Auf dem Eröffnungs- und der Abschlussplenum sowie in weiteren Workshops der Konferenz  „Great Transformation: Die Zukunft moderner Gesellschaften“ waren VertreterInnen der Klimabewegungen wie „Students For Future“ aktiv vertreten. Soweit ich  mitbekommen habe, konnten FFF-Vertreterinnen auch kostenlos an der recht teuren Veranstaltung teilnehmen.

Ich hatte während die Eröffnung der Konferenz lief noch eine andere Veranstaltung mit dem israelischen Aktivisten Uri Gordon über „Strategies for Ecological Collapse“ besucht. Die Strategien, auf die es dabei hinausläuft, sind jene, die Anarchisten schon lange propagieren: Er sprach von einer „anarchistischen Toolbox“, und dass es für das Handeln kein Rezept geben könne. Als grundlegendes Handlungsprinzip solle aber gelten, dass die gewählten Mittel mit dem Ziel übereinstimme müssen, also z.B. in der Herrschafts- und Hierarchiefreiheit.

Zum Kollaps hat Uri Gordon eine nüchterne Einschätzung: Der Kollaps ist „on the way“. Um klar zu sehen, müssen wir „die Hoffnung auf Normalität aufgeben“. „We are not asking for optimism – we are asking for survival.“ Letztlich geht es darum, mit den sozialen Folgen umzugehen. Hier kann es, wenn wir nicht gegenhalten, zu einem Rollback von Demokratie und Menschenrechten kommen. Auch in der Konferenz „Great Transformation: Die Zukunft moderner Gesellschaften“ gab es niemandem, der diese harte Diagnose in Frage gestellt hätte. Es wurde von „harten Verteilungskämpfen“ gesprochen, die zu befürchten sind (und denen gegenüber es nicht viel Sinn macht, „resonanztheoretisch“ entkommen zu wollen…). Es wurde auch als möglich angesehen, dass es auch bei uns zu Zuständen kommen kann wie in der Türkei, wo es solche öffentlichen Räume wie hier bei der Konferenz einfach nicht mehr gibt.

Angesichts der Brisanz und Nähe dieser Gefahren hat das Nachdenken über ein demgegenüber angemessenes Vorgehen gerade erst begonnen. Nach Uri Gordon, um auf ihn zurück zu kommen, ist es sehr wichtig, alltäglich wirkende kulturelle und materielle Infrastrukturen zu entwickeln, die Menschen aus ihrer Isolation herauszuholen. Die in der Veranstaltungsankündigung gestellte Frage: „how can radicals struggle for more – rather than less – freedom, equality and solidarity – even through the process of a collapse?“ blieb für mich dennoch einigermaßen offen.

Vor allem auf Nachfrage äußerte sich Uri  Gordon auch zu den bestehenden Klima-Bewegungen. Nicht alles läuft da schon rund:

  • Die Bewegungen „erfinden das Rad immer wieder neu“, wo es doch darauf ankommt, „kumulative“ Erfahrungen fruchtbar zu machen.
  • Eine Reduzierung auf eine „Politik der Forderungen“ ist nicht ausreichend und wirkungsvoll genug.

Auch Blockaden sind noch „performativ“, d.h. darstellend, ohne selbst Veränderungen zu bewirken. Besser wäre die direkte Aneignung, d.h. z.B. die Umgestaltung von Plätzen durch Bepflanzung (wie ich sie schon 2009 mal in Athen erlebt hatte).

Es gibt auch einen Unterschied zwischen „Gewaltfreiem Widerstand“ (bei XR) und „Direct Action“, bei der „keine Macht an Interessenvertreter, etwa Parlamentarier oder Gerichte delegiert [wird]: Betroffene werden unmittelbar zur Durchsetzung ihrer Interessen tätig.“ (Wikipedia).

  • Problematisch ist auch eine Bewegung, bei der die Idee und der Plan praktisch „von oben“ kommt, wie es bei XR ist, soweit die Konzepte aus GB einfach nur weiter gegeben werden.

Christian Zeller hatte im Workshop zu Ökosozialismus auf der Konferenz noch auf eine Gefahr hingewiesen, die in der näheren Zukunft zuschlagen könnte: Es besteht die Gefahr, dass die Klimaschutz-Gegner die Klassenfrage auf ihre Seite ziehen: indem sie eine Kampagne lostreten, in der die Klimabewegungen, insbesondere FridaysForFuture, als privilegierte Gruppe darstellen, die sich gegen die Interessen der  Arbeitenden richtet. Darauf müssen wir uns vorbereiten und wir können es nur, indem wir die ökologischen Probleme tatsächlich nie gegen die sozialen ausspielen lassen!