Nachdem die Schriftstellerin Monika Maron den Aufschwung der Solarindustrie im sog. „Solar Valley“ in ihrem Buch „Bitterfelder Bogen“ beschrieben hatte, meldete sie sich in einem Zeitungsinterview zu Wort, nachdem der Absturz des Photovoltaik-Booms auch dessen größtes Flaggschiff, die Firma Q-Cells ins Schlingern brachte.

Sie schwärmt heute noch, wenn sie über die Gründergeschichte berichtet. Von „Leuten, die sich gleichrangig begegnet sind“, über „eine Begegnung jenseits des üblichen Ost-West-Klischees“. Für den jetzigen Niedergang macht sie neben der insgesamt schlechten Lage in der Solarbranche auch die Firma selbst verantwortlich:

„Q-Cells hat zwar eine große Forschungsabteilung, aber es ist ihnen trotzdem nicht gelungen, einen technologischen Vorsprung zu behaupten.“

So ganz stimmt das nicht.

Anläßlich der Europäischen Photovoltaik Konferenz Anfang September 2011 in Hamburg wurde von Q-Cells eine neue Solarzelle mit einem Weltrekordwirkungsgrad vorgestellt. Es handelt sich um eine Solarzelle, deren Technologie mit dem Namen „Q.UANTUM“ geschmückt wird. (Im November 2011 gabs auch wieder mal ein Aufwärts im Börsenwert von Q-Cells, aber ich habe den Eindruck, dass andere als solche technologischen Informationen für Börsenentscheidungen wichtig sind).

Mich interessierte jedenfalls, wie weit Q-Cells ist und was sich hinter der neuen Technologie verbirgt. Insgesamt verfolgt Q-Cells eine sog. „evolutionäre“ Strategie der Weiterentwicklung, wie die meisten PV-Unternehmen. Das heißt, es werden nicht von heute auf morgen völlig neue, revolutionäre Solarzellenkonzepte verwirklicht, sondern an der vorhandenen Standardtechnologie werden Schritt für Schritt Verlustfaktoren ausgeschaltet, so dass der Wirkungsgrad steigt und die Kosten pro erzeugter Kilowattstunde weiter sinken können.

Erinnern wir uns an den Vorwurf von Monika Maron über den fehlenden technologischen
Vorsprung. Tatsächlich arbeitete Q-Cells kontinuierlich an auch revolutionären neuen Zellkonzepten. Wie in einem Übersichtsberichtallerdings erläutert wird, wirkte sich die Krise von 2008/2009 in dieser Hinsicht in der gesamten Branche recht bremsend aus. Für die doch ziemlich grundlegenden Neuentwicklungen blieb kein Raum, evolutionäre Fortschritte führten ebenfalls zu deutlichen Wirkungsgradsteigerungen und damit Erfolgen.

Verlustminderung durch Passivierung und Verspiegelung der Rückseite

Viele dieser schrittweisen Veränderungen setzen an dem sog. PERC-Solarzellenkonzept an, das am ISE Freiburg entwickelt worden war.


PERC-Solarzelle (Quelle: Glunz 2000)

Die Q.UANTUM-Solarzelle setzt auf Punktkontakte und verbesserte Schichten auf der Rückseite (Engelhart et al. 2011, Mohr et al. 2011). Ihre Besonderheit sollen die „Power-Reflectors“ darstellen, es wird von einer „funktionalen Nanoschicht“ gesprochen (Quelle). Die erreichten Wirkungsgrade werden mit 20,2% (für monokristalline Zellen) und 19,5% (polykristallin) angegeben. Derzeit findet die Übertragung der Herstellungstechnologie vom Forschungszentrum zu einer Pilotlinie im Werk statt. Bosch Solar meldete übrigens im April 2011 einen Wirkungsgradrekord von 19,6% (für monokristalline Zellen) auf Grundlage von PERC-Zellen.

Schauen wir mal, was sich technisch verändert. In der PERC-Zelle ist nicht mehr, wie in den Standard-Solarzellen, die gesamte Rückseite der Solarzelle mit Aluminium als Rückseitenkontakt beschichtet, sondern die Kontakte sind nur punktuell ausgebildet – der Rest der Oberfläche erhält eine Beschichtung, die 1. dafür sorgt, dass am Rand des Materials weniger Ladungsträger rekombinieren und dass 2. möglichst viele Photonen, die sich durch das Solarzellenmaterial bewegen, ohne sich in elektrische Energie umzuwandeln, am Rand „zurückgespiegelt“ werden, um bei der weiteren Bewegung im Material in elektrische Energie umgewandelt zu werden. Der erste Effekt heißt „Passivierung“, der zweite kann mit einer Verspiegelung verglichen werden.

Die erwähnte Rekombination am Rand des absorbierenden Materials beruht darauf, dass hier Bindungen zwischen den Kristallatomen „abgebrochen“ sind und einzelne Atome „in der Luft hängen“. An denen können Elektronen und Löcher, die vorher durch die Photoneneinwirkung erzeugt worden waren und die als Strom abgeführt werden sollen, wieder rekombinieren und so der Stromerzeugung verloren gehen. Bei der „Passivierung“ werden diese „hängenden Bindungen“ durch andere Atome oder Moleküle abgesättigt und die Rekombination wird dadurch gesenkt – die Verluste werden reduziert.

Eine Passivierung auf der Rückseite ist vor allem wichtig bei den neuen Hochleistungssolarzellen, die im Volumenmaterial schon eine geringe Rekombination haben und wird besonders bedeutsam bei dünnen Solarzellen, bei denen die erzeugten Ladungsträger schneller auf die Oberfläche treffen als bei dickeren. Von der Vorderseite kennen wir als passivierende Schichten z.B. Thermische Siliziumdioxidschichten (SiO2) bzw. die zusätzlich als Antireflexionsschicht wirksame Siliziumnitrid-Schicht (Si3N4). Die Rückseitenpassivierung erfolgt bei den Standardsolarzellen durch das sog. „Back Surface Field“ (BSF) einer p+-leitenden Al-Schicht.

Das folgende Bild zeigt das Prinzip der Reflexion an einer SiO2-Schicht an der Rückseite der Solarzelle (aus Lossen 2008):

Erhöhung der internen Reflexion durch eine SiO2-Rückseitenschicht

Bei den PERC-Solarzellen erfolgt die Passivierung der Rückseite durch zusätzliche dielektrische Schichten wie SiN, amorphes Silizium oder Siliziumoxid. Für die Q.UANTUM-Solarzelle wird angegeben, dass sie auf der Rückseite mit einer 70 nm dicken SiN-Schicht versehen ist (siehe die folgende Abbildung aus Engelhart et al. 2011):

Die Q.UANTUM-Zelle bringt vor allem eine Erhöhung der Energieausbeute für Licht geringer Intensität (Engelhart et al. 2011: 3) und großen Wellenlängen (Mohr et al. 2011: 2).

Weitere Entwicklungen

Die aufgebrachte Passivierungsschicht muss eine kurzzeitige starke Temperaturerhöhung aushalten. Es ist außerdem bekannt, dass SiN-Schichten auf der Solarzellenrückseite gar nicht so günstig sind. Deshalb wird seit einigen Jahren vorgeschlagen, auf der Rückseite Schichten aus Aluminiumoxid (Al2O3) zu verwenden (vgl. Hoex et al. 2006, Schmidt et al. 2008, Dingemans, Kessels 2010) oder mit Mehrfachschichten aus Al2O3, SiO2 und SiN (Schmidt et al. 2009) zu arbeiten.

Auf der 25. PVSEC hielt E. Kessels von der TU Eindhoven einen sehr guten Vortrag über die besondere Eignung von AlOx-Schichten für Solarzellen (Kessels, Dingemans, Mandoc 2010):

Q-Cells hat Patente mit derartigen Schichten angemeldet (z.B. DE102010016122). Die AlOx-Schichten zeichnen sich dadurch aus, dass in ihnen eine hohe negative Ladungsträgerdichte vorliegt, so dass weniger Elektronen an die Oberfläche zum Rekombinieren gelangen.

Vorarbeiten zu Schichten, die auf Aluminiumoxiden basieren, wurden insbesondere am ISF Hameln durchgeführt. Das neue Patent von Q-Cells DE102010017155, in dem als Erfinder auch Mitarbeiter des ISFH aufgeführt sind, beinhaltet folgende zusätzliche Faktoren:

  • Auf der Grundlage von AlOx-Passivierungsschichte(n) werden zusätzliche Elemente (Stickstoff, Kohlenstoff u.a.) hinzugefügt, um den Brechungsindex der Schicht zu beeinflussen.
  • Es werden alternierende Schichtfolgen aus Aluminiumoxid und Titanoxid vorgeschlagen, wodurch ein „Nano-Laminat“ entsteht, bei dem Brechungsindex stufenlos eingestellt werden kann.
  • Es werden optisch aktive Elemente wie Erbium zum Zweck der Up-Conversion, beigemischt (vgl. Dingemans et al. 2011).

Neben den bereits industriell üblichen Beschichtungstechniken (PE)CVD (chemische Dampfphasenabscheidung ggf. unterstützt durch Plasma) und Sputtern scheint die Atomlagenabscheidung (ALD) für die AlOx-Schichten Vorteile zu bringen. (Hodson, Kessels 2009, Technologievergleiche sind zu finden in Schmidt et al. 2008, Schmidt et al. 2010, Dingemans et al. 2010). Daran wird vor allem am ISFH und auch an der TU Eindhoven geforscht. ALD ermöglicht eine genauere Beeinflussung der entstehenden Schichtqualitäten und ihr Nachteil, die geringe Abscheiderate, ist angesichts der Tatsache, dass die Rückseitenpassivierungsschichten nur äußerst gering sein brauchen (z.B. 5-7 nm, vgl. Terlinden et al. 2010), nicht von so großer Bedeutung.

Die folgende Abbildung zeigt eine Solarzelle mit derartig hergestellten Schichten (Hodson, Kessels 2009: 18):

Da in den Ankündigungen von Q-Cells auch von „funktionalen Nanoschichten“ (also in der Mehrzahl) gesprochen wird, würde es mich nicht wundern, wenn neben der angesprochenen 70nm-Schicht SiN bereits weitere dieser Neuerungen in der Q.UANTUM-Zelle integriert wären. Die im o.g. Patent erwähnte Nutzung von Erbium-Atomen, also ein echter Nanoeffekt, dürfte da allerdings kaum integriert sein, da grundlegende Untersuchungen bislang berichten, dass die Erbium-Dotierung die Passivierungseigenschaften der AlOx-Schicht beeinträchtigt (Dingemans et al. 2011).


Literatur:

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Stefan Glunz (2000): Neue Konzepte für Siliciumsolarzellen. In: FVS Themen 2000, S. 93-96.

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N.M. Terlinden, G. Dingemans, M.C.M. van de Sanden, W.M.M. Kessels (2010): Role of field-effect on c-Si surface passivation by ultrathin (2-20 nm) atomic layer deposited Al2O3. App.- Phys. Lett. 96, 112101 (2010).