„Mit unserem Vorschlag zur Photovoltaik-Förderung wollen wir die Zubaumenge … wirksam begrenzen“ – damit besiegelte der Umweltminister Röttgen (BMWI) seine Unterwerfung unter die Widersacher der Photovoltaik. In den Onlineausgaben der großen Blätter wird die „Lebenslüge Solarförderung“ schon längst als „Vergeudung“ und „Öko-Planwirtschaft“ gegeißelt. Die Solarindustrie dagegen schlägt Alarm gegen den „Solar-Kahlschlag“, bzw. das „Solarenergieschrumpfungsgesetz“.

Was ist geschehen?

Das Sinken der Einspeisevergütung

Da Anlagen zur Umwandlung von Sonnenergie in elektrischen Strom (Photovoltaische Anlagen) immer günstiger zu haben sind, sind die (meist privaten) Betreiber immer weniger auf die vom Staat durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) für jeweils 20 Jahre zugesicherten Einspeisevergütungen für ihren Solarstrom angewiesen. Deshalb sinken diese Einspeisevergütungen von Jahr zu Jahr. Als vor wenigen Jahren der Zubau von PV-anlagen unerwartet stark zunahm, wurden zusätzliche Kürzungen der Einspeisevergütung eingeführt, so dass sich Preissenkungen (siehe Abbildung 1) und die Senkung der Einspeisevergütung (siehe Abbildung 2) ungefähr entsprechen.

Abb. 1: Senkung des durchschnittlichen Endkundenpreises (Quelle)


Abb. 2: Senkung der Einspeisevergütung (Quelle)

Von 2006 fielen die Preise für Solarstromanlagen um 60%, gleichzeitig sanken auch die Einspeisevergütungen um ca. 55%.

Die Überprüfung der Einspeisevergütungen war für Anfang 2012 planmäßig vorgesehen. Der Kürzungsplan ist nun jedoch wesentlich schärfer als erwartet oder befürchtet: Nachdem bereits ab 1.1. 2012 die Einspeisevergütungen gegenüber 2011 um 15% sanken, sollen sie ab 9.3. je nach Anlagentyp um weitere 20-30% sinken (BMU 1). Zusätzlich ist eine automatische monatliche Degression um 15% vorgesehen, die die Vergütungssenkungen zum Jahresende, wie sie bisher stattfanden, ersetzt. Außerdem soll nur noch ein bestimmter Prozentsatz der erzeugten Strommenge vergütet werden (BMU 2). Die Einschränkung der Zahlung von Vergütungen betrifft vor allem auch größere Solarparks. (Eine Zusammenstellung zu den geplanten EEG-Änderungen gibts hier,)

Die folgende Tabelle zeigt die vorgesehenen Einspeisevergütungen für PV-Strom ab 1.3.2012:


Abb. 3: Geplante EEG-Vergütungssätze für PV (BMU)

Für PV-Anlagenbetreiber verringert sich damit die Rendite von 6,7 % schlagartig auf 3,4 %, wie in einer Beispielrechnung gezeigt wurde. Das macht eine Kreditaufnahme zur Finanzierung kaum noch möglich. Dieser Einschnitt ist viel größer als die bisherigen Vergütungsabsenkungen. Für die Installateure hat sich all dies schon ausgewirkt (SFV):

  • 90% der Aufträge einer Solarfirma wurden storniert; anstatt 5 Stellen zu schaffen, werden 18 Personen entlassen.
  • Banken stufen Photovoltaikanlagen inzwischen als risikoreich ein, ansonsten solvente Kunden erhalten keine Darlehen dafür.
  • Die bei den Installateuren auf Lager liegenden Module werden schlagartig um 20-30% „entwertet“ (weil die Anlagenpreise entsprechend der Senkung der Vergütung senken müssen)
  • Aus- und Weiterbildungen in der Solarbranche werden gestoppt.

Bisherige Investitionen werden damit wertlos.

Siegt sich die PV zu Tode?

Warum sind diese Einschnitte derart hart? Vordergründig werden sie damit begründet, dass für die Stromkunden die durch sie zu bezahlende EEG-Umlage zu stark wird, weil zu viele PV-Anlagen installiert wurden.

Tatsächlich übertraf die Dynamik des PV-Zubaus alle Erwartungen. Wir sehen im Folgenden eine Zusammenstellung verschiedener Prognosen, die alle durch die Realität übertroffen wurden (vgl. auch die entsprechende Abbildung in meinem Beitrag vom Herbst 2010).


Abb.4: Verwirrspiel – verschiedene Prognosen für den Ausbau der Photovoltaik (Quelle)

Der Nationale Aktionsplan Erneuerbare Energien aus dem Sommer 2010 sah für die Jahre ab 2012 nur noch einen jährlichen Zubau von Solaranlagen für 3,5 GW vor (NAP : 111). Für 2010 hatte er 6 GW prognostiziert, 2011 4,5 GW. Diese Zubauwerte sind weit überschritten worden. Tatsächlich sind im Jahr 2010 Anlagen für 7,4 GW installiert worden und im Jahr 2011 wurden wiederum 7,5 GW erreicht, der weitaus größte Anteil davon wurde in den letzten drei Monaten des Jahres installiert.

Es wird nun behauptet, dass dieser schnelle Ausbau „auf Kosten“ der Stromkunden nicht weiter tragfähig sei. Deshalb sollen die Neuinstallationen bis 2017 auf nur 0,9 bis 1,9 GW pro Jahr zurück gefahren werden. Mit dieser Vollbremsung kann der im Aktionsplan der Bundesrepublik Deutschland von 2010 vorgesehene Ausbau der Photovoltaikleistung auf 52 GW im Jahr 2020 nicht mehr erreicht werden. Die Absicht des Ausbremsens der Photovoltaik ist auch in im Energiekonzept der Bundesregierung von 2010 bereits enthalten, allerdings noch einigermaßen versteckt (siehe hierzu meine früheren Blogberichte dazu: 1, 2).

Wie steht es mit den Belastungen des Strompreises durch die EEG-Umlage? Die Strompreise sind in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen:


Abb. 5: Strompreisentwicklung (nach: Quelle)

Wer aber annimmt, der Anstieg käme allein von der EEG-Umlage, irrt gewaltig. Die EEG-Umlage stieg in derselben Zeit nur wenig, andere Faktoren sind die Stromsteuer, die Konzessionsabgabe, Netzentgelte usw.:


Abb. 6: Entwicklung des Strompreises und der EEG-Umlage (nach: Quelle)

Rechtfertigt die Befürchtung eines zu starken Anwachsens der EEG-Umlage die Vollbremsung bei der Installation von PV-anlagen? Das wäre dann die bizarre Situation, bei der ein zu starkes Wachstum zum Tode führt… Zuerst einmal muss gesagt werden, dass für die bisher installierten Anlagen die Einspeisevergütung 20 Jahre lang garantiert ist. Da ist also nichts mehr einzusparen. Die Einspeisevergütung wurde wie geplant Jahr für Jahr gesenkt und seit einigen Jahren mehrmals auch außerplanmäßig zusätzlich in Abhängigkeit von der Zubaumenge reduziert. Für 2005 installierte kleine Dachanlagen erhält der Betreiber 54,53 ct/kWh. Ab Anfang 2012 sind das sowieso nur noch 18,33 ct/kWh. Durch diese geringer gewordenen Einspeisevergütungen erhöhen sich die jährlich zu zahlenden Vergütungen auch bei steigenden Zubauzahlen gar nicht mehr so sehr.

„Der weitere PV-Zubau beeinflusst die EEG-Kostenumlage nur noch geringfügig. Je Gigawatt zusätzlicher Photovoltaik-Leistung steigt die EEG-Umlage lediglich um 0,035 Cent/kWh. 1 Gigawatt PV-Zubau ist damit 2012 rund 70% günstiger als 2004.“ (BSW-Solar)

Wenn die Sorgen um die Stromkunden wahrhaft zählen würden, müsste außerdem zuerst die Privilegierung der energieintensivsten Unternehmen aufgehoben werden. Im Jahr 2010 konnten die energieintensivsten Unternehmen 1,12 Mrd. Euro auf die anderen Stromkunden abwälzen, im Jahr 2011 bereits 2,08 Mrd. Euro (Quelle: arepo consult). Wären im Jahr 2011 alle Stromverbraucher gleichmäßig belastet gewesen, so hätten die Verbraucher statt 3,53 ct/kWh nur 2,96 ct/kWh aufbringen müssen. Gleichzeitig profitieren die energieintensiven Unternehmen von den geringeren Strompreisen, die sich infolge der erneuerbaren Energien durch den durch Merit-Order-Effekt ergeben. Es wird eingeschätzt, dass durch diese Art der Preisbildung die erneuerbaren Energien bereits zu einer Strompreissenkung um 0,6 ct/kWh beitragen konnten. Davon profitieren die Großverbraucher, ohne angemessen dazu beizutragen. Wir sehen in der Abb.7, dass die Industrieunternehmen vor dem Strompreisanstieg weitgehend geschützt waren:


Abb. 7: Entwicklung des Strompreises und der EEG-Umlage (nach: Quelle)

Kosten und Nutzen von erneuerbaren Energien

Gerade die Angst vor steigenden Strompreisen sollte realistischerweise dazu führen, mit aller Kraft den Anteil der erneuerbaren Energien zu erhöhen. Es wird eingeschätzt, dass diese ungefähr ab 2020 endlich maßgeblich zur Stabilisierung der bis dahin weiter (vor allem aus anderen Gründen) steigenden Strompreise beitragen können.


Abb. 8: Prognostizierte Großhandelsstrompreise
(Prognos und Roland Berger, S. 97)

Dabei müssen wir auf den Nutzen der erneuerbaren Energien, insbesondere auch der Photovoltaik, gar nicht mehr so lange warten. Rechnen wir alle Kosten und alle monetär bewertbaren Nutzensformen gegeneinander auf, so überwiegt bereits jetzt der Nutzen (Genaueres zur Erklärung der einzelnen Faktoren siehe hier):


Abb. 9: Vergleich von Kosten und Nutzen der Stromerzeugung
aus erneuerbaren Energien (Quelle)

Preissturz – Automatismus oder besondere Situation?

Eine Rechtfertigung scheinen die außerordentlichen Kürzungen dadurch zu erhalten, dass auch die Preise für PV-Module in den letzten Monaten außerordentlich gefallen sind. Darauf ist auch der unerhörte Zubau in den letzten drei Monaten des Jahres 2011 (neben der Befürchtung der planmäßigen Einspeisevergütungssenkung ab 1.1.2012) zurückzuführen. Wenn die Kosten für die PV-Anlagen sinken, können auch die Vergütungen fallen – könnte man meinen.

Es gibt für den „normalen“ Verlauf der Kostensenkung im Zusammenhang mit der Massenproduktion und immer weiterer Forschung und Entwicklung eine sog. „Lernkurve“: Jede Verdopplung der kumulierten installierten weltweiten Leistung sinken die Kosten um 20%. Im Jahr 2011 sind die Preise allerdings schneller gefallen, als die installierte Leistung gestiegen ist (V. Quaschning).

Das lag an einer außergewöhnlichen Marktlage: Chinesische Hersteller erreichen durch staatliche Kredite große Skaleneffekte, so dass sie den Weltmarkt zu dominieren begannen. Dem kann durch die beste technologische Innovation nicht in dem erforderlichen Maße begegnet werden. Außerdem gibt es bereits seit längerem eine Überkapazität bei der Herstellung der Solarzellen, so dass die bereits hergestellten zu Schleuderpreisen auf den Markt gelangten. Diese Preisstürze beruhen also nicht auf der Verringerung von Produktionskosten und können nicht als Grundlage für die künftige Preisentwicklung genommen werden. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE erklärt in einer aktuellen Presseinformation:

»Die hohen Installationszahlen im Jahr 2011 sind kein Signal der Stärke, sondern der Schwäche der Solarbranche«, so Weber. Denn aufgrund einer weltweiten Überproduktion von Photovoltaikmodulen mussten nach Einschätzung des Fraunhofer ISE Ende 2011 viele Unternehmen ihre Solarstrommodule quasi zu Schleuderpreisen abgeben. Daraufhin kam es zu einer Rekordinstallation von Solarstrommodulen im Dezember 2011 von etwa 3 Gigawatt. Die Quartalsverluste der börsennotierten großen chinesischen Photovoltaikproduzenten untermauern diese Sichtweise. »Die Interpretation, dass die Branche hochprofitabel ist und weitere große Preissenkungsschritte möglich sind, ist daher falsch«, so Weber. (Quelle: ISE)

Dass die Angst um die Stromrechnung für die Kunden nur ein vorgeschobener Grund für die Kürzungsorgie ist, zeigen auch Abschätzungen des Prognos-Instituts: Demnach kann auch ohne solche Förderungskürzungen der Anteil der PV am Strommix bis zum Jahr 2016 auf 7% zunehmen, ohne dass die Strompreise dadurch um mehr als 2% ansteigen (Quelle: bsw). Wenn der PV-Zubau dagegen gedeckelt wird, würde der Strompreis bis 2016 nur um maximal 1,4% reduziert, der Ausbau der PV fällt dann aber um 75% niedriger aus.

Cui Bono?

Die vorgeschobenen Gründe, d.h. die Sorge um die Stromkunden, ist also nicht wirklich die Ursache für die extremen Kürzungspläne und das Vorhaben, den Zubau von Photovoltaik massiv einzuschränken. Ausgerechnet jetzt, wo sich die schönsten Hoffnungen erfüllt haben, wo sich die bisherigen Aufwendungen zu lohnen beginnen, wird der Rückzug angetreten. Warum wohl?
Ich habe schon einmal berichtet, warum der Solarstrom für die großen Energiekonzerne gefährlicher ist als Windstrom. Außerdem ist es ja durchaus nicht so, dass an anderer Stelle die reine Marktwirtschaft realisiert würde – gerade wurde die EEG-Vergütung für Offshore-Windkraft erhöht und ein Sonderkreditprogramm dafür aufgelegt. Hier wird deutlich, wohin die Energiewende sich bewegt: Anstelle der erfolgreich angestoßenen Dynamik der dezentralen erneuerbaren Energien Raum zu geben und dabei die Energieversorgung auf eine breitere wirtschaftliche Basis zu stellen, wird den Großkonzernen, die weiterhin zentralistische Konzepte wie DESERTEC und Offshore-Wind privilegieren, geholfen, den Anschluss nicht zu verlieren. Dabei werden dann ungeachtet Transportverluste auch keine Kosten gescheut.

Machtpositionen als Richtungsentscheidung versteht, kann man Rösler und Röttgen nur zustimmen, wenn sie die „Energiewende auf gutem Weg“ sehen.

„Diese Politik spielt ausschließlich den großen Energiekonzernen in die Hände, die zentrale Großprojekte realisieren können und durch den dezentralen Ausbau der Photovoltaik bares Geld verlieren.“ (Quelle: Zeit)

Its capitalism, stupid…

Es ist nicht uninteressant zu beobachten, wie an dieser Stelle die Widersprüchlichkeit des Kapitalismus sich als Gegensatz zwischen verschiedenen Kapitalfraktionen zeigt. Um die großen Energieriesen zu retten, wird die neu entstandene Solarindustrie im Regen stehen gelassen.


(copyright: sfv/mester)

Obwohl die Börsenkurse von sehr vielen Informationen und Gerüchten beeinflusst werden, ist es sicher kein Zufall, dass sich die Werte von wichtigen Solarfirmen seit langer Zeit beinah im freien Fall befinden, während die Energiegroßkonzerne „aufatmen“ (SPIEGEL-Online).  Für Börsenanalysten ist die Solarindustrie in Deutschland schon erledigt, die Unternehmen müssten „sich nach neuen Märkten umsehen“ (Quelle).

Da es mitunter recht anstrengend ist, die Machtkämpfe auch noch öffentlich, sogar in Parlamenten, führen zu müssen, wird auch dieses Hindernis bekämpft. Ich habe schon in meinem früheren Beitrag zur Energiepolitik betont, dass energiepolitische Entscheidungen grundsätzliche machtpoltische Entscheidungen sind, bei denen sich immer wieder die Interessen der Großkonzerne durchsetzen.

Trotzdem wird immer wieder Staub aufgewirbelt bei diesen Hüh- und Hott-Entscheidungen. Bisher gab es auch immer noch das Risiko, dass das Parlament sich gegen die Pläne der Energiekonzerne und ihrer Lobbyisten stellt. Mit der jetzt geplanten Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes sollen nun auch bestimmte Entscheidungen über Förderkürzungen, die bisher immer noch vom Parlament abgesegnet werden mussten, von diesen Entscheidungen gelöst werden und das sog. Marktintegrationsmodell soll auch ohne Abstimmung im Parlament auf andere erneuerbare Energien übertragen werden können („Verordnungsermächtigung“).