Begriffsverwirrung
An einem Wort können sich Streite entzünden. Dabei scheint es so einfach zu sein. Marx schrieb im „Kapital“ zu den Gebrauchswerten:
„Gebrauchswerte bilden den stofflichen Inhalt des Reichtums, welches immer ihre Form sei.“ (MEW 23: 50)
Demnach wird ein Ding zum Gebrauchswert, wenn es „menschliche Bedürfnisse irgendeiner Art befriedigt“ (ebd.: 49), d.h., wenn es nützlich ist.
Auf späteren Seiten im „Kapital“ wird der Gebrauchswert aber nur noch als Moment der Waren im Kapitalismus thematisiert, wobei der Gebrauchswert nun untrennbar vom Tauschwert wird, ja wo er zu so etwas wie „zur Erscheinungsform seines Gegenteils, des Werts“ (MEW 23: 70) wird. Man kann den Gebrauchswert nun nicht mehr trennen von dem, dessen Erscheinungsform es ist, dem Wert.
Beide Betrachtungsweisen haben ihre Befürworter. Ich selbst bin durch beide durchgegangen. Zuerst, in meinem „ersten Leben“ in der DDR nahm ich die Lehre auf, dass die produzierten Dinge einerseits einen Gebrauchswert haben und andererseits als Ware auch Wert besitzen. Beides schien voneinander getrennt betrachtet werden zu können. Nach 1990 lernten wir neue Marx-Interpretationen kennen und eine davon schien besonders spannend: Die WertkritikerInnen um Robert Kurz betonen, dass letztlich der Gebrauchswert nicht trennbar ist vom Wertverhältnis, sondern dass er von vornherein bei der Produktion als Ware im Kapitalismus formbestimmt von dieser Gesellschaftsform ist. Diese Sichtweise wird in Beiträgen der Zeitschrift „Streifzüge“ mit dem Thema „Gebrauchswert“ gerade wieder bekräftigt.
Im Kapital-Lesekurs der „Zukunftswerkstatt Jena“ unterschieden wir (hier) für Begriffe wie „Ware“ und „Gebrauchswert“ zwei Bedeutungen: Einmal „Ware (1)“ und „Gebrauchswert (1)“ für Waren und Gebrauchswerte, wie sie in vielen Gesellschaftsformationen auftreten und zum anderen „Ware (2)“ und „Gebrauchswert (2)“ für ihre besondere Form im Kapitalismus. Durch die aktuelle Nummer der „Streifzüge“ wurde das Thema wieder aktuell. Besonders eindrücklich wurde die wertkritische Sichtweise dort von Stefan Meretz formuliert und in den Kommentaren des veröffentlichten Textes im Internet wurde an einen früheren Text von Stefan erinnert, an den sich eine ausführliche Debatte entwickelt hatte. Mit meinem Text zu Begriffshierarchien hatte ich versucht, die pure Gegensätzlichkeit der Sichtweisen zu überwinden und letztlich eine methodische Basierung der Unterscheidung von Begriffen (1) und Begriffen (2) zu liefern. Dieser Text soll das noch einmal aufgreifen und für den Begriff „Gebrauchswerte“ weiter führen.
Methodisches
Es gibt verschiedene Lesarten des „Kapitals“, die sich auf die Begriffsbildung, unter anderem auf die Interpretation des „Gebrauchswerts“, auswirken. Diese wiederum sind wichtig für die Handlungsziele, die man sich stellen kann. Die schon zitierten Bemerkungen von Marx zu Gebrauchswerten als „stofflichen Inhalt des Reichtums“, womit „menschliche Bedürfnisse irgendeiner Art befriedigt“ werden, scheinen für viele Gesellschaftsformen zu gelten, also auch die vor dem Kapitalismus existierenden und vielleicht auch die danach. Wenn man davon ausgeht, dass in diesen anderen Gesellschaftsformen Tauschwert bzw. Wert nicht mehr in dergleichen Weise wie im Kapitalismus die Ökonomie bestimmen, ist der Gebrauchswert (1) dann weitgehend unabhängig vom Tauschwert bzw. dem Wert. Es käme dann darauf an, den Gebrauchswert vor der Dominanz/Beherrschung durch den Tauschwert/Wert zu befreien.
Wenn es jedoch um Kernaussagen zum Kapitalismus selbst geht, dann wird der Gebrauchswert (2) nur noch als Erscheinungsform des Werts thematisiert, der selbst nur im Kapitalismus als sich verdinglichendes gesellschaftliches Verhältnis vorkommt. Dies führt in der wertkritischen Interpretation dazu, den Begriff „Gebrauchswert“ im Sinne von (1) abzulehnen und nur noch den „Gebrauchswert (2)“ zu verwenden. Es ginge dann nicht darum, die „Gebrauchswerte“ zu retten, sondern auch diese mit dem Gesamtkomplex der wertbestimmten Produktionsweise abzuschaffen. Auch die Begriffe „Nutzen“ (Schandl 2017: 288) und „Bedürfnis“ (Distelhorst 2017: 31) bleiben vor solcher Kritik nicht verschont.
Roman Rosdolsky unterscheidet den „Gebrauchswert als solchen“ (Rosdolsky 1959/2017: 11), was unserem Begriff (1) entspricht, von dessen „Modifizierung durch Formverhältnisse der bürgerlichen Ökonomie (ebd.), was ungefähr unserem Begriff (2) entspricht.
Auch Frigga Haug (1999) unterscheidet eine ursprüngliche Bedeutung (entsprechend (1), die allgemein-überhistorisch und gleichzeitig auch für konkret-historisch frühere Gesellschaftsformen gilt) und dessen Verkehrung im Kapitalismus (entsprechend (2)).
Marlene Radl und Verena Rauch unterscheiden unterschiedliche Abstraktionsebenen, wobei auf der ersten noch vom Kapital abstrahiert wird und in der einfachen Zirkulation Gebrauchswerte nicht als Waren thematisiert werden (dem Begriff (1)) und auf der zweiten Abstraktionsebene erscheint dann die ökonomischen Formbestimmung „unter gewissen Voraussetzungen“ (Begriff (2)) (Radl, Rauch 2017: 19).
Verständiges Schwanken
Diese beiden Sichtweisen und können auch total auseinander fallen. Die Sichtweise A) besteht dann in folgender Perspektive: Jedem Produkt bzw. jeder Ware kann ein Gebrauchswert zugeschrieben werden und manchen Produkten kommt zusätzlich noch ein Tauschwert/Wert zu, der dem Gebrauchswert aber äußerlich ist. Die Sichtweise B) leugnet die Möglichkeit der Trennung und bindet den Gebrauchswert direkt an die (ökonomische) Wertbestimmung für Waren im Kapitalismus. Einmal wird der Wert dem Gebrauchswert nur äußerlich zugeordnet gesehen (A), das andere Mal wird der Gebrauchswert nur als Moment des Werts gesehen (B). Wer sich ein wenig Mühe gibt, kann sich in beide Denkweisen hineindenken. Beide können auch überzeugend wirken. Wer sich nicht von vornherein entscheiden kann, kann dann zwischen beiden Betrachtungsweisen hin und her schwanken. Mich erinnert das an die sogenannten Kippbilder, wie z.B. bei dem berühmten Bild mit der jungen und alten Frau.
Für jene, die nur eins der Bilder sehen, hier das jeweils andere mit etwas verdrehtem und dadurch deutlich erkennbarem Gesicht (aus Missfeldt):
Haben wir eine Alternative wir diesem Schwanken oder dem Streit zwischen den Sichtweisen?
Das Hin und Her zwischen zwei möglichen Sichtweisen, die einander ausschließen, kennt der Philosoph Hegel als typische Verhaltensweise des verständigen Denken. Der Verstand ist notwendig, um überhaupt Unterscheidungen treffen zu können. Dabei werden bestimmte Merkmale festgehalten und von anderen Zusammenhängen wird abstrahiert. Das Hin- und Herschwanken entsteht dann, wenn trotzdem etwas Gemeinsames vorhanden ist, von dem abstrahiert wurde, wenn jeweils nur eine Sichtweise eingenommen wird.
Die Einheit in der Vernunft
Für das ganze Bild sind beide Teilbilder notwendig und das Begreifen ihres Zusammenhangs. Wer seine Flexibilität noch einmal testen will, kann das an dem neuen Bild eines Mannes (von Missfeldt) versuchen:
Zusätzlich zu den Teilbildern, bei denen jeweils vom anderen Teil abstrahiert wurde, wäre nun deren Einheit zu erfassen. Das ist bei Hegel die Aufgabe der Vernunft.
„Solche festgewordene Gegensätze aufzuheben, ist das einzige Interesse der Vernunft. […]. In der unendlichen Tätigkeit des Werdens und Produzierens hat die Vernunft das, was getrennt war, vereinigt und die absolute Entzweiung zu einer relativen heruntergesetzt, welche durch die ursprüngliche Identität bedingt [ist].“ (HW 2: 21-22)
Wie vollzieht sich das nun bei Begriffen (was bei Hegel thematisiert wurde), insbesondere beim Begriff „Gebrauchswert“ (was es so bei Hegel nicht gibt)?
Gebrauchswerte – dreimal in begreifend aufsteigender Stufenfolge
Hegel unterscheidet einen allgemeinen Begriff, einen besonderen und einen einzelnen. Der allgemeine Begriff entspricht der einen Sichtweise (A) und der besondere Begriff der anderen (B). Der einzelne Begriff verspricht dann die Erfassung von ihrer Einheit, führt also eine neue Sichtweise C ein, die bisher noch nicht möglich war.
A) Der allgemeine Begriff
Der allgemeine Begriff wird bei Hegel auch „Begriff als solcher“ (HW 6: 272) genannt. Damit wird „das Allgemeine gegen die Unterschiedlichkeit der Momente“ (HW 6: 274) festgehalten.
A) Der besondere Begriff
Wenn der allgemeine Begriff als „das Allgemeine gegen die Unterschiedlichkeit der Momente“ bestimmt wurde, so ist damit eine „Unterschiedlichkeit der Momente“ schon implizit vorhanden. Die unterschiedlichen Momente werden im besonderen Begriff jedoch nur als „fixierte, isolierte Unterschiede“ (HW 6: 279) erfasst. Jeder besondere Begriff ist ein „bestimmte[r] Begriff, welcher als sich gegen andere unterschieden gesetzt hat“ (HW 6: 274). Die besonderen, voneinander Unterschiedenen sind gleichgültig gegeneinander, ihre Einheit ist nur eine äußerliche Beziehung. Dabei ist aber mitgedacht, dass jedes der Besonderen ein Besonderes desselben Allgemeinen ist. Das Besondere stellt das Allgemeine (in dieser Besonderheit) dar (HW 6: 280):
„… die Gattung ist unverändert in ihren Arten; die Arten sind nicht von dem Allgemeinen, sondern nur gegeneinander verschieden“ (HW 6: 280).
B) Der einzelne, konkret-allgemeine Begriff
(Die Bedeutung des „Einzelnen“ darf hier nicht verwechselt werden mit der Bedeutung des „Singulären“ oder ähnlichem, sondern sie wird durch die Argumentation von Hegel inhaltlich bestimmt).
Die Besonderen sind nun aber insofern nicht wirklich gegeneinander gleichgültig, als sie Besondere desselben Allgemeinen sind. Jeder besondere Begriff ist selbst das Allgemeine, das durch seine Besonderen erfüllt ist. Die Besonderen haben eine Beziehung zueinander, weil jeder seine Beziehung auf das Allgemeine hat. Das Besondere und das Allgemeine wird auf diese Weise zum Einzelnen. Jedes Einzelne ist selbst das Allgemeine, das durch seine Besonderen bestimmt ist. Durch das Allgemeine hindurch ist das Einzelne auch mit den anderen Besonderen vermittelt. Die biologischen Arten wurden zuerst nur in ihrer jeweiligen Besonderheit nebeneinander gestellt und klassifiziert. In der Evolution der Gattungen finden sie ihre Einheit, ihre Allgemeinheit durch die auch ihre wechselseitigen Beziehungen erschließbar werden. Jede einzelne Art beinhaltet in sich das Ganze und die Beziehungen zu den anderen Arten. Auch das Ganze abstrahiert nun nicht mehr vom Besonderen, sondern es ist bestimmt durch sie und deren Beziehungen. Es ist nun ein konkret-Allgemeines.
Die vernünftige Einheit der Unterschiede in Einzelnen bzw. Konkret-Allgemeinen kann nicht mehr wirklich bildhaft vorgestellt und dargestellt werden. Unser Beispiel mit den Kippbildern ließe sich noch ein wenig weiterbilden, wenn wir sehen, dass in der Entwicklung aus der jungen Frau die alte wird und in jedem Entwicklungsmoment alle anderen ebenfalls enthalten sind:
Jede Darstellung oder jedes Denken, bei dem ein Moment festgehalten wird, erzeugt wieder einen Rückfall ins nur verständige Denken.
Und nun dasselbe noch mal für den Begriff „Gebrauchswerte“:
A) Gebrauchswert als solcher
Der allgemeine Begriff des Gebrauchswerts, d.h. der Begriff des „Gebrauchswerts als solcher“ soll das „Allgemeine gegen die Unterschiedlichkeit der Momente“ festhalten. Wenn es an den genannten Bestimmungen von Gebrauchswerten etwas gibt, das etwas Allgemeines gegen alle Unterschiedlichkeit ist, dann ist es ihre Bestimmung als „stofflicher Inhalt des Reichtums“, der ein „Bedürfnis befriedigt“.
„Der Gebrauchswert in dieser Gleichgültigkeit gegen die ökonomische Formbestimmung, d.h. der Gebrauchswert als Gebrauchswert, liegt jenseits des Betrachtungskreises der politischen Ökonomie.“ (MEW 13: 16, vgl. auch MEW 42: 767)
An einer anderen Stelle setzt Marx das Wort „Gebrauchswert“ in dieser überhistorischen Sichtweise in Anführungszeichen.
„… in diesem seinen tatsächlichen Verfahren verhält er [der Mensch, AS] sich also faktisch stets zu gewissen äußeren Dingen als „Gebrauchswerten“, d.h. er behandelt sie stets als Gegenstände für seinen Gebrauch…“ (MEW 19: 375)
Man kann die in diesem Sinne nützlichen Dinge unterteilen in folgende (Bildquelle):
Für die Gebrauchswerte in dieser Betrachtungsweise gilt:
„Obgleich Gegenstand gesellschaftlicher Bedürfnisse, drückt der Gebrauchswert jedoch kein gesellschaftliches Produktionsverhältnis aus.“ (MEW 13: 16)
Der Begriff „Gebrauchswert“ ist somit ein „Relationsbegriff, der in dieser Allgemeinheit historisch unspezifisch Dingen als „Gegenstand der Befriedigung irgendeines Systems menschlicher Bedürfnisse (Gr, MEW 42, 767) zukommt.“ (Haug 1999: 1159)
A) Besonderer Gebrauchswert im Kapitalismus
Die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse erfolgt jedoch immer in einer historisch konkreten Form. Eine dieser Formen ist durch kapitalistische Verhältnisse bestimmt. Es ist weitgehend unstrittig, dass diese kapitalistischen Verhältnisse dadurch von anderen unterschieden sind, dass die gesellschaftlichen Basisstrukturen, in denen menschliches Handeln ihr Möglichkeitsfeld findet, durch bestimmte ökonomische Verhältnisse bestimmt sind. Die „Kapital“-Interpretationen unterscheiden sich dadurch, dass einerseits angenommen wird, die basalen Strukturen stünden am Anfang des „Kapitals“ und würden quasi die weiteren Ausführungen weitgehend bestimmen, so dass das Spätere nur noch als Abgeleitetes zu verstehen sei (vgl. (Kurz, Lohoff 1989). Eine andere Interpretation betrachtet die Marxsche Argumentationsweise wie auch die Darstellung der Dialektik bei Hegel als fortlaufende Selbstkritik früher dargestellter Positionen, wobei die „Wahrheit“ erst am Schluss entschlüsselt wird (vgl. Schlemm 2016). In beiden dieser Interpretationen sind kapitalistische Strukturen der Gesellschaft weitgehend davon bestimmt, dass die Warenproduktion nicht direkt der Befriedigung der Bedürfnisse dient, sondern durch die „Verwertung des Werts“ der Profiterwirtschaftung (hier betont wiederum eine Interpretationslinie die Wertverwertung, die andere die Profiterwirtschaftung aus der Aneignung des Mehrwerts).
Der Gebrauchswert der kapitalistisch erzeugten Waren ist also sekundär gegenüber dem Wert. Wie im „Kapital“ ausgeführt wird, wird der „Gebrauchswert […] zur Erscheinungsform seines Gegenteils, des Werts“ (MEW 23: 70). Dies gilt, sobald Waren einander entgegengestellt werden, um im Wert einer Ware (in Äquivalentform) den Wert der anderen (in relativer Wertform) zu ermitteln. Dies ist ein logischer Schritt, nicht eine historische Tatsache. Diesem logischen Schritt entspricht ein bestimmter historische Zustand, andere jedoch nicht unbedingt. Im Kapitalismus erfordert das Begreifen der Verhältnisse der kapitalistischen Warenproduktion diesen und weitere Schritte der Erkenntnis. Dann bekommt auch der „Gebrauchswert“ eine besondere Bedeutung. Gebrauchswerte sind zwar notwendig, weil sonst Waren verkauft werden – aber die Produktion erfolgt nicht zum Zwecke der Erzeugung von Gebrauchswerten, sondern zum Zwecke der der Akkumulation von Kapital, also der erweiterten Reproduktion von Wert.
Der Gebrauchswert im Kapitalismus ist also nicht mehr getrennt denkbar vom Wert/Tauschwert. Radl und Rauch schreiben dazu: „Unter gewissen Voraussetzungen wird der Gebrauchswert also selbst zur ökonomischen Form“ (Radl, Rauch 2017: 19) und Schandl: „Der Gebrauchswert, von dem wir hier reden, ist immer formbestimmt gewesen, er ist gesetzt und nicht vorausgesetzt“ (Schandl 2017: 22). Interessant sind die Redewendungen, die auf die Besonderheit des hier diskutierten Gebrauchswerts hindeuten: „unter gewissen Voraussetzungen“ und „von dem wir hier reden“. Die Voraussetzung, unter der diese Rede vom wertbestimmten Gebrauchswert gilt, ist der Kapitalismus: „Marx geht also von einem bereits fertigen Resultat aus, nämlich von der Ware als Elementarform der kapitalistischen Produktionsweise, von einer Ware, die sich als allgemeine Form von Dingen und vor allem der Arbeitskraft als Ware bereits historisch durchgesetzt hat“ (Reitter).
Da nun der Begriff „Gebrauchswert“ in einem Buch zur Analyse des Kapitalismus natürlicherweise vorwiegend diesen besonderen Begriff des Gebrauchswerts (im Kapitalismus) thematisiert und auf den allgemeinen Begriff (in seiner überhistorischen Bedeutung mit der Orientierung auf Bedürfnisbefriedigung) nur beiläufig zu sprechen kommt, erhält dieser besondere Begriff eine starke Dominanz in der kapitalismuskritischen Theorie. Diese Dominanz führt nun in kritischer Absicht bis hin zur Ablehnung des Begriffs „Gebrauchswert“ (wie auch andere Begriffe wie „Arbeit“) im überhistorischen allgemeinen Sinne. So schreibt Stefan Meretz „Ich möchte ein […] Argument entwickeln, warum Gebrauchswert keine überhistorische Kategorie sein kann und Marx hierin also irrte.“ (Meretz 2017: 17). Obwohl er hier also behauptet, dass Marx irrte, insofern er den Gebrauchswert auch als überhistorische Kategorie verwend (siehe die Zitate unter A)), kann er dem großen Schwanken des verständigen Denkens nicht entgehen. Im selben Beitrag behauptet er, dass Marx den „Gebrauchswert immer als Moment der Ware“ (ebd.) verstünde. Irrt Marx nun mit dem überhistorischen Begriff oder versteht er ihn eh immer anders? Auch nach Franz Schandl ist es Marx, der schwankt: „Der Marx´sche Gebrauchswert wird somit zu einem Grenzgänger, der einmal innerhalb und einmal außerhalb der politischen Ökonomie angesiedelt wird.“ (Schandl 2017: 24)
Von Rosdolsky, der in der aktuellen Nummer der „Streifzüge“ mit abgedruckt ist, übernehmen viele (Kurz 1995, Schandl 2017: 21) für diese Doppeldeutigkeit des Begriffs „Gebrauchswert“ die Unterscheidung in einen „exoterischen“ und einen „esoterischen Marx“ (aber letztlich in einem anderen Sinne als Rosdolsky es meinte, oder auch Marx (vgl. dazu Heinrich 1997)). Dabei ließe sich diese Grenzgängerei bzw. Doppeldeutigkeit leicht erklären, mit einer Weiterführung der Argumentation.
Die Begrenzung des Begriffs „Gebrauchswert“ auf den Kapitalismus ist eine Beschränkung auf die Besonderheit dieser Gesellschaftsform, die alle Beziehungen zu anderen besonderen Gesellschaftsformen und zum Allgemeinen abschneidet, also eine verständige Sichtweise.
A) Der Gebrauchswert in seiner Entwicklung
Auch ein Gebrauchswert im Kapitalismus als Erscheinungsform des Werts ist ein Gebrauchswert im allgemeinen Sinn, d.h. „stofflicher Inhalts des Reichtums“, der ein „Bedürfnis befriedigt“. Diese einzelne Form kann als besonders erkannt werden, indem ihr Unterschied gegenüber dem Allgemeinen und den anderen besonderen bekannt ist. Als Gebrauchswert im Allgemeinen hat dieser einzelne Gebrauchswert Gemeinsamkeiten mit anderen besonderen Gebrauchswertformen.
„Ist „der Wert“ der Ware so nur eine bestimmte historische Form von etwas, was in allen Gesellschaftsformen existiert [nämlich des gesellschaftlichen Charakters der Arbeit, AS], so aber auch der „gesellschaftliche Gebrauchswert“, wie er [ Rodbertus A.S.] den Gebrauchswert der Ware charakterisiert.“ (MEW 19: 375f.)
Der einzelne Gebrauchswert (im Kapitalismus) teilt mit den anderen besonderen Gebrauchswertformen das Allgemeine (Überhistorische) und unterscheidet sich in spezifischer Weise von ihnen. Diese Zusammenhänge würden negiert, wenn das Denken bei der Trennung von Allgemeinem und Besonderem (bzw. der Leugnung des Allgemeinen). Auch die historischen Zusammenhänge zwischen den zeitlich nacheinander folgenden Gebrauchswertformen würden unsichtbar.
In der gesellschaftstheoretischen Erkenntnis wurden nicht zuerst alle Gebrauchswertformen klassifiziert, sondern das Erleben der eigenen Zeit führt zur Tendenz, die selbst erlebte Form der Produktion und Nutzung der gerade vorliegenden Gebrauchswertform übermäßig zu verallgemeinern. Wenn die Besonderheit endlich erkannt wird, kann als Gegenreaktion nun die Besonderheit verabsolutiert werden. Worin kann sich dann Kritik begründen? Die Destruktion hat selbst auch einen Standpunkt, aber welcher das ist, wird unsagbar, wenn alle Worte wie „Gebrauchswert“ oder „Nutzen“ oder „Bedürfnis“ als kapitalismuskontaminiert verworfen werden. Dass der Gebrauchswert außerhalb dieser besonderen Form im Kapitalismus ANDERS sein könnte, kann dann nur noch als abstrakte Negation ausgedrückt werden. Eine bestimmte Negation braucht jedoch ein umfassenderes Begriffssystem, in dem die Beziehungen zum Allgemeinen und anderen Besonderen nicht mehr abgeschnitten ist.
Wenn die Beziehung des Gebrauchswerts der kapitalistischen Gegenwart zu seinem Allgemeinen, d.h. des Reichtums, der Bedürfnisse befriedigt, und die Beziehung zu Gütern in anderen Gesellschaftsformen, die Bedürfnisse befriedigen, nicht verloren geht, mögen die Worte, mit denen diese Güter und ihr Bedürfnisbefriedigungsaspekt jeweils bezeichnet werden, auch gleichgültig sein. Aber die Verabsolutierung der Besonderung durch das Verbot der Verwendung der Worte der besonderen kapitalistischen Form für allgemeine oder andere besondere Formen allein stellt noch längst kein Begreifen der umfassenden Zusammenhänge dar, sondern führt eher zu Denkverboten.
Literatur
Distelhorst, Lars (2017): Nützlichkeit verdummt! In: Streifzüge Nr. 70, Sommer 2017. S. 30-31.
Haug, Frigga (1999): Gebrauchswert. In: Historisch-Kritisches Wörterbuch des Marxismus. Band 4. Hamburg: Argumentverlag. Spalte 1259-1289.
Hegel, Georg Friedrich Wilhelm (HW): Werke. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1975.
Heinrich, Michael (1997): esoterisch/exoterisch. In: Historisch-Kritisches Wörterbuch des Marxismus. Band 3. Hamburg: Argumentverlag. Spalte 839-846.
Kurz, Robert (1995): Der doppelte Marx. Marx als immanenter Modernisierungstheoretiker und als Kritiker der Basisstruktur moderner warenproduzierender Systeme. In: Heinz Eidam, Wolfdietrisch Schmied-Kowarzik (Hrsg.): Kritische Philosophie gesellschaftlicher Prais. Auseinandersetzungen mit der Marxschen Theorie nach dem Zusammenbruch des Realsozialismus. Würzburg: Königshausen & Neumann 1995. S. 151-166.
Kurz, Robert; Lohoff, Ernst (1989): Der Klassenkampf-Fetisch. Thesen zur Entmythologisierung des Marxismus. In: krisis. Kritik der Warengesellschaft. Online: http://www.krisis.org/1989/der-klassenkampf-fetisch/ (abgerufen 2017-08-06)
Marx, Karl (MEW): Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Bände 1-42. Berlin: Dietz-Verlag
Radl, Marlene; Rauch, Verena (2017): Weiblich, nützlich, gut? Marxistisch-feministische Überlegungen zum Gebrauchswert. In: Streifzüge Nr. 70, Sommer 2017. S. 8-16.
Reitter, Karl (o.J.): Logisch oder historisch? Einführende Bemerkungen zu einer Kontroverse zwischen Michael Heinrich, Hans Georg Backhaus und Wolfgang Fritz Haug. http://www.trend.infopartisan.net/trd0104/t200104.html (abgerufen 2017-08-04)
Rosdolsky, Roman (1959/2017): Der Gebrauchswert bei Karl Marx. Eine Kritik der bisherigen Marx-Interpretationen. In: Streifzüge Nr. 70, Sommer 2017. S. 8-16.
Schandl, Franz (2ß17): Das unschuldige Ding. In: Streifzüge Nr. 70, Sommer 2017. S. 21-28.
Schlemm, Annette (2016): Kampf und Logik. Klassenkampf reloaded. Online: http://www.thur.de/philo/pdf/2016_Kampf%20und%20Logik.pdf (abgerufen 2017-08-05)
Abbildungen
Kippbilder: aus Missfeldt, Martin (o.J.): Alte Frau oder junge Frau? Online: https://www.youtube.com/watch?v=L5QHyL823Xw (abgerufen 2017-08-04)
August 20, 2017 at 1:41 pm
Da bin ich doch wieder ganz bei dir, nur ist mein Schluss ein anderer. Du schreibst
Richtig, nichts anderes ist mein Argument, nur taugt „Gebrauchswert“ dafür nicht, weil es ein und dasselbe Wort für unterschiedliche Begriffe ist. Die Worte müssen schon auch den Begriffen im hierarchischen Begriffssystem entsprechen. Auch wenn es „nur um Worte“ zu gehen scheint: Ohne die angemessene sprachliche Abbildung wird doch nie und nimmer klar, was du hier ausführlich darlegst. Und mein Argument gegen GW leitet sich unter anderem von der unzulässigen Trennung von GW und W (aus der Interpretation 1) ab, die falschen Vorstellungen von der „Befreiung des unschuldigen GW“ führt. Daher spreche ich von Nützlichkeit im allgemeinen und Gebrauchswert im spezifisch kapitalistischen Sinne.
BTW: Muss es nicht „stofflicher INHALT des Reichtums“ statt „stofflicher Reichtum des Reichtums“ heißen? Das kommt zwei Mal vor. Und die Überschriften-Hierarchisierung scheint auch nicht zu funktionieren.
August 20, 2017 at 7:21 pm
Danke für die Meldung des Verschreibers, habs grad korrigiert…
„…nur taugt „Gebrauchswert“ dafür nicht, weil es ein und dasselbe Wort für unterschiedliche Begriffe ist.“
Du schreibst in einer Mail, dass Du Dich an eine „Isomorphie von Begriff und Gegenstand“ hältst. Das geht ja, wenn Du nebeneinander Gegenstände hast, denen Du dann auch andere Benennungen geben kannst. Was aber, wenn Du etwas Allgemeines und dessen Besonderung hast? Mein Bürostuhl ist ebenso ein Stuhl wie der Küchenstuhl und deren gemeinsame allgemeine Bezeichnung ist Stuhl. Ich darf auch zum Küchenstuhl einfach nur „Stuhl“ sagen, wenn ich sowieso grad weit weg vom Büro in der Küche stehe und keine Verwechslung möglich ist. Wenn ich darauf aufmerksam machen will, dass ich grad eine Sitzgelegenheit im allgemeinsten Sinne brauche, reicht „Stuhl“ erst recht.
Und wenn ich sagen will, dass der Bürostuhl ganz besondere Eigenschaften hat, dann mache ich diese Besonderheiten an ihm als „Stuhl“ geltend, ich erfinde nicht ein neues Wort, wie „Bruhl“ dafür. Oder verbiete den allgemeinen Stühlen, auch Stühle genannt zu werden, weil ja nur mein besonderer Bürostuhl ein wirklicher Stuhl ist…
Ich kann mir vorstellen, dass man, wenn man eine neue Sprache erfinden würde, eine eindeutige Regelungen für alle Allgemeines-Besonderes-Verhältnisse einführen könnte. Aber es wird nun mal unterschiedlich gehandhabt. Auch noch bei Hegel, der ja sehr exakt mit der Sprache ist. Manchmal nutzt er die Differenziertheit der deutschen Sprache bis in die Unübersetzbarkeit hinein aus, manchmal aber hat er auch guten Grund, z.B. beim Thema „subjektiver Begriff“ als dessen Moment den „Begriff als solcher“ wieder zu verwenden oder bei der „Idee“ deren Moment „absolute Idee“.
Bei Worten, wie der „Arbeit“ und durchaus auch dem „Gebrauchswert“ sehe ich nicht ein, den allgemeinen Sprachgebrauch zu verbieten und das Allgemeine (überhistorisch-allgemeinmenschliche) nicht mehr so bezeichnen zu sollen, auch wenn wir durchaus wissen, dass die besondere Arbeit im Kapitalismus und auch der besondere Gebrauchswert im Kapititalismus in der Bedeutung dem Allgemeinen sogar entgegen gesetzt („verkehrt“) sein können. Das muss dann halt ausgesprochen werden. Die besondere Qualität dessen wird ja durch die Veränderung der Bedeutung des Besonderen gegenüber dem Allgemeinen besonders gut fassbar. So etwas wie „Verkehrung“ könntest Du nicht fassen, wenn Du einander fremde Bezeichnungen nebeneinander einführst, statt das Verhältnis Allgemeine-Besonderes(Verkehrtes) zu betonen.
Dass Bedeutungen von Worten sich verschieben, wirst Du nicht verhindern können, dazu sind die zu behandelnden Sachverhalte zu komplex. zumindest für die Philosophie hab ich in meiner Urlaubslektüre grad gelesen, „daß dieses Vertrauen auf die Definition als etwas, was man schwarz auf weiß besitzt und getrost nach Hause tragen kann, für die Philosophie eben nicht gilt.“ (Adorno: Philosophische Termini 1: 21) 😉
Ob aus der Bezeichnung „GW“ für die von Dir vorgeschlagene „Nützlichkeit“ (auch dem „Nutzen“ wird von Franz S. in der „Streifzüge“-Nummer eine eindeutig kapitalistische Bedeutung unterstellt) zu einer „falschen Vorstellung von der „Befreiung des unschuldigen Gebrauchswertes“ führt“/führen kann, ist doch eine sekundäre Frage. Wer das Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem verstanden hat, wird nie fordern, dass ein historisch neues Besonderes identisch mit dem Allgemeinen zu sein habe, dass dieses „zu befreien“ sei. Nur weil einmal etwas falsch verstanden wurde, muss man nicht den gesamten Sprachgebrauch umwursteln, bis ein neues Falsch-Verstehen dann wieder zum Wechsel zwingt usw. usf.
August 21, 2017 at 10:13 am
Ein Irrtum. Es handelt sich keineswegs um zwei verschiedene Betrachtungsweisen. Es gibt keine zwei Betrachtungen der Schwerkraft, wenn wenn es einmal um Fallobst geht und ein anderes Mal um Flugzeugtechnik.
August 21, 2017 at 10:30 am
„Der Gebrauchswert drückt die Naturbeziehung zwischen Dingen und Menschen aus, tatsächlich das Dasein der Dinge für den Menschen. Der Tauschwert ist eine später mit der gesellschaftlichen Entwicklung, die ihn schuf auf das Wort Wert = Gebrauchswert gepfropfte Bedeutung. Der Tauschwert ist das gesellschaftliche Dasein der Dinge.“
K. Marx, Theorien über den Mehrwert III, MEW 26.3, 291.
„Dass die Ware Gebrauchswert hat, heißt nur, dass sie irgendein gesellschaftliches Bedürfnis befriedigt.“
K. Marx, Kapital III, MEW 25, 194.
„Der Gebrauchswert von Dingen verwirklicht sich nur in ihrer Konsumtion … “
K. Marx, Kapital II, MEW 24, 151.
„Ob ein Produkt als Ware oder nicht als Ware produziert wird, es ist stets stoffliche Gestalt von Reichtum, Gebrauchswert, bestimmt, in die individuelle oder produktive Konsumtion einzugehen.“
K. Marx, Kapital II, MEW 24, 137.
August 21, 2017 at 4:14 pm
Ja, was sollen diese Zitate? Sie gehören alle zum bekannten „exoterischen“ Marx. Aber die ganze Debatte geht ja davon aus, dass viele meinen, eine neue „esoterische“ Lesart sei konsequenter/angemessener…
August 21, 2017 at 10:45 pm
Esorersche Lesarten des Kapitals sind konsequenter? So,so. Jedenfalls stimmt es offensichtlich nicht, dass Marx nach dem Band I zu einer „anderen Bettrachtungsweise von Gebrauchswert“ übergegangen war.
August 21, 2017 at 10:46 am
Ich weiß nicht, was die DDR Lehrbücher da wie voneinander trennten. Jedenfalls beschreibt Marx Warenproduktion als Herstellung von Gebrauchswerten, die zum Verkauf (Eintausch gegen die Überware Geld) bestimmt sind und denen deshalb zugleich ein (gesellschaftlicher Tausch-) Wert.zukommt. Es gab aber auch in der DDR Gebrauchswerte ohne (gesellschaftlichen Tausch-) Wert, wie etwa die mehr oder minder gute Luft zum Atmen.
Das muss ein Missverständnis sein. Nur, wenn die Gebrauchswerte (bzw. Gebrauchswertträger) zu Verkauf bestimmt sind, sind sie vom (gesellschaftlichen Tausch-) Wert nicht zu trennen. Etwas anderes dürften auch die Wertgegner der „Marxistischen Kritik“ / „Krisis“ nicht behauptet haben.
August 21, 2017 at 4:11 pm
Die Luft ist ein Beispiel für die getrennte Verwendung von „Gebrauchswert“ und „Wert“.
Zu den WertkritikerInnen: Sogar Produkte von Selbstversorgern, die also nicht zum Verkauf bestimmt sind, sind nicht außerhalb der kapitalistischen Welt, sie schaffen nach F. Schandl „inversen Wert“, durch den Entzug des entsprechenden Werts vom Markt, d.h. „Der direkt verbrauchte Gebrauchswert (und da macht der Begriff durchaus Sinn) führt dazu, dass eben kein Tauschwert eingesetzt werden muss, um an den entsprechenden Gebrauchswert zu kommen.“ (Schandl, in Streifzüge 70, S. 22) Für die innerkapitalistische Betrachtungsweise finde ich das auch recht sinnvoll…
August 21, 2017 at 11:00 pm
Den Satz verstehe ich offengestaden nicht. Luft ist ein Gebrauchswert, der in der Regel keinen Tauschwert hat. Und was wird da nun „getrennt verwendet“?
August 21, 2017 at 11:11 am
Stofflicher Inhalt von Reichtum womit menschliche Bedürfnisse irgend einer Art befriedigt werden, scheint es nicht nur vor und nach dem Kapitalismus zu geben. Es ist vollkommen unmöglich ohne dem zu existieren. (Welt-) Kommunistisch bestimmte Interaktionsbedingungen sind nicht notwendig, damit Gebrauchswerte abgeschafft werden können, sondern damit die sozialen bzw. ökologischen Implikationen ihrer Her- und Bereitstellung und die unterschiedlichen Bedürfnisse auf eine zugleich individuell als auch gesamtgesellschaftlich bzw. ökologisch vernünftige Weise miteinander ins Benehmen gebracht werden können.
August 21, 2017 at 11:14 am
Nach dem „sondern“ muss es „damit“ statt „um“ heißen. Wäre nett, wenn du das korrigieren könntest, Anette.
August 21, 2017 at 6:12 pm
Hab ich gemacht, dafür lösche ich einige unserer Mißverständnisse darüber, wo das zu korrigieren war 😉
August 21, 2017 at 2:17 pm
Wieso sollte es keine historische Tatsache sein, dass sich der (gesellschaftliche Tausch-) Wert im Gebrauchswerten der Waren zeigt, deren Einkauf er möglich macht? Es ist unzweifelhaft eine.
August 21, 2017 at 3:58 pm
In der Darstellung des „Kapital“ ist es ein logischer Schritt (wenn man die logisch-systematische Lesart vertritt wie ich).
August 21, 2017 at 4:46 pm
Dass du „die logische Lesart vertrittst“ ist ja interessant, aber das zu erwähnen ist keine Antwort auf meine Frage.
August 21, 2017 at 6:14 pm
Dies ist „im Kapital“ ein logischer Schritt und wird dort nicht als historische Tatsache dargestellt.
August 21, 2017 at 3:38 pm
Das nenne ich einen anti-kapitalistischen Fehlschluss. Gebrauchswerte bleiben auch dann Gebrauchswerte in der allgemeinen (überhistorischen) Bestimmung, wenn die Gebrauchswerteigenschaft von Waren gemeint sind. Irgendwelche positiven oder negativen Gefühle bei Klang der Wörter „Gebrauchswerte“, „Tauschwerte“ oder „Kapitalismus“ haben da meines Erachtens nichts zu suchen.
Es ist im übrigen ein alter Fehler, in dem Zusammenhang einen alleinigen Produktionszweck der (Tausch-) Wertakkumulation zu behaupten, weil das nur daran hindert, sowohl die Attraktivität des Kapitalismus nachzuvollziehen und die zivilisatorischen Fortschritte, die er ermöglicht, sondern auch deren Kehrseiten bzw. historische Grenzen. Attraktivität und historische Grenzen gründen nicht nur auf die durch die – durch die Konkurrenz gegebene – ständige Nötigung zur Beschleunigung der Produktion sondern auch auf den ständigen – ebenso durch die Konkurrenz gegebenen – Zwang zur qualitativen Verbesserung, der ständigen Ausdehnung der Möglichkeiten zur Bedürfnisbefriedigung (also Gebrauchswerte her- und bereit zu stellen).
Können einzelne Unternehmen ihren als Ware angebotenen, das heißt zum Verkauf st6ehenden Gebrauchswerten (für dritte) einen „Alleinstellungsmerkmal“ verpassen (oder andichten), sind sie eine recht lange Zeit in der Lage, Extraprofite einzuheimsen.
Das – kommunistisch aufzuhebende – Problem ist in der Tat die kapitalistische „Entfremdung“ zwischen Bedürfnissen und gesellschaftlichen bzw. ökologischen Kosten. Aber Keime der Aufhebung dieser Entfremdung sind beileibe nicht allein in vermeintlich „außerkapitalistischen“ Commons-Nischen.
August 21, 2017 at 4:00 pm
Es geht bei der Ablehnung des Wortes „Gebrauchswert“ für die Nützlichkeit von Produkten in überhistorischem Sinn sicher nicht nur um Gefühle. Sondern mal will halt diesem Aspekt von Waren im Kapitalismus aufgrund ihrer Besonderheit/Einzigartigkeit eine Bezeichnung geben, die es nicht sonst auch schon gibt, man will sie qualititativ herausheben.
August 21, 2017 at 4:48 pm
Kann darin keinen Sinn entdecken.
August 21, 2017 at 6:29 pm
Nun ja, Du liest ja auch die „Streifzüge“. Da ist es sicher besser erklärt, als ich es kurz geschrieben habe. Dass Du dem nicht zustimmst, glaube ich auch verstanden zu haben. Den Sinn dieser Maßnahme (das Wort „Gebrauchswert“ nur noch für den Gegenpart zum Wert im Kapitalismus und auch „Ware“ und „Arbeit“ und „Wirtschaft“ nur für Kapitalismus verwenden zu wollen und für das Überhistorische nicht) sehe ich schon, aber ich denke nicht, dass es sich dafür lohnt, den gesamten Sprachgebrauch umzumodeln (dann dürfte man ja auch das, was Menschen seit Beginn kennzeichnet, eben die „Arbeit“, nicht mehr „Arbeit“ nennen). Bei der „Ware“ ginge es auch sehr gegen den eingeführten Sprachgebrauch, die Handelsgüter im alten Rom nicht mehr „Waren“ nennen zu dürfen. Aber für die WertkritikerInnen ist es, wie ich immer wieder merke, wohl sehr wichtig, diese Bezeichnungen nur für den Kapitalismus zuzulassen.
Beim „Gebrauchswert“ verstehe ich den Sinn dieses Anliegens auch: Wenn man Gebrauchswerte von Waren zu stark von den Werten uanbhängig macht, so könnte man denken, die Gebrauchswerte seien nicht betroffen vom kapitalistischen Charakter ihrer Produktionsweise. Man bräuchte dann quasi nur noch die „Gebrauchswerte befreien“. Dann könnte vergessen werden, dass auch die Gebrauchswerte im Kapitalismus etwas anderes sind als die Gebrauchswerte in anderen Gesellschaften…. das steht ja ansonsten alles in den „Streifzügen“.
Ich verstehe also, warum versucht wird, grad auch beim „Gebrauchswert“ den Begriff für den Kapitalismus besonders hervorzuheben, aber ich sehe nicht ein, warum das dadurch geschehen muss, die anderen „Nützlichkeiten“ nicht auch „Gebrauchswerte“ genannt werden dürfen – eine genauere Erklärung der Besonderheit im Kapitalismus muss ja sowieso erfolgen. Der dialektische „Dreh“, dass im Kapitalismus die Rolle der Gebrauchswerte in der Produktion sich total verändert, ist dann nicht mehr darstellbar, weil die Kontinuität (dass in allen Gesellschaftsformen Dinge zur Bedürfnisbefriedigung/Gebrauchswerte erzeugt werden) sprachlich aufgegeben wurde und der Zusammenhang damit abgeschnitten ist.
August 21, 2017 at 8:16 pm
Schade, dass Marx und Freund Engels die ollen Lästermäuler das nicht mehr lesen und kommentieren können. Wäre vermutlich sehr unterhaltsam, was ihnen zu diesem „Marxismus“ einfiele.
Man sollte dann konsequenterweise auch „Luft“ das Gebrauchswertsein absprechen solange ihre Zusammensetzung kapitalistisch verändert wird. Produktiionsmittel, Produktivität usw. ließe sich dann auch nicht mehr überhistorisch bestimmen und zugleiich deren Besonderheiten innerhalb kapitalistischer Produktionsbedingungen beschreiben. Es ist doch wirklich simpel. Das Besondere an Waren ist nicht, dass sie Gebrauchswerte sind also Mttel der Bedürfnisbefriedigung, sondern dass dieses Mittel gekauft, d.h. gegen die Überware Geld ausgetauscht werden muss, also Privateigentum, Konkurrenz usw. voraussetzt. Und das Besondere an Gebrauchswerten innerhalb der kapitalistschen Form der Warenproduktion ist das Auseinanderfallen verschedener Klassen von Gebrauchswerten, nämlich solchen, die lediglich als Mittel der Existenzsicherung und der persönlihen Bespaßung fungieren und solchen, die als Mittel der Existenzsicherung, Bespaßung UND Bereicherung funktionieren.
Für Lohn- und Gehaltsabhängige hat Geld einen anderen Gebrauchswert (oder deckt ein anderes Spektrum an Gebrauchswerten) als für kaaspitalistische Unternehmen. Für letztere ist deren gebrauchswert vor allem, Bereicherungsnmittel zu sein und vor allem ALS SOLCHES Mittel der Existenzsicherung. Weil Gebrauchswerte verschieden sind, sind sie aber immer noch (im überhistorischen Sinne) Gebrauchswerte.
August 21, 2017 at 6:10 pm
Besondere Begriffe thematisierende allgemeine Begriffe? Das ist mit Verlaub Unsinn. Weil es im Kapitalismus in der Welt „der Kapitalismuskritik“ keine Bedürfnisbefriedigug gibt, dürfen es in einer Theorie des Kapitalismus natrlich auch keine Gebrauchswerte, geben, die als Mittel der Bedürfnisbeftiedigung verstanden werden. So wird der eigene blinde Fleck zum Theorem. Lustig.
August 21, 2017 at 6:37 pm
Da gibt es kein Schwanken. Marx sieht Waren als Gebrauchswerte, d.h. Mittel mit denen menschliche Bedürfnisse befriedigt werden (so die überhistorische Bestimmung), die zum Verkauf stehen und mit deren Verkauf sich der in der Produktiion zugesetzte Mehrwert realisiert. Historiisch besonders ist nicht der Begriff des Gebrauchswertes sondern dessen Wirklichkeit, d.h. die Warengestalt von Mitteln der Bedürfnisbefredigung, Dass man die Mittel zur Bedürfnisbefriedigung (einschließlich zur Betredigung des Bedürfnisses, nach Mehrung des eigenen Bereicherungsvermögens) kaufen muss und dass dies auf Seiten der Verkäuer zugleich Moment der privateigentümlichen Akkumulation von als Bereicherungsmittel fnktionierender Kaufkraft ist. .
August 22, 2017 at 4:13 pm
Hans-Hermann, in der Sache sind wir uns ja in vielem einig. Aber mal eine Frage: Kannst Du grundsätzlich auch nachvollziehen, warum es viele so sehen, dass die Begriffe wie „Arbeit“, „Ware“, „Gebrauchswert“ usw. nur für den Kapitalismus gelten sollen? Ich versuche immer, dies auch zu verstehen und den eventuellen Nutzen davon dann abzuwägen mit der Denkweise, wie ich sie dann entwickle. Also neben der einen Frau, die mir zuerst ins Auge gesprungen war, auch die andere zu sehen und zu verstehen und dadurch auch meine eigene Ansicht weiter zu entwickeln. Bei mir ist das „weiter“ die Erkenntnis, dass die besonderen Gebrauchswerte im Kapitalismus tatsächlich nicht so „unschuldig“ sind, wie ich früher dachte, dass auch auf der Seite z.B. der sachlichen Gestaltung der Produkte viel Kapitalismus drin steckt (Warenästhetik, geplante Obsoleszens…) …
August 22, 2017 at 7:51 pm
Kapitalismus ist Waren produzierende Klassengesellschaft, funktioniert auf Basis von Lohnarbeit, privateigentümliche Aneignung in Konkurrenz Ich halte es für angebracht, an Marx anknüpfend Sozialismus als ein Prozesss zu sehen bzw. zu organsieren, der das privateigentümlich bestimme und nationalstaatllich regulierte Produzieren und Aneigen von Gebrauchswertträgern die zum Verkauf stehen (also von Waren) durch ein (welt-) gemeinschaftlich bestimmtes und ökologisch kompetentes Produzieren, Aneignen, Pflegen, Entwickeln und Regulieren zu ersetzen. Die Gebrauchsgegenstände und Dienste sind dann immer noch Gebrauchsgegenstände und Dienste die begeht sind, aber nichts mehr, dass man kaufen muss bzw kaufen kann Eine Jahrhundertprojekt, das am Ende logischerweise keine Warenproduktion mehr ist. Dieses Ende ist dem Prozess, der dort hinführt, aber natürlich nicht vorausgesetzt. (Dieser anarchistische Unsinn schafft ja auch dieses alberne Begehren nach unschuldigen Begirffen oder bestimmten Begriffen deren Schuldbeladenheit vorzuhalten)
Arbeit in seinem profanen Sinne als Anstrengung zur .Her- und Bereitstellung eines Mittels zur Befriiedigung irgend eines menschlichen Bedürfnisses, wird es immer noch geben auch wenn es igendwann als politisch inkorrekt gelten mag, es noch Arbeit zu nennen. Nur wird es am Ende nicht mehr notwendig sein, das eigene Arbeitsvermögen zu vermierten.auch wenn man dannn immer noch das zu tun vermag, was wir heute in einem allgemein menschlichen Sinne unter Arbeit verstehen.
Der Hinweis auf die mögliche Schuldbeladenheit von Arbeit und Konsum (= Aneignung von Gebrauchswert) hat auf der Abstraktionsebene m.E. überhaupt nichts zu suchen. Mich ärgert so etwas ehrlich gesagt. Riecht nach Sauberkeitswahn, Flucht in eine kindliche Unschud.
Geplante Obsoleszens ist etwas, das jedem aufregen kann und darf, egal wie er der sie sonst zum Kapitalismus steht. Es ist Diebstahl am gesellschaftlichen Reichtum. Wenn ich nun behaupte, dass die Möglichkeit einer (welt-) kommunistisschen (auch so ein schuldbelladenes Wort) Bestimmung der Produktionszwecke und -bedingungen deshalb notwendig ist, weil es nicht tragbar ist, dass die Existenzbedingugen der Produktionsagenten zu lauter unnützer Arbeit nötigt – dann darf ich das also nicht mehr sagen, weil Arbeit ja Phui Bäh ist? .Also ehrlich:: micht regt so etwas wirklich auf
Überigens fand ich deinen Kommentar auf Keimform zmThema ganz gut
Gruß hh .
August 22, 2017 at 7:53 pm
Korrektur:: Nicht „dieses Ende ist ein Prozess“ sondern „zu diesem Ende zu kommen, ist Ergebnis eines Prozesses“
August 22, 2017 at 8:02 pm
Darf ich mal ganz kurz einen Hinweis geben.
„Gebrauchswert“ und „Tauschwert“ sind doch Kategorien einer Darstellung, die massenhafte „mikroökonomische“ Situationen an den Anfang stellt, die freilich blosse „Erscheinungen“ sind. Unabhängig davon, ob man dies (wie ich) für einen äusserst unglücklichen theoretischen Ansatz hält, oder nicht, kann doch an das Wissen der hier diskutierenden fortgeschrittenen Marxleser appelliert werden, die wohl alle die „makroökonomischen“ Pendants der betreffenden Fundamental-Kategorien des 1.Bandes kennen: REPRODUKTION und die sog. „Einheit“ von ZIRKULATIONS- UND PRODUKTIONSPROZESS DES (gesellschaftlichen Gesamt)KAPITALS.
(Ich bin dann doch immer wieder erstaunt, wie sehr die Erkenntnisse dieser späteren Teile der Marxschen Ökonomie ausseracht gelassen werden, so als wären das nur Arabesken, und der eigentliche Gehalt steckte ausgerechnet in den doch sehr elementaren Betrachtungen der ersten Kapitel des ersten Bandes.)
Kann es sein, dass viele der hier ausgetragenen Kontroversen ganz anders verlaufen würden, wenn man sich auf diese „konkretere“ Realitäts-Ebene und ihre Kategorien besinnen würde?
Mein Vorschlag, bevor ich meinen eignen Senf dazugeben würde, wäre, dass man die hier (oder bei keimform) stehenden Texte einmal darauf hin abgeändert liest, dass statt „Gebrauchswert“ „Reproduktion“ eingesetzt wird; und statt „Tauschwert“ so etwas wie „Kapital-…“ (ist eigentlich klar, was das „Makro“-Pendant dazu wäre?).
August 22, 2017 at 8:24 pm
Mittel, mit deren Aneignung menschlliche Bedürfnisse befriedigt werden können, also Gebrauchswerte, sind aber nicht mit deren Wiederherstellung identsch.
Und Tauschwert und Kapital sind auch nicht gegeneinander ersetzbar Ein Tauschwertträger, funktionert nur dann als Kapital, wenn es der Aneignung eines im kapitalistischen (Re-) Produktionsprozess benötigten Produktionsmittels (bzw alls solches funktionierende Arbeitskraft) dient
Kapital ist privates Bereicherungsvermögen, Geld, deren Gebrauchswert es ist, seinen Tauschwert im Gebrauchswert der anderen Waren zu spiegeln (gegen die es austauschbar ist) kann nur dann der Bereicherung dienen, wenn es gegen Dinge eingetauscht wird, die im Produktionsprozess benötigt werden Im Kapitalismus haben Gebrauchswerte also unter anderen einen Klassencharakter..
August 23, 2017 at 11:02 am
Ja. Genau. Da kommen nun einige Rahmenbedingungen für den Warenhandel in diesem „System“ zur Sprache. Darauf möchte ich doch hinaus, und nicht ewig bei diesen elenden Basistheoremen Gebrauchswert vs Wert stehen bleiben – warum hat Marx mehr als das erste Kapitel geschrieben?
„Reproduktion“ spielt eben bereits beim Waren-Produzieren eine Rolle: Denn die ist eben nichts Punktuelles, wie sich bereits an Formulierungen „langfristig, im Durchschnitt“ usw zeigt; ein echter Warenproduzent ist ein solcher nur, wenn er seinen Produktionsakt wiederholen, und daraus eine Quelle seines Lebensunterhalts machen kann. Dazu muss er bestimmte Bedingungen einhalten, „auf seine Kosten kommen“. SELBST DAS SCHON hat mit „Reproduktion“ zu tun; wieviel mehr die Anforderungen („Bedürfnisse“), die die REPRODUKTION einer ganzen globalisierten Riesen-Gesellschaft an ihre Vermittlungsform „Zirkulation und „Re)Produktion des Gesamtkapitals“ stellt. DAVON ist, naja der Absicht nach zumindest, im Kapital von Anfang an die Rede. Zumindest ist es das, was ich daran interessant finde.
August 23, 2017 at 1:27 pm
Ehrlich gesagt, kann ich dein Problem so nicht recht nachvollziehen. Ich halte auch die Vorstellung, es ginge um Tausch- VERSUS Gebrauchswerte für ein Missverständnis, Tatsächlich geht es bei Marx (und Freund Engels) um ein Offenlegen der Anatomie kapitalistischen Wirtschaftens, um so deren grundlegende Entwicklungsbedingungen zu verstehen und zu sehen, wo und wie sich dadurch Keime einer (welt-) kommunistischen Transformation herausbilden, (ich würde präzisieren: deren Notwendigkeit, Möglichkeit und Vertretbarkeit) die es aufzugreifen und zunehmend gezielt weiter zu entwickeln gelte.
Unter der Lupe ist die spezifische Art der Vermittlung von (Re-) Produktionszielen (hinsichtlich Gebrauchswerte), des dafür notwendigen Produktionsmitteleinsatzes bzw. Arbeitsaufwands, was für den Erhalt der sozialen bzw. ökologischen (Re-) Produktionsbedingungen zu leisten ist usw., (Staatsaufgaben) und wie sich das aufgrund der inneren Struktur voraussichtlich verändern dürfte (z.B. Konzentrationsprozesse) und mit welchen Problemen zu rechnen ist (z.B. ökologischer Natur). Es zeigt sich, dass die Vermittlung im Kapitalismus vor allem durch Kauf und Verkauf privateigentümlich produzierter bzw. angeeigneter Mittel der Existenzsicherung bzw. Bereicherung (also von Gebrauchswerten) geschieht, wie nicht zuletzt dem Gebrauchswert der Arbeitskraft Arbeitsvermögender. Auch Staaten können ohne das Geld des Kapitals (deren Steuern) nicht existieren.
Das spezifisch Kapitalistische ist nicht nur, dass die privateigentümlich angeeigneten Gebrauchswerte i.d.R. nur im Tausch gegen die Überware Geld angeeignet / genutzt werden können, sondern dass die privaten Eigentümer der Produktionsbedingungen (insofern außerhalb des eigenen Körpers vergegenständlicht) erster Produktionszweck die Mehrung des von Ihnen (bzw. in sie) investierte Bereicherungsvermögens ist.
Das heißt aber nicht, dass die Gebrauchswerte der her- und bereit gestellten Produkte (und damit der Produktionszweck) allein in ihrer Funktion als Bereicherungsmittel für das Kapital bestehen. Für die einzelnen Unternehmen geht nicht nur darum, effizienter als die Konkurrenz es vermag zu produzieren, (was ja auch für deren Kunden die Masse der von ihnen erwerbbaren Gebrauchswerte erhöht) sondern auch Gebrauchswerte für die potenziellen Kunden anbieten zu können, die denen der Konkurrenz qualitativ überlegen scheinen. Ebenso wie Produktivitätsvorsprünge blockieren Vorsprünge im Produktdesign den Wertausgleich und sichern damit Extraprofite,
Kapitalismus wird so zur sich selbst stets beschleunigenden und unabstellbaren Fortschrittsmaschinerie – was zugleich die Attraktivität als auch den Schrecken der gegenwärtigen (Re-) Produktionsbedingungen beschreibt.
August 25, 2017 at 7:31 pm
Ich finde grad bei Adorno einen Bezug auf den Begriff „Gebrauchswerte“, wo er ihn als Beispiel dafür verwendet (neben dem Begriff der „Produktivität“), dass der Wechsel der Bedeutungen (was es bei Marx „zunächst einmal“ – im überhistorischen Sinne – bedeutet und welche Besonderheit es dann im Kapitalismus bekommt) wichtig ist zum Begreifen ihrer Dialektik.
„Voraussetzung einer angemessenen Interpretation des Marxischen Materialismus wäre allein, daß man die Dinge so schwierig und so differenzeirt analysiert, wie sie bei ihm sind.“ (Adorno: Phil. Terminologie Band 2, S. 273) Das spricht deutlich gegen die Auftrennung von Marx in einen exoterischen und einen esoterischen…
August 25, 2017 at 8:56 pm
Verstehe kein Wort. Was soll das sein? Ein esoterischer Marx? Was ist mit dem anzufangen?
Was gibt denn der esoterische und was der exoterische Marx her für die Aufgabe der kommenden Jahre und Jahrzehnte, die nicht nur wirklich (auch allgemein nachvollziehbar) unerträglich werdenden sondern nun auch prinzipiell lösbaren Widersprüche zwischen Produktivkraftentwicklung (Entwicklung des menschlichen Bereicherungsvermögens) und Produktionsverhältnissen (etwa im Hinblick auf deren ökologischen Implikationen) aufzulösen, sprich, in recht kurzer Zeit, – zunehmend gezielt – einen Übergang zu (welt-) kommunistisch bestimmten (Re-) Produktionsbeziehungen auf die Beine zu stellen?
August 26, 2017 at 6:48 pm
Wenn man der Meinung ist, dass die übliche Lesart des „Kapitals“ (der exoterische Marx) nicht richtig ist und eine andere Lesart (der esoterische Marx) bessere Antworten vor allem auch auf aktuelle Fragen hat, dann gibt diese Unterscheidung schon was her. Die Debatte um diese Unterschiede ist meiner Meinung nach berechtigt und in dieser Debatte kann man Argumente für dies oder jenes anführen. Was Du machst, ist aber was anderes. Irgendwie bist Du schon längst fertig mit Deiner Meinung und gehst gar nicht mehr auf Argumente ein. Weder auf meine, noch bemühst Du Dich wenigstens ein klein wenig, auch zu verstehen, warum andere etwas anderes denken.
August 27, 2017 at 10:26 pm
Wer hier nicht auf Argumente bzw. Fragen eingeht, bist allein du selbst. Typischer Fall von Projektion.
August 27, 2017 at 10:28 pm
Deine Unterstellung, dass ich mich nicht bemühen würde, andere Positionen zu verstehen, ist wirklich unverschämt.
August 29, 2017 at 6:00 pm
Ja hast Du denn schon einmal versucht nachzuvollziehen, warum es Leute gibt, die den Marx „esoterisch“ lesen? Was sie für einen Sinn darin sehen?
August 29, 2017 at 9:22 pm
Mich nervt die Begrifflichkeit und die Vorstellungen zweier verschiedener Lesarten ganz einfach. Meine Fragen waren allerdings ernst gemeint und ich hätte nichts gegen Antworten Was soll denn „die übliche Lesart des Kapitals“ sein? Ist das die esxoterische oder die exoterische? Welches ist warum die gute Lesart? Man sollte die von Marx (und Freund Engels) gezogennen Linien nachvollziehen, die historischen Bedingungen ihrer Entstehunng, mögliche Intensionen, Fragwürdiges heraus arbeiten Gibt es im falschen einen richtigen Kern? (Etwa beim frisch,, fromm fröhlichen Versprechen einer Diktatur des Proletariats?) Was bringen die Marx/Engelschen Gedanken für die Formulierung aktuell brennender Fragen?
August 30, 2017 at 11:52 am
Anhand des folgenden Kommentars zum Streifzüge Beitrag von Franz Schandl lässt sich vielleicht mein Problem mit der Kategorisierung verschiedener „Marx-Lesarten“ (insbesondere die Idee eines „esoterischen Marx“) nachvollziehen. Statt eine besondere Marxlesart einzufordern sollte vielleicht an der eigenen Trennschärfe bei der Unterscheidung zwischen Kategorie (der Wahrheit) und der spezifischen Wirklichkeit des Kategorisierten gearbeitet werden.
http://www.streifzuege.org/2017/das-unschuldige-ding/comment-page-1#comment-781481
Hier scheint eine Verwechslung vorzuliegen zwischen der Bezeichnung (der Kategorie, der allgemeinen Seinsbestimmung, der Klassifizierung usw.) und dem tatsächlichen, historischen, situationsgemäßen usw. Dasein des Bezeichneten (des Kategorisierten, Klassifizierten, allgemein Bestimmten usw.). Die allgemeine Bestimmung von GW eines beliebigen Tauschwertträgers ist, sich von deren Aneignung einen Nutzen zu versprechen bzw. versprechen zu können. Das gilt zunächst einmal auch unabhängig davon, ob der Gebrauchswertträger Ergebnis gesellschaftlichen Tuns ist oder nicht (wie etwa Luft).
Waren haben immer einen gesellschaftlich bestimmten Gebrauchswert, es sind sind zum Kauf bzw. Verkauf stehende Gebrauchswerte, Gebrauchswerte, deren Aneignung den Tausch gegen andere Gebrauchswertträger (in der Regel Geld bzw. durch Geld vermittelt) voraussetzt. Das konkrete Dasein von Gebrauchswerten, also das konkrete Begehren nach der Aneignung von, allgemein gesprochen, Mitteln der Bedürfnisbefriedigung irgend einer Art, ist tatsächlich weitgehend gesellschaftlich bestimmt (gilt ja sogar für die Luftqualität). Die historisch vorherrschende Weisen dieser gesellschaftlichen Bestimmung (Formierung) unterscheiden sich ebenso, wie deren Besonderheiten wie gegebenenfalls deren Klassencharakter, d.h. ob es als Mittel der Bereicherung UND Existenzsicherung (und dem Vergnügen) oder lediglich der Existenzsicherung (und ein wenig Vergnügen) dienlich ist).
August 30, 2017 at 12:02 pm
Sehe gerade, dass ein Abschnitt missverständlich formuliert war:
So ist es richtig:
Die allgemeine Bestimmung von GW ist, unabhängig davon, ob der Gebrauchswertträger auch ein Tauschwertträger ist, sich von deren Aneignung einen Nutzen zu versprechen bzw. versprechen zu können. Das gilt zunächst einmal auch unabhängig davon, ob der Gebrauchswertträger Ergebnis gesellschaftlichen Tuns ist oder nicht (wie etwa Luft).
September 12, 2018 at 3:39 pm
Hallo, Anette,
Ganz schlicht zum Gebrauchswert: Wo kommt denn nun die alberne Vorstellung vom „unschuldigen“ Gebrauchswert (u.a. Schandl) her. Von Marx gewiß nicht. Ich verweise hier nur auf ausgeklügelte Folterinstrumente, Waffen, die, wie jedes andere nützliche Ding, Mittel, „Gebrauchswerte“ sind.
Gruß
Konrad