Manchmal sehen wir den Mond schon rot, nämlich wenn die Erde das Sonnenlicht für den Mond abschattet. Das Licht wird dann in der Erdatmosphäre gebrochen und erscheint rötlich – wir sehen einen sog. „Blutmond“. Auf dem Mond selbst ist dann auch alles rotgefärbt, dies sehen aber nur jene, die grad auf dem Mond arbeiten oder Urlaub machen. Im neuen Roman von Kim Stanley Robinson ist der Mond längst besiedelt worden, verschiedene Nationen haben ihre Standorte in unterschiedlichen Gegenden und das wirtschaftliche wie auch das politische Geschehen auf der Erde hat sich in die Mondbahn hinein ausgeweitet. Dabei zeigt sich, dass der Mond auch im übertragenen Sinne recht rot ist: China mit seiner neuen Hegemonie auch auf der Erde hat auf dem Mond einen großen Vorsprung.
Zwischen Erde und Mond gibt es einen regen Flugverkehr. Die ProtagonistInnen des Romans sind öfter unterwegs – und die Hauptakteure eigentlich nur auf der Flucht. Und die Frau ist schwanger… Die Lage auf der Erde ist in allen Nationen ziemlich desolat. Es brodelt an allen Ecken und Enden und auf die schwangere Frau wird gehofft und sie wird gefürchtet. An die Aufstände in Hongkong erinnert man sich und fragt sich, ob sie gerade in noch größerem Maße wieder auferstehen. Und das tun sie…
Was in diesem Buch als Veränderung beschrieben wird, hat auch viel mit dem Thema Geld zu tun. Ich schrieb ja bereits einen Artikel zum Thema Geld bzw. „kein Geld“ in der SF-Literatur (Schlemm 2018) und arbeite jetzt im Folgeprojekt „Gesellschaft nach dem Geld“ an der Uni Bonn. Bei Kim Stanley Robinson wird das Geld noch nicht abgeschafft, aber seine Existenzberechtigung in Frage gestellt:
„Geld, Kapital – das sind nur Techniken, um Arbeit zu organisieren. Und die Arbeit ist das reale. […] Stell dir vor, du würdest das Wort Geld jedes Mal durch das Wort Vertrauen ersetzen.“
Das Geld wird hier auch zum Dreh-und Angelpunkt eines gesellschaftlichen Umbruchs. Die Menschen buchen einfach ihre persönlichen Ersparnisse in alternative Währungen um und betreiben dadurch „finanziellen Ungehorsam“. Dadurch brechen Märkte zusammen, Banken schließen. Mit dem neuen Geld darf nicht spekuliert werden, aber man kann weiter damit bezahlen. Das alte System ist in seinem Kern gebrochen: „Entweder es würde zu einem selbstverursachten Zusammenbruch kommen, oder die Idee einer Regierung des Volkes, durch das Volk und für das Volk würde einen überraschenden Triumph feiern.“ Das alte System wird mit dem Feudalismus verglichen, da trotz „Demokratie“ die Reichen sich ihre „Volksvertreter“ einfach kaufen können.
„Aber wenn das Geld in seiner jetzigen Form flüssiger Feudalismus ist, dann könnte diese Carboncoin-Währung doch den Versuch darstellen, etwas Besseres einzuführen. Vielleicht ist die Arbeitswerttheorie wieder zurück, nur dass die benötigte Arbeit gut für die Umwelt sein muss und das Geld nur für solche Arbeit gilt.“
Robinson muss dieses wirtschaftlich-gesellschaftliche Konzept nicht widerspruchsfrei ausarbeiten, letztlich wird es sich durch die dabei auftretenden realen Widersprüche hindurch weiter entwickeln und als Autor kann Robinson seine ProtagonistInnen durchaus in diese offene, ungeklärte Situation stellen:
„Was wird das für Folgen haben?“
„Keiner weiß es. Manche sagen, dass diese Währungen eine Art freies Geld sind, andere halten sie für das Ende des Geldes.“
Auch am Ende des Buches ist noch nichts wirklich entschieden. Aber ein Kind wurde geboren und auf dem Mond gibt es einen „Freien Krater“. In ihm gibt es eine „neue Form von Gemeinschaft, eine neue Lebensweise“ und sie wird als „Hauptstadt im Nirgendwo“ bezeichnet. Utopische Literatur in Bestform.
Quellen
Bild: Totale Kernschattenfinsternis. Alfredo Garcia Jr.jpg. (CC BY-SA 2.0)
Robinson, Kim Stanley (2019): Roter Mond. München: Heyne.
Schlemm, Annette (2018): Das Geld als Alien. Postmonetäres in der utopischen Literatur und Science-Fiction. In: Projektgruppe „Gesellschaft nach dem Geld“: Postmonetär denken. Eröffnung eines Dialogs. Wiesbaden: Springer VS 2018. S. 213-234.
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