Am Freitag Vormittag des Seminarwochenendes in Hiddinghausen legten zwei Inputs die inhaltlichen Grundlagen. Der erste Input brachte die Themen des vorigen Jahrestreffens in Hiddinghausen in Erinnerung, als es um das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft mit seinen vielfältigen Vermittlungen und die Zielbestimmung einer commonbasierten bzw. commonsschaffenden Wirtschaft ging.

Interessant fand ich die Betrachtungsweise, die den Kommunismus nicht erst als Phase nach dem Kapitalismus, sondern bereits in aller Geschichte als vorhanden ansieht. Der Begriff des Kommunismus bezieht sich dabei auf menschliche Potenzen.

Hiddinghausen 2014_3

„Das übergreifend Allgemeine der gesellschaftlich-historischen Entwicklung ist der Kommunismus.
Kommunismus ist die Entfaltung der Potenzen des Mensch-Gesellschafts-Verhältnisses in der Geschichte.“

Alle historischen Gesellschaftsformationen sind Formen der Entfaltung menschlicher Potenzen, sogar der Kapitalismus. Menschliche Potenzen können in ihrer Entfaltung beschränkt werden, sie enthalten auch die Potenz, d.h. die Möglichkeit zur Stagnation oder Regression. Letztlich aber gibt es keinen Grund, dass die Potenzen grundsätzlich verhindert wären, sich jemals weiter zu entfalten. Irgendwann, irgendwo und irgendwie setzen sich jeweils historisch neue Bedürfnisse und Fähigkeiten über die vorherigen Schranken hinweg und der menschliche Entwicklungsweg vollzieht sich als Prozess der Entfaltung menschlicher Potenzen weiter. Einerseits entstehen immer neue Bedürfnisse und Fähigkeiten und andererseits haben immer mehr Menschen Anteil an diesen fortgeschrittenen Potenzen. Heutzutage geht es auch darum, die jetzt entstehenden neuen Potenzen zu erkennen und zu fragen, welche neuartigen gesellschaftlichen Vermittlungsformen wir brauchen, damit diese Potenzen zur Geltung kommen und alle Menschen teilhaben können.

Ich persönlich denke nicht, dass diese Ausweitung des Begriffes des Kommunismus auf die ganze Menschheitsentwicklung besonders sinnvoll ist. Letztlich ist das, was damit erfasst werden soll, die „menschlichen Potenzen“, bereits im Begriff „Mensch“ oder „Gesellschaft“ enthalten. Wenn nun die gesamte menschliche Entwicklung als „kommunistisch“ bezeichnet wird, soll der Bruch zwischen Kapitalismus und nachkapitalistischer Gesellschaftlichkeit (auch bezeichnet als „freie Gesellschaft“, oder „Commonismus“, bei mir immer noch „Selbstentfaltungs-Gesellschaft“) nicht so unvermittelt erscheinen, sondern es wird auf die durchlaufende Kontinuität und gleichzeitig die allgemeine Triebkraft der menschlichen Entwicklung verwiesen.

Durch die Verwendung des Begriffs „Kommunismus“ als übergreifend Allgemeines wird philosophisch darauf abgezielt, dem Hegelschen Muster der Entwicklung als Verwirklichung eines „An-Sich“ zu entsprechen. Wenn das Übergreifend-Allgemeine der Kommunismus ist und dieser „Entfaltung der Potenzen“ meint, so wird damit nichts anderes ausgesagt, als dass etwas Mögliches sich verwirklicht. Klingt erst mal ziemlich tautologisch. Quasi „hintenrum“ kommt über die Verwendung des Wortes „Kommunismus“ dann doch die inhaltliche Bedeutung rein, dass zu erwarten ist, dass sich letztlich doch das, was mit dem Wort „Kommunismus“ bisher gemeint war, dabei verwirklicht.

Was allerdings im positiven Sinne mit der neuen Sprechweise vom „Kommunismus in aller Geschichte“ gemeint ist, hat schon Marx formuliert:

„Es wird sich… zeigen, dass die Welt längst den Traum von einer Sache besitzt, von der sie nur das Bewusstsein besitzen muss, um sie wirklich zu besitzen. …

Es wird sich zeigen, dass es sich nicht um einen großen Gedankenstrich zwischen Vergangenheit und Zukunft handelt, sondern um die Vollziehung der Gedanken der Vergangenheit. Es wird sich endlich zeigen, dass die Menschheit keine neue Arbeit beginnt, sondern mit Bewusstsein ihre alte Arbeit zustande bringt.“