Bei der Demo am letzten Mittwoch in Jena  gabes einen Redebeitrag aus der Ortsgruppe XR Jena. Der frei gesprochene Text wurde für diese Dokumentation noch einmal verschriftlicht:


Es soll hier mal konkret um das Thema Mobilität gehen. Wie verrückt die derzeitige Lage ist und wie schön es eigentlich sein könnte.

Wer in der Jenaer Innenstadt an einer vielbefahrenen Straße wohnt -wie bspw. der B88- weiß wovon ich rede. Dort ist es so laut, dass sofort das Stresslevel steigt und man nur so schnell wie möglich dort wegkommen möchte. Daher habe ich mich oft gefragt wie könnte es denn ohne die ganzen Autos sein?

Aber fangen wir von vorne an. Warum brauchen wir eigentlich eine Mobilitäts- bzw. Verkehrswende?

Nun, wir bewegen uns immer noch auch eine Klimakatastrophe zu. Es ist bereits 5 nach 12. Denn in anderen Teilen der Welt ist die Klimakrise bereits da. Damit wir das Schlimmste verhindern können müssen wir die CO2-Emissionen in allen Sektoren verringern. In Deutschland passiert dies in fast allen Sektoren mehr oder weniger moderat. Nur im Verkehrssektor sind die Emissionen konstant bzw. steigend. So auch in Jena, wo die CO2 Emissionen im Verkehrssektor in den Jahren von 2004-2018 um 35% gestiegen sind [1]. Damit trägt der Verkehr heute zu rund 30% der Gesamtemissionen der Stadt Jena bei! [1]. Wir müssen diese Emissionen also reduzieren.

Halt!, Moment, das heißt ja Verzicht? Wir müssen auf die Autos verzichten!?

Schauen wir doch mal auf was wir eigentlich verzichten würden!

  • Wir würden auf den Lärm der ganzen Autos verzichten. Wenn ich bspw. aus der Haustür trete, dann muss ich meine Kopfhörer etwa doppelt so laut aufdrehen, um meine Musik oder Podcasts zu verstehen, im Vergleich zu ruhigeren Orten wie zum Beispiel dem Paradies-Park.
  • Wir würden auf die Luftverschmutzung verzichten, Stickoxide, Kohlenmonoxide aus den Abgasen sowie den Feinstaub der auch durch den Reifenabrieb zustande kommt.
  • Wir würden auf eine enorme Platzverschwendung in der Stadt verzichten. Ein Auto nimmt pro Person bei 50 km/h 140 qm Fläche, im Stillstand sogar noch 14 qm, ein. Eine Straßenbahn dagegen bei 50 km/h nur 9qm und ein Fußgänger gerade mal 1 qm [2]. Diese Flächen könnten für Parks, Natur und Kultur genutzt werden. Und auch für das Stadtklima ist dies von Vorteil. Durch die vielen versiegelten Flächen heizt sich die Stadt im Sommer stark auf. Im letzten Sommer hatten wir so Temperaturen von 42°C in der Stadt! Um dem zu begegnen braucht es Flächen mit Bewuchs die Abkühlung ermöglichen und Schatten spenden, sowie Kaltluftschneisen.
  • Wir würden weiterhin auf zahlreiche Unfälle mit schweren Folgen verzichten. Denn durch das hohe Verkehrsaufkommen steigt die Unfallgefahr und durch das hohe Gewicht der Autos die schweren Folgen der Unfälle.
  • Nicht zuletzt würden wir auch auf eine ungesunde Lebensweise verzichten. Denn in einer Stadt in der die Menschen mehr zu Fuß, mit dem Rad oder ÖPNV unterwegs wären, statt jede kleine Strecke mit dem Auto zurückzulegen, wäre die Bevölkerung wesentlich gesünder und fitter.

Die Wahrheit ist also: Die Verkehrswende wäre ein Gewinn für die Menschen hier.
Nun hab ich mich gefragt, ob es noch weitere solche Mythen gibt?

Wird in der Stadt-Politik vorgeschlagen, den ÖPNV auszubauen, heißt es häufig: Das sei zu teuer für die Stadt. Das können wir uns nicht leisten! Doch ist das wirklich so?
Damit hat sich eine Studie der Universität Kassel beschäftigt [3] und dazu drei Städte: Bremen, Kassel und Kiel untersucht. Das Ergebnis: In 2 von 3 Städten sind die Ausgaben für den PkW-Vekehr höher als für den ÖPNV. Häufig wird nämlich vergessen, dass für den PkW-Verkehr auch Kosten für den Bau und die Instandhaltung der Straßen, Ampel, Winterdienst, Straßenreinigung, Straßenbeleuchtung und weitere Kosten entstehen [3]. Hier wackelt das Bild des ach so teuren ÖPNV also schon. Betrachten wir nun den Kostendeckungsgrad, also das Verhältnis von Einnahmen zu Ausgaben der Stadt, dann steht der ÖPNV in allen drei untersuchten Städten deutlich besser da als der PkW-Verkehr [3].

Doch es gibt noch einen weiteren Faktor, nämlich sogenannte externe Kosten. Dazu ein Beispiel. Kommt es im PkW-Verkehr zu einem Unfall, hat dieser durch die hohen wirkenden Kräfte häufig schwere Folgen. Dabei entstehen Kosten. Sachschäden und Schäden an der Infrastruktur werden dabei durch Versicherungen abgedeckt und daher vernachlässigt. Aber was ist mit Kosten für die Behandlung, für den Arzt, für den Produktionsausfall durch die Krankschreibung, Kosten für die Polizei und administrative Kosten? Diese werden durch die öffentliche Hand getragen. Aber wer verursacht diese Kosten?
Der individuelle motorisierte Verkehr!
Externe Kosten werden also von der öffentlichen Hand getragen aber durch individuelles Verhalten verursacht.
Nun hat diese Studie solche externen Kosten beachtet, die durch Unfallkosten, Luftschadstoffkosten, Klimafolgekosten und Lärmbelästigungskosten zustande kommen.
Das Ergebnis: Der PkW-Verkehr ist für die Stadt 3x teurer als der ÖPNV. [3]

Damit ist der Mythos geplatzt. Die Stadt kann sich bei Beachtung der wahren Kosten ohne Probleme sogar einen kostenlosen ÖNPV leisten!

Wie könnte den nun eine solche autofreie Stadt aussehen?

Nun zunächst mal wären wir überrascht wie angenehm leise es in der Stadt wäre. Die öffentlichen Plätze wären wesentlich sicherer und Kinder könnten dort ohne Probleme spielen. Wir hätten viel mehr Freiräume. Denn riesige Parkflächen wie am Eichplatz wären nicht mehr nötig. Dort wäre nun ein wunderschöner Park mit Spielbrunnen und vielen Bäumen. Die Autos der Pendler stehen nun in Parkhäusern außerhalb der Stadt und diese gelangen von dort bequem mit dem ÖNPV in die Innenstadt ohne ein Ticket zahlen zu müssen. Es wäre eine wunderbar lebenswerte Stadt.

Die Wahrheit ist: Die Verkehrswende -also mehr Mobilität zu Fuß, mit dem Rad und ÖPNV und weniger mit dem motorisierten Individualverkehr- ist nötig und ein Gewinn für die Menschen und die Kommune!
Lasst uns gemeinsam diesen Traum verwirklichen!

Dazu lasst uns gemeinsam Druck auf die Politik ausüben und Allen klarmachen die Verkehrswende ist nötig und ein Gewinn für die Menschen.
Eine andere Welt ist möglichen, lasst uns gemeinsam daran arbeiten.

Quellen:
[1] Kurzbericht zur Umsetzung des Leitbildes Energie und Klimaschutz und des Energiekonzeptes der Stadt Jena – Monitoring 2019.

[2] Vergleich unterschiedlicher Flächeninanspruchnahmen nach Verkehrsarten (pro Person)

[3] NRVP 2020 – Welche Kosten verursachen verschiedene Verkehrsmittel wirklich? – UNI Kassel.