Meine eigene Veranstaltung mit dem langen Titel: „Ums Menschsein geht es… Das Einüben der Ent-Unterwerfung in der Kritischen Psychologie“ fand erst am Freitag, also fast am Ende der Ferienuni Kritische Psychologie statt. Ich finde es immer schade, erst spät im Verlauf einer mehrtägigen Veranstaltung dran zu sein, weil sich danach in den Pausen erfahrungsgemäß noch viele interessante Gespräche anschließen, die vorher nicht laufen, weil mich die Leute nicht kennen.
Der Vorteil war diesmal, dass ich schon einen Eindruck von vielen anderen Veranstaltungen hatte.
Dabei fiel mir auf, dass mein Anliegen eigentlich nirgendwo vorher zur Sprache gekommen war. Bin ich damit so falsch hier bei der Kritischen Psychologie? Das kann ja sein, aber erst mal kann ich die Gelegenheit nutzen, direkt dazu zu sprechen und zu schauen, ob ich nicht doch noch Mitstreiter_innen finde.
Was ist mein Anliegen? Ich hatte kurz vor meinem Workshop meine vorbereitete Powerpoint-Präsentation noch mal stark abgespeckt. Normalerweise mag ich nicht nur Schlagworte vorstellen, sondern die neuen verwendeten Begriffe möglichst gut auch argumentativ begründen. Aber hier entschied ich mich, nachdem alle Teilnehmenden der Ferienuni ja mehrere Einführungsveranstaltungen besuchen konnten und die entscheidenden Begriffe schon mehrmals verwendet und erklärt worden sind, diese Grundlagen nicht mehr im Einzelnen zu beleuchten, sondern stärker auf das einzugehen, worauf ich hinaus will:
In der Kritischen Psychologie werden die Einschränkungen des Denkens und Handelns auf determinierte Bedingungs-Ereignis-Zusammenhänge kritisiert und stattdessen wird eine soziale Selbstverständigung über Prämissen-Begründungs-Zusammenhänge vorgeschlagen.
Ich möchte nun Praxen einer solchen sozialen Selbstverständigung über den psychisch-therapeutischen Rahmen hinaus in Richtung gesellschaftspolitischer Praxen verallgemeinern. Wenn auch Politik nicht nur interpersonale Beziehungen betrifft, sondern letztlich auf strukturelle Veränderungen abzielt, so muss eine emanzipative Politik darauf abzielen, dass alle Menschen umfassend als Subjekte handeln können. Emanzipative Politik würde ihrem Anliegen widersprechen, wenn sie ihre Selbstbehinderung, beispielsweise durch die Instrumentalisierung anderer Menschen, nicht thematisieren würde. Es geht nicht um das Setzen von Normen. Aber es würde dem emanzipativen Ziel der Selbstbestimmung aller Menschen widersprechen, wenn die politisch Aktiven andere Menschen zu Objekten ihrer Politik machen würden. Das geschieht sehr schnell: Beteiligte einer Antiatomdemonstration werden genötigt, sich einheitlich zu kostümieren und dann wirkungsvolle Pressebilder für eine Kampagne zu produzieren. Zu Objekten degradiere ich die anderen auch, wenn ich sie in bevormundender und gängelnder Weise behandle, auch wenn mein Anliegen noch so berechtigt erscheint. Wenn bei Hartz-IV-Demos verächtlich über die Nicht-Teilnehmenden gelästert wird… und was es sonst noch alles gibt, wo sich einige über andere in ihrem politischen Engagement erhaben fühlen.
Angesichts des von vielen beobachteten und auch erfreulichen Trends, dass eigentlich die meisten globalisierungskritischen oder gar antikapitalistischen neuen Bewegungen seit Ende der 90er Jahre explizit antihierarchisch sein wollen, besteht noch eine starke Unklarheit darin, wie Menschen verlässlich kooperieren können, ohne dass neue Herrschaftsstrukturen entstehen. Es werden vielfältige Praxen dazu ausprobiert, Gewaltfreie Kommunikation wird geübt, auch das Handwerkszeug der Psychologie der Gruppendynamik gibt vieles her dazu. Erkenntnisse und Praxen aus der Kritischen Psychologie fehlen hier bisher (außer wenn ich im entsprechenden Kontext dazu Veranstaltungen durchführe). Viele der häufig verwendeten Praxen lassen sich aus ihrer Sicht sicherlich leicht kritisieren (z.B. angesichts der Gefahr, in manipulative Praxen abzugleiten oder wegen unhinterfragter problematischer Voraussetzungen). Aber wie können wir es denn mit diesem Wissen nun besser machen?
Ich erinnere mich leise an die Warnung von Morus Markard gegenüber einer „Instrumentalisierung der Kritischen Psychologie für das eigene politische Programm“. Vom Anliegen her sollte es klar sein, dass eine Politik, die die Menschen in ihrem Subjektstatus stärken will, inhaltlich eng verwandt ist mit einer Subjektwissenschaft wie der Kritischen Psychologie. Da stellt sich die Frage, woher die Befürchtung einer Instrumentalisierung rührt.
Natürlich könnte es immer auch sein, dass wir Fehler machen bei der eigenen sozialen Selbstverständigung und den sich daraus ergebenden Praxen. Angesichts der vielen Fallen, in die man dabei tappen kann und angesichts der Probleme gestandener Kritischer Psycholog_innen damit werden das nicht wenige sein. Deswegen brauchen wir eine gegenseitige solidarische Begleitung statt Misstrauen und Abwehr.
Ein einmal erreichter Stand der Debatte ist immer schwer zu halten, wenn Neue dazu kommen. Gleichzeitig kann er auch nur dann gehalten werden, wenn das schon Erkannte immer wieder erneuert gedacht und gelebt wird durch immer neue Menschen, angesichts immer neuer Problematiken und wenn es sich dabei weiter entwickelt. Die Ferienuni Kritische Psychologie 2012 war meines Erachtens ein guter Schritt in die richtige Richtung.
September 27, 2012 at 4:06 pm
Aus dem ersten Halbsatz wird mir nicht klar, ob die Kritische Psychologie die gesellschaftliche Wirklichkeit kritisiert weil die das Denken und Handeln bzw. dessen Inhalte, Anliegen, Reichweiten usw. „auf determinierende Bedingungs-Ereignis-Zusammenhänge“ reduziert (die nicht die eigenen, selbst mit bestimmten sind)? Oder kritisiert sie eine solche Wahrnehmung bzw. Interpretation der Wirklichkeit? (Handelt es sich also um Teil ihres Abschieds vom Marxismus, dem sie ein mechanistisches Weltbild vorwirft?)
Und beim zweiten Halbsatz wird mir nicht klar, ob nun eine neue Wirklichkeit angestrebt werden soll, die den Globalisierten dieser Erde ein Miteinander auf Basis gegenseitiger Selbstverständigungen über Prämissen-Begründungszusammenhänge erlaubt, oder ob die bestehende Wirklichkeit so interpretiert werden soll.
Ist das eine hypothetische Annahme oder ist so etwas schon mal vorgekommen?
September 27, 2012 at 4:46 pm
Zur Antiatom-Demo: Ja, genau das ist genau so geschehen… Und es funktioniert ja auch super, oder?
September 27, 2012 at 4:59 pm
Ich kann mir das nicht vorstellen, dass der irgendwer genötigt wurde. Was waren denn die angedrohten Sanktionen im Falle von Kostümierungsverweigerung?
September 27, 2012 at 10:43 pm
Also, ich sehe in dem Viedo auch einen großen Anteil nicht uniformierter Teilnehmer_innen. Ich würde die Uniformierung als Versuch deuten, gemeinsame Interessen der Teilnehmer_innen symbolisch auszudrücken.
Inwieweit diese gemeinsamen Interessen wirklich vorhanden und für die einzelnen geklärt sind, oder ob es sich nicht um eine sehr oberflächliche zur-Schau-Stellung handelt, fände ich aus kritisch-psychologischer Sicht die spannendere Frage. Den Leuten das pauschal abzusprechen und sie als „Opfer“ einer Nötigung darzustellen finde ich aber sehr gewagt.
September 28, 2012 at 2:28 pm
Du kannst Dir das nicht vorstellen? Okay, mich und meine Tochter hats betroffen (wir sind auch trotz des Empfindens des Instrumentalisiert-Werdens aus Solidarität dabei geblieben). Und die Sanktionen? Schiefe Blicke, „Ausschluss“ aus den meisten Bildmotiven… brauchst Du mehr?
Natürlich, ich hab schon verstanden, was das Ganze sollte („Versuch, die gemeinsamen Interessen auszudrücken…“). Nur wurden wir nicht gefragt; das gelbe Leibchen wurde uns ziemlich massiv aufgedrängt und nach Ablehnung wurde dementsprechend negativ reagiert. Ausgerechnet der Anti-Atom-Widerstand – z.B. im Wendland – hat nie darunter gelitten, dass von außen die gemeinsamen Interessen nicht zu erkennen gewesen wären.
Der Zweck der Kostümierung war hier das Werbung-Tragen für eine und genau nur eine Kampagne, die gerade die Tradition der kreativen Vielfalt an dieser Stelle, wo sie stark entwickelt ist, ziemlich stark brüskiert.
Natürlich ist in diesem Video nur das dargestellt, was gewollt war. Wie man es jeweils interpretiert, ist dann oft verschieden. Aber bei dieser Veranstaltung war es mehreres, was uns immer schlimmer aufstieß – ganz extrem war auch die Animation durch den „Vorturner“ (den man öfter sieht), so was tu ich mir im normalen Leben schon nie an („Ballermann-Stil“) und hier sollte ich das plötzlich gut finden. Ich bin mir schließlich wie ein dressierter Affe vorgekommen.
Und abgesprochen war das natürlich nicht (wie so was z.B. im Wendland vor den Protesten tatsächlich in den meisten Gruppen gemacht wird) – sondern es war „nur“ als „Demonstration…“ angekündigt. Dass wir dann gleich dann mit den Leibchen empfangen wurden, dass wir dann mehrmals massiv bedrängt wurden, die entsprechenden Schilder zu tragen, usw. wurde uns auch erst nach und nach immer stärker bewusst. Vielleicht bin ich als gelernte Ex-DDR-Bürgerin da auch besonders empfindlich, aber um meine Gefühle hier auch kritisch analysieren zu können (und nicht wieder „im Dienste der gemeinsamen Sache“ unterdrücken zu müssen), dazu verhilft mir u.a. auch die Kritische Psychologie.
Innerhalb vieler links-sozial oder ökologisch ausgerichteten Bewegungen kommt es ja immer mal wieder zu der Frage, wer das Recht hat, die Interessen „aller“ zu definieren und bereits das hat was mit entstehenden Machthierarchien zu tun. Wenn ich eins aus meiner DDR-Vergangenheit gelernt habe, dann dass nicht erst „Diktatur“ und „Stasi“ das Problem bilden, sondern das grundsätzliche Verhältnis von Gängelung und Bevormundung in politischen Gruppen, in denen „im Interesse“ einer sich verselbständigenden „Sache“ Individuen untergebuttert werden (und wenn viele das gerne mit sich machen lassen, umso schlimmer).
September 28, 2012 at 3:23 pm
Ich glaube, so weit sind unsere Meinungen nicht auseinander. Mir ist nur wichtig, das Uniformierung als Ausdruck gemeinsamer Interessen seine Berechtigung haben kann. Das selbe gilt für politische Symbole, wie zum Beispiel die Sonne und das gelbe Kreuz als Symbole des Wendlandwiderstandes, die zumindest für mich die Gemeinsamkeit der sehr unterschiedlichen Protestformen symbolisieren und dies auch nach Innen und Außen kommunizieren. Und das ohne, dass ALLE irgendwie Beteiligten ihre Interessenlange bis ins Letzte gemeinsam klären können, was angesichts der Größe des Widerstands auch schlicht unmöglich wäre.
Die von Dir angesprochene Frage, wer in wessen Namen sprechen darf, stellt sich aber auch im Wendland-Widerstand, auch wenn ich dir zustimme, dass es da besser klappt als bei der von dir kritisierten Aktion.
Bei „Castor schottern“ zum Beispiel war es auch eine Gruppe, die die Aktion organisierte, den Aktionskonsens festlegte und die Pressearbeit machte. Nicht alle Beteiligten hatten die Möglichkeit, darauf Einfluss zu nehmen. Für Menschen, z.B. mit dem Aktionskonsen der passivien Verteidigung gegen die Polizei ein Problem hatten, blieb nur die Möglichkeit, den vorgegebenen Konsens zu aktzeptieren oder an der Aktion nicht teilzunehmen.
Diese Problematik stellt sich meiner Meinung nach immer, wenn eine Gruppe eine Aktion für viele Teilnehmer_innen als „Konsumangebot“ organisiert, also prinzipiell immer bei Demonstrationen.
Für mich offen bleibt die Frage, wie man das verhindern kann, wie man einen wirklich gleichberechtigten Vorbereitungsprozess mit mehreren hundert bis tausend Teilnehmer_innen gestalten kann.
Und genau an dem Punkt hilft mir die Kritische Psychologie überhaupt nicht weiter. Klar wäre eine intersubjektive Verständigung der paar tausend Menschen wichtig, aber auf die Frage, wie man das möglich machen kann, finde ich keine Antworten in der Kritischen Psychologie. An dem Punkt verlässt sie mich mal wieder, wie so oft, wenn es darum geht, eine Praxis zu entwickeln, und bleibt bei der Kritik stehen.
Daher finde ich pragmatischere und aus der lebendigen Praxis erwachsene Lösungen, wie sehr allgemeine Symbole im Wendlandwiderstand, die Raum für sehr verschiedene Praxen und Interessen lassen, nicht so schlecht. Das kann ich mit der Kritischen Psychologie aber nicht wirklich denken, vielleicht ist da ja jemand anderes weiter als ich? Ich habe eher das Gefühl, dass der gesamte Bereich der Symbolisierung, auch der medialen Repräsentation, darin nicht wirklich vorkommt.
Wie du die Unterdrückung deiner Emotionen für die gemeinsame Sache mit der Kritischen Psychologie denkst, würde mich sehr interessieren. Ich schlag mich gerade mit dem Emotions/Motivationskonzept herum, und so richtig will das nicht in meinen Kopf.
September 28, 2012 at 5:46 pm
Siehe hierzu: https://philosophenstuebchen.wordpress.com/2012/09/28/politische-aktionen-und-kritische-psychologie/
September 28, 2012 at 2:41 pm
Vielleicht noch zur Ergänzung: Die Demo hatte zwar symbolische Anfangs- und End-Orte, aber die Demo selbst fand im Viertel der diplomatischen Vertretungen statt, wo es eigentlich überhaupt keine Öffentlichkeit gab. An jeder Straßenecke wurde dankenswerterweise auf jene gewartet, die aus körperlichen Gründen gar nicht rennen können. Aber eigentlich diente es doch nur wieder dazu, dass sich die Kameraleute noch mal aufbauen konnten (meistens auf Leitern direkt vor den „Startenden“, die beim richtigen Losrennen die Leitern eigentlich umgerannt hätten), nochmal Stimmung zelebriert wurde und noch mal Fotos geschossen werden konnten. Die ganze Demo war also letztlich NUR darauf ausgerichtet, die richtigen Fotos zu kriegen. Wenn es eine Demo gewesen wäre, auf der dann an irgend einer Stelle darauf hingewiesen worden wäre: „Wir möchten doch auch gern gute Fotos haben, wollen wir nicht mal dies und das machen…“, dann wäre das doch auch aus meiner Sicht in Ordnung gewesen.
Danach sollte eigentlich noch so was wie eine Besetzung eines Ortes (Kreuzuung vor dem Gebäude, wo die Verhandlungen waren) stattfinden, um die gerade ablaufenden Verhandlungen zwischen Gelb-Schwarz mit der daraus entstehenden länger andauernden Mahnwache zu konfrontieren – das wurde dann überhaupt nicht mehr ordentlich vermittelt, den Teilnehmern mitgeteilt oder ähnliches, so dass sich das dann ergebnislos zerlief.
September 28, 2012 at 9:27 pm
Grundsätzlich finde ich es legitim und im Übrigen auch auch gut begründet, wenn auf ner Demo Leibchen mit Symbolen des gemeinsamen Anliegens verteilt werden und wenn auf Medienwirksamkeit geachtet wird (auch Journalisten und deren Auftraggeber und Konsumenten sind Individuen, die ihre Gründe haben, das Ganze erst einmal mehr oder auch weniger wichtig zu finden.Aufmerksamkeitskonkurrenz wird es immer geben und immer die Frage nach konsistenten Mitteln, sie herzustellen.)
Die Begriffe „Kostümierung“ und der ausgesprochene Verdacht des Anti-Individualismus finde ich deshalb auch fragwürdig.
Wenn euch da wer die Leibchen wirklich aufnötigen wollte (es also im Falle der Verweigerung blöde Sprüche gab usw. – und das scheint hier der Fall gewesen zu sein), dann ist das natürlich Mist. Allerdings halte ich das für nicht gerade typisch. Eher ziemlich abnorm.
Es sei aber eingestanden, dass das Video auch auf mich einen etwas seltsamen Eindruck macht. Auch für mein Gefühl scheint etwas viel Warenästhetik im Spiel. Vielleicht ein Symptom für eine gewisse (aber eher unbeholfene) Form der Professionalisierung. Eine provinzielle Regionalgruppe des BUND? Vielleicht ein „Projekt“ von von Praktikanten? Kommunikationsseminarabsolventen?
Entfremdung lauert immer und überall. Schließlich leben auch Anti-AKW-Aktivisten im Kapitalismus 🙂
Ich persönlich habe andere Assoziationen zur gelben Sonne, die aus Erfahrungen mit den Anti-AKW-Demonstrationen der 1970er Jahre herrühren. Damals war es normal, dass einem beim Verteilen von Flugblättern (die hießen damals noch nicht Flugis oder Flyer) empfohlen wurde, doch nach drüben in die DDR zu gehen oder zum Friseur oder arbeiten. Die Individuen, die uns als Polizisten, Richter und Journalisten gegenüber standen, hatten ihr Handwerk zum Teil noch während der Heilhitlerei gelernt bzw. ausgeübt.
Wir waren mit gelben Friesennerzen „kostümiert“ damit uns die Wasserwerfer nicht so viel anhaben konnten. Die meisten trugen eine Zeit Motorradhelme als Schutz vor Gummiknüppel. Das machte auch super Pressebilder :-).
Die Integralhelme hatten sich allerdings als ziemlich unglückliche Kostümierung entpuppt, weil sie der Staatsgewalt herrliche Angriffsflächen geboten hatten um ihr „polizeiliches Gegenüber“ daran zu packen und herumzuschleudern. (Helme wurden dann aber auch schnell als „passive Bewaffnung“ verboten) Einmal hatte ich mich gar mit einer Gasmaske kostümiert gegen das Tränengas. Was ein schöner Blödsinn war, weil man beim Weglaufen keine Luft bekam. Später hatte sich herausgestellt, dass das Individuum, dass unsere BI (Bürgerinitiative) mit den Gasmasken versorgt hatte, ein Junkie und im Auftrage des Verfassungsschutzes unterwegs war (oder wars der Staatsschutz?). Die Gasmaske hing dann noch 10 Jahre bei mir an der Wand als Teil eines „Kunstwerkes“.
Ach, wie gut, dass es Fortschritte gibt.
Gruß hh
September 27, 2012 at 4:33 pm
„Aus dem ersten Halbsatz wird mir nicht klar, ob die Kritische Psychologie die gesellschaftliche Wirklichkeit kritisiert weil die das Denken und Handeln bzw. dessen Inhalte, Anliegen, Reichweiten usw. “auf determinierende Bedingungs-Ereignis-Zusammenhänge” reduziert (die nicht die eigenen, selbst mit bestimmten sind)? Oder kritisiert sie eine solche Wahrnehmung bzw. Interpretation der Wirklichkeit?“+
Ich denke, beides. Was das allerdings mit „Abschied des Marxismus“ und dem angeblichen Vorwurf eines „mechanistischen Weltbilds“ zu tun hat, erschließt sich mir nicht.
September 27, 2012 at 4:54 pm
War nur ne Frage zum besseren Verständnis. Kein Vorwurf.
September 28, 2012 at 2:13 pm
Wenn es eine Frage war, dann lautet die Antwort „Nein“. Es handelt sich um keinen Abschied vom Marxismus, höchstens von einer Interpretationsform, bei der die Begründetheit individuellen Handelns ausgeschlossen wird, weil die Beziehung zwischen Verhältnissen und Menschen nur als kausal determinierte Abfolge betrachtet wird.
September 28, 2012 at 7:21 pm
Ok, also Abgrenzung von einem entsprechenden Vulgärmarxismus, denn natürlich wäre so eine mechanistische Vorstellung ein Fehlschluss, der der marxschen Intention auch nicht entspricht. Die richtet zwar den Blick auf die Begründetheit bornierter Bedürfnisse, Interessen, Ideen usw. in den (zu verändernden) bornierten Verhältnissen der Menschen, (was m.E. genau den Kern des marxschen Humanismus ausmacht), was aber natürlich nicht heißt, dass dies keinerlei Spielräume für die Entwicklung weitergehender Vorstellungen oder Bestrebungen zuließe. Ohne dem könnten die systemischen Grenzen gesamtgesellschaftlicher Vernunft (bzw. deren Bewegung) auch nicht vergegenwärtigt werden.
Nach einem Ausgang aus UNVERSCHULDETER Unmündigkeit zu suchen ist ja eine Form des Ausgangs aus selbstverschuldeter Unmündigkeit, nicht deren Negation.
Gruß hh
September 27, 2012 at 4:46 pm
“Und beim zweiten Halbsatz wird mir nicht klar, ob nun eine neue Wirklichkeit angestrebt werden soll, die den Globalisierten dieser Erde ein Miteinander auf Basis gegenseitiger Selbstverständigungen über Prämissen-Begründungszusammenhänge erlaubt, oder ob die bestehende Wirklichkeit so interpretiert werden soll.”
In der Kritischen Psychologie (die selbst weder Gesellschafts- noch politische Theorie ist, man möge also bitte nichts hineininterpretieren, was nicht ihr Thema ist) geht es um die Art und Weise, sich seiner Situation (meist angesichts von Problemen) in der Welt und seiner Handlungsmöglichkeiten bewusst zu werden. Was dann daraus folgt (z.B. eine “neue Wirklichkeit”) wird den Subjekten nicht vorgeschrieben.
September 27, 2012 at 10:31 pm
Ich hab die Kritische Psychologie immer etwas anders verstanden. Es geht doch gerade darum, Psychologie mit Gesellschftstheorie zu verbinden, und die Gesellschaftstheorie, auf die sich die Kritische Psychologie bezieht, ist der Marxismus, in einer ziemlichen oldschool-Variante, die den Klassenwiderspruch als zentralen und das Geschlechterverhältnis und Rassismus als zweitrangig sieht.
In den älteren Texten aus den 70ern ist das auch noch ziemlich deutlich, da wird noch Klartext über nötigen Widerstand geredet, und dass dieser entstehen kann, wenn sich Menschen über ihre objektiven Interessen im Klaren werden und sich anhand dieser objektiven Interessen mit anderen zusammenschließen.
„Sich seiner Situation bewusst werden“ heißt, sich seiner Situation innerhalb der herrschenden Verhältnisse bewusst zu werden, also im Kapitalismus. Es geht darum, die psychische Vermittlung von Herrschaft zu ergründen.
Es wird also weniger eine wirklichkeit angestrebt, die eine Selbstverständigung erlaubt, vielmehr ist die Selbstverständigung der Weg dahin, die Verfügung über die eigenen Lebensbedingungen kollektiv zu erweitern, also im Extremfall (und zumindest am Anfang war das auch sehr ernsthaft das Ziel) eine Revolution zu machen.
Damit geht es natürlich erstmal darum, die Wirklichkeit anders zu interpretieren, das Ziel ist aber, sie anders zu interpretieren, um die Veränderbarkeit der Wirklichkeit deutlich zu machen.
Vorgeschrieben wird den Subjekten die Veränderung der Wirklichkeit nicht, aber sie wird ihnen durchaus nahegelegt 😉
September 28, 2012 at 2:03 pm
Ja, trotzdem bitte die Ebenen nicht zu stark verwischen: Wenn es um die „Kritische Psychologie“ geht, ist das Thema die Bereitstellung zum Begreifen der eigenen Befindlichkeit und Begründetheit des eigenen Handelns in den jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse. Diese (gesellschaftlichen Verhältnisse) sind als solche nicht Gegenstand der Kritischen Psychologie. Ob und was sich für die Verhältnisse und die Notwendigkeit ihrer Veränderbarkeit ergibt, das schreibt die Kritische Psychologie als solche nicht vor. Wir können uns darüber verständigen und zu bestimmten Schlüssen kommen…, aber wir verwenden dann zusätzliches Wissen als gesellschaftlichen Theorien, die selbst nicht mit in der Kritischen Psychologie drin stecken. Insofern können sich die gesellschaftlichen Theorien, die zur Kritischen Psychologie besonders gut „passen“, durchaus auch entwickeln. Wenn es um die Menschen als Individuen geht, werden sie zumindest schon nicht mehr nur als Mitglied einer Klasse gesehen und manchen Feminismen, die mir vor lauter Frau-sein-sollen meine Individualität absprechen, könnten an dieser Stelle durchaus auch davon lernen 😉 (siehe dazu auch http://www.thur.de/philo/feminismen.htm).
Bei dieser Betonung der Unterscheidung (was nicht „Trennung“ bedeutet!) habe auch ich schon öfter für die Thematisierung der Beziehung zwischen KrPs und Ges.-theorie (und -praxis) argumentiert: https://philosophenstuebchen.wordpress.com/2010/08/28/kritische-psychologie-und-gesellschaftskritik/. Aber das soll nun auch nicht missverstanden werden und eine falsche Identität konstruiert werden.
September 28, 2012 at 3:37 pm
Ich glaube schon, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse in dem Anfang der 80er Jahre innerhalb der Kritischen Psychologie vorherrschenden Verständnisses der marxistischen Theorie, Teil der Kritischen Psychologie sind, und zwar auf kategorialer Ebene.
Ich würde dazu gerne mehr schreiben, muss jetzt aber leider los.
September 28, 2012 at 3:41 pm
Ich würde mich aber sehr freuen, wenn Du später noch mal darauf zurück kommst. (Gerne auch in Mail an mich: contact AT philosophicum.de)
September 28, 2012 at 8:04 pm
Und was ist dann noch das Kritische?
Warum sollte sie auch? Wer würde das machen? Eine Notwendigkeit lässt sich nicht vorschreiben. Sie lässt sich höchstens ergründen, behaupten, vielleicht auch verzweifelt beschwören.
Was aber eben auch Ergebnis einer idealistisch/bürgerlichen Mystifikation sein kann. Keine Theorie oder politische Praxis sozialer Emanzipation reduziert Individuen auf deren Klassenlage. Erst recht keine, die sich zu recht auf Marx berufen könnte, deren Programm ja gerade die (welt-) gemeinschaftliche Selbstbefreiung aus deren Fesseln der Klassenlage ist. In meinen Augen ist das schlicht eine Selbstverständlichkeit.
Gruß hh
Oktober 3, 2012 at 2:23 pm
Was so allerdings nicht funktionieren kann und eben zu dem energieverschwenderischen Unsinn führt, die Mitmenschen unter Absehung ihrer Behauptungsbedingungen über ihre „wahren Interessen“ aufklären zu wollen.
Sicher bedarf es einer Verständigung über die Notwendigkeit der Herstellung einer Wirklichkeit,die den Globalisierten dieser Erde eine gemeinsame, d.h. weltgemeinschaftliche Selbstverständigung über die wesentlichen Produktionszwecke, Mittel, Voraussetzungen, Nebenwirkungen usw. der Produktion und Aneignung ihres Wohlstands erlaubt
Aber darauf können sich eben ersteinmal nur wenige verständigen und die Zahl, die dazu bereit sind, kann durch Belehrungen nicht entscheidend größer werden, (Wohl aber gemindert). Die sich bereits auf die Notwendigkeit der Umwälzung verständigen, sollten wissen, dass sie damit noch lange nicht die Weisheit mit Löffeln gefressen haben sondern immer auch selbst Teil der alten Wirklichkeit sind. Sie sollten sich auch deshalb dafür interessieren, unter welchen Bedingungen Menschen ein Verständnis der Notwendigkeit zur umfassenden „Weltveränderung“ entwickeln, etwa welche Bedeutung eigene Erfahrungen mit der Verfolgung politischer Ziele haben, die von weltkommunistischen Flausen noch sehr weit entfernt sind.
September 27, 2012 at 4:51 pm
Sehr rätselhaft. Klingt wie die Unterstellung, dass die kapitalistische Wirklichkeit keine Bedeutung für den freien Willen „der Subjekte“ hat. Na, wenn die Kritische Theorie das meint, dann möge sie damit glücklich werden.
September 28, 2012 at 2:10 pm
Was ist daran rätselhaft? Niemand behauptet, dass die “kapitalistische Wirklichkeit keine Bedeutung” habe, aber es wird behauptet, dass sie den (im konkreten Leben immer nur relativ) freien Willen auch grundsätzlich nie völlig zerstört.
Die gesellschaftliche Wirklichkeit determiniert das Handeln des Einzelnen eben nicht direkt wie in einem unmittelbaren Reiz-Reaktions-Ablauf, sondern das braucht einige Vermittlungsstufen, die z.B. im Begründungsdiskurs (https://philosophenstuebchen.wordpress.com/2011/11/21/begruendungsdiskurs/) diskutiert werden.
September 28, 2012 at 8:07 pm
Die gesellschaftliche Wirklichkeit determiniert das Handeln des Einzelnen eben nicht direkt wie in einem unmittelbaren Reiz-Reaktions-Ablauf
Aber wer würde denn anderes behaupten?
September 29, 2012 at 6:33 pm
Wer würde das behaupten? Die mainstream-Psychologie. Die Kritik der Kritischen Psychologie hat genau das ziemlich überzeugend herausgearbeitet, zumindest für den Behaviorismus.
Ob das für die kognitive Variante genau so stark zutrifft, kann man diskutieren, aber meiner Meinung nach hat die kognitive Wende da keine wesentliche Verbesserung gebracht.
September 30, 2012 at 7:14 pm
[…] weiterer Kommentar zu meinem Beitrag „Das Einüben der Ent-Unterwerfung“ bezieht sich auf eine Bemerkung von mir […]
September 30, 2012 at 10:30 pm
Wer Realist ist, hat schon verloren…
„Corcoran“ grüsst..wo war/ist (die)Solidarität…?
Hört auf mit dem Hirngef…
und überseht nicht die Fakten derer, die vor euch waren…
R.L…rest in peace
Juni 27, 2014 at 5:36 pm
[…] ziemlich alleine dazustehen (siehe auch meine damaligen Blogberichte zum Einführungsvortrag und zu meinem Workshop sowie zum Thema der Sozialen […]