Normalerweise vertiefe ich mich nicht so sehr in die Auswertungen der kommunistischen Vergangenheit in Ost oder West. Zu viel gilt es in der Gegenwart zu regeln und erst aus begründeten neuen konkreten Utopien heraus wird einerseits das Unzureichende der Befreiungsversuche des 20. Jahrhunderts klarer zu bewerten sein und andererseits die damaligen historischen Bedingungen auch umfassend gewürdigt werden. Trotzdem gehörte das Buch „Offene Fragen in der geschlossenen Abteilung“ von Harald Werner zu meinen Bestellungen beim Weihnachtsmann und… ich habs noch am Weihnachtsabend gelesen!
Es war wie bei Charles Dickens: Zuerst kommt der „Geist der vergangenen Weihnachten“. Lange vergangen sind die Zeiten, von denen Harald Werner berichtet. Der Bericht über einen Lehrgang in der Franz-Mehring-Schule in Biesdorf aus dem Jahr 1987 bietet eine eigene turbulente Geschichte, aber er ist auch Anlass, in die noch tiefere Vergangenheit zurück zu schauen, wie die gerade scheiternde Karriere eines Kommunisten begann und sich entwickelte.
Ich fühle beim Lesen, wie verdammt weit weg diese Zeiten sind und diese Haltungen von Menschen. Wie sehr es uns in den letzten 20 Jahren abgewöhnt wurde, in der Aufopferung von „Berufsrevolutionären“ noch irgendetwas Gutes sehen zu können. Aber umso wichtiger ist dieser Bericht zum Festhalten der Erinnerung an ganze Generationen von mutigen und kämpferischen Menschen, die sich für den Fortschritt der Menschheit einsetzten. Dieser Bericht zeigt sie weder als fleckenlose Helden noch als wankelmütige Ehrgeizlinge, er beschreibt Auseinandersetzungen in herausfordernden Situationen, in denen verschiedene Menschen auf unterschiedlicher Weise agierten.
Ich selbst habe einen Berührungspunkt mit diesem autobiographischen Bericht, nämlich die Erfahrung von einem Jahr Frauen-Sonderklasse einer Bezirksparteischule (wenn ich nicht grad ein Baby bekommen hätte, hätte ich auch ins Internat gemusst). Mein kleiner Konflikt dort führte damals nicht zum Scheitern meiner „Karriere“, weil meine Parteigruppe mich herausschlug. Es war ein Jahr später (1988) als Werners Lehr-Jahr, der Realsozialismus wurde zwar noch nicht deutlich in Frage gestellt, aber auch bei uns gärten die nicht zugelassenen Fragen und bohrten die Zweifel. Auch die ersten Verzweiflungen über den Verlust der Handlungsfähigkeit brachen durch, Gefühle der Vergeblichkeit entstanden. Denn die DDR war mal ein gutes Pflaster gewesen für viele, denen es nicht nur um ihr privates Wohlergehen ging, sondern die den Sinn ihres Lebens in etwas Umfassendes einbetteten, das die Menschen und die Welt voranbringen sollte. Die Einbettung in das Umfassende ist es wohl auch, das sich für Harald Werner zeigte als quasi-religiöses Element. Zur Verwandtschaft von Kirche und Partei schreibt er:
„Jede soziale Bindung oder Organisation hat ihre typischen Konflikte. In einer Kirche wird jeder Konflikt zu einer religiösen, in der Partei zu einer politischen Angelegenheit. Kommunistische Parteien haben es da besonders schwer, weil sie mehr oder weniger beides sind.“
Bis zu dieser Erkenntnis bzw. dem Zulassen des Begreifens führt aber erst ein jahrzehntelanges Durchleben und auch Auskämpfen der Widersprüche der kommunistischen Bewegung in der BRD. Der Ausgangspunkt für viele spätere Kommunisten war u.a. das unübersehbare Überleben von faschistischen „Resten“ in Politik und Kultur der frühen BRD. Für Harald Werner war es vor allem die ständige Erfahrung von erniedrigenden Hierarchien in Schule und Fabriken, die ihn zum politischen Engagement in der Gewerkschaft, für eine antiautoritäre Erziehung führte und angesichts des Vietnamkriegs war die Herstellung des Grundstoffs für Agent Orange in Ingelheim ein wichtiges Angriffsziel. Parallel zu den Aktionen gab es damals auch inhaltliche und theoretisch fundierte Debatten, bei denen sich Harald Werner besonders entfalten konnte, so dass er später auch Sozialwissenschaftler wurde.
Den politischen und kulturell stockkonservativen Realitäten in der Bundesrepublik gegenüber erschien die DDR im Licht eines Versprechens, das die Tristheit im Land des Sozialismus überstrahlte. Das Versprechen war – abgesehen von vielen sozialen Verbesserungen – nicht ganz eingelöst, trotzdem konnte man hoffen.
„Ich hatte viele Zweifel, ob die DDR wirklich das bessere Deutschland war, aber die BRD erschien mir als das noch schlechtere.“
Gegenüber der realexistierenden DDR entwickelte sich auch später nicht viel mehr Sympathie. Harald Werner kennzeichnet sie als „Erziehungsdiktatur“ und schreibt:
„Bei meinen ersten Kontakten mit SED-Funktionären fand ich es sympathisch, wenn sie die DDR-Bürger „unsere Menschen“ nannten. Bis ich begriff, dass sie es auch so meinten.“
Für Harald Werner wurde die Fragestellung nach der Rolle des Individuums und der Subjektivität zentral. Schon allein mit dieser Themenstellung fand er sich in Distanz und Kontrast gegenüber zentralen Lehrsätzen dogmatischer Kommunisten. Ich selbst habe in den 80ern auch entsprechende Bücher gesammelt (die es z.T. gab, wie von Lucien Séve; Cagin, den auch Harald Werner erwähnt…), aber diese Inhalte kamen im ML-Unterricht nicht vor und ein ML-Seminarleiter bekam eine Parteirüge, weil er eine Belegarbeit zum Thema „Entfremdung in der DDR-Produktion“ zugelassen hatte.
Harald Werner schildert ein Gespräch mit einem Kontrahenten, das wirklich typisch ist für die gegensätzlichen Standpunkte: Sein Opponent ging davon aus, dass die Menschen im Kapitalismus sowieso nur ein kapitalistisches Bewusstsein hätten, weswegen es die Aufgabe der Partei sei, „die Überwindung dieses Bewusstseins zu fördern, auch wenn es die Leute gar nicht wollen“. Harald Werner warf ihm daraufhin ein „vormundschaftliches Verhältnis“ gegenüber der Arbeiterklasse und den eigenen Genossinnen und Genossen vor.
Wieso begibt sich nun aber einer, der aus der Schule abgehauen ist und auch in den Fabriken alle Hierarchien floh, freiwillig unter die Fuchtel der Parteidisziplin? Hier lockten ja keine Privilegien, wie man es den DDR-Funktionären zuschreibt. Wieso unterwarfen sich die Genoss_innen den Restriktionen? Zu dieser Frage finde ich bei Harald Werner zwei Antworten. Die eine bewegt sich auf der Linie der von mir genannten Erzählung mit dem Reisigbündel (ein Bund Reisig ist widerstandsfähiger als einzelne Reisigzweige).
„Nichts fürchteten wir mehr als den Fraktionsvorwurf. Waren wir doch meistens nur deshalb zur DKP gekommen, weil sie sich als Alternativen zur hoffnungslosen Zersplitterung der Linken anbot. Außerdem existierte sie wie andere Gruppierungen nicht nur in der Papierform, sondern auf der Straße, in den Universitäten und nicht zuletzt in den Betrieben. Und natürlich setzte das ein hohes Maß an Verlässlichkeit, funktionierende Strukturen und gegenseitiges Vertrauen voraus, also Einheit und Geschlossenheit. Aber andererseits verdankten wir dieses Bedürfnis nach Einheit und Geschlossenheit vor allem der intensiven Beschäftigung mit der Geschichte der Arbeiterbewegung, der europäischen Revolutionen, des Faschismus und natürlich der Befreiungsbewegungen. Überall Niederlagen, die offensichtlich durch Uneinheitlichkeit, Sektierertum und mangelnde Geschlossenheit verursacht waren, bis hin zu der schrecklichsten Niederlage, nämlich dem Scheitern vor dem Faschismus. Diese Geschichte, oder zumindest ihre Überlieferung, lastete auf uns wie eine große Mahnung zu Einheit und Geschlossenheit, so dass es keiner großen Anstrengung bedurfte, uns der Disziplin der Partei zu unterwerfen.“
Ich kenne natürlich inzwischen andere Erzählungen der Geschichte, z.B. anarchistische, bei der es eher die kommunistischen Parteien waren, die wirkungskräftige Alternativen verhinderten. Trotzdem finde ich es nur angemessen, die Selbstbegründungsargumente auch ernst zu nehmen und nicht nur zu diffamieren, wie es heute meist geschieht.
Die zweite Begründung hängt durchaus mit der ersten zusammen, hat aber einen allgemeineren Anspruch:
„Wahrscheinlich lassen sich Menschen immer auf solche Gemeinschaften ein, wenn sie die Welt ändern oder retten wollen, und riskieren dabei den Einzug in ein Gebäude der Hörigkeit, aus dem nur schwer auszubrechen ist. […]
Doch was wäre die Alternative gewesen, jenseits der resignativen Flucht ins Private?“
Es stimmt schon, nach Austritten aus kommunistischen Parteien oder auch der PDS/LINKE verschwinden die meisten entkräftet. Aber grundsätzlich lassen sich längst nicht alle Menschen und gleich gar nicht immer auf solche unterdrückenden Gemeinschaften ein, „wenn sie die Welt ändern oder retten“ wollen.
Quelle: HierarchNIE-Reader
Trotz dem Gegensatz der Sichtweisen finde ich es wichtig, die Argumente zu kennen, die Menschen dazu brachten, sich so oder so zu verhalten. Schon früher übrigens ließen sich deutliche Unterschiede ausmachen zwischen jenen Menschen, die wirklich über diese Fragen nachdachten und dann eben zu diesen (von uns heute im allgemeinen kritisierten) Ergebnissen kamen und denen, die nur stur-dogmatisch in diesem Sinne agierten. Gerade auf der Parteischule sollte doch die Gelegenheit sein, darüber nachzudenken, Argumente abzuwägen, um die späteren Kader auf ihre widersprüchliche Praxis vorzubereiten, oder?
Harald Werner bezeichnet seine Erfahrungen als „Laborexperiment, … Versuchsanordnung zur Reproduktion eines fast stalinistischen Systems“. Für mich selbst zeigte das Jahr in der Frauensonderklasse der Bezirksparteischule dasselbe Bild. Zwar versuchten die Lehrenden einigermaßen geschmeidig auf die neuen Fragestellungen zu reagieren. Aber ich kann es Harald Werner gut nachfühlen, wie es ihm erging -denn ich erlebte Ähnliches: Wir, die wir uns sorgfältige Gedanken über die Inhalte und Strategien machten, wurden den gedankenlosen Selbstgefälligen gefährlich. Harald Werner wurde vorgeworfen: „Die Zeit hat sich wirklich verändert, aber du hast den Genossen keine neue Richtung vorgegeben, sondern sie mit neuen Fragen konfrontiert.“ Harald Werner konterte mit dem Vorwurf, dass ihre Bildungsarbeit kein Wissen vermittle, sondern Standpunkte. Das kenne ich nur zu gut. Wer mehr machte, störte eher nur. Mich hat die Abwehr der Anstrengungen in dieser Richtung irritiert. In der FDJ vorher hatte ich das nicht so erlebt, im Bereich der Sektion Physik bzw. der Universität Jena hatten wir Mitte der 80er Jahre FDJ- und SED-Leitungen, mit denen vieles möglich war, z.B. FDJ-Studienjahre zum Thema „Globale Probleme der Menschheit“, d.h. auch zu Umweltschutzproblemen in der DDR. Aber auf der Parteischule wurde mir klar, dass das eine Ausnahmesituation war, dass „normalerweise“ tumbes Lehrsatzwissen ausreicht und mehr nicht erwünscht ist. Mich wollten sie aus der Klasse expedieren (in einen anderen externen Kurs), indem sie die ständigen Erkrankungen meiner kleinen Tochter ausnutzten. Sie wollten mir „helfen“, damit ich nicht zu viel vom Unterricht verpasse und zu viel selbst nacharbeiten muss. Dabei war immer noch ich es, die anderen vieles erklärte, was sie es sonst kaum lernen konnten. Die Dozenten, die mir bei der Philosophieprüfung eine Eins gaben, obwohl ich den gesamten Unterricht versäumt hatte, wurden hinterher gerügt, weil es doch nicht sein könne, dass jemand das alles auch ohne den Parteischulunterricht wissen könne! (Warum schmiss ich das Ganze nicht einfach? Weil ich mich fachlich in Richtung „Philosophische Probleme der Naturwissenschaften“ entwickeln wollte und man im Philosophiebereich mit entsprechend negativen Einträgen in der Kaderakte nicht erwünscht war).
Als ein Jahr später das ganze sozialistische System zusammenbrach, konnte ich besser verstehen, warum. So konnte es nicht weiter gehen. Sogar noch im Sommer 1989 gab es schöne Gespräche, in denen die Menschen nicht etwa den Sozialismus aufgeben wollten, sondern nächtelang diskutierten, was sich verändern muss, verändern kann, um ihn wirklich so gestalten, dass er lebens- und verteidigenswert würde. Im Herbst wurde der Umschlag der Rufe „Wir sind DAS Volk“ in „Wir sind EIN Volk“ zur großen Enttäuschung. Viele Genoss_innen zerbrachen daran, andere konnten ihre Qualifikation als Ränkeschmiede bruchlos weiter nutzen. Ich lese bei Harald Werner heraus, dass er das auch alles kennt.
Die Reste der kommunistischen Vision, also jener, bei der sich die Menschen von aller Ausbeutung und Entwürdigung befreien, versickerten ziemlich kläglich. Nicht weil diese Vision erledigt wäre, macht es keinen Sinn mehr, von Kommunismus zu sprechen, sondern wegen diesem würdelosen Aufgeben der eigenen Ziele. Ein Redner auf einem DKP-Parteitag „verglich die Partei mit einem Leuchtturm, der völlig sinnlos seine Signale aussendet, während die Schiffe draußen auf dem Meer nach Radar fahren.“
Harald Werner beschreibt Debatten über die neuen Herausforderungen: die Globalen Probleme der Menschheit, die Rolle der Zivilgesellschaft bei der Aufrechterhaltung der kapitalistischen Hegemonie, die Flexibilisierung der industriellen Strukturen, neue soziale, feministische und ökologische Bewegungen usw. usf. – die bei uns fast genau so verliefen. In meinem persönlichen Umfeld wurden die schon lange schwelenden Fragen nun ausgiebig diskutiert, nach 1990 besuchten wir westliche linke und ökologisch orientierte Gruppen, deckten uns mit Literatur aus dem links-alternativen Bereich ein und hatten ansonsten die Einstellung: „Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann.“ Mit Wendehälsen hatten wir aber nichts zu tun.
Eine wichtige Inspiration waren für mich die Schriften der sogenannten „Erneuerungsströmung“ aus der DKP. Sie ermöglichten es uns, tatsächlich Neues zu erkennen und zu denken, ohne wichtige Grundlagen aufgeben zu müssen. Leider brach der Zustrom neuer Ideen ab, als die Strömung verebbte. Genau die Geschichte dieser Bewegung habe ich nun bei Harald Werner nachlesen können.
In Jena traf sich eine kleine Gruppe von Menschen einfach regelmäßig weiter – daraus wurde später die Zukunftswerkstatt Jena. Wir beschäftigten uns mit den jeweils interessierenden Themen, und engagierten uns in verschiedener Weise, insb. in der Anti-Kernkraftbewegung. Die dabei gewonnene Autonomie, die manche von uns erst kurz vor der Wende aktivierten, wollten und konnten wir dann auch unter einem PDS-Dach nicht wieder aufgeben. Natürlich war die PDS und ist die LINKE in vielerlei Hinsicht offener als es die SED und sicher auch die DKP je war. Wir aber stellten gleich in den ersten Jahren fest, dass unsere spezifische Leistung, unsere selbsterarbeiten Inhalte genau so wenig gefragt waren wie früher. Ich will darüber jetzt nicht lamentieren – eine kleine Erfahrung jedoch hat mit meiner einzigen direkten Begegnung mit Harald Werner zu tun: Wir waren ziemlich begeistert von dem Büchlein „Mythos und Realität der Erwerbsarbeit“ von Harald Werner (1992), weil es vieles enthielt, was wir auch dachten (meine Notizen von damals dazu). Ich hatte Harald Werner dazu geschrieben, irgend etwas auch in Bezug auf die Bitte um weitere Zusammenarbeit. Die AG Junge GenossInnen hatte mich auch in die damalige Grundsatzkommission delegiert. Als ich dann zu meiner ersten (und letzten) Sitzung dieser Kommission in Berlin war, traf ich Harald Werner auf dem Gang. Ich sprach ihn an wegen dem Brief… und es stellte sich heraus, dass der Brief, vielleicht auch gar nicht ganz unbeabsichtigt, in der Bürokratie im Parteihaus hängen geblieben war.
So geht man also mit Briefen aus der Basis um. Die Sitzung selbst verstärkte meine Vermutung, dass hier schon wieder ziemlich erfolgreich Strategie und Politik im Hinterzimmer vorangetrieben wurden und wir das nur scheindemokratisch legitimieren sollten. Müßte ich schon wieder um Macht kämpfen, d.h. mich in die allgemeine Intrigiererei einmischen, um mich inhaltlich einbringen zu können? Ich dankte, und ging…
Harald Werner ging nicht, er fand wohl andere Wege, sich sinnvoll einzubringen. So also leben wir mit unseren Erfahrungen über die „Halbheiten, Schwächen und Erbärmlichkeiten“ (Marx) der ersten Versuche, eine nichtkapitalistische Gesellschaftsordnung zu errichten. Schön, dass Harald Werner die Zeit und Kraft gefunden hat, dieses Buch zu schreiben. Es beinhaltet nicht nur eine Fußnote der Geschichte, sondern ermöglicht einen Blick in das widersprüchlich-zerrissene Herz einer bestimmten Form von Befreiungsversuchen.
P.S. Gerade fand ich noch eine Gemeinsamkeit: bei einigen Berlinmarathons waren wir wohl beide dabei: ich mit Inlineskates, er beim Laufen… 😉
Dezember 26, 2012 at 12:27 am
Liebe Annette,
vielen Dank für Deine sympathische und zugleich lehrreiche Rezension!
„Normalerweise vertiefe ich mich nicht so sehr in die Auswertungen der kommunistischen Vergangenheit in Ost oder West. Zu viel gilt es in der Gegenwart zu regeln und erst aus begründeten neuen konkreten Utopien heraus wird einerseits das Unzureichende der Befreiungsversuche des 20. Jahrhunderts klarer zu bewerten sein und andererseits die damaligen historischen Bedingungen auch umfassend gewürdigt werden.“
mir geht es genauso
„Ich fühle beim Lesen, wie verdammt weit weg diese Zeiten sind und diese Haltungen von Menschen. Wie sehr es uns in den letzten 20 Jahren abgewöhnt wurde, in der Aufopferung von “Berufsrevolutionären” noch irgendetwas Gutes sehen zu können.“
dito
„Denn die DDR war mal ein gutes Pflaster gewesen für viele, denen es nicht nur um ihr privates Wohlergehen ging, sondern die den Sinn ihres Lebens in etwas Umfassendes einbetteten, das die Menschen und die Welt voranbringen sollte.“
Meine Eltern – Vater anerkanntes OdS – blieben in der DDR deswegen und wegen der Restauration in der BRD
„Die Einbettung in das Umfassende ist es wohl auch, das sich für Harald Werner zeigte als quasi-religiöses Element.“
die Ähnlichkeiten von katholischer Kirche und bolschewistischen Herrschaftsformen sind offensichtlich, die gemeinsamen Wurzeln bei Platon und Thomas Moore ebenso
„[Hierarchie] in der Gewerkschaft“
das erstaunt mich, ist doch die IG Metall jetzt erst dabei, ihre eingeübte Gutsherrenattitüde zu überwinden
„Ich hatte viele Zweifel, ob die DDR wirklich das bessere Deutschland war, aber die BRD erschien mir als das noch schlechtere.“
mir persönlich auch (*Jeder* konnte einen Ausreiseantrag stellen)
„Für Harald Werner wurde die Fragestellung nach der Rolle des Individuums und der Subjektivität zentral.“
sehr gut! nach Ehrenburg ist „Individualität“ (Unteilbarkeit 😉 eine Erfindung des Bürgertums 🙂
(Ich hörte Wissenschaftlichen Kommunismus bei einem Prof, der sich rühmte, westdeutsche Parteikader ausgebildet zu haben. Zu meinem Gesprächsangebot (Angebot!) zur Verbesserung der Anwesenheit von Studenten bei seiner Vorlesung meinte er: Meine Vorlesung ist gut! Denn sie entspricht dem Lehrplan, hat einen roten Faden und vertritt die Politik der Partei- und Staatsführung. – Noch Fragen?)
„Wahrscheinlich lassen sich Menschen immer auf solche Gemeinschaften ein, wenn sie die Welt ändern oder retten wollen, und riskieren dabei den Einzug in ein Gebäude der Hörigkeit, aus dem nur schwer auszubrechen ist.“
das spricht das von Marx und seinen Epigonen vernachlässigte psychologische Element an
„Trotz dem Gegensatz“
des Gegensatzes – Annette!
„der Sichtweisen finde ich es wichtig, die Argumente zu kennen, die Menschen dazu brachten, sich so oder so zu verhalten. Schon früher übrigens ließen sich deutliche Unterschiede ausmachen zwischen jenen Menschen, die wirklich über diese Fragen nachdachten und dann eben zu diesen (von uns heute im allgemeinen kritisierten) Ergebnissen kamen[,] und denen, die nur stur-dogmatisch in diesem Sinne agierten. Gerade auf der Parteischule sollte doch die Gelegenheit sein, darüber nachzudenken, Argumente abzuwägen, um die späteren Kader auf ihre widersprüchliche Praxis vorzubereiten, oder?“
ja! (Akademie für Gesellschaftswissenschaften) – nein! (IML, ZK)
„Die Zeit hat sich wirklich verändert, aber du hast den Genossen keine neue Richtung vorgegeben, sondern sie mit neuen Fragen konfrontiert.“
das ist unschlüssig
„Sogar noch im Sommer 1989 gab es schöne Gespräche, in denen die Menschen nicht etwa den Sozialismus aufgeben wollten, sondern nächtelang diskutierten, was sich verändern muss, verändern kann, um ihn wirklich so gestalten, dass er lebens- und verteidigenswert würde.“
wie siehst Du die Demo am 4.11. auf dem Alexanderplatz Berlin?
„Im Herbst wurde der Umschlag der Rufe „Wir sind DAS Volk“ in „Wir sind EIN Volk“ zur großen Enttäuschung. “
wurde dieser Stimmungswechsel von Agenten Helmut Kohls (und Hintermännern) organisiert?
„Die Reste der kommunistischen Vision, also jener, bei der sich die Menschen von aller Ausbeutung und Entwürdigung befreien, versickerten ziemlich kläglich. Nicht weil diese Vision erledigt wäre, macht es keinen Sinn mehr, von Kommunismus zu sprechen, sondern wegen diesem würdelosen Aufgeben“
wegen dieses würdelosen Aufgebens – wie willst Du diesem Aufgeben widerstehen, wenn Du andererseits Dich dem umgangssprachlich-räuberischen Dativ andienst, statt dem Genitiv zu folgen???
Alles Gute für 2013!
Peter
PS: ja, es ist schlimm, wie wenig „Die Linke“ aus der ost- und westdeutschen Parteiengeschichte gelernt hat – ob der Verlust der Regierungsbeteiligung in Berlin (vorher hatte sie der Abschaffung des Sozialtickets zugestimmt: wie kann man nur so blöd sein???) eine Läuterung bewirkt hat, weiß ich nicht…
Dezember 26, 2012 at 4:49 pm
„Einbettung in das Umfassende“…
Ja, aber abseits von der Analogie mit der Re-ligion (re-ligio = Rückbindung) – ist es völlig falsch, etwas Umfassendes zu bedenken, zu wollen, sich daran zu orientieren? Oder besteht das Universum und unser Tun nur aus Flickwerkerei?
Dezember 26, 2012 at 4:55 pm
Umschlag der Rufe… „wurde dieser Stimmungswechsel von Agenten Helmut Kohls (und Hintermännern) organisiert?“
Nicht nur, aber auch. In unserem Umfeld bemerkten wir den Stimmungswechsel vor allem, nachdem die meisten Leute in den Westen gefahren waren, um ihr „Begrüßungsgeld“ zu holen (wir nutzten diese Fahrt für unsere ersten Kontakte mit der SDAJ und ich kaufte meine ersten Westbücher von dem Geld ;-)).
Die meisten Leute kamen zurück mit leuchtenden Augen – sie hatten mit 100 geschenkten DM in den Einkaufsparadiesen in der Vorweihnachtszeit schlemmen dürfen! – das wollten sie ab jetzt immer, warum andere Experimente versuchen?
Am 4.11. war es, so wie wir es hier in Jena in meinem Umfeld wahrgenommen haben, schon zu spät. Das sahen wir im Fernsehen nur noch mit Rührung und im Abschiednehme-Modus.
Im Übrigen: die subjektiven Bedingungen jedenfalls waren für einen „Dritten Weg“ (bzw. ein Netzwerk vieler mehr-als-dritter-Wege) noch gar nicht bereit.
Dezember 27, 2012 at 7:57 am
Soziale Emanzipation heißt vielleicht auch, sich von dieser Art, die Passivform zu gebrauchen, zu befreien, d.h. von Redewendungen mit einem alles nur erleidenden (also praktisch ohne eigenen Sinn und Verstand vorgestellten) WIR als ewigens Opfer, das von einem unbestimmten, aber irgendwie bösartigen Subjekt, einem bösen Weltgeist, (nicht selten vertreten durch „die Medien“) nach Belieben manipuliert wird.
Dezember 27, 2012 at 9:00 am
Welche Passivform meinst Du?
Die „uns… abgewöhnt wurde“? Dann beschreibt sie hier den tatsächlichen Vorgang, dass viele von uns sich halt tatsächlich passiv behandeln ließen.
Oder geht es um die „Aufopferung“. Die war nun meistens gar nicht passiv, sondern fand durchaus aktiv statt.
Mit einem „ewigen Opfer“ hat beides nichts zu tun.
Dezember 27, 2012 at 9:54 am
Die DKP zeichnete sich durch die gleichen Avantgarde-Anmaßungen aus, die auch die SED kennzeichnete, nur dass es der Westpartei an vergleichbaren Machtmitteln fehlte, das durchzusetzen. Kenne sie aber auch nur aus den 1970er und 1980er Jahren. In Berlin West hatten wir ja die SEW. In der von mir miterlebten Zeit gab es z.B. einen DKP-Beschluss, nach dem es keine Zusammenarbeit mit Gruppierungen geben durfte, die sich links von der DKP bewegten (wie etwa der Kommunistische Bund, die Gruppe internationaler Marxisten usw., die wurden als „Chaoten“ beschimpft, ein Wort, dass die Springerpresse dann erst später übernommen hatte). Und wenn es Vertreter einer dieser Gruppierungen etwa einfiel, in der Nähe von DKP Veranstaltungen ihre Zeitungen anzubieten, dann konnten die schonmal im Namen der „Einheit der Arbeiterklasse“ auf die Schnauze kriegen.
Das leninsche Fraktionsverbot bzw. deren spätere Nicht-Zurücknahme und ideologische Überhöhung/ Heligung hat sich als ein tragischer Fehler entpuppt, Hat den Stalinismus erst möglich gemacht.
Wer ersthaft über Wege zur kommunistischen Überwindung des kapitalistisch bornierten Füreinanders nachdenkt, wird dies im Bick haben und für Klarheit in der Sache sorgen müssen.
Dezember 27, 2012 at 2:32 pm
@hhh „Avantgarde-Anmaßungen“
Mir geht es aber auch darum, diese nicht nur immer wieder mit verurteilendem Ton an den Pranger zu stellen, sondern zu verstehen, wie es dazu kommen konnte. Leider wird „verstehen“ immer wieder mit „entschuldigen“ gleichgesetzt, was einem Denk- und Begründungsverbot gleich kommt.
Vom Ergebnis her fühlt sich das nicht viel anders an als die stalinistischen Praktiken: „Denk nicht so viel nach, vertrete einen (moralisierenden) Standpunkt!“
Ich will da endlich weg davon!
Dezember 27, 2012 at 9:17 pm
Statt die Berechtigung meiner Kritik zu diskutieren, unterstellst du mir veurteilende Töne und moralistisches An-den-Pranger-Stellen. Das finde ich nicht angemessen.
Ich setzte nirgends Verstehenwollen mit Entschuldigen geich und weise auch entschieden jede Mitverantwortung für dein Gefühl zurück, Opfer von Praktiken zu sein, die nicht anders als stalinistischer Praktiken sind (zu denen bekanntlich planwirtschaftlicher Massenmord gehörte).
Es ist gut, die Gründe für die Avantgarde-Anmaßung der SED und ihres Westablegers DKP zu verstehen. Aber man sollte vielleicht auch verstehen (wollen), warum deren Gebarde als eine unerträgliche Anmaßung erlebt wurde.
Dezember 29, 2012 at 9:45 pm
Das „immer wieder“ bezieht sich nicht nur auf Dich, HHH, sondern es ist meine Meinung zum vorherrschenden DDR-Diskurs und beschreibt mein Empfinden angesichts der vorherrschenden Einseitigkeit. Ob Du diese Einseitigkeit mit bedienst oder nicht, kann ja jeder in den Texten selbst nachlesen.
Dezember 29, 2012 at 11:12 pm
HHirschel:
Ich denke, dass Anette dies sehr ernsthaft versucht. Ich verstehe ihre Argumentationen nicht einseitig, sondern so, dass sie auch immer die reflexive Sicht einschließen.
Diese Geduld in der Verarbeitung der Fragen schätze ich bei Anette sehr. Ich habe da einen wesentlich kürzeren Weg zur Analyse.
Man soll sich um die großen Fragen zuerst kümmern und schon der historisch kurze Abstand von zwanzig Jahren zum real existierenden Sozialismus und der „Schreckens-Herrschaft der SED“ zeigt, dass deren Anmaßungen in ihren persönlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen Peanuts waren gegenüber denen von Gruppierungen und Parteien, die seitdem die Macht ausgeübt haben.
Das heißt nicht, dass eine Restaurierung dieses Systems denkens- bzw. wünschenswert wäre.
Das heißt aber, dass seitdem Millionen Menschen um ihren gerechten Anteil an der Wertschöpfung in diesem Land gebracht worden sind (Umverteilung von unten nach oben durch CDU, FDP, SPD, Grüne), Hunderttausende in ihrer freien Entfaltung (übrigens ein Ideal seit der bürgerlichen Aufklärung) behindert wurden (Agenda 2010 der SPD ff.), viele Menschen um ihre Ersparnisse und Renten gebracht wurden und sich während der letzten fünf Jahre aus Verzweiflung in hoher Zahl selbst umbringen (europaweit, Banker und Politiker, die alternativlos versuchen den Euro und das Wirtschaftssystem zu retten).
HHirschel, ich folge Deiner Diskussion um DKP, SEW und andere linke Gruppierungen gern und interessiert, da ich sie eigentlich nur aus den Medien der SED, die einen großen Teil dieser Landschaft finanziert und trainiert hat, kenne.
Zur besseren Einordnung in den gesellschaftlichen und historischen Kontext wäre es schön, wenn Du ‚mal einen kurzen Überblick geben könntest, welche politischen Veränderungen die DKP, SEW und andere noch linkere Gruppierungen in der BRD bewirkt haben. Dann sehen wir besser, inwieweit es bei dieser Diskussion um Substanz oder Nabelschau geht – denn es gilt noch immer die 11. Feuerbach-These.
Dezember 30, 2012 at 7:43 am
Nichts degegen zu sagen.
Super „Analyse“! Und die Weise, wie die DKP Schläger mit den von ihnen so genannten „Chaoten“ argumentierten, die es wagten, deren Avantgardephantasien zu stören, waren da natürlich auch nur die Krümechen der Peanuts.
Dezember 31, 2012 at 11:46 am
Was die 11. Feuerbachthese betrifft, ist dessen Bartebysche Interpretation offenbar: der sozialistische Zweck (Weltveränderung) heiligt jedes Mittel. Oder gegenüber dem sozialistischen Zeck sind evt. vielleicht nicht so ganz richtige Mittel auf alle Fälle Peanuts, dessen Erwähnung einen Mangel an sozialistischer Persönlichkeitsbildung und Weitsicht verrät. In früheren Zeiten hätte das wohl geheißen: Nicht gut, für die Kaderakte!
Dass sich DKP und SEW um dieses oder jenes auch verdient gemacht hatten mit ihren Ost-Millionen und ihren wie immer sozialistischen Idealen (ihr positiver Einfluss war allerdings begrenzt, in wesentlichen Dingen wie etwa der Anti-AKW-Bewegung hinkten sie hinterher und nahmen dann einen eher opportunistischen Standpunt ein) tut überhaupt nichts zur Sache. Im .Gegenteil. Wären ihre Verdienste größer, wäre ihre Politik gegenüber den inks von ihr stehenden Kräften ebenso schändich gewesen..
Gegenüber relativierenden Äußerungen gegen eine schonungslose Auseinandersetzung mit dem Stalinismus, (mit Verweisen auf Stalins angebliche Verdienste) wandte Alexander Solschenizyn zurecht ein:
Zitiert nach 1973 Scherz Verlag Bern Der Archipel GULAG S. 95
Dezember 30, 2012 at 7:53 am
Ja, wäre doch die Welt noch schön, wenns in Bitterfeld noch brummen täte, es noch die alten Löhne und Renten, die 42 Stunden-Woche, Braunkohleheizungen und das Platzieren im Restaurant gäbe. Die Medien uns noch nicht Böses weiß machten, und die West-Rentenversicherung ihre vergifteten Geschenke für sich behalten hätte.
Dezember 30, 2012 at 9:02 pm
Da hast Du Recht. Dann gäbe es für Unternehmen und Politik der westlichen Industrieländer noch ein Feindbild und man würde zeigen, dass man Reichtum auch zum Wohle des Volkes einsetzen könnte. (Habe ich schon vor 1995 gesagt, ist mittlerweile in den letzen Jahren von Historikern, Politikern und Medien auch laut und für alle hörbar ausgesprochen worden.)
Ist glücklicherweise auch heute in Restaurants üblich, wo ich hingehe. Es würde mich stören, wenn Leute, die ihre Jacken nicht an der Garderobe abgeben, mit Taschen oder Rucksäcken über der Schulter zwischen den Tischen herumliefen.
Lieber HHirschel, du argumentierst leider wieder nur emotional und rückwärtsblickend gegen eine zu Recht zu Ende gegangene Geschichte.
Ich hatte nach politischen Veränderungen gefragt, die linke Gruppierungen in der BRD bewirkt haben. Dazu lese ich kein Wort. Gibt es wirklich nichts zu berichten?
Dezember 31, 2012 at 12:39 pm
Tscha, wie sagte Marx nicht so schön treffend:
Marx zur Kritk der Hegeschen Rechtsphilosophie / Einleitung
http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=3&ved=0CEEQFjAC&url=http%3A%2F%2Fwww.mlwerke.de%2Fme%2Fme01%2Fme01_378.htm&ei=OYPhUNy0JqaD4ATisYHwBA&usg=AFQjCNG8hUKcCZqm2TrQhizpOaZkEI9dYA&bvm=bv.1355534169,d.bGE&cad=rja
Dass Sie die Vorwärtsgerichtheit meiner Anmerkungen nicht mitbkommen, sei Ihnen verziehen :-). No body is perfekt..
Dezember 27, 2012 at 7:01 pm
Dein nachfolgender Bericht zeigt, dass Du – gottseidank 😉 – nicht wirklich eine ahistorische Position einnimmst. Natürlich ist unsere Distanz zu dieser Zeit noch kurz und Interpretationen können nicht anhand einer langen Weiterentwicklung überprüft werden. Nichtsdestotroz ist Geschichte (als Wissenschaftsfach und Erkenntniserwerb) ein Prozess, der unmittelbar einsetzt. Die immer offensichtlicher zu beobachtenden Versuche und Erfolge, die Menschen vom Ballast ihrer Geschichte „zu befreien“, sind erschreckend.
Ich stimme aber dahingehend zu, dass man nicht in den Betrachtungen der jüngsten Geschichte steckenbleiben darf und von dort zu den Kernfragen weitergehen muss.
Eine wichtige Erkenntnis, die system- und parteiübergreifend gilt. Gesellschaften, Organisationen (Parteien, Firmen, Vereine) und selbst Freundesgruppen scheinen trotz aller anderslautenden Beteuerungen nur eine sehr begrenzte Menge eigenständig denkender Persönlichkeiten zu verkraften.
Dezember 30, 2012 at 7:33 am
Na, dann ist ja alles in Butter.
Das nenne ich Stimmungsmache. Ich hatte lediglich eine Aussage von dir ergänzt also im Prinzip bestätigt. Du regst dich in Folge dessen darüber auf, dass ich Avantgarde-Anmaßungen Avantgarde-Anmaßungen genannt habe, argumentierst aber nicht dagegen sondern unterstellst mir einseitiges Gezeter bei dem du dich am Ende stalinistisch behandelt fühlst. Da ist doch irgendwo der Wurm drin.
Dezember 30, 2012 at 10:55 am
Ja, da ist tatsächlich der Wurm drin. Und der steckt meiner Wahrnehmung nach noch gar nicht mal auf der sachlichen Ebene, sondern in der Meta-Ebene.
Kennst Du das 4-Schnäbel- und 4-Ohren-Konzept von Schulz von Thun? (http://www.philosophicum.de/lh/komm1.htm)
Du unterstellst mir häufig Absichten, die ich nicht äußern wolltest und hörst/liest Aussagen heraus, die ich nicht vermitteln wollte.
Dezember 30, 2012 at 2:07 pm
Es könnte aber auch sein, dass du das deinerseits in meinen Kommentaren hinein interpretierst. Ich wüsste z.B. gar nicht, wo ich dir jemals irgendwelche seltsamen Absichten unterstellt haben soll. Und dass das sogar häufig so sein soll, wundert mich wirklich.
Bartleby zurfolge soll ich ja sogar von „Schreckensherrschaft DDR“ gesprochen haben. Das würde mir nicht einfallen. Allerdings fordert es schon heraus, hier Dinge aufzutischen, die belegen, wie sehr es die Staatsorgane tatsächlich immer wieder darauf anlegten, von etwas abzuschrecken, das ich für das Normaste der Welt halten würde und ohne dem sich auch keinerlei Kommunismus entwickeln lässt.
Dezember 30, 2012 at 9:24 pm
Lieber HHirschel, Du beziehst aber wirklich viel zu viel auf Dich persönlich. Ich hatte geschrieben:
Das steht in einem Kommentar, der eine Antwort auf einen von Dir ist, ist aber eine von mir formulierte Aussage. Die Anführungszeichen haben nichts mit einem Zitat zu tun. Ansonsten gäbe es diese Worte in Deinem Kommentar, oder?
Sie markieren „Wörter oder Wortgruppen, die man anders als sonst – etwa ironisch oder übertragen – verstanden wissen will“. (Das war nun ein Zitat. Lies gern einmal hier nach: http://de.wikipedia.org/wiki/Anf%C3%BChrungszeichen#Anf.C3.BChrungszeichen_im_Deutschen wie Du finden wirst – sie werden verwendet entweder als Zitat oder anders, aber in jedem Fall nicht für die Zusammenfassung von Aussagen der Vorredner.)
Dezember 31, 2012 at 8:23 am
Schon gut, ich sehe, Sie sind gut im Rationalisieren.
Januar 20, 2013 at 6:21 pm
@ hhh und Solschenizyn: „Es ist nicht zu verstehen: Warum verwünschen wir heute die Inquisition? Hat es denn außer Scheiterhaufen keine feierlichen Gottesdinste gegeben?“
Also ich habe gegenüber der Religion (insb. speziell auch der christlichen), die ja als Übergreifendes über Inquisition und Gottesdienste gemeint sein muss (sonst sehe ich keinen Zusammenhang zwischen beidem) eine differenziertere Sicht.
Ist es schon relativierend, wenn ich neben und trotz der Inquisition nicht alle Gottesdienste verurteile?
Januar 20, 2013 at 7:47 pm
Es ist da nichts Übergreifendes gemeint, sondern die Inquisition. Die Analogie: Es ist ein klares Zeichen von Unverstand, die Avantgarde-Anmaßungen der DKP oder der Stasi-Terror der SED durch Hinweise auf deren Verdienste rationalisieren zu wollen.
Januar 22, 2013 at 7:10 pm
Wenn es nicht um „rationalisieren“ geht (so würde ich das, was ich versuche, auch nicht nennen), um was sollte es denn dann gehen? Wie nennst Du Deinen Umgang damit?
Januar 23, 2013 at 8:44 am
WIKIPEDIA zum Begriff des Rationalisieren:
Der Begriff bezeichnet in der Psychologie kognitive Vorgänge, bei denen gemachten Erfahrungen, Erlebnissen oder Beobachtungen nachträglich (ex post) rationale Erklärungen zugeschrieben werden. Diese müssen keinesfalls wirklich ursächlich für das Erlebnis sein, sondern sind oft konstruiert und persönlich eingefärbt. Die vermeintliche Logik reduziert kognitive Dissonanzen und vermittelt der Person einen Sinn. Dies kann soweit gehen, dass Erinnerungen konstruiert werden, um den Sinn aufrechtzuerhalten.
In der Psychoanalyse ist Rationalisierung ein Abwehrmechanismus des Ichs, nämlich der Versuch, Handlungen, die durch unbewusste Motive gesteuert werden (z.B. durch verdrängte Triebimpulse), nachträglich einen rationalen Sinn zu geben.
http://de.wikipedia.org/wiki/Rationalisierung_%28Psychologie%29
Ich versuche entsprechend Marx‘ Empfehlung von den tatsächlichen Verhältnissen bzw. Geschehnissen ausgehend (statt von der Einbildung der darin Involvierten) die im 20.Jahrhundert gemachten Versuche nachzuvollziehen, mittels entfesselter (weitgehend unkontrollierter, repressiver) Staatsgewalt, Indoktrination und Medienzensur, Staatsbetriebe (mit Staatsgewerkschaften) und im Dunklen munkelnder Plankommissionen eine Übergangsgesellschaft in Richtung eines (weltweit) kommunistischen Füreinanders zu schaffen.
Als Mensch, der sich für eine (welt-)kommunistische Perspektive des 21. Jahrhunderts (im 21. Jahrhundert!) stark macht, bin ich genötigt, Verantwortung für die untauglichen Versuche der Vergangenheit zu tragen also auch die unangenehmen Wahrheiten über sie zu ertragen und daraus Schlüsse für Gegenwart und Zukunft zu ziehen (so wie ich als Deutscher genötigt bin, die Geschichte Nazideutschland als die eigene zu sehen und daraus auch selbst die sich daraus ergebenen Konsequenzen zu ziehen).
Es ist zwar notwendig, alle historischen Umstände und subjektiven Fehlschlüsse zu würdigen, die diese untauglichen Versuche und die Entwicklung und die Einzelheiten ihrer Untauglichkeit erklären, aber es ist ebenso notwendig, nicht aufzuhören, sich der Geschichte zu stellen, beständig an deren Aufarbeitung zu arbeiten und damit an Erkenntnissen darüber, was als Mindestvoraussetzung gelten muss, damit nicht erneut aus einem Gutgemeint ein Schlechtgelaufen wird.
Januar 21, 2013 at 5:56 pm
Was machte Deiner Meinung nach eigentlich das Sozialistische der DDR-Gesellschaft aus?
Januar 22, 2013 at 7:14 pm
Ds kann man schwer in einen Kommentar packen, dafür müsste eine längere Abhandlung her. Was auf jeden Fall den Sozialismus kennzeichnete, war das Fehlen der Konkurrenz (in der Wirtschaft wie auch im alltäglichen Leben). Zwar waren die Lebenschancen ungleich verteilt, und viele Leute haben sich durchaus noch ihrer Ellbogen zu bedienen gewusst. Aber man konnte auch leben, ohne DIESE Spielchen mitmachen zu müssen. Ich war nicht strukturell dazu gezwungen, um meine Lebensmöglichkeiten gegen andere kämpfen zu müssen (z.B. um den Arbeitsplatz).
Januar 23, 2013 at 8:53 am
Aber was war deiner Meinung nach das Sozialistische an dem Mangel an Konkurrenz zum Beispiel zu den Verlautbarungen des ND, zum Trabbi oder zu den Modeerzeugnissen der DDR?
Januar 25, 2013 at 6:01 pm
Meinst Du, man kann Vieltfalt nur mittels Konkurrenz erreichen?
Januar 25, 2013 at 7:13 pm
Nein, ich erinnere mich an eine Fersehreportage in den 1980er Jahren, über zunächst geförderte Versuche, in der DDR kreative Modeideen zu fördern. Das war am Ende daran gescheitert, dass die Betriebsdirektoren der Textil-VEBs das wegen dem höheren Verschnitt blockierten. Da kann man natürlich sagen: hätten die vom absehbaren Erfolg profitieren können und in Sachen Verschnitt mehr individuellen Spielraum gehabt, dann hätten die sich anders verhalten. Das ist natürlich nicht ganz von der Hand zu weisen.
Aber ich denke, dass das entscheidende Manko der Mangel an Möglichkeit zum herrschaftsfreien Diskurs war, also dem Mangel an Möglichkeiten, den Konflikt bzw. das Problem öffentlich zu erörtern und nach guten Lösungen zu suchen.
Ansonsten halte ich abstrakte Prinzipien in der Sache nicht für besonders hilfreich. Konkurrenz und Koooperation haben beide ihren Platz und mischen sicvh ja auch stets. (Mannschaftssportarten leben von Konkurrenz UND Kooperation).
Es wäre schon ein großer Schritt, wenn erst einmal die Konkurrenz- und Kooperationsbedingungen in der Produktion, d.h. in Sachen Produktionsmethoden, -zwecke, mengen usw. und deren Umweltwirkungen (welt-)gesellschaftlich bzw.(welt-) gemeinschaftlich bestimmt werden könnten.
Januar 25, 2013 at 9:08 pm
Ich habe keine abstrakten Prinzipien genannt. Das aus meiner Sicht positive Fehlen der Konkurrenz habe ich konkret auf die Bereiche Wirtschaft und alltägliches Leben unter dem Blickwinkel der Lebenschancen und des Fehlens des strukturellen Zwangs, diese nur gegen andere durchsetzen zu können, bezogen.
Januar 25, 2013 at 10:51 pm
Vielleicht hatte aber auch die fehlende Konkurrenz um die effektivsten (humansten, ökologisch vernünftigsten) Methoden der Herstellung und um die nachgefragteste Qualität von Gebrauchsgütern, die Chancen vielen Menschen auf ein gutes Leben arg verbaselt? Meine Frage war ja, was das Sozialistische an der fehlenden Konkurrenz von DDR Unternehmen (oder den Verlautbarungen der Staatspartei) ausmachte.
Das lässt sich wohl sinnvoll nur beantworten wenn einigermaßen klar ist, was wir jeweils unter Sozialismus verstehen. Ich verstehe unter Sozialismus einen sozialen Transformationsprozess in Richtung eines kommunistischen Füreinanders, Entwicklung und Verallgemeinerung der individuellen Möglichkeiten (und Antriebe) zur gemeinschaftlichen Diskussion und (Mit-) Bestimmung der Produktionszwecke, -mengen, -methoden, Umweltwirkungen usw.
Die reale Existenz einer sozialistischen Gesellschaftsformation zeigt sich für mich daran, dass dieserTransformationsprozess nachweislich (!) der gesellschaftlich vorherrschende ist. Dass dies die Verallgemeinerung der Möglichkeit (und des Willens) zum (herrschafts-) freien, öffentlichen Diskurs notwendig voraussetz, sollte klar sein.
Ob verschiedene Unternehmen, Städte, Individuen , Vereine usw. um etwas konkurrieren (zum Beispiel um die besten Effekte zur Abmilderung des Treibhauseffektes) oder nicht ist für mich nicht die entscheidende Frage, sondern ob die Zwecksetzung, die ökologischen Effekte hinreichend kompetent und nachhaltig wirksam mitbestimt werden können.