersprüchlichkeit kann gefunden werden, wenn wir uns erinnern, dass im Kapitalismus durch Verwendung fossiler Energiequellen aus dem offenen Energie- und Entropieflusssystem ein geschlossenes gemacht wurde. Nur in einem geschlossenen System ist die Entwicklung/Organisierung mit der Degradation der natürlichen Umwelt verbunden. Eine Rückkopplung an den natürlichen Energiefluss, der sich aus der Sonne speist, ermöglicht weiterhin vielfältige qualitative Entfaltungsmöglichkeiten von Mensch und Natur, eine Ko-Evolution, eine „Allianz mit der Natur“ (Ernst Bloch).
Literatur:
Altvater, Elmar (1997): Die Zukunft des Marktes: Ein Essay über die Regulation von Geld und Natur nach dem Scheitern des „realexistierenden“ Sozialismus. Münster.
Commoner, Barry (1977): Energieeinsatz und Wirtschaftskrise. Die Grundlagen für den radikalen Wandel. Reinbek: Rowohlt.
Huneke, Karsten (2000): Zur Rolle von Natur im sozioökonomischen Vermittlungsprozess (Elmar Altvater: Die Zukunft des Marktes).
Mayer, Lothar (1999): Ausstieg aus dem Crash.
Schyga, Peter (1997): Entropie. Historisch-Kritisches Wörterbuch des Marxismus Bd.3. Hamburg, Berlin. Spalten 512-523.
Dezember 15, 2011 at 9:33 pm
Abgesehen von der „nationalen Anstrengung“, (die natürlich nicht reicht) war mir grad folgendes aufgefallen.
„…. worunter sich durch die Konkurrenz exekutierte der Zwang zur Kapitalakkumulation verbirgt“
Hegel, ick hör diar trapsen 🙂
Also, es ist ja nicht ein böser oder guter Geist namens „Zwang zur Kapitalakkumulation“ am Werke, wenn bestimmte (und nicht andere) technische Produktionsmittel entwickelt werden und zum Einsatz kommen, dessen böser Wille dann von den materiellen Umständen (der Konkurrenz) „exekutiert“ würde. Wenn in dem Zusammenhang von „Konkurrenz“ die Rede ist, ist ja stets das Privateigentum an Produktionsmittel vorausgesetzt, das in Konkurrenz zu anderem Privateigentum steht und deshalb genötigt ist, aus Geld (der zum Zugriff auf beliebige Waren berechtigenden Ware) mehr Geld zu machen.
Gruß hh
Dezember 16, 2011 at 3:59 pm
Natürlich sind hier die kapitalistischen Zustände vorausgesetzt. Ich kann nur nicht jedesmal das ganze „Kapital“ noch mal abschreiben, sondern quasi abkürzend etwas zusammen fassen. Hier will ich wenigstens andeuten, dass es auch nicht der freie Wille des Unternehmers ist, der von sich aus wegen „Profitgier“ oder so was sich so verhält, wie er sich verhält… Die ganze Fetischgeschichte hat natürlich nix mit „bösen oder guten Geistern“ zu tun, aber schon auch mit einer Verselbständigung gegenüber den individuellen Willen.
Dezember 16, 2011 at 4:25 pm
„Hier will ich wenigstens andeuten, dass es auch nicht der freie Wille des Unternehmers ist, der von sich aus wegen „Profitgier“ oder so was sich so verhält, wie er sich verhält… “
Was ich gut finde.
„Die ganze Fetischgeschichte hat natürlich nix mit „bösen oder guten Geistern“ zu tun, aber schon auch mit einer Verselbständigung gegenüber den individuellen Willen.“
Wollte ja nur nicht, dass der Eindruck entsteht, die Konkurenz müsste bereits fertige Zwänge nur exekutieren. Weil ich wichtige finde, sich zu vergegenwärtigen, dass die Konkurrenz der privat produzierenden Unternehmen ein konstitutives Element der Herstellung dieser Zwänge ist.
Gruß hh
Dezember 15, 2011 at 9:57 pm
Noch ne Anmerkung:
„Die menschliche Arbeit im Kapitalismus trägt ein Doppelgesicht: einerseits werden wirklich Naturprozesse zweckmäßig verändert, andererseits unterliegt diese Tätigkeit dem Imperativ der Kapitalakkumulation. Diese Widersprüchlichkeit…“
Wieso eigentlich Widersprüchlichkeit? Widersprüchlich wirds doch erst, wenn man menschliche Arbeit nicht nur physikalisch sondern eben auch anthropologisch-emanzipationsphilosophisch bestimmt als (wachsende) Fähigkeit, Leidenschaft und Notwendigkeit, einen vorher im Kopf bereits vorgestellten gesellschaftlichen Nutzen gezielt herzustellen. Das wird durch die privateigentümliche Organisation der Gesellschaft (von Produktion und Aneignung) konterkariert.
Gruß hh
Dezember 16, 2011 at 4:02 pm
Hier gilt dasselbe wie eben. Du ergänzt mit Deinem Kommentar das von mir Gemeinte, ich kann nur nicht in jedem Blogtext alle Assoziationen und Voraussetzungen und Theorien jedesmal bis ins Einzelne austexten.
Dass da dann etwas Widersprüchliches rauskommt, sieht man direkt in dem Beschriebenen: (rein sachlich) „zweckmäßig“ wäre etwas anderes (thermodynamisch effiziente Energienutzung) als das, was im Kapitalismus realisiert wird (energieverschwenderische Lösungen, lediglich an (kapitalistisch bestimmten) ökonomischen „Rentabilitäten“ orientiert).
Dezember 15, 2011 at 10:43 pm
Bitte meine Nörgeleien nicht missverstehen. Wenn ichs nicht interessant fände, wärs mir gleichgltig. Noch zweieinhalb Bemerkungen:
1.) Zur „Blüte der Wohstandsgesellschaft in den 1950er und 1960er Jahren“ möchte ich ehrlich gesagt nicht gern zurück.
2. 1/2) Ich sehe keinen großen Vorteil darin, NEBEN sich entwickelnde Widersprüche zwischen Produktionsverhältnissen und Produktivkräften als Grundlage gesellschaftlcher Veränderungen zusätzlich einen Faktor „Produktionsbedingungen“ ins Spiel zu bringen. Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse entwickeln sich natürlich immer unter bestimmten Bedingungen und sind auch selbst Entwicklungsbedingungen (deren Fortschritte bedingen sich). Interessanter fände ich es, Produktionsverhältnisse bzw.. Produktivkräfte einmal ökologisch den gesamten Stoff/Bedeutungswechsel betreffend und einmal im Hinblick auf deren menschliche (die Beziehungen der Menschen zueinander betreffende) Aspekte zu betrachten. Und als eine der derzeit dringendst benötigten (und weiter zu entwickelnden) Produktivkräfte das menschliche Reflektionsvermögen im Hinblick auf die Gesamtheit der Wechselwirkungen sowie die Bereitschaft und Fähigkeit, diesbezüglich Mitverantwortuzng wahrzunehmen zu betrachten.
Gruß hh
Dezember 16, 2011 at 4:13 pm
zu 1.) Auch ich möchte da nicht zurück (war ja da auch nie) – es sind aber immerhin jene Zustände, die auch heute noch maßgeblich das Bild vom „sozial zähmbaren Kapitalismus“, des „american way of life“ etc. und damit auch die Hoffnungen von vielen Millionen Menschen prägen.
zu 2.) Naja, ich denke schon, dass es Sinn macht, mit den „Produktionsbedingungen“ etwas in die Debatte einzuführen, was auch das der Gesellschaft „von außen“ zugrunde Liegende neu thematisiert. Pk und Pv beziehen sich meines Erachtens von vornherein auf das Menschliche. Dieses steht aber in Wechselbeziehung auch zu etwas, was erst einmal nicht von ihm konstituiert wird. Es gibt wahrscheinlich theoretisch mehrere verschiedene Zugänge, das zu thematisieren, ich möchte diese Möglichkeit überhaupt erst einmal zur Kenntnis nehmen und damit „experimentieren“. Natürlich hängt irgendwie „alles mit allem“ zusammen, aber wir brauchen auch unterscheidende Kategorien und wir müssen ausprobieren, mit welchen wir die Probleme und Lösungsmöglichkeiten in den Blick bekommen.
Zum menschlichen Reflexionsvermögen gehört es eben auch, insbesondere in Phasen, in denen völlig neue Herausforderungen entstehen, auch neue Kategorien zu entwickeln und auszuprobieren, statt alles in die „alten Worthülsen“ hineinpacken zu wollen. Der Wandel von den primär fossilen Energiequellen zu erneuerbaren bringt einen grundsätzlichen Wandel im „gesellschaftlichen Naturverhältnis“ mit sich und wir müssen schauen, den irgendwie zu begreifen.