Heute gibts mal wieder ein wenig Philososophie. Bei der Vorbereitung eines kniffligen Textes über die Kritik der Politischen Ökonomie nach Marx habe ich mich an eine Idee von Hans Heinz Holz erinnert: Die Darstellung des dialektischen Reflexionsverhältnisses in der Spiegelmetapher. Nebenbei versteht man dabei noch, warum Hegel Idealist sein musste!

Spiegelmetapher


Dialektische Reflexionsverhältnisse kann man nicht einfach schematisch darstellen. Wenn man nur zwei Kästchen aufmalt und einen Pfeil hin und einen her malt (bzw. nur dies denkt), dann hat man nicht erfasst, was in der Hegelschen Philosophie geschieht. Hier gibt es solche Verhältnisse, wo etwas ein anderes enthält und doch zugleich in ihm enthalten ist. Was ist denn das nun wieder? Ein wenig kann nun die Spiegelmetaphier weiterhelfen.

Hans Heinz Holz schlägt – einer Idee von Josef König folgend – vor, das für die hegelsche dialektische Philosophie typische „wechselseitige, nicht-identische Enthaltensein“ durch die Spiegelmetapher zu verdeutlichen (Holz 2005: 205).

Ein Spiegel ist nur dann ein Spiegel, wenn es auch einen Objekt gibt, das er spiegelt. Von außen betrachtet sind Objekt und Spiegelbild unterscheidbar. Vom Spiegel her betrachtet ist das Objekt, das gespiegelt wird, das Objekt des Spiegels. Das Spiegelbild ist im Spiegel enthalten (erscheint als Teil des Spiegels), obwohl das Objekt ein ihm Äußerliches ist. Diese Sichtweise bezeichnet Holz als „logische Lesart“.

„… Wie das Spiegelnde seinen Gegenstand als Spiegelbild enthält, so enthält das Denkende seinen Gegenstand als Begriff; in diesem Sinne greifen Spiegelbild bzw. Begriff über ihren Gegenstand über“ (Holz 2005: 188-189). Wir haben den Gegenstand immer nur in unserem Denken. Weil das Denken übergreift, entsteht der „notwendige Schein… der Begriff sei das Reale und die materielle Mannigfaltigkeit nur dessen „Scheinen nach außen““ (ebd.: 207).

Der Spiegelsituation wird auch eine ontologische Lesart gerecht – wir betrachten die Spiegelung nicht aus der Perspektive des Spiegels, sondern „von außen“:

Hier gehen wir davon aus, dass der Spiegel selbst ein besonderes Objekt ist, das sich durch die Fähigkeit, andere Objekte zu spiegeln, auszeichnet. Dieses besondere Objekt wird nur dann zum Spiegel, wenn es ein Objekt gegen sich hat, das es spiegelt. Das Spiegelbild ist nun eine Erscheinung des Objekts selber und das Objekt ist das Übergreifende.

Trotzdem ist die Wahl der Lesart nicht beliebig; es gibt einen wichtigen Unterschied in diesen beiden Betrachtungsweisen. Beginnen wir mit der realistischeren ontologischen Lesart: Es gibt Objekte, aber es muss nicht sein, dass es auch einen Spiegel dazu gibt. Das Seiende enthält das Gespiegelte nicht notwendigerweise in sich. Es ist ihm zufällig und äußerlich, dass es auch einen Begriff von ihm gibt.

In der logischen Lesart ist das anders: Ein Spiegel ist nur dann ein Spiegel, wenn er ein Objekt enthält (sonst wäre er ein beliebiges Objekt ohne seine besondere Bestimmung, zu spiegeln). Es gibt nichts, was zufällig oder äußerlich bliebe. Der Spiegel übergreift sich selbst als Objekt und jedes Objekt – er ist ein Selbstunterschied. Dasselbe gilt für den Begriff; er enthält sich selbst und sein Objekt, er „übergreift den Unterschied von Begriff-sein und Real-sein“ (ebd.: 216). Da es Hegel nicht auf das zufällige Aufnehmen realer Erscheinungen in Begriffen ankommt (ontologische Lesart), sondern darauf, eine in sich vollständige Einheit aller Objekte und aller Begriffe in einem einheitlichen System der Wissenschaften zu erlangen, muss er die logische Lesart bevorzugen und damit den Schein des Idealismus erzeugen.

Literatur:

  • Holz, Hans Heinz (2005): Weltentwurf und Reflexion. Versuch einer Grundlegung der Dialektik. Stuttgart: Metzler.

P.S. Zur Wi(e)derspiegelung erschien ein Beitrag von Kaan Kangal in „Aufhebung #3/2013„, der sich auch auf König und Holz bezieht.