Unterscheidung von Widersprüchen der Bewegung und Widersprüchen der Entwicklung

Zur Vorbereitung eines Vortrags[1] für die Tagung der Ernst-Bloch-Assoziation vom 2.-4. November 2018 in Hamburg stellte ich verschiedene philosophische Begriffe rund um das Thema „Widersprüche“ zusammen. Dabei fiel mir nicht zum ersten Mal auf, dass entgegen der vereinfachenden Losung, die Widersprüche seien Quelle und Triebkraft der Entwicklung, Widersprüche auch zu einer bloß das Vorhandene reproduzierende Bewegung führen können. Auch Lenin spricht, Hegel folgend, zuerst nur von selbsttätiger „Selbstbewegung“ (LW 38: 131,), schließt aber an einer Stelle sogleich auch das „Abbrechen der Allmählichkeit“ und das „Umschlagen in das Gegenteil“ im Sinne des „Vergehen[s] des Alten und Entstehen[s] des Neuen“ (ebd.: 339) an. In dieser Tradition wurde ein Widerspruch letztlich immer als „ein dynamisches, spannungsgeladenes Verhältnis“ begriffen, „als ein Verhältnis, das, wie Marx sagte, zu seiner Auflösung drängt.“ (Einführung… 1977: 214). Ist das tatsächlich so? Sind Widersprüchlichkeit und Auflösung des die Widersprüchlichkeit enthaltenden Ganzen notwendigerweise miteinander verbunden? Es ist sinnvoll, hier zwischen „Bewegung“ und „Entwicklung“ zu unterscheiden. Bei „Bewegungen“ als Veränderung bleibt die Grundqualität des sich Bewegenden trotz ständigem Wechsels erhalten; erst wenn qualitativ neue Grundqualitäten entstehen, wird von „Entwicklung“ gesprochen.

Die Unterscheidung „Widersprüche der Bewegung“ und „Widersprüche der Entwicklung“ wurde bereits von Stiehler (1967: 88) und von Horstmann (1986: 74) getroffen. Diese Unterscheidung macht auch eine Unterscheidung von Dialektik“arten“ sinnvoll: im ersten Fall besteht eine „Bewegungs-Dialektik“ und im zweiten eine „Entwicklungs-Dialektik““.

Widersprüche der Bewegung

Manchmal werden bereits polare Gegensätze als „Widersprüche“ bezeichnet. Das Verhältnis „Nordpol“-„Südpol“ ist solch ein polares Verhältnis. Der „Nordpol“ ist nicht der „Südpol“ und umgekehrt. Jeder negiert den anderen. Dabei ist der Nordpol aber gemeinsam mit dem Südpol als „Pol“ bestimmt. Dieses Verhältnis ist jedoch statisch. Auch beim „Vater“-„Sohn“-Verhältnis, dass durch eine Elternschaftsbeziehung verbunden ist, bestimmen sich die Bedeutungen der beiden polar-gegensätzlich verbundenen Bestimmungen gegenseitig (der „Vater“ ist Vater des „Sohns“ und der „Sohn“ ist Sohn des „Vaters“), aber diese Bedeutungen verändern sich dabei nicht. Auch bei der „relativen Wertform“ und der „Äquivalentform“ der Ware im „Kapital“ liegt solch ein polares Verhältnis vor, sie bilden keinen „echten“ Widerspruch, weil die Dinge zu verschiedenen Zeitpunkten und in anderen Austauschbeziehungen die jeweils andere Wertform annehmen können (vgl. Vazjulin 2002: 101).

Anders ist das beim Ablaufen von gegensätzlichen Prozessen wie der „Assimilation“ und der „Dissimilation“ in lebenden Organismen. Sie ermöglichen gemeinsam die Bildung eines relativen stabilen Organismus. Gleichzeitig sind beide Prozesse ohne diesen Organismus jeweils alleine auch nicht möglich (zumindest nicht in der gleichen Weise). Durch die Prozesse erhält sich der Organismus selbst, er vollzieht durch sie hindurch eine Bewegung der Selbstreproduktion. Die „Lösung“ eines Widerspruchs besteht hier in dieser Selbstreproduktionsbewegung. Hegel drückt das so aus, „daß die Bewegung der daseiende Widerspruch selbst ist“ (HW 6: 76).

Was unterscheidet diese Widersprüche der Bewegung von polaren Gegensätzen? Gärungsprozesse an sich finden z.B. auch außerhalb von Organismen statt, Gravitation ist nicht nur auf Sterne bezogen. Wenn sie allerdings als Momente der Reproduktion von übergreifenden Einheiten (Organismen, Sternen) auftreten, ändern sie ihre Bedeutung. Dies unterscheidet diese Widersprüche von polaren Gegensätzen.

Solche durch Bewegung reproduzierten Strukturen dialektisch zu beschreiben, darf nicht gleich als „Versöhnung“ missverstanden werden. „Es braucht wohl nicht besonders betont zu werden, daß die Durchdringung der Gegensätze nicht mit ihrer Versöhnung verwechselt werden darf. Diese will den Widerspruch eliminieren, jene hingegen fußt auf seiner Anerkennung und drückt das Moment der Einheit aus, das alle Widerspruchsbeziehungen charakterisiert.“ (Stiehler 1960: 48)

Im „Kapital“ erklärt Marx den Kapitalismus mit seinen vielfältigen Reproduktionswechselwirkungen. Er zeigt, wie sich das Kapitalverhältnis immer wieder selbst reproduziert, und Widersprüche sind hier nicht per se Faktoren, die zur „Auf-Lösung“ des Systems führen, sondern als Lösung (der systematisch-logischen Durchdringung beim Erkennen und der historischen Veränderung) immer wieder neue Reproduktionsformen als Bewegungsformen finden. „Man sah, daß der Austauschprozeß der Waren widersprechende und einander ausschließende Beziehungen einschließt. Die Entwicklung der Ware hebt diese Widersprüche nicht auf, schafft aber die Form, worin sie sich bewegen können. Dies ist überhaupt die Methode, wodurch sich wirkliche Widersprüche lösen. Es ist z.B. ein Widerspruch, daß ein Körper beständig in einen andren fällt und ebenso beständig von ihm wegflieht. Die Ellipse ist eine der Bewegungsformen, worin dieser Widerspruch sich ebensosehr verwirklicht als löst.“ (MEW 23: 119)

Widersprüche der Entwicklung

Es müssen nicht Widersprüche der Bewegung sein, die sich zu Widersprüchen der Entwicklung „zuspitzen“. Die beiden Widerspruchsformen kann es auch relativ unabhängig voneinander geben. Widersprüche innerhalb der Zirkulationsform und auch zwischen Zirkulations-und Produktionsform im Kapitalismus sind Widersprüche der Bewegung – nach Marx sind jedoch der Widerspruch zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen (auf der Strukturseite) und der zwischen Kapital und Arbeit (auf der Akteursseite) potentielle Widersprüche der Entwicklung.

In der Kapitalismuskritik werden unterschiedliche Formen von Gegensätzen/Widersprüchen verwendet:

  • Der Gegensatz von Armut und Reichtum ist dabei „nur“ ein Gegensatz, aber kein Widerspruch, denn „Arme und Reiche können nebeneinander leben, ohne daß sie in Kampf miteinander geraten“ (Stiehler 1977: 36).
  • Auch die Gegensätzlichkeit zwischen „Eigentumslosigkeit und Eigentum“ ist nur „ein noch indifferenter, nicht in seiner tätigen Beziehung“ gefasster Gegensatz (Marx: MEW 40: 533).
  • „In seiner tätigen Beziehung“ ist der Gegensatz erst als „Gegensatz der Arbeit und des Kapitals“. Zumindest liegt das in ihren Verhaltensmöglichkeiten (auch wenn sie diese nicht immer verwirklichen).

Uns interessieren nun die Widersprüche der Bewegung, die zu Widersprüchen der Entwicklung werden können. Auch im traditionellen Marxismus werden die Gegensätze in der Einheit nicht ruhiggestellt, sondern letztlich gibt es eine negierende Selbstbeziehung einer Einheit, die in sich enthält sich selbst und das, was in ihr im Gegensatz steht. Diese Einheit von Einheit und Gegensatz hat rein logisch eine antinomische Struktur (durch den negierenden Selbstbezug). Man kann den negativen Selbstbezug noch einmal vom Gegensatz aus formulieren: Die Gegensätze sind in der Einheit und die Gegensätzlichkeit steht noch einmal im Gegensatz zur Einheit selbst. Im Marxismus wurde dies zur Formel von der „Einheit und „Kampf“ der Gegensätze“ (z.B. Klaus u.a. 1959: 14).

Gesellschaftstheoretisch werden die Entwicklungswidersprüche vor allem als antagonistische Widersprüche diskutiert. Ein antagonistischer Widerspruch ist ein Widerspruch, „in welchem die Entwicklung einer seiner Seiten durch die bloße Existenz der anderen Seite behindert wird, und deren Unterdrückung von einem gewissen Punkt an voraussetzt“ (Séve 1976: 87). Die Behinderung von jeweils einer Seite durch die Existenz der anderen kann auch so ausgedrückt werden, dass die jeweiligen Existenzbedingungen unverträglich sind (vgl. Fiedler u.a. 1979: 133).

Abgesehen vom Wesen wird auch von einer „antagonistischen Form“ von Widersprüchen gesprochen. Gemeint ist hier die Plötzlichkeit, d.h. die Explosivität der Wirkung des Widerspruchs. Auch bei einem nicht antagonistischen Widerspruch kann nach Séve der normale Verlauf der Wirkung explosive  Formen annehmen, so, wenn ein äußeres Hindernis den normalen Ablauf, d.h. eine evolutionäre Veränderung, lange Zeit verhindert. Es kommt dann zu einer „mehr oder weniger vollständige[n] Gleichzeitigkeit aller „molekularen“ Veränderungen“ (ebd.: 89).

Häufig wird ein Übergang vom Stadium des „Widerspruchs der Bewegung“ in das Stadium des „Widerspruchs der Entwicklung“ bei fortschreitender „Reife“ angenommen. Stiehler verwendet die Kategorie des „Widerstreits“[2] für die Phase, in der durch das Moment der Nichtübereinstimmung im Widerspruch ein Spannungsverhältnis entsteht, das auf Ent-Spannung drängt (Stiehler 1977: 148). Andere sehen im „Kampf“ Prozesse am Wirken, die zur Auflösung des relativen dynamischen Gleichgewichts hinstreben (Eichhorn I u.a. 1967: 445). „Kampf“ kommt also zum „Gegensatz“ (in der Einheit) noch hinzu, ist nicht ganz gleichbedeutend damit. Nach Lenin ist die Einheit in solchen Widersprüchen nur „bedingt, zeitweilig, vergänglich, relativ“ (LW 38: 339), der Kampf jedoch ist „absolut“, denn er bringt durch die Auf-lösung des alten Widerspruches Entwicklung mit sich. Auch Ernst Bloch betont den historischen Charakter, bei dem Widersprüche „reifen“:

„Und in der erreichten Gewordenheit selber reift ihr Widerspruch, reift die Negation des Gewordenen, die es aufhebt.“ (Bloch SO: 124)

In der idealistischen Philosophie Hegels rührt die Notwendigkeit des Sprungs ins Neue daher, dass eine sog. „strikte Antinomie“ auf der bis dahin erreichten Ebene nicht auflösbar ist, aber in einer Metaebene eine Auflösung erreichen kann (vgl. Kesselring 1984, Wandschneider 1990, 1997; Ritsert 2008). Was bedeutet dies in einer materialistischen Dialektik? Hier kann zwar die Form des Übergangs aus der idealistischen logischen Entwicklung heuristisch anregend sein – die tatsächlichen Wirkfaktoren des „Reifens“ und des Umschlags müssen jedoch jeweils konkret aus den materiellen Umständen gefunden werden. Im Kosmos und für die Formen des Lebens geschieht der Übergang von den Widersprüchen der Bewegung zu Widersprüchen der Entwicklung durch eine Veränderung der Bedingungen, nicht allein aus irgendeiner „logischen Ableitung“ (siehe Schlemm 1996). Während der Fortgang der (ideellen) Kategorienentwicklung „durch unsere konstruktivistisch-hermeneutische Zutat (über Diskrepanz dessen, was die Ausgangskategorie meint und was sie wirklich aussagt“ (vgl. Reusswig, Ritsert 1991: 5) geschieht, verändern sich in der realen Entwicklung Bedingungen.[3]

Diese Bedingungsänderungen können entweder durch die eigene Aktivität erfolgen (z.B. bei der Entwicklung der gesellschaftlichen Produktiv- und Destruktivkräfte der Arbeit) oder „von außen“ an das sich Bewegende einwirken (z.B. beim Auftreffen eines Asteroiden auf der Erde beim Aussterben der Saurier). Solche Bedingungsänderungen verändern dann nicht nur Bedeutungen, sondern Existenzbedingungen. Die Widersprüche können dann nicht mehr vermittelt werden, sie sind  „auf die Spitze getrieben“ (MEW 20: 533).

Der frühe Engels beschreibt so etwas für die Konkurrenz im Kapitalismus:

„Der Kampf von Kapital gegen Kapital, Arbeit gegen Arbeit, Boden gegen Boden treibt die Produktion in eine Fieberhitze hinein, in der sie alle natürlichen und vernünftigen Verhältnisse auf den Kopf stellt.“ (MEW 1: 516)

Die Lösung dieses zugespitzten Widerspruchs geschieht durch eine Revolution:

„Wir vernichten den Widerspruch einfach dadurch, daß wir ihn aufheben. Mit der Verschmelzung der jetzt entgegengesetzten Interessen verschwindet der Gegensatz zwischen Übervölkerung hier und Überreichtum dort…“ (ebd.: 520)

Interessant ist, dass diese Aussicht hier noch ohne die für spätere Arbeiterparteien typische Siegesgewissheit verkündet wird.

„Im Kampf siegt der Stärkere[4], und wir werden, um das Resultat dieses Kampfes vorauszusagen, die Stärke der Kämpfenden zu untersuchen haben.“ (ebd.: 521).

Wenn ein Widerspruch sich zugespitzt hat, löst er sich nicht von allein auf. „Der Widerspruch muß ergriffen werden“ schreibt Bloch (SO: 149). „Erst dann wird der auch objektive Widerspruch gegen die Erstarrung, wird diese zur puren Vernichtung selbst widerspruchsvolle Tendenz in der objektiven Realität voll aktiviert.“ (ebd.)

„Widersprüche an sich bewegen nichts, sondern nur Widersprüche, die im Handeln der Menschen bestehen und sich bewegen.“ (Stiehler 1977: 156)


Literatur

Bloch, Ernst (SO): Subjekt-Objekt. Erläuterungen zu Hegel. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1985.

Eichhorn I, Wolfgang; Klaus, Georg; Kröber, Günter (1967): Der dialektische Widerspruch als Quelle der Bewegung und Entwicklung. In: Kosing, Alfred (Lt. und Red.): Marxistische Philosophie. Lehrbuch. Berlin: Dietz-Verlag. S. 429-491.

Engels, Friedrich (MEW 1): Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie. In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke, Band 1. Berlin: Dietz-Verlag 1962. S. 499-534.

Einführung… (1977): Einführung in den dialektischen und historischen Materialismus. Berlin: Dietz Verlag.

Fiedler, Frank u.a. (Hrsg.) (1979): Dialektischer und historischer Materialismus. Berlin: Dietz-Verlag 1979.

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (HW 6): Wissenschaft der Logik II. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1970.

Horstmann, Hubert (1986): Der dialektische Widerspruch im universellen Zusammenhang. In: Gerhard Bartsch (Hrsg.): Der dialektische Widerspruch. Berlin: Akademie-Verlag. S. 51-99.

Kesselring, Thomas (1984): Die Produktivität der Antinomie. Hegels Dialektik im Lichte der genetischen Erkenntnistheorie und der formalen Logik. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Klaus, Georg; Kosing, Alfred; Redlow, Götz (1959): Einheit und Kampf der Gegensätze. Berlin: Dietz Verlag.

Lenin, Wladimir Iljitsch (LW 38): Werke, Band 38 („Philosophische Hefte“). Berlin: Dietz Verlag. 1964.

Marx, Karl (MEW 23): Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Erster Band. In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke, Band 23. Berlin: Dietz-Verlag 1962..

Marx, Karl (MEW 40): Ökonomisch-philosophische Manuskripte. In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke, Band 40. Berlin: Dietz Verlag 1962. S. 465-588.

Philippi, Emily; Schlemm, Annette; Strobel, Fabian (2019): Widerstände – Gegensätze – Widersprüche bei Hegel, Marx und Bloch – und sie bewegen sich/uns doch…. Vortrag auf der Tagung der Ernst-Bloch-Assoziation vom 2.-4. November 2018 in Hamburg. In Veröffentlichung.

Reusswig, Fritz; Ritsert, Jürgen (1991): Marxsche Dialektik. Stichworte zu einer unendlichen Geschichte. Seminarmaterialien 11. Online: (abgerufen 2018-03-04)

Ritsert, Jürgen (2008): Dialektische Argumentationsfiguren in Philosophie und Soziologie. Hegels Logik und die Sozialwissenschaften. Münster: Verlagshaus Monsenstein und Vannerdat.

Ruben, Peter (1966): Der dialektische Widerspruch. Online (abgerufen 2018-03-13)

Schlemm, Annette (1996): Daß nichts bleibt, wie es ist… Band I: Kosmos und Leben. Münster. LIT-Verlag.

Sève, Lucien (1976): Über die materialistische Dialektik. Frankfurt am Main: Verlag Marxistische Blätter.

Stiehler, Gottfried (1960): Hegel und der Marxismus über den Widerspruch. Berlin: Dietz Verlag.

Stiehler, Gottfried (1967): Der dialektische Widerspruch. Formen und Funktionen. Berlin: Akademie-Verlag.

Stiehler, Gottfried (1977): Widerspruchsdialektik und Gesellschaftsanalyse. Berlin: Dietz Verlag.

Vazjulin, Viktor A. (2002): Die Logik des „Kapitals“ von Karl Marx. Books on Demand GmbH: Norderstedt.

Wandschneider, Dieter (1990): Das Problem der Entäußerung der Idee zur Natur bei Hegel. In: Hegel-Jahrbuch 1990. S. 25-33.

Wandschneider, Dieter (1997): Zur Struktur dialektischer Begriffsentwicklung. In: Das Problem der Dialektik (Hrsg. Dieter Wandschneider). Bonn: Bouvier Verlag. S. 114-169.


[1] Der Vortrag wird veröffentlicht als Philippi, Schlemm, Strobel 2019 im Jahrbuch der Ernst-Bloch-Assoziation.

[2] Er verwendet die Kategorie „Widerstreit“ anders als Peter Ruben (Ruben 1966: 18-19).  Beide Vorschläge wurden vom marxistisch-leninistischen „Mainstream“ nicht aufgegriffen.

[3] Beim Fortgang der Kategorienentwicklung wird der pragmatische Sinnüberhang, der bloß noch explizit gemacht wird, vorausgesetzt; bei der wirklichen zeitlichen Entwicklung ist die Entstehung von Neuem nicht bloß das Ausfalten von vorher schon Implizitem und auch wo sie so gedeutet werden kann, gelten natürlich nicht die gleichen Entfaltungs-Mechanismen. Deshalb kann ist der Übergang (das „Umstülpen“) von einer Hegelschen Dialektik zu einer materialistischen Sichtweise nicht einfach durch das Weglassen des „Mystischen“ geschehen und auch nicht bloß durch das „Umkehren“ in dem Sinne, dass man anstatt „Negationen“ zu denken, sich darunter im Materiellen jegliches (durch Anderes bewirktes) Verschwinden vorstellt.

[4] Der Bruch zwischen den Gesellschaftsordnungen ging für die marxistische Philosophie in der DDR so weit, dass das Proletariat, das innerhalb des Kapitalismus gegen die Bourgeoisie steht, nach dem Kapitalismus auch nicht dasselbe bleibt. Oft wurde dann mit der Unterscheidung operiert, im Kapitalismus würden die ausgebeuteten Arbeitenden als „Proletarier“ bezeichnet, im Sozialismus als befreite Arbeitende als „Arbeiterklasse“. „Der Klassenkampf zwischen ihnen kann nur aufhören, wenn diese Klassen nicht mehr existieren…“ (Fiedler u.a. 1979: 133) – d.h. auch das ausgebeutete Proletariat existiert nicht mehr. Insofern siegt das Proletariat nicht wirklich, sondern nur, wenn es sich zur Arbeiterklasse wandelt.