Am Freitag Vormittag des Seminarwochenendes in Hiddinghausen legten zwei Inputs die inhaltlichen Grundlagen. Der erste Input brachte die Themen des vorigen Jahrestreffens in Hiddinghausen in Erinnerung, als es um das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft mit seinen vielfältigen Vermittlungen und die Zielbestimmung einer commonbasierten bzw. commonsschaffenden Wirtschaft ging.
„Das übergreifend Allgemeine der gesellschaftlich-historischen Entwicklung ist der Kommunismus.
Kommunismus ist die Entfaltung der Potenzen des Mensch-Gesellschafts-Verhältnisses in der Geschichte.“
Alle historischen Gesellschaftsformationen sind Formen der Entfaltung menschlicher Potenzen, sogar der Kapitalismus. Menschliche Potenzen können in ihrer Entfaltung beschränkt werden, sie enthalten auch die Potenz, d.h. die Möglichkeit zur Stagnation oder Regression. Letztlich aber gibt es keinen Grund, dass die Potenzen grundsätzlich verhindert wären, sich jemals weiter zu entfalten. Irgendwann, irgendwo und irgendwie setzen sich jeweils historisch neue Bedürfnisse und Fähigkeiten über die vorherigen Schranken hinweg und der menschliche Entwicklungsweg vollzieht sich als Prozess der Entfaltung menschlicher Potenzen weiter. Einerseits entstehen immer neue Bedürfnisse und Fähigkeiten und andererseits haben immer mehr Menschen Anteil an diesen fortgeschrittenen Potenzen. Heutzutage geht es auch darum, die jetzt entstehenden neuen Potenzen zu erkennen und zu fragen, welche neuartigen gesellschaftlichen Vermittlungsformen wir brauchen, damit diese Potenzen zur Geltung kommen und alle Menschen teilhaben können.
Ich persönlich denke nicht, dass diese Ausweitung des Begriffes des Kommunismus auf die ganze Menschheitsentwicklung besonders sinnvoll ist. Letztlich ist das, was damit erfasst werden soll, die „menschlichen Potenzen“, bereits im Begriff „Mensch“ oder „Gesellschaft“ enthalten. Wenn nun die gesamte menschliche Entwicklung als „kommunistisch“ bezeichnet wird, soll der Bruch zwischen Kapitalismus und nachkapitalistischer Gesellschaftlichkeit (auch bezeichnet als „freie Gesellschaft“, oder „Commonismus“, bei mir immer noch „Selbstentfaltungs-Gesellschaft“) nicht so unvermittelt erscheinen, sondern es wird auf die durchlaufende Kontinuität und gleichzeitig die allgemeine Triebkraft der menschlichen Entwicklung verwiesen.
Durch die Verwendung des Begriffs „Kommunismus“ als übergreifend Allgemeines wird philosophisch darauf abgezielt, dem Hegelschen Muster der Entwicklung als Verwirklichung eines „An-Sich“ zu entsprechen. Wenn das Übergreifend-Allgemeine der Kommunismus ist und dieser „Entfaltung der Potenzen“ meint, so wird damit nichts anderes ausgesagt, als dass etwas Mögliches sich verwirklicht. Klingt erst mal ziemlich tautologisch. Quasi „hintenrum“ kommt über die Verwendung des Wortes „Kommunismus“ dann doch die inhaltliche Bedeutung rein, dass zu erwarten ist, dass sich letztlich doch das, was mit dem Wort „Kommunismus“ bisher gemeint war, dabei verwirklicht.
Was allerdings im positiven Sinne mit der neuen Sprechweise vom „Kommunismus in aller Geschichte“ gemeint ist, hat schon Marx formuliert:
„Es wird sich… zeigen, dass die Welt längst den Traum von einer Sache besitzt, von der sie nur das Bewusstsein besitzen muss, um sie wirklich zu besitzen. …
Es wird sich zeigen, dass es sich nicht um einen großen Gedankenstrich zwischen Vergangenheit und Zukunft handelt, sondern um die Vollziehung der Gedanken der Vergangenheit. Es wird sich endlich zeigen, dass die Menschheit keine neue Arbeit beginnt, sondern mit Bewusstsein ihre alte Arbeit zustande bringt.“
Juni 12, 2014 at 3:49 am
Hat dies auf Forum Politik rebloggt und kommentierte:
Kommunismus in der Geschichte
Juli 29, 2014 at 7:30 am
Marx/Engels: Die deutsche Ideologie. MEW Bd. 3, S. 35
Fragt sich nur noch, genau welche Zustände warum aufhebenswürdig sind und was genau deren kommunistische Aufhebung bedeutet. Siehe http://oekohumanismus.wordpress.com/about/ Ab: „Wie die Richtung finden wenn es doch kein richtiges Leben im falschen gibt?“
Also von dem, was bei Marx „Produktivkräfte“ heißt.
Mir erschließt sich der Sinn dieser Definition nicht. Was ist mit „Mensch-Gesellschaft-Verhältnisse gemeint? Zu den gesellschaftlichen Potenzen der heutgen Menschen gehören die Potenzen zur Versauerung und Überfischung der Meere, Entwaldung, Zerstörung fruchtbarer Böden und der gefährlichen Verstärkung des irdischen Treibhauseffektes.
Beim Kommunismus geht’s m.E. um eine Veränderung der Art, in der sich Individuen vergesellschaften (können) das heißt, es geht um bestimmte Formen ihrer (weltweiten) Vergemeinschaftung. Um Formen ihrer Vergesellschaftung, die die (welt-) gemeinschaftliche Formulierung und Verfolgung gemeinsamer Ziele erlauben.
Unter Kommunismus verstehe ich die Herstellung, Pflege und Erneuerung (welt-) gemeinschaftlicher Mittel der Verallgemeinerung individueller Zweckbestimmungskompetenz .
Juli 29, 2014 at 7:55 am
Das bringt die für den marxfernen Anti-Kapitalismus heute so typische Begriffslosigkeit in Sachen Kommunismus auf den Punkt. Was zum Beispiel ist die Perspektive einer „Selbstentfaltungs-Gesellschaft“ wert, wenn nicht gesagt ist, dass damit (mehr) kommunistische Selbstentfaltung erreicht werden soll?
Das alles zeigt, wie wichtig es wäre, – gerade auch hinsichtlich der gegenwärtigen Entwicklungsprozesse – explizit mehr (Öko-) Kommunismus zu wagen ;-).
August 8, 2014 at 12:21 pm
Wenn Du Dich mit der „Selbstentfaltungs-Gesellschaft“ inhaltlich beschäftigst (und das Wort nicht nur als beliebiges Wort liest), so weißt Du, dass in der „Selbstentfaltung“ im Unterschied zur „Selbsbestimmung“ oder „Selbstverwirklichung“ das Kommunistische, wie ich es verstehe, mit drin steckt.
Gerade an der Debatte über diesen Begriff zeigt sich, dass nicht überall „typische Begriffslosigkeit“ herrscht…
August 11, 2014 at 4:57 pm
Das Marxferne sehe ich in der weiträumigen Umschiffung der Frage nach einer (öko-) kommunistischen Entfaltung dieser Selbste, warum die notwendig und unter welchen Umständen sie – wie – möglich ist bzw. wird. Was sie also womöglich von anderen Formen der Selbstentfaltung unterscheidet.
Oktober 17, 2014 at 4:58 pm
[…] wird deshalb davon gesprochen, dass es „Kommunismus in aller Geschichte“ gibt (wovon z.B. hier berichtet […]