Aus einer Mailinglist:
Es „wird an das vermeintlich „solidarische“ Verhalten der Bevölkerung ja auch von staatlicher Seite massiv appelliert.
Dem widerspricht die libertär-sozialistische Tradition, welche unter Solidarität nicht versteht, Gleichgemachte auf einem umgrenzten Territorium zu unterstützen, um das Elend zu kompensieren, für welches sie nicht verantwortlich sind – denn es wurde ihnen aufgebürdet und kann prinzipiell abgeschafft werden.
Unter Solidarität ist vielmehr die Unterstützung von Anderen zu verstehen, indem auf diese in ihrer Andersartigkeit Bezug genommen wird, also Beziehungen gestiftet werden, welche über eine rein materielle oder ökonomische Dimension weit hinausgehen. Solidarität meint nicht die Kameraderie unter Bürger*innen an der zusammengeschweißten Front gegen das aus ihren Gesellschaftsformen und Lebensweisen vielfach Verdrängte. Solidarität entsteht stattdessen überhaupt erst in der Begegnung mit Anderen, der Entwicklung von wechselseitiger Sympathie in gemeinsamen Auseinandersetzungen gegen die Herrschaftsverhältnisse, unter denen wir jeweils zu leben gezwungen werden. Solidarität wird nicht in der bürgerlichen Kleinfamilie praktiziert oder in der kuscheligen Wohngemeinschaft, die ersterer oftmals wenig nachsteht, sondern in der Überwindung der zwischen uns gesetzten Grenzen und dem riskanten Sprung ins Unbekannte.
Solidarität ist konkret im persönlichen Kontakt zwischen verschiedenen Menschen erfahrbar und kann gleichzeitig nicht auf diese begrenzt werden, sondern strebt danach, sich auszudehnen bis hin zu Menschen, denen wir gar nicht persönlich begegnen können, weil sie ganz woanders oder in anderen Zeiten leben. Auch wenn es schwer zu denken ist, übersteigt sie tendenziell sogar den Bereich menschlichen Lebens. Schließlich sprengt echte Solidarität im libertär-sozialistischen Sinne, den wissenschaftlich-rationalen, den bürokratisch-gesetzlichen Rahmen von Ausgleichszahlungen, sozialen und technischen „Hilfswerken“, von behördlichen Appellen und den verschiedensten Eingliederungsmaßnahmen. Echte Solidarität ist nicht am Werk, wenn jene, die sich leidenschaftlich gern kümmern, organisieren und kontrollieren, in der Krise plötzlich manisch aufblühen, weil sie nun jene Selbstwirksamkeit erfahren können, die ihnen den Eindruck verschafft, mächtig zu sein. Unterstützung, Organizing, partizipatorische und horizontale Selbstorganisation, sind die Gebote der Stunde für das Projekt des libertären Sozialismus. Doch wenn sie allein als Selbstzweck und vor allem zur Selbstbestätigung betrieben werden, handelt es sich nicht um mehr als unbezahlte Sozialarbeit auf Kosten der Einbindung des eigenen Aktionismus in die totalitären Transformationsbestrebungen. Solidarität hingegen ist sich dieser starken Sogwirkung und ihres Missbrauchs bewusst. Um den Menschen zu dienen, muss sie daher herrschaftsfeindlich werden und nach der Überwindung der bestehenden Ordnung streben.“
Nachtrag:
Wie weit sich aufgrund solcher Ereignisse die moralischen „Normalitäten“ verschieben können, zeigt der texanische Gouverneur Dan Patrick: Die Älteren sollten ruhig sterben, damit die Wirtschaft weiter laufen kann…. Daran sieht man, wie dieses Wirtschaftssystem über Leichen geht und den Opfern auch noch einredet, sich freiwillig opfern zu wollen/zu sollen.
Kostenträger, Nicht-Leister, „wollt Ihr ewig leben“?“
März 19, 2020 at 7:57 pm
„Die Begriffe sind die Werkzeuge unseres Denkens.“ Deshalb ist es immer ratsam, sich ihrer Bedeutung zu vergewissern, d. h. so genaue Begriffe wie möglich zu verwenden und sich über ihre Bedeutung zu verabreden.
A: Es „wird an das vermeintlich „solidarische“ Verhalten der Bevölkerung ja auch von staatlicher Seite massiv appelliert.
P: Weshalb „vermeintlich“?
A: „Dem widerspricht die libertär-sozialistische Tradition, welche unter Solidarität nicht versteht, Gleichgemachte auf einem umgrenzten Territorium zu unterstützen, um das Elend zu kompensieren, für welches sie nicht verantwortlich sind – denn es wurde ihnen aufgebürdet und kann prinzipiell abgeschafft werden.“
P: Meint was?
Das ist für mich so unverständlich wie Jürgen Habermas‘ Aussage „Wer sich solidarisch verhält, nimmt im Vertrauen darauf, dass sich der andere in ähnlichen Situationen ebenso verhalten wird, im langfristigen Eigeninteresse Nachteile in Kauf.“
Hier läuft die Linke Gefahr sich durch Unverständlichkeit weil Abgehobenheit ihrer Sprache zu isolieren, wie die Stamokap-Bewegung in den 1970-er Jahren.
A: „Unter Solidarität ist vielmehr die Unterstützung von Anderen zu verstehen …“
P: Mir erscheint die Andersartigkeit überbetont. Als ich als Siemens-Mitarbeiter mit und für die Osram-Arbeitnehmer demonstriert habe, habe ich das nicht getan, weil diese in einem anderen Betrieb gearbeitet haben, sondern weil sie Arbeitnehmer wie ich waren. Auch jetzt, als Unternehmer und Freiberufler, setze ich mich für die Rechte der Arbeitnehmer ein, weil das zur Menschlichkeit gehört, wie sie auch von Christentum und Islam eingefordert wird: Gebt den Armen!
NB: Dem LH-Vorstand sollte vorgehalten werden, dass Steve Jobs für 1 $ gearbeitet hat, aber das trauen sich die deutschen Massenmedien nicht.
„Der Kampf ist hart,
Und unser Feind
Ist schlauer als wir
Und hat sich vereint,
Ist schlauer als wir
Und hat sich vereint
Und will und einzeln schlagen.“
Ist der Feind nicht solidarisch unter sich selbst?
Was ist „wissenschaftlich-rationale Solidarität“?
Ich stimme zu, dass Solidarität nicht den bürokratisch-gesetzlichen Rahmen von Ausgleichszahlungen, soziale und technische „Hilfswerke“ und verschiedenste Eingliederungsmaßnahmen betrifft.
A: „Echte Solidarität ist nicht am Werk, wenn jene, die sich leidenschaftlich gern kümmern, organisieren und kontrollieren, in der Krise plötzlich manisch aufblühen, weil sie nun jene Selbstwirksamkeit erfahren können, die ihnen den Eindruck verschafft, mächtig zu sein.“
P: Zustimmung
März 19, 2020 at 8:24 pm
Kleiner Hinweis: Der Text ist nicht von mir (deshalb stimmt das „A.“ im Kommentar nicht), ich wollte ihn aber zur Kenntnis geben, weil ich ihn interessant und in den Hauptaussagen auch richtig finde
März 19, 2020 at 8:27 pm
Aussage: Solidarität meint nicht, “ Gleichgemachte auf einem umgrenzten Territorium zu unterstützen, um das Elend zu kompensieren, für welches sie nicht verantwortlich sind – denn es wurde ihnen aufgebürdet und kann prinzipiell abgeschafft werden.“
P: Meint was?
Meint, dass es keine Solidarität ist, ein Elend zu kompensieren, „für welches sie nicht verantwortlich sind – denn es wurde ihnen aufgebürdet und kann prinzipiell abgeschafft werden“.
Es bräuchte keine hungernden Menschen geben,die „Tafeln“ brauchen. Es bräuchte auf der Welt keine Flüchtenden geben, wenn sie vernünftig eingerichtet wäre… Es bräuchte keine „umgrenzten Territorien“ geben, die Lebenschancen ungleich zwischen denen drinnen und denen draußen aufteilen…
März 19, 2020 at 8:38 pm
A: Meint, dass es keine Solidarität ist, ein Elend zu kompensieren, „für welches sie nicht verantwortlich sind – denn es wurde ihnen aufgebürdet und kann prinzipiell abgeschafft werden“.
P: Das ist so unverständlich wie zuvor
A: Es bräuchte keine hungernden Menschen geben,die „Tafeln“ brauchen. Es bräuchte auf der Welt keine Flüchtenden geben, wenn sie vernünftig eingerichtet wäre… Es bräuchte keine „umgrenzten Territorien“ geben, die Lebenschancen ungleich zwischen denen drinnen und denen draußen aufteilen…
P: Das finde ich verständlich 🙂
März 20, 2020 at 9:14 am
Der zweite zitierte Satz soll den ersten erklären.
März 19, 2020 at 8:40 pm
Es gilt also auch, die ggw. LTI offenzulegen, namentlich „Umverteilung“ gegenüber „Rückverteilung“