Dieser Beitrag gehört zum Text „Trägt oder trügt die Hoffnung aus einer dialektischen Geschichtsphilosophie?“
„An allem ist zu zweifeln…“ war das Motto einer Vortragsreihe in Dresden, in der ich über das hier verhandelte Thema vortrug. Marx musste in seinem Leben mehrmals zweifeln an seinen zu optimistischen Prognosen über eine baldige Revolution, aber er verzweifelte nicht, sondern setzte sich auf den Hosenboden und arbeitete weiter. Das ganze turbulente 20. Jahrhundert liegt zwischen ihm und uns. Die „bürgerlichen Ideologen“ verbreiteten schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts eine Untergangsstimmung. Hauke Ritz kennzeichnet die „Neuzeittheorien“ als „Krisentheorien“ (Ritz 2013: 30), die die „Geschichte nicht als Fortschritt, sondern eher als Verhängnis und Verstrickungszusammenhang“ (ebd.: 45) betrachten. Rudolf Bultmann etwa schreibt: „Der Glaube an den stetigen Fortschritt der Menschheitsgeschichte ist verloren gegangen.“(Bultmann 1961: 50) Es fällt uns nicht mehr so leicht wie Helga Nowack im Jahr 1989, diese Ansichten als Reflexion des „Verlusts der historischen Hegemonie der Klasse“, d.h. der bourgeoisen herrschenden Klasse und als „bornierte, aber mögliche Widerspiegelung von Teilaspekten realer Dialektik […] des Fortschrittsprozesses“ (Nowack 1989: 782) anzusehen.
Das kurz darauf folgende Ende der DDR und der Ansätze, einen Sozialismus zu entwickeln, wurde auch ein solcher „Teilaspekt“. In den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts hielt die Geschichte ein wenig den Atem an. Manche glaubten, dass nun auch vom Kapitalismus ausgehend bessere Zeiten anbrechen könnten und endlich ein ökologisches Umsteuern gelingen könnte. Während die neoliberale Globalisierung durchmarschierte, sammelten sich Interessengruppen verschiedenster Art. Linke fanden neben eher kulturorientierten Themen wieder zum Interesse an Ökonomie zurück und rechte Netzwerke werkelten weitgehend unterhalb der Aufmerksamkeitsschwelle. Im neuen Jahrtausend wurde aber offensichtlich, dass Weichenstellungen erfolgen, die die Entwicklungswege für die nächsten Jahrzehnte weitgehend bestimmen werden. Während dies alles geschieht, sammeln sich Treibhausgase in der Atmosphäre, die ein „Kippen“ des Klimas aus einer 11 000-jährigen relativen Stabilität befürchten lassen, versauern die Ozeane, sterben die Korallenriffe und es werden viele atmosphärische-ozeanische und biosphärische Regulierungsnetzwerke zerstört, die bisher die natürlichen Grundlagen für die menschliche Zivilisation bildeten (mehr dazu siehe u.a. Schlemm 2018). Ökologisch und gesellschaftspolitisch sieht es gerade nicht gut aus: „Weit davon entfernt, einen höheren gesellschaftlichen Zustand vorzubereiten, sieht sich die bürgerliche Gesellschaft vielmehr von mächtigen Tendenzen einer Wiederkehr vorbürgerlicher Zustände bedroht.“ (Schmieder 2005: 120)
Auch Gesellschaften brauchen notfalls einige Zeit, um sich umzuorientieren. Die Veränderungen der natürlichen Lebensgrundlagen jedoch drohen in dauerhaft irreversible Zerstörungen umzuschlagen. Die Bremsen sind nicht stark genug und für eine echte Umkehr ist die Straße zu eng. Für „Schönwetter-Utopien“ ist kein Raum mehr. Das bedeutet letztlich, dass die Menschheit eine weitere „Kränkung“ hinnehmen muss (Schlemm 2018): Nicht in absehbarer Zukunft wird die Menschheit ins „Reich der Freiheit“ übergehen können, in dem „das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört“ (MEW 25: 828). Auch bei einem hoffnungsvollen Verlauf der weiteren Entwicklung wird die Wiederbelebung der zerstörten Naturräume sehr viel menschliche Arbeit erfordern. (Liu 2013) Konkrete Utopien, also Utopien, die diese entstehenden Bedingungen mit einbeziehen, sind sicher weiterhin möglich. Aber an einer Hoffnung, die primär auf der „realen Dialektik […] des Fortschrittsprozesses“ (Nowack 1989: 782) beruht, sollte doch stark gezweifelt werden. Andere Quellen des Zweifels an bestimmten Ansichten über die Marxsche Philosophie der Geschichte kommen aus feministischen Kreisen und postkolonialen Debatten, auf die ich hier nicht weiter eingehen möchte.
November 20, 2018 at 12:04 am
Die Nebelbomben sind immer und überall
November 20, 2018 at 12:10 am
Obiger Text geht leider nicht systematisch auf die neoliberale Konterrevolution seit ~1979 ein
November 20, 2018 at 12:13 am
Die qualitative Weiterentwicklung geschieht nicht bei den jeweils höchstentwickelten Formen
November 20, 2018 at 12:15 am
Es muss Vielen genug schlecht gehen, um wesentliche Veränderungen hervorzubringen
November 20, 2018 at 11:06 am
Das Problem an dieser Sichtweise ist, dass das exakt die eines Steve Bannon ist – und der auch tatsächlich Grund hat, darauf zu bauen.´
November 20, 2018 at 11:28 am
Ich denke das von Brecht zu haben.
November 20, 2018 at 11:49 am
Auch in Brecht ist zu zweifeln 🙂
November 20, 2018 at 12:26 pm
„Auch in Brecht ist zu zweifeln“ – ja, natürlich 🙂
Wird der Begriff „revolutionäre Situation“ noch verwendet? Ich fand den gar nicht so schlecht, möchte gleichwohl nicht behaupten, dass es keine besseren gäbe.
November 20, 2018 at 1:13 pm
Der Begriff „revolutionäre Situation“ ist heute vor allem bei Nazis beliebt.
November 20, 2018 at 11:27 pm
Das wusste ich nicht, danke für den Hinweis! Welchen Begriff kann man stattdessen verwenden?
November 21, 2018 at 9:11 am
Nur weil die Nazis ein Wort verwenden, lasse ich es mir noch längst nicht verbieten. Wichtig wäre, ob das Wort als Terminus inhaltlich Sinn macht oder nicht. Wenn ja, kann ich ihn auch „zurückerobern“. Ich hatte irgendwo vorsichtigerweise „sensible Phase“ geschrieben (kommt aus dem Selbstorganisationskonzept), was aber auch nur ein Ausweichen ist…
November 21, 2018 at 11:29 am
Die parteiherrliche Begriffsdeutungshoheit der SED-Führung ist zum Glück Geschichte, und ich würde in meinen schlimmsten Träumen nicht darauf kommen, die Nutzung des Begriffs „revolutionäre Situation“ verbieten können zu wollen. Dass Identitäre und andere Nazigruppen derzeit ganz aufgeregt von einer solchen schwafeln.und Steve Bannon meint, eine solche herberführen bzw. für seinen Weltfaschismus nutzen zu können, sagt ja nur, dass es gute Gründe gibt, eine revolutionäre Situation zu fürchten. Heißt aber auch, dass man sehr ernsthaft über Notwendigkeit. Möglichkeit, mögliche Gestalt und Rationalitätsbedingungen einer radikalen Umwälzung der Produktions- bzw. Vergesellschaftungsbedingungen in den nächsten Dekaden reden muss.
November 20, 2018 at 12:26 pm
Wenn man das ernst meint, muss es wahrscheinlich eine ganz bestimmte Situation geben: Es darf den meisten nicht so schlecht gehen, dass sie gar keine Kraft mehr für mehr als den reinen Überlebenskampf haben – und es muss aber auch genug Unzufriedenheit geben, damit überhaupt eine Änderung als notwendig erscheint.
Dass wir in einer „sensiblen Phase“ der Entwicklung stecken, sollte ja ohne jeden Zweifel sein: die (politisch) Verantwortlichen können nicht mehr wirklich und die unten wollen nicht mehr. Das Problem ist bloß, dass daraus nicht automatisch etwas Fortschrittliches entsteht…
November 20, 2018 at 11:33 pm
Das klingt logisch. Als ich in den 1990er Jahren häufig in den USA war, hieß es dort, mit dem Bürgerengagement für die Behebung örtlicher Sorgen sollen die Bürger von den wesentlichen gesellschaftlichen Problemen abgelenkt werden.
November 20, 2018 at 11:35 pm
Die „die (politisch) Verantwortlichen“ sind wer?
November 21, 2018 at 12:04 pm
Ein Blick in Marx / Engels Kritik der Deutschen Ideologie könnte weiter helfen. Gerade weil die wissenschaftliche Grundlage damals (bevor Marx mit der Arbeit an am Kapital begann) noch vergleichsweise schmal gewesen sein dürfte, ist es doch erstaunlich, als wie plausibel die damals vorgestellten Indikatoren (welt-) gesellschaftlicher „Sozialismusreife“ heute erscheinen.
„Kommunismus“ sei demnach nur als gemeinschaftliche Aktion „der herrschenden Völker auf einmal“ herstellbar. Die Masse der Menschen müsste bereits weltweit von der kapitalistischen Selbstbereicherungsökonomie abhängig und ihr Dasein so – gezwungenermaßen – zu einem „weltgeschichtlichen“ geworden sein. Ohne „universelle Entwicklung der Produktivkraft und des mit ihm zusammenhängenden Weltverkehrs“ könnten sich nicht nur die kapitalistische Weltwirtschaft, sondern auch die „allseitig gebildeten“ Weltbürger*innen nicht herausbilden, die tatsächlich Willens und in der Lage wären, den Übergang zum „kommunistisch“ bestimmten Stoffaustausch zu organisieren.
Außerdem müsse bereits eine „Welt der Bildung“ entstanden sein, zu deren Produktivkraft die Masse der Menschen aber zugleich „im Widerspruch“ stünden.
Siehe: https://mehr-oeko-kommunismus.blog/damit-die-entfremdung-eine-unertragliche-macht-wird/
November 21, 2018 at 1:22 pm
„Die „die (politisch) Verantwortlichen“ sind wer?“
Damit meine ich diejenigen, denen bürgerlich demokratisch die Verantwortung übergeben wurde, wichtige Entscheidungen zu treffen. Dabei bin ich immer noch der Meinung, dass in dem „bürgerlich“ einerseits geschichtliche Errungenschaften stecken (die wir zu oft gar nicht wertschätzen), aber eben auch Begrenzungen… d.h.für mich ist das nicht eine ideale Gesellschafts- und Verantwortungsstruktur – aber das Argument,dass „die da oben“ eben auch nicht mehr so recht können, verweist schon darauf, dass die Situation kritisch ist…
November 22, 2018 at 12:26 am
Hm. Ich vermisse den „Staat als Machtinstrument der herrschenden Klasse“, wobei diese durchaus heterogen ist. Sonst hätten wir ja längst ein unternehmensfreundliches Steuersystem auch für KMUs, nur eine Partei usw. – Kennst Du Politiker persönlich?
November 22, 2018 at 10:56 am
„Ich vermisse den „Staat als Machtinstrument der herrschenden Klasse““
Kannst Du bitte mir als Autorin dieses Textes zugestehen, dass ich entscheide, was an welcher Stelle des Textes wichtig ist?
Natürlich kann man zu allem noch alles mögliche Andere sagen. Aber letztlich hat jeder Text einen Anfang, einen roten Faden und ein Ende und soll nicht ausufern in eine unendliche Verzettelung, was irgendwie auch noch mit irgendwas zusammen hängt…
November 22, 2018 at 7:21 pm
Eher Ludwig XIV 😉
November 22, 2018 at 8:57 pm
Korrigiere mich gern 🙂
Der Sinn meiner Aussage ist unverändert
November 20, 2018 at 12:17 am
„Gegen ein funktionierendes stehendes Heer ist keine Revolution zu gewinnen.“ Friedrich Engels
November 20, 2018 at 1:14 pm
Da hat er recht. Auch, dass der Sraßen in Berlin viel zu breit sind für Barikadenkämpfe.
November 20, 2018 at 10:08 am
Peter, du schweifst wieder ganz schön herum 😉
November 20, 2018 at 11:37 pm
So, wie mich Dein Schreiben – dankenswerterweise! – animiert 🙂
November 20, 2018 at 11:02 am
Klar, auch an Marx (Öko-) Kommunismus ist zu zweifeln, aber die Kritik sollte vielleicht weniger aus nebulösem Geraune bestehen und argumentativ vorgebracht werden.
Was in der Betrachtung fehlt ist die Entwicklung des UN-Prozesses für eine nachhaltige Wohlstandsentwicklung seit den 1980er Jahren und die Frage, in welche Weise sozialistische Theorien, Konzepte und politische Aktivitäten daran anzuknüpfen haben.
November 20, 2018 at 12:23 pm
„die Kritik sollte vielleicht weniger aus nebulösem Geraune bestehen und argumentativ vorgebracht werden.“ Das macht Bayertz ganz gut. Bei ihm ergänzen sich Argumente zu dem, was ich in den folgenden Beiträgen noch ausargumentiere.
November 20, 2018 at 1:10 pm
Was genau sind denn die Argumente gegen „die Marxsche Philosophie der Geschichte“. (Was soll das überhaupt sein?) Ich meine, gegen welche Aussagen von Marx (oder Engels) genau erscheinen dir welche Zweifel angebracht und warum?
November 21, 2018 at 9:09 am
Lies es doch mal, statt schon wieder mehr hinein zu interpretieren, als drin steht und ich gemeint habe.
D.h. lies einerseits Bayertz und andererseits meinen Text. Vielleicht noch mal zur Struktur des Textes von mir: Die Beiträge erscheinen nacheinander, so wie man etwas von vorn liest. Die ersten Beiträge sind eine Art Einleitung, wo natürlich nicht alles schon gleich mit ausargumentiert wird. Vieles, was Du dann gleich nach der Einleitung einforderst, kommt oft entweder noch oder es ist nicht mein Thema.
Meiner Einschätzung nach lässt Du Dich nicht auf den Inhalt eines Textes von mir ein, sondern stellst immer gleich deine eigenen Gedanken dagegen und verlangst eigentlich, dass man das schreibt, was Du geschrieben hättest. Das ist aber nicht besonders kommunikativ.
November 21, 2018 at 11:54 am
Um solche Missverständnisse zu vermeiden, wäre es vielleicht hilfreich, Deine Beiträge mit Überschriften zu versehen:
1. Einleitung
2. Thema/Argument 1
…
November 21, 2018 at 1:18 pm
Ich denke, das ist nicht nötig. So strukturierte man mal im Mittelalter Texte – das sollte angesichts der inzwischen verbreiteten Lesefähigkeit wohl doch nicht mehr nötig sein. Hier im Blog ist das Ganze natürlich etwas schlechter strukturierbar. Aber da ich bei solchen gegliederten Texten ganz oben immer den Link auf die Hauptseite zum Text lege, in der es dann zumindest einen Teil der weiter verfolgten Gliederung gibt, sollte es doch deutlich werde, was als Gesamttext gilt…
November 21, 2018 at 12:09 pm
Habe zitiert, auf welche Aussagen ich mich beziehe. Aber wenn du deine Marxkritik später noch ausführen wirst, über ich mich gern noch ein wenig in Geduld.
November 21, 2018 at 12:11 pm
Wollte natürlich sagen: Übe ich mich gern noch ein wenig in Geduld.
November 22, 2018 at 11:42 am
Nunja, der Staat soll ja tatsächlich einmal Gott in Frankreich gewesen sein. Sprechen wir lieber von bürgerlichen Nationalstaaten (Mehrzahl), die auf Grundlage kapitalistischer Produktionsverhältnisse operieren.
Die sind nicht einfach Instrument der herrschenden Klasse einer Nation. Sie sind zwar notwendiges Funktionselement einer kapitalistischen Gesellschaftsformation. Ohne staatliche Gesetze, Spezialaufgaben und Autorität ließen Ausbeutungsinteressen keine zivilen Verhältnisse zu, Ausbeutung wäre höchstens in der Form von Raub, Zwangsarbeit und Krieg möglich – und wäre liberalen Nationen letztlich unterlegen. Die Existenzgrundlage staatlichen Handelns sind Steuern (ein Teil des gesellschaftlichen Tauschwertproduktes) und die allgemeine Akzeptanz der staatlichen Autorität (mal mehr mal weniger erzwungen / freiwillig). Beides macht staatliches Handeln bzw. die staatlichen Akteure auch ganz unabhängig vom neoliberalen Extremismus vom Geschäftserfolg „ihrer“ Unternehmen abhängig.
Sozialdemokratische Emanzipation Lohnabhängiger in Kombination mit technologischen Fortschritten (wesentlich als Ergebnis der kapitalistischen Konkurrenz) ermöglichten die Institutionalisierung von Klassenkompromissen und eine gewisse Verallgemeinerung von Wohlstandsgewinnen, die allerdings stets auch als Teil einer ausbeuterischen internationalen „Arbeitsteilung“ waren, deren Zivilisierung nicht gar so einfach ist (der UN-Prozess der nachhaltigen Entwicklung ist ein Element entsprechender Bemühungen)
Ich würde nicht allzu viel Aufhebens um „die herrschende Klasse“ einer Nation machen, nicht nur, weil es sehr unterschiedliche und einander widersprechende Kapitalinteressen gibt. Derzeit erleben wir, wie Akteure der Brown Economy an einer faschistischen Internationale basteln was ja – glücklicherweise – nicht bei allen Kapitalisten und schon gar nicht innerhalb des politischen „Establishments“ helle Begeisterung auslöst. Anderseits müssen wir erleben, wie es dem Rechtspopulismus gelingt, einem Nationalismus, der (erneut) ins Pathologische gleitet, wohlstandschauvinistische Sorgen „beherrschter Klassen“ für ihre Projekte einzuspannen, die allem voran ihren bornierten Klasseninteressen dienen sollen.
Gerade wenn wir es für möglich halten, dass wir eine möglicherweise vorevolutionäre Stuation erleben (ich halte es für möglich) und das nicht mit naiver Hoffnungsbesoffenheit sehen sondern durchaus mit Sorge, muss in Blick geraten, was in den nächsten Jahren und Jahrzehnten die ganze Gesellschaft und zwar weltweit in die Lage versetzen könnte, Produktionsbedingungen zu etablieren, die es den Globalisierten dieser Erde erlaubt, sich als eine vernunftbegabte Menschheit zu formieren, die das weltgesellschaftliche Miteinander auf Grundlage von honreichend Mitmenschlichkeit und ökologische Vernunft ausrichtet. Statt nach „herrschenden“ und „beherrschten Klassen“ uaschau zu halten, sollten wir danach schauen, wo sich Dispositive der Mitmenschlichkeit und ökologischen Vernunft entwickeln und unter welchen Umständen diese in das Projekt einer weltgemeinschaftlichen Gestaltung des Anthropozäns aufgehen könnten.
November 22, 2018 at 11:48 am
Ist etwas falsch eingeordnet. Ist als Antwort auf Peter Enders gedacht https://philosophenstuebchen.wordpress.com/2018/11/19/ungewisse-zukunft-fragen-an-die-geschichte/#comment-14412
November 22, 2018 at 5:48 pm
Lieber Herr Hirschelmann,
vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort! Ich halte mich möglicherweise zu sehr an die politische Ökonomie und leide darunter, dass ich deren Entwicklung nach Lenin nicht mitbekommen habe. Gibt es eine Theorie, die sie ersetzt hat?
Sie schreiben:
Nun ja, der Staat soll ja tatsächlich einmal Gott in Frankreich gewesen sein.
PE:
Vermutlich in Napoleons Sinn: „L’état – ce moi!“
H-H:
Sprechen wir lieber von bürgerlichen Nationalstaaten (Mehrzahl), die auf Grundlage kapitalistischer Produktionsverhältnisse operieren.
PE:
Gibt es bürgerliche Nationalstaaten, die nicht auf der Grundlage kapitalistischer Produktionsverhältnisse operieren?
H-H:
Die sind nicht einfach Instrument der herrschenden Klasse einer Nation. Sie sind zwar notwendiges Funktionselement einer kapitalistischen Gesellschaftsformation. Ohne staatliche Gesetze, Spezialaufgaben und Autorität ließen Ausbeutungsinteressen keine zivilen Verhältnisse zu, Ausbeutung wäre höchstens in der Form von Raub, Zwangsarbeit und Krieg möglich – und wäre liberalen Nationen letztlich unterlegen. Die Existenzgrundlage staatlichen Handelns sind Steuern (ein Teil des gesellschaftlichen Tauschwertproduktes) und die allgemeine Akzeptanz der staatlichen Autorität (mal mehr mal weniger erzwungen / freiwillig).
PE:
Stimme gern zu 🙂
H-H:
Beides macht staatliches Handeln bzw. die staatlichen Akteure auch ganz unabhängig vom neoliberalen Extremismus vom Geschäftserfolg „ihrer“ Unternehmen abhängig.
PE:
Meint was?
H-H:
Sozialdemokratische Emanzipation Lohnabhängiger in Kombination mit technologischen Fortschritten (wesentlich als Ergebnis der kapitalistischen Konkurrenz) ermöglichten die Institutionalisierung von Klassenkompromissen und eine gewisse Verallgemeinerung von Wohlstandsgewinnen, die allerdings stets auch als Teil einer ausbeuterischen internationalen „Arbeitsteilung“ waren, deren Zivilisierung nicht gar so einfach ist (der UN-Prozess der nachhaltigen Entwicklung ist ein Element entsprechender Bemühungen).
PE:
Ein Vergleich der EU-Länder belegt das ebenso.
H-H:
Ich würde nicht allzu viel Aufhebens um „die herrschende Klasse“ einer Nation machen, nicht nur, weil es sehr unterschiedliche und einander widersprechende Kapitalinteressen gibt.
PE:
Ich habe das ausdrücklich erwähnt, kenne es aus eigener Erfahrung als Unternehmer.
H-H:
Derzeit erleben wir, wie Akteure der Brown Economy an einer faschistischen Internationale basteln was ja – glücklicherweise – nicht bei allen Kapitalisten und schon gar nicht innerhalb des politischen „Establishments“ helle Begeisterung auslöst.
PE:
Was ist „Brown Economy“?
H-H:
Anderseits müssen wir erleben, wie es dem Rechtspopulismus gelingt, einem Nationalismus, der (erneut) ins Pathologische gleitet, wohlstandschauvinistische Sorgen „beherrschter Klassen“ für ihre Projekte einzuspannen, die allem voran ihren bornierten Klasseninteressen dienen sollen.
PE:
Was genau meinen Sie mit Wohlstandschauvinismus?
Was genau meinen Sie mit bornierten Klasseninteressen?
Erstaunlich finde ich, dass das sozialpolitische Programm und andere Ziele der AfD (aktuell: Rüstungsetat) geradezu gegen Diejenigen ihrer Wählerinnen gerichtet ist, die aus Furcht vor weniger Teilhabe AfD wählen. Und merkwürdigerweise (oder verdächtigerweise?!) nutzen dies die anderen Parteien nicht aus 😮
H-H:
Gerade wenn wir es für möglich halten, dass wir eine möglicherweise vorrevolutionäre Situation erleben (ich halte es für möglich), und das nicht mit naiver Hoffnungsbesoffenheit sehen, sondern durchaus mit Sorge, muss in den Blick geraten, was in den nächsten Jahren und Jahrzehnten die ganze Gesellschaft – und zwar weltweit – in die Lage versetzen könnte, Produktionsbedingungen zu etablieren, die es den Globalisierten dieser Erde erlaubt, sich als eine vernunftbegabte Menschheit zu formieren, die das weltgesellschaftliche Miteinander auf der Grundlage von hinreichend Mitmenschlichkeit und ökologischer Vernunft ausrichtet.
PE:
So weit, so gut – wie sollen diese neuen Produktionsbedingungen gegen die alten durchgesetzt werden? Die Verschmutzung des Rheins nebst massenhafter Erkrankungen haben die Grünen hervorgebracht bzw. zum Durchbruch verholfen, und heute schwimmen wieder Fische in Rhein und Ruhr. Doch haben sich Produktions- und Eigentumsverhältnisse geändert? Wollen das die Grünen überhaupt?
Wie weit lassen sich die Produktionsbedingungen ändern, ohne die Produktions- und Eigentumsverhältnisse zu ändern?
H-H:
Statt nach „herrschenden“ und „beherrschten Klassen“ Ausschau zu halten, sollten wir danach schauen, wo sich Dispositive der Mitmenschlichkeit und ökologischen Vernunft entwickeln und unter welchen Umständen diese in das Projekt einer weltgemeinschaftlichen Gestaltung des Anthropozäns aufgehen könnten.
PE:
Dem Zweiten stimme ich zu – ob es ohne das Erstere geht, bin ich allerdings skeptisch. Hierbei wiederhole ich die Notwendigkeit der Weiterentwicklung der Politischen Ökonomie. So habe ich es sofort nach Bekanntwerden begrüßt, dass eine Wissenschaftlerin aus Nowosibirsk den Begriff „Schicht“ eingeführt hat (1986?), dem nur einige Merkmale einer „Klasse“ zukommt. Vornehmlich war von der Intelligenz die Rede, heute würde ich auch die leitenden Mitarbeiter im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes als Schicht betrachten (ich war mal Betriebsrat 😉
Was meinen Sie? (oder Du?)
November 22, 2018 at 8:22 pm
Lieber Herr Enders,
danke für die Antwort, aber denn Sinn dieser Frage verstehe ich nicht.
Nicht, das ich wüsste. Warum?
Du fragst, wie ich das meine, dass die Existenzgrundlage staatlichen Handelns der Geschäftserfolg der Steuer zahlenden und Existenzmöglichkeiten(Arbeitsplätze) bietenden Unternehmen ist. Auch den Sinn dieser Frage verstehe ich nicht. Ohne Geschäftserfolg keine Steuern, keine Arbeitsplätze, keine Wählerstimmen, keine Akzeptanz der staatlichen Autorität. Gefährden staatliche Maßnahmen, die darauf zielen, den menschlichen Stoffaustausch mit der Natur zur ökologischen Vernunft zu bringen, den Geschäftserfolg der heimischen Unternehmen (deren Wettbewerbsfähigkeit) werden sie für politische Verantwortungsträger unsagbar und oft auch undenkbar.
Brown Economy: Öl- und Gasmagnaten wie Exon Mobil oder die Koch Brothers, Länder, die sehr stark von der Öl- und Gasförderung abhängig sind wie Russland, Saudi Arabien, der der Iran ode Venecuela, die viel Geld für Desinformations- und Desorientierungs-Agit Prop, Fake-News, Klimawandel-Leugnung usw. ausgeben, deren Miet-Trolle die sozialen Medien“ fluten, und Donald Trump zum US-Präsidenten gemacht haben.
Was genau meinen Sie mit Wohlstandschauvinismus?
Der Wille, das globale Wohlstandsgefälle unbedingt beizubehalten, insofern man selbst meint, davon zu profitieren. Erkennbar an Gehässigkeiten gegenüber Arbeitslosen, Flüchtlingen oder Arbeitsmigranten, sogenannte „Eliten“, die den Wohlstandsvorsprung angeblich aufs Spiel setzen, Angst vor Bevölkerungswachstum in Afrika usw.
Wenn bezahlte Büttel und nützliche Idioten der Brown Economy Arbeitern mit Klimawandelleugnung die Illusion vermitteln, dass kein radialer Strukturwandel nötig ist und alles so bleiben kann, und Kohle, Gas und Erdöl Jobs versprechen, dann ist das im Klasseninteresse der Firmen, Investoren und Stakeholder dieser Branche, und borniert ist es, weil es nur den Ausschnitt an Wirklichkeit gelten lässt, den den eigenen privateigentümlichen Interessen nicht zuwider läuft.
Ob die Grünen (die Linke oder die SPD) derzeit die „Produktions- und Eigentumsverhältnisse ändern wollen“ ist in meinen Augen derzeit irrelevant. Was fr mich zählt sind Schritte in Richtung eines (öko-) kommunistisch bestimmten Stoffaustausch mit der Natur und dass Konzepte entwickelt werden, wie diese Schritte in Qualität, Umfang, Geschwindigkeit an das, was tatsächlich notwendig ist um etwa das 1,5 Grad Ziel zu erreichen, Verlust an Biodiversität, Bodenfruchtbarkeit, Wälder zu stoppen, Hunger zu beseitigen, postkoloniale Ausbeutung zu überwinden eine funktionierende Weltfriedensordnung und Vergesellschaftungsbedingungen zu schaffen, die weltweit allen ein gutes Leben ermöglichen, das nicht zugleich die Grundlagen des guten Lebens aller zerstört.
November 22, 2018 at 8:31 pm
Im letzten Absatz habe ich in der Aufregung das Wörtchen „anzupassen“ vergessen, also Geschwindigkeit, Qualität und Umfang des realpolitisch Möglichen an das anzupassen, was tatsächlich zu geschehen hat, um das tatsächlich Notwendige tatsächlich auch erreichen zu können.
November 22, 2018 at 8:54 pm
Lieber Hans-Hermann,
darauf wollte ich hinaus:
H-H: Gibt es bürgerliche Nationalstaaten, die nicht auf der Grundlage kapitalistischer Produktionsverhältnisse operieren?
Nicht, das ich wüsste. Warum?
PE: Dann ist das ein weißer Schimmel 🙂
H-H: Du fragst, wie ich das meine, dass die Existenzgrundlage staatlichen Handelns der Geschäftserfolg der Steuer zahlenden und Existenzmöglichkeiten(Arbeitsplätze) bietenden Unternehmen ist. Auch den Sinn dieser Frage verstehe ich nicht. Ohne Geschäftserfolg keine Steuern, keine Arbeitsplätze, keine Wählerstimmen, keine Akzeptanz der staatlichen Autorität. Gefährden staatliche Maßnahmen, die darauf zielen, den menschlichen Stoffaustausch mit der Natur zur ökologischen Vernunft zu bringen, den Geschäftserfolg der heimischen Unternehmen (deren Wettbewerbsfähigkeit) werden sie für politische Verantwortungsträger unsagbar und oft auch undenkbar.
PE: Es klang nach Unternehmen der Politiker – danke für die Klarstellung! Nichtsdestotrotz sind die Politiker die Marionetten ihrer Geldgeber.
H-H: Brown Economy: Öl- und Gasmagnaten wie Exon Mobil oder die Koch Brothers, Länder, die sehr stark von der Öl- und Gasförderung abhängig sind wie Russland, Saudi Arabien, der der Iran oder Venezuela, die viel Geld für Desinformations- und Desorientierungs-Agit-Prop, Fake-News, Klimawandel-Leugnung usw. ausgeben, deren Miet-Trolle die sozialen Medien fluten, und Donald Trump zum US-Präsidenten gemacht haben.
PE: Was weißt Du über den Mittleren Westen der USA, hast Du dort gelebt (wie ich)?
PE: Was genau meinen Sie mit Wohlstandschauvinismus?
H-H: Der Wille, das globale Wohlstandsgefälle unbedingt beizubehalten, insofern man selbst meint, davon zu profitieren. Erkennbar an Gehässigkeiten gegenüber Arbeitslosen, Flüchtlingen oder Arbeitsmigranten, sogenannte „Eliten“, die den Wohlstandsvorsprung angeblich aufs Spiel setzen, Angst vor Bevölkerungswachstum in Afrika usw.
PE: Wird dieser Wille nicht durch die EU, China und die USA durchgesetzt?
PE: Was genau meinen Sie mit bornierten Klasseninteressen?
H-H: Wenn bezahlte Büttel und nützliche Idioten der Brown Economy Arbeitern mit Klimawandelleugnung die Illusion vermitteln, dass kein radialer Strukturwandel nötig ist und alles so bleiben kann, und Kohle, Gas und Erdöl Jobs versprechen, dann ist das im Klasseninteresse der Firmen, Investoren und Stakeholder dieser Branche, und borniert ist es, weil es nur den Ausschnitt an Wirklichkeit gelten lässt, der den eigenen privateigentümlichen Interessen nicht zuwider läuft.
PE: Stimme zu 🙂
H-H: Ob die Grünen (die Linke oder die SPD) derzeit die „Produktions- und Eigentumsverhältnisse ändern wollen“ ist in meinen Augen derzeit irrelevant. Was für mich zählt, sind Schritte in Richtung eines (öko-)kommunistisch bestimmten Stoffaustausch mit der Natur, und dass Konzepte entwickelt werden, wie diese Schritte in Qualität, Umfang, Geschwindigkeit an das, was tatsächlich notwendig ist, um etwa das 1,5 Grad Ziel zu erreichen, Verlust an Biodiversität, Bodenfruchtbarkeit, Wälder zu stoppen, Hunger zu beseitigen, postkoloniale Ausbeutung zu überwinden, eine funktionierende Weltfriedensordnung und Vergesellschaftungsbedingungen zu schaffen, die weltweit Allen ein gutes Leben ermöglichen, das nicht zugleich die Grundlagen des guten Lebens aller zerstört.
PE: Das klingt lobenswert – allein: wie soll die vielen Details verbessert werden, ohne die Grundlagen dafür zu verändern?
November 22, 2018 at 11:07 pm
Weißer Schimmel: Puh, denke Dir das unausgesprochene Wörtchen „also“, oder „d.h.“ zwischen den beiden Satzhälften. Dache, ich könnte es einsparen.
Nein, n meinen Augen ist das ein schlimmes Pauschalurteil, das für eine nicht geringe Anzahl Politiker eine Beleidigung darstellt, die keineswegs gerechtfertigt ist und auf den Pauschalierer zurückfällt. Das ist aus der Dogmenkiste eines ganz „linken“ Sektierertums. Moralismus statt Analyse und Kritik. Das unterscheidet sich dann nicht vom rechten Populismus. So etwas können wir uns nicht leisten.
Klingt, als könntest du Deine Erfahrungen mit dem Leben im mittleren Westen der USA hier erkenntnisproduktiv einbringen. Weiß jetzt allerdings nicht, was genau, worauf du hinaus möchtest.
Habe nicht gesagt, dass keine Grundlagen für Details verändert werden sollen. Das kann aber nur prozesshaft geschehen, aus der gesellschaftlichen Praxis heraus, und nicht durch anti-kapitalistische Glaubensbekenntnisse. Ein wichtiger Schritt wäre getan, wenn die „globaliserungskritische“ Bewegung gesellschaftliche Debatten über Konzepte für ein Welthandelsregime initiieren könnten, dessen Regeln das Erreichen der UN-Nachhaltigkeitsziele (den SDGs) möglich machen, statt dass sie das, (wie es bei den gegebenen Regeln der Fall ist), verunmöglichen. Grundlagen verändern? Ja bitte. Es muss gefragt werden, was genau die Grundlagen z.B. für Regenwaldzerstörung sind, welche Schritte die nächsten sein müssen und was an Strukturwandel zu schaffen ist, damit wir das aufhört. Das wird durch die Wahl eines Faschisten zum Präsident Brasiliens nicht einfacher – nur dringlicher.
November 23, 2018 at 11:58 am
PE:
Nichtsdestotrotz sind die Politiker die Marionetten ihrer Geldgeber.
H-H:
Nein, n meinen Augen ist das ein schlimmes Pauschalurteil, das für eine nicht geringe Anzahl Politiker eine Beleidigung darstellt, die keineswegs gerechtfertigt ist und auf den Pauschalierer zurückfällt. Das ist aus der Dogmenkiste eines ganz „linken“ Sektierertums. Moralismus statt Analyse und Kritik. Das unterscheidet sich dann nicht vom rechten Populismus. So etwas können wir uns nicht leisten.
PE:
Ich ergänze bzw. korrigiere: Natürlich darf man nicht alle Politiker in einen Topf werfen, sie nutzen die Spielräume, die sie haben, schon unterschiedlich aus. Die Politiker der Linken halte ich grundsätzlich für weniger verdächtig, diese Partei erhält ja auch viel weniger Parteispenden als die CDU (das war bei der SPD auch einmal der Fall). Und bei der Erpressung durch die US-Geheimdienste („Die Welt“) wird vermutlich kein Geld gezahlt. Ansonsten beruht meine – zugegebenermaßen zugespitzte – Aussage u. a. auf folgenden Befunden.
1) Vor einigen Jahren gab es ca. 4500 Personen, die ständigen Zugang zum Bundestag hatten, dort aber nicht arbeiteten, mithin einige Journalisten und viele Lobbyisten: 7 pro Abgeordneter/n! Dass das demokratisch bedenklich ist, kannst Du in dem Büchlein „Vorbild mit kleinen Fehlern“ des ehemaligen CDU-MdB Wolfgang Börnsen nachlesen. Diese Zahl habe ich von einem inzwischen verstorbenen Lobbyisten und Besitzer eines solchen Ausweises, Herr Börnsen hat sie mir bei einer Buchvorstellung bestätigt.
2) Wozu sind Deiner Meinung nach die sog. Parteispenden da und die persönlichen Zuwendungen an einzelne Politiker? (Die Bundestagsverwaltung ahndet die Vergehen kaum noch, vielleicht berichten die Massenmedien deshalb nur noch selten hierüber. Ich unterstütze deshalb abgeordnetenwatch.de und LobbyControl.)
3) Eine deutliche Mehrheit der MdBs weigert sich ihre Einkünfte offenzulegen. (Richtig, auch hier gibt es Unterschiede zwischen den Politikern, große sogar.)
4) Zuhauf sitzen Lobbyisten in Ministerien, gibt es Beraterverträge. (Was tun die jeweiligen Ministerien und ihre Ämter??)
5) Die Bundesregierung blockiert in Brüssel geringere Abgas-Grenzwerte.
6) Ich kenne nur zwei Fälle, in denen Abgeordnete ihr Abgeordnetenmandat zurückgegeben haben, als sie Minister wurden: Regine Hildebrandt und Matthias Platzeck, beide in Brandenburg. Für mich als „geborenen Demokraten“ (Platzeck) ist das eine Selbstverständlichkeit.
7) Möllemann ist so weit nach oben gekommen, weil er viel Geld herangeschafft hat.
November 24, 2018 at 12:53 am
Gut, dass es „Lobby-Control“ gibt, Das meinte ich mit neoliberalem Extremismus. Der ist natürlich auch Ausdruck einer strukturellen Entwicklung, wie dem erreichten Konzentratonsgrad und der damit verbundenen Konzernmacht. Natürlich muss der Lobbyismus zurückgedrängt werden und für Transparenz gesorgt. (Weshalb das populistische Gezeter über Diätenerhöhungen ja auch fragwürdig ist)
Worum es mir geht ist, dass das Problem tiefer liegt und ganz unabhängig vom bösen oder guten Willen der politischen Akteure (unter Einschluss der Wähler*innen) existiert: Akteure der Politik bzw. staatliches Handeln sind vom Wirtschaftserfolg der nationalen Steuerzahler und von heimischen Arbeitsplätzen, die möglichst stabile und nach Möglichkeit auch wachsende Einkommen ermöglichen, existenziell abhängig. Wettbewerbsfähigkeit ist deren A und O. Das liegt aber nicht selten quer zu politischen Zielen in Richtung Mitmenschlichkeit und ökologischer Vernunft, die von den politisch Verantwortlichen sogar schon formuliert wurden wie etwa den Nachhaltigkeitszielen der UN oder das 1,5 Grad Ziel von Paris. Hier gilt es anzusetzen.
Der Gedanke an die Notwendigkeit einer weltgemeinschaftlich bestimmten Gestaltung der Produktionsbedingungen kann sich in der notwendigen Tiefe und Breite nur aus der politischen Praxis heraus entwickeln. Ganz unabhängig von der persönlichen Meinung über den Kapitalismus und der Notwendigkeit seiner (öko-) kommunistischen Aufhebung dürfte es prinzipiell einzusehen sein, dass Welthandelsregeln etabliert werden müssen, die dafür sorgen, dass Raubbau an Mensch und Natur nicht weiter von den Märkten (den Kunden) belohnt werden. Also gilt es, dahin gehend Schritte zu organisieren und das dabei gelernte emanzipationsproduktiv zu verarbeiten.
November 24, 2018 at 9:03 pm
Ja, natürlich: Hierin ist die bürgerliche der bolschewistischen Diktatur haushoch überlegen.
November 24, 2018 at 9:58 pm
Worin?
November 25, 2018 at 11:58 am
Darin, die Bevölkerung einzulullen und im Großen und Ganzen zufriedenzustellen.
November 25, 2018 at 1:13 pm
Diese Antwort spricht doch eher für die nachhaltige Wirksamkeit der „realsozialistischen“ Dauerpropaganda. Ede Schnitzer ist tot, aber der Schwarze Kanal lebt.
November 25, 2018 at 4:26 pm
??
November 25, 2018 at 8:53 pm
Es gibt keine bürgerliche Diktatur, die gleich einem bewusst handelnden Subjekt imstande wäre, „die Bevölkerung einzulullen“. Das ist Täteräsprech.
November 26, 2018 at 6:13 am
„Gleich einem bewusst handelnden Subjekt“ habe ich nicht geschrieben. –
Ein Freund von mir ist aus der DDR geflohen, wegen der Reisebeschränkungen und der Propaganda. Er empfindet die jetzige Propaganda in den meisten deutschen Massenmedien als noch schlimmer. –
In „Gruppenbild mit Dame“ heißt es, man solle nicht die gesellschaftlichen Einsichten einer Schicht wie die der Immobilienbesitzer unterschätzen.
November 26, 2018 at 7:32 pm
Manchmal ist es gut, seinen Empfindungen zu misstrauen.
November 24, 2018 at 9:06 pm
Die Diäten sind es in der Tat (noch) nicht wert, diskussiert zu werden, liegen sie doch (noch) weit unter vergleichbaren Entlohnungen in der Industrie. Das Problem sind die Nebenverdienste und also Abhängigkeiten.
November 24, 2018 at 9:13 pm
Der Zwang zum Wachstum in der kapitalistischen und finanzkapitalistischen Wirtschaft widerspricht nicht nur „nicht selten“, sondern grundsätzlich den „Zielen in Richtung Mitmenschlichkeit und ökologischer Vernunft“.
Abgesehen davon hat ihn bereits der Club of Rome ad absurdum geführt.
November 24, 2018 at 10:00 pm
Ich bin ein wenig vorsichtig mit Allerweltsweisheiten, für die überhistorische Gültigkeit beansprucht wird.
November 25, 2018 at 11:31 am
„Die Grundgesetze sind einfach – ihre Anwendung ist es mitnichten.“
November 25, 2018 at 1:15 pm
Ist das auch von Brecht?
November 25, 2018 at 4:24 pm
Nein, das ist aus meinem Lehrbuch „Von der klassischen Physik zur Quantenphysik. Eine historisch-kritische deduktive Ableitung mit Anwendungsbeispielen aus der Festkörperphysik“ (Springer 2006), S. 173. Ich hoffe, es gefällt Dir 🙂
November 25, 2018 at 8:46 pm
Die Behauptung, dass wachsender Warenreichtum von Beginn an, immer und überall Geboten der Mitmenschlichkeit und der ökologischen Vernunft widerspricht, wird noch um einiges falscher, wenn man das zum Grundgesetz erhebt, das nur schwierig anzuwenden ist.
November 26, 2018 at 6:21 am
Ich habe nicht „wachsender Warenreichtum von Beginn an“ geschrieben.
November 26, 2018 at 7:25 pm
Ohne Zwang zum Wachstum gäbe es das wachsende Warenangebot aber nicht.
November 26, 2018 at 7:48 pm
Wenn Waren nicht künstlich zerstört werden (Krieg, eingebaute Sollbruchstellen, übertriebener Zwang nach neuesten Produkten und neuester Mode, …), findet Warenzuwachs auch bei nicht gleichbleibender Produktion statt, mithin bei steigender Produktivität sogar bei sinkendem Verbrauch von Ressourcen! (Wir benutzen immer noch die Nähmaschine meiner Oma.)
November 27, 2018 at 11:34 am
Ja, danke. Bin schon weg.
November 27, 2018 at 8:16 am
Hallo Ihr beiden,
nehmts mir nicht übel, aber die Kommentarfunktion bei Blogbeiträgen ist nicht dazu da, so was wie Chats oder Whatsapp-Gespräche oder Mailkommunikation zu ersetzen. Wenn es nicht wirklich um den oben stehenden Text geht, verlagert Euer Gespräch bitte auf andere Kanäle.
(im gaaaanz weiten Sinne geht es natürlich immer auch um irgend etwas, was mit dem Text im Beitrag zu tun hat. Aber Ihr merkt schon, dass ihr da nicht mehr dabei seid, oder?)
November 27, 2018 at 11:39 am
War in die falsche Zeile gerutscht. also jetzt aber wirklich.
November 27, 2018 at 8:44 pm
Liebe Annette,
das tut mir leid, das hatte ich nicht vor, sondern wähnte mich nach wie vor bei „Geschichts-Optimismus/-Pessimismus“, „revolutionärer Situation“ und „neoliberale Konterrevolution“ bzw. „Finanz-Kapitalismus“. —
In der Tat ist der Fortschritt nicht garantiert, wie der Auf- und Abstieg verschiedener Länder und Kulturen bezeugt – aber was überhaupt ist Fortschritt?? —
Was kann, oder besser: muss heute getan werden, um die Erde bewohnbar zu lassen? Alle wissen es – viele leugnen es: aus Eigeninteresse. —
Am Ende lässt sich dieses Problem im Rahmen des (Finanz-)Kapitalismus nur punktuell angehen, nämlich dort, wo die Zustände unerträglich geworden sind. „Blackout“-Lösungen (Psychologe im Deutschlandfunk über das Merkel) wie bei der sog. Energie-Wende schaffen dagegen mehr Probleme, als sie lösen.
November 27, 2018 at 10:00 pm
Wähnte mich am Thema: Auf materielle Hemmnisse und Bedingungen (Vorbedingungen, Prozessbedingungen) einer öko-kommunistischen Transformation schauen statt mit anti-kapitalistischen Agit Prop zu langweilen, Hemmnisse, Möglichkeit und Gefahren einer revolutionären Situation erkennen, wie sie sich aus den ökologischen Aspekten der gegenwärtigen Widersprüche zwischen Produktivkraftentwickelung und -anwendung entwickeln, statt die Hoffnung aufzugeben, zu Konzepten zu kommen. mit denen es gelingen könnte, emanzipationsproduktiv in die „reale Dialektik […] des Fortschrittsprozesses“ einzugreifen.
November 27, 2018 at 9:18 pm
Sehe gerade Report Mainz: Sollte HHH auch mal tun, bevor er mein Zitat „Der Staat ist das Instrument der herrschenden Klasse“ kommentiert – danke, ARD 🙂