Ich habe in meinem Arbeitszimmer einen gemütlichen Lesesessel und einen Computerarbeitsplatz mit Internetanschluss. Regelmäßig wechsle ich meinen Standort, denn nach einer Weile Jonglieren mit dem eigenen Geschriebenen und Recherchieren habe ich das Bedürfnis, mich mal wieder mit einem einzigen Text zurückzuziehen und mich in ihn zu versenken. Aber wie altmodisch ist solch ein Bedürfnis heutzutage?
Seit ich alle meine fast 10 000 Bücher im unteren Geschoss in Regalen sortiert habe, kann ich auch offline auf eine Fülle von Wissen zurückgreifen, das wohl niemals online zu haben sein wird, für den sich aber außer mir auch bald niemand mehr interessieren wird. Gleichzeitig muss ich meine Illusionen, dass das Internet eine Kommunikationsplattform auch für komplexe, anspruchsvolle Texte sein könnte, begraben.
In dieser Situation bin ich auf das Buch „Die Gutenberg Elegien“ von Sven Birkerts gestoßen. Es erschien bereits 1994 und es ist erstaunlich, wie viele Trends, die heute den Kommunikationsalltag vieler Menschen prägen, er damals schon erkannte. Man bedenke: das war noch die Vor-Internet-Zeit, lange vor den sozialen Netzwerken.
Aber schon damals war klar, dass sich durch die Digitalisierung und Vernetzung von kommunizierten Inhalten viel ändern würde.
Aus der Sicht der gedruckten Literatur, aus der Birkerts als Essayist kommt, kann das erst einmal nur eine Verlustgeschichte sein.
Birkerts beschreibt, welche Rolle Bücher in seiner eigenen persönlichen Entwicklung gehabt haben. Hier spüre ich eine sehr enge Verwandtschaft. Ja, eine solche Bedeutung haben Bücher für mich auch. Dazu werde ich einen ersten Text schreiben.
Später geht es dann auch um die gesellschaftlich-kulturelle Bedeutung der verschiedenen Formen der Informationsspeicherung und -vermittlung.
Weitere Texte
- Bücher und Ich
- Sinnhaftes Leben wie im Roman?
- Lesen als Kulturschöpfung
- Kultur der digitalen Vernetzung
Literatur:
Bunz, Mercedes (2012): Die stille Revolution. Berlin: Suhrkamp Verlag.
Morris Berman (2003): Kultur vor dem Kollaps? Wegbereiter Amerika. Frankfurt am Main: Edition Büchergilde.
Birkerts, Sven (1997): Die Gutenberg Elegien. Lesen im elektronischen Zeitalter. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag. 1997. (Original 1994)
Han Byung-Chul (2013): Digitale Rationalität und das Ende des kommunikativen Handelns. Berlin: Matthes & Seitz.
Martin, Sigurd (1997): Nachwort, zu: Sven Birkerts: Die Gutenberg Elegien. Lesen im elektronischen Zeitalter. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag.
Pariser, Eli (2011): Filter Bubble. Wie wir im Internet entmündigt werden. München: Carl Hanser Verlag.
Plaul, Hainer (1983): Illustrierte Geschichte der Trivialliteratur. Leipzig: Edition Leipzig.
Winograd, Terry; Flores, Fernando (1992): Erkenntnis Maschinen Verstehen. Berlin: Rotbuch Verlag.
Der gesamte Text kann jetzt auch als pdf-Datei abgerufen werden
Juli 21, 2015 at 2:39 pm
[…] in meiner Wahrnehmung etwas. Auf jeden Fall schließt Berman hier an das an, was ich in den „Meditationen über die Gutenberg Elegien“ bereits beschrieben […]
Juli 31, 2015 at 10:13 pm
[…] benachbarten Philosophenstübchen wurde kürzlich eine Artikelserie veröffentlicht, die von Sven Birkerts Buch “Die Gutenberg Elegien : Lesen im elektronischen […]
Juli 31, 2015 at 10:22 pm
Nun habe ich ‚mal mit dem ersten Essay aus den Gutenberg Elegien begonnen. Hier, da etwas lang als Kommentar: http://wissfo.org/2015/08/01/post-gutenberg/
August 2, 2015 at 7:29 am
Beim Nachlesen zur Geschichte der Computerspiele wurde mir auch bewusst, wie stark viele erst mal nur auf Technologiefortschritte hoffen und wie sehr das dann enttäuscht wird. Die Spiele-Hackerszene dachte auch, dass die große Freiheit losbricht, wenn erst alle Leute selbst einen Computer haben. Schlecht ist das ja auch nicht, aber an den gesellschaftlichen Machtbeziehungen hat das gar nichts geändert. Die Hacker dachten damals: Wenn erst alle einen Computer haben, „übernehmen die Hacker“. Nichts da – Google und Facebook haben übernommen 😦
August 2, 2015 at 9:29 am
Der massenhafte Zugang zu Computern ist eine Revolution – technisch sowieso, aber auch gesellschaftlich. Neben der Rationalisierung und effektiven Überwachung ermöglichte er Wirtschaftswachstum, dass so dringend für die Funktion dieser Gesellschaft erforderlich ist. Bei allen Hacker-Philosophien vermisse ich den Ausgangspunkt in der Ökonomie. In der Diskussion der Auswirkungen von Entwicklungen beschränkt man sich viel zu häufig auf die Frage, wem eine bestimmte Entwicklung schadet. Stattdessen sollte die erste Frage immer danach gestellt werden, wem eine Entwicklung nützt.
August 12, 2015 at 1:30 pm
[…] von Annettes Fragen, inwiefern Computerspiele pure Unterhaltung sind oder auch zum Nachdenken über sich… habe ich mich mal nach ein paar interessanten Spielen umgeschaut, die vielleicht in die zweite […]