Dies gehört zum Projekt „Verstehen wir Gesellschaften als Systeme oder Verhältnisse?“ .


Die Kritik am Luhmannschen System wird sicher deutlicher, wenn auf das entsprechend andere Vorgehen von Marx verwiesen wird. Marx unterscheidet deutlich zwischen zwei Ebenen der Realität, wobei die eine die Oberfläche darstellt. Auf dieser spielen sich die Ereignisse ab und zwischen ihnen sind bestimmte Beziehungen sichtbar, die für diese Ebene auch theoretisch erfassbar sind. Zusätzlich jedoch, und dies unterscheidet ihn von seinen bürgerlichen Vorgängern, untersucht Marx noch eine tiefere Ebene in dem Sinne, dass die Vorgänge auf der oberflächlichen Ebene dort ihren Grund haben. Dies beruht auf der Unterscheidung zwischen Erscheinungen und dem als Grund auftretenden Wesen[1]. Diese Unterscheidung ist jedoch keine Unterteilung von Getrenntem, sondern es geht um das Begreifen des Zusammenhangs dieser beiden Ebenen (was bei Hegel der Sphäre des Begriffs entsprechen würde). Man kann auch den von Marx gewählten Titel der „Kritik der politischen Ökonomie“ auf diese Weise aufschlüsseln (vgl. MEW 23: 22). Die Erkenntnisse aus der 1., d.h. der erscheinenden oberflächlichen Ebene gelten als „politische Ökonomie“ und das kritische Durchdringen dieser Oberfläche im 2. Schritt auf dem Weg zu ihrem begründenden Wesen als deren Kritik. Marx fängt zwar wörtlich gesehen mit der Erscheinung einer „ungeheuren Warensammlung“ an (MEW 23: 49), setzt dann aber ein mit Kategorien, die auch die bürgerliche Ökonomie schon kannte, wie „Gebrauchswert“, „Tauschwert“ und „Wert“. Von den sich hier zeigenden immer „dünneren Abstrakta“ tritt er, wie er es in den „Grundrissen…“ als seine Methode beschreibt, „die Reise wieder rückwärts“ an, in Richtung „einer reicheren Totalität von vielen Bestimmungen und Beziehungen“ (MEW 42: 35), also zum konkret-Allgemeinen (siehe oben zur Hegelschen Unterscheidung von abstrakt-Allgemeinem und konkret-Allgemeinem). Nicht in den dünnen Abstrakta liegt die Bedeutung seiner Theorie, sondern in deren Konkretisierung. Es gibt also nicht wirklich einen „Zirkulationsmarxismus“ (Hanloser, Reitter 2008), weil der um das Begreifen des Wesens reduzierte Marxismus kein Marxismus mehr wäre, sondern noch hinter die besseren Vertreter[2] der bürgerlichen politischen Ökonomie zurückfällt.

Welche Aspekte erfasst Marx nun auf der Erscheinungsebene?

Es fällt bei den Texten, in denen es um die Zirkulation geht, schon auf, dass Marx hier fast immer formuliert, dass z.B. die Bewegung „als gesellschaftlicher Prozess erscheint“ (MEW 42: 127, kursiv AS). Oder dass das „gesellschaftliche Verhältnis als etwas von den Individuen Unabhängiges erscheint“ (ebd.).[3] Er schreibt eben nicht, dass das gesellschaftliche Verhältnis im Austausch etwas von den Individuen Unabhängiges ist. Auf der Ebene der Erscheinungen ist „mein Produkt nur […], sofern es für andre ist“ (ebd.). Dieses Nur-für-andere-Sein ist ein charakteristisches Merkmal von Erscheinungen. Es ist auch ein charakteristisch für systemtheoretischen Bestimmungen. Bei Luhmann etwa haben die Elemente von Systemen nicht aus sich selbst heraus eine eigene Qualität, sondern sie gewinnen Qualität „nur dadurch, daß sie relational in Anspruch genommen, also aufeinander bezogen werden“ (Luhmann 1984: 42).

Die Zirkulation ist schon ein Fortschritt gegenüber einer noch mangelhafteren Anschauung (1[4]): „Auf den ersten Blick betrachtet, erscheint die Zirkulation als ein schlecht unendlicher Prozeß (2). Die Ware wird gegen Geld ausgetauscht; das Geld wird gegen die Ware ausgetauscht und dies wiederholt sich ins unendliche.“ (MEW 42: 127). Auch die Bestimmung des Lohns als Preis der Arbeit fällt in diese Sichtweise: „Auf der Oberfläche der bürgerlichen Gesellschaft erscheint der Lohn des Arbeiters als Preis der Arbeit, ein bestimmtes Quantum Geld, das für ein bestimmtes Quantum Arbeit gezahlt wird“ (MEW 23: 557). Dabei bleibt Marx aber nicht stehen:

Auf den zweiten Blick wird erkannt, dass dieser Zusammenhang durch die Vermittlung über das Geld als Kreislauf in sich zurückläuft (3). Gegenüber der verdinglichenden Vorstellung, in der das gesellschaftliche Verhältnis nur „im Geldstück oder im Tauschwert“ erscheint, ist dies nach Marx ein Fortschritt, denn hier erscheint wenigstens „die erste Form, worin […] das Ganze der Bewegung selbst“ erscheint (Marx MEW 42: 127). Auf eine erste Form folgt logischerweise mindestens noch eine zweite und das von Marx hier wieder verwendete Wort „erscheint“ ist hier wieder ein Signalwort für den Mangel auch dieser Betrachtungsweise.

In der Zirkulation haben wir die systemhaften Erscheinungen vor uns, so in den Phänomenen „des Zusammenschließens oder der Rückkehr des Ausgangspunkts in sich“ (ebd.). Dieser Zusammenschluss von Kaufs- und Verkaufsereignissen existiert auf der Grundlage der vorherigen Trennung dieser Akte. Vermittlung ist hier „Trennung, Auseinandertreten des Zusammengehörigen und Konstitution ihrer Einheit auf höherer Ebene“ (Warnke 1977d: 41).

Zirkulationsprozesse (3) untersucht Marx zuerst für die „einfache Warenzirkulation“ (MEW 23: 163) mit der Zirkulationsformel W – G – W (W: Ware, G.: Geld) im ersten Band des „Kapitals“ und ausführlich auch für den Zirkulationsprozess des Kapitals im zweiten Band. Diese beinhalten die Kauf- und Verkaufsprozesse beim Einkauf der sog. „Produktionsfaktoren“ (Arbeitskräfte, Produktionsmittel) durch das Kapital und den Verkauf der Waren. Dass im Gesamtprozess der Verwirklichung des Kapitalkreislaufs noch eine Ebene, nämlich die der Produktion, verborgen ist, zeigt das folgende Bild (aus Schlemm 2011b):

Dass die Ebene der Zirkulation (3) noch nicht ausreicht, zeigen auch hier wieder die Formulierungen „zunächst“ und „erste Form“: „Das Kapital kömmt zunächst aus der Zirkulation her, und zwar vom Geld als seinem Ausgangspunkt. Wir haben gesehn, daß das in die Zirkulation eingehende und zugleich aus ihr in sich zurückgehende Geld die letzte Form ist, worin das Geld sich aufhebt. Es ist zugleich der erste Begriff des Kapitals und die erste Erscheinungsform desselben.“ (MEW 42: 178)

Von Widersprüchen wird auf der Zirkulationsebene noch abstrahiert, denn „Die Ware wird in der Zirkulation gegen Ware ausgetauscht; sie wird ebensosehr nicht gegen Ware ausgetauscht, insofern sie gegen Geld ausgetauscht wird. Die Akte des Kaufens und Verkaufens, in andern Worten, erscheinen als zwei gegeneinander gleichgültige, in Ort und Zeit auseinanderliegende Akte. Wenn gesagt wird, daß der, der verkauft, doch auch kauft, insofern er Geld kauft, und daß der, der kauft, doch auch verkauft, insofern er Geld verkauft, so wird grade vom Unterschied abgesehn, von dem spezifischen Unterschied von Ware und Geld.“ (ebd.: 128) Marx schreibt hier nicht, dass es in Wirklichkeit keinen Unterschied zwischen Ware und Geld gäbe, sondern dass in der zirkulationstheoretischen Betrachtung davon abgesehen wird. Deutlich wird die Zuschreibung dieser Sichtweise als mangelhafte und einer frühen Stufe der bürgerlichen Ökonomietheorie zugeordnete noch einmal hier: „Zu dieser Abstraktion wird Zuflucht genommen, weil in der wirklichen Entwicklung des Geldes Widersprüche vorkommen, die der Apologetik des bürgerlichen common sense unangenehm sind und daher vertuscht werden müssen.“ (ebd.) Auch die Abstraktion von den Widersprüchen teilt die Zirkulationstheorie mit der Systemtheorie. Wir sahen bei Luhmann, dass dort Widersprüche nur als Konflikte zwischen „zwei Erwartungslinien“ auftreten, deren Funktion in der „Immunisierung“ des Systems im Interesse seiner Aufrechterhaltung steht (Luhmann 1984: 507f.).

Das Fortschreiten der Erkenntnis von der Dinghaftigkeit (1) zur Erkenntnis der Beziehungen, Wechselwirkungen und von Prozessen (2) sowie der Systemhaftigkeit (3) gehört zur Dialektik. Dialektik erschöpft sich aber nicht darin. Für die Kritik der Politischen Ökonomie von Marx kommt danach erst das Wesentliche, denn solange die Zirkulation eine „Vermittlung vorausgesetzter Extreme“ (nämlich Ware und andere Ware oder Geld) ist, ist sie „reiner Schein. Sie ist das Phänomen eines hinter ihr vorgehenden Prozesses.“ (MEW 42: 180, kursiv im Original)

Warum ist es notwendig, diesen hinter der Zirkulation stehenden Prozess (4) zu betrachten? Wenn man lediglich die obere (blaue) Hälfte in der Abbildung oben betrachtet, haben wir schon den Zyklus G – W … W´ – G´ – allerdings bleibt unklar, wie sich der Warenwert W in den Warenwert W´ vergrößern kann (dies deutet die nur gestrichelte Linie an). Hier ist das Geld schon nicht mehr nur den Warenaustausch vermittelnd (wie in W – G – W), sondern es wird gekauft um zu verkaufen; Geld wird zum Handels“kapital“. Historisch gesehen, dafür nennt Marx einige Beispiele, war dieses Handels“kapital“ lange Zeit noch nicht die Grundlage der Produktion (MEW 42: 178) (deshalb schreibe ich es hier in Anführungsstriche). Dies kann zwar zum „Entziehn oder Aufhäufen des Geldes führen, aber sobald das Geld wieder in die Zirkulation tritt, löst es sich auf in eine Reihe von Tauschprozessen mit Waren, die verzehrt werden, geht daher verloren, sobald seine Kaufkraft erschöpft ist“ (ebd.: 179). In der Zirkulation (3) zirkuliert etwas, was als vorausgesetzt genommen (4) ist. Die Zirkulation ist eine „Vermittlung vorausgesetzter Extreme. Aber sie setzt die Extreme nicht“ (ebd.: 180, kursiv AS). „Die Zirkulation trägt daher nicht in sich selbst das Prinzip der Selbsterneuerung“ (ebd.: 179), „Waren müssen stets von neuem und von außen her in sie geworfen werden wie Brennmaterial ins Feuer“ (ebd.). Für eine vollständige Analyse muss genau die Frage nach dem Grund der Existenz der zu Vermittelnden (4) beantwortet werden, nach der Quelle der Selbsterneuerung. Schon die Physiokraten haben, wie Marx darlegt, über den „Zusammenhang zwischen dem Zirkulationsprozeß und Reproduktionsprozeß des Kapitals“ (MEW 26.1: 13) nachgedacht. Und obwohl dort noch nicht deutlich ausgesprochen, wird schon bei ihren Vertretern (wie Turgot, vgl. ebd.: 19) deutlich[5]:

„Grundlage für die Entwicklung der kapitalistischen Produktion ist […] daß das Arbeitsvermögen als die den Arbeitern angehörige Ware den Arbeitsbedingungen als im Kapital an sich festhaltenden und von ihnen unabhängig existierenden Waren gegenübertritt.“ (ebd.)

Immer wieder kommt Marx darauf zurück:

„Die erste Bedingung der Kapitalentwicklung ist die Trennung des Grundeigentums von der Arbeit, das selbständige Gegenübertreten der Erde – dieser Urbedingung der Arbeit -als selbständige Macht, in der Hand einer besondren Klasse befindliche Macht, gegenüber dem freien Arbeiter.“ (ebd.: 20)

Als reine Beschreibung der Oberflächenphänomene mag die Zirkulationsebene (3) ausreichen (deshalb erscheint diese Beschreibung auch richtig zu sein), aber sie kommt ihr dann nie auf den wirklichen Grund (4) bzw. verleugnet ihn.[6] Wenn man Gesellschaft von vornherein nur als Systemform von kommunikativen Ereignissen betrachtet, wie bei Luhmann, entfällt natürlich diese ganze Überlegung nach der Entstehung der Waren, deshalb eignet sich diese Bestimmung von Gesellschaftlichkeit gut, um dieser Frage nach dem Grund auszuweichen. Dieser Grund sind die Verhältnisse der Menschen in der Produktion. Nur dieser „Schlenker“ in dem obigen Bild in die braun gezeichnete Produktionssphäre kann die Verwandlung des Warenwerts W in den höheren Wert (W´= W+DG) erklären, und zwar durch den Mehrwert[7]. Die vom Kapitalisten gekaufte Ware Arbeitskraft hat für ihn den Gebrauchswert, mehr Wert zu erzeugen, als sie selbst Wert ist (vgl. MEW 23: 204ff.). Diese Besonderheit würde übersehen, wenn man auch diesen Akt des Kaufs und Verbrauchs der Ware Arbeitskraft mit allen anderen Kauf- und Konsumakten gleichsetzen würde.[8]

Der ganze Verlauf, gemeint ist hier die Umwandlung von Geld in Kapital, „geht in der Zirkulationssphäre vor und geht nicht in ihr vor“ (ebd.: 209). Auf der Oberfläche werden Warenwerte adäquat ausgetauscht, deshalb erscheint das Ganze auch gerecht; doch die wirkliche Ausbeutung, die Aneignung unbezahlter Mehrarbeit durch den Kapitalisten, geht nicht direkt sichtbar unter der Oberfläche vor sich. Die Oberflächenprozesse lassen sich systemtheoretisch abbilden, d.h. als Arbeitsprozess, der sich im Wertbildungsprozess nur von seiner quantitativen Seite darstellt (ebd.). „Hier gelten auch die Waren, die in den Arbeitsprozess eingehn, nicht mehr als funktionell bestimmte, stoffliche Faktoren der zweckmäßig wirkenden Arbeitskraft“ (ebd.: 209-210). Dieser abstrakte Aspekt der Arbeit im Kapitalismus ist aber nicht der Weisheit letzter Schluss – nicht umsonst spricht zwar Marx immer wieder von einer Einheit von Wertbildungsprozess (Wertbildung bis hin zum adäquat ausgetauschtem Wert) und dem Verwertungsprozess (der Verwertungsprozess des Kapitals umfängt neben dem Wertbildungsprozess auch den mehrwertbildenden Anteil), aber was als Einheit gilt, basiert auf der Unterscheidung beider bei der Betrachtung des Produktionsprozesses. Viele konkrete Prozesse im Kapitalismus lassen sich gar nicht verstehen, wenn die Besonderheit des Gebrauchswert Arbeitskraft und des Verwertungsprozesses geleugnet wird. So nicht der Kampf um die Länge der Arbeitszeit (ebd.: 245ff.) und auch der Höhe der Löhne als Auseinandersetzung um das Ausmaß des absoluten Mehrwerts. Nicht der Zwang zur Ausweitung der Produktion bis ins ökologisch Unerträgliche hinein und auch nicht die Bedeutung der Steigerung der Arbeitsproduktivität zum Zwecke der Steigerung des relativen Mehrwerts (ebd.: 331ff.). Wenn man den Kapitalismus nur als Tauschsystem zwischen privaten Produzenten verstehen würde, würden diese Prozesse entweder als unerheblich eingeschätzt oder nicht erklärbar. Die Konkurrenz alleine kann z.B. nicht als Quelle der intrinsischen Notwendigkeit der Steigerung der Arbeitsproduktivität gelten, denn es gibt genügend Beispiele von historisch lange existierenden und weitreichenden handels-, d.h. konkurrenzbasierten Wirtschaften ohne eine dementsprechende Triebkraft.

„Arbeit“ erweist sich auch als Begriff, der sich auf unterschiedlichen Reflexionsstufen in unterschiedlicher Weise zeigt. Unmittelbar ist Arbeit nützliche Arbeit, d.h. „Verausgabung menschlicher Arbeitskraft in besondrer zweckbestimmter Form“ (MEW 23: 61). Da es in dieser Unmittelbarkeit viele unterschiedliche Arbeitsaufgaben und -arten gibt, sind die einzelnen Arbeitsvorgänge durchaus ungleich. In warenproduzierenden Gesellschaften hat Arbeit aber auch einen abstrakten Charakter, insofern beim Austausch der Arbeitsprodukte als Waren die Arbeit als vergleichbar und austauschbar gilt. Und erst „über ihren Charakter als gleiche stellt die Arbeit den gesellschaftlichen Zusammenhang her“ (Heidtmann 1977: 90). Der Austausch macht die Ungleichheit aber nicht ungeschehen, sondern er setzt sie voraus. Sonst gäbe es keinen Bedarf zum Austauschen. „Die Gleichheit wird somit über die Ungleichheit mit sich selbst vermittelt und hat als auf den Begriff gebrachte Gleichheit ihren Gegensatz, das Moment der Ungleichheit, an sich.“ (ebd.). Hier zeigt sich wiederum, warum eine auf die Zirkulation beschränkte, also eine rein auf das quantitativ adäquat Austauschbare begrenzte, Perspektive unzureichend ist. Marx erwähnt in einer Auseinandersetzung mit Adam Smith, „daß der Umstand, daß dem Arbeiter nicht mehr das ganze Produkt seiner Arbeit gehört, daß er es oder seinen Wert teilen muß mit dem Eigentümer des Kapitals, das Gesetz aufhebt, daß das Verhältnis, worin sich die Waren gegeneinander austauschen, oder ihr Tauschwert bestimmt ist durch das Quantum der in ihnen materialisierten Arbeitszeit“ (MEW 26.1: 50). Hier tritt, wieder nach Marx, ein Riss ein (ebd.: 59). Durch diesen Riss koppelt sich das Kapital qualitativ vom reinen Geld als Vermittlungsmedium in einem adäquaten Tausch ab. Eine oberflächliche Betrachtung des Kapitalismus als System adäquaten Tausches ohne die Berücksichtigung der Unterschiede, die zu wesentlichen Gegensätzen werden, fällt hinter diese Marxsche Kritik zurück.

Es geht dabei nicht um die Ungleichheit aller möglichen Waren, sondern insbesondere um die Besonderheit von Waren, die in ihrer quantitativen Gleichheit nicht aufgehen, wie die Ware Arbeitskraft und andere in der Produktion kostenlos genutzte Naturkräfte, die angesichts der ökologischen Grenzen immer bedeutsamer werden. Beide besonderen Gebrauchswertformen werden zum Gebrauchswert des Kapitals selbst, aber sie gehen in dieser Identität nicht auf, sondern es bleibt ein zumindest potentiell widerstreitender „Rest“, etwas „Überschießendes“ (zum Begriff des „Gebrauchswerts“ siehe Schlemm 2017a). Für diese besonderen Gebrauchswerte wird die eigene Reproduktion innerhalb der kapitalistischen Wirtschaftskreisläufe mehr und mehr kontraproduktiv, weil ihre Produktivität durch die kapitalistische Vernutzung gebremst oder sogar zerstört wird und weil sie auch außerhalb der kapitalistischen Wirtschaft sich selbst reproduzieren können und mehr und mehr auch müss(t)en. Der in der Besonderheit der Ware Arbeitskraft begründete Unterschied zwischen abstrakter Arbeit und konkreter Arbeit, zwischen Verwertungsprozess und Wertbildungsprozess des Kapitals wird zum wesentlichen Unterschied, der die rein gleichheitsfixierte Zirkulationsperspektive aufhebt. Marx nannte nicht umsonst die „zwieschlächtige Natur der in der Ware enthaltenen Arbeit“ den „Springpunkt […] um den sich das Verständnis der politischen Ökonomie dreht“ (MEW 23: 56). Und er betonte in einem Brief an Engels:

„Das Beste an meinem Buch ist 1. (darauf beruht alles Verständnis der facts) der gleich im Ersten Kapitel hervorgehobne Doppelcharakter der Arbeit“ (MEW 31: 326).

Eine bloß wertkritische Lesart des „Kapitals“ im Anschluss an Robert Kurz nimmt diese von Marx betonten Erkenntnisse zurück und verdoppelt lediglich die Zirkulationsphänomene auf der Oberfläche theoretisch.

Mit dem Auffinden des wesentlichen Unterschieds ist Marx dann auch in der Sphäre des Begriffs angekommen, wenn man die Hegelsche Terminologie der aufeinander folgenden Erkenntnisstufen verwenden will. Der Begriff muss aus der „inneren spezifischen Differenz“ gewonnen werden (Warnke 1974: 49):

„Aus einer Wurzel, aus dem elementaren Widerspruch, daß der Gebrauchswert der Ware Arbeitskraft darin besteht, Mehrwert zu produzieren, kann auf diesem Wege das Entwicklungsgesetz der kapitalistischen Gesellschaft aufgedeckt und können die Prämissen ihres Untergangs sichtbar gemacht werden.“ (Warnke 1977d: 61)

„Entwicklungsgesetz“ bedeutet dabei nicht im trivialen Sinn, dass es vorschreiben würde, was geschehen wird, sondern dass es Möglichkeitsfelder bestimmt.

Wir kennen die Kategorie der „Elementarform“ (MEW 23: 49), die Marx für den Begriff der „Ware“ verwendet. Die eben schon genannte „Doppelcharakter“ der Arbeit (ebd.: 56) ist die Quelle des polarischen Gegensatzes (ebd.: 63), wie er sich in der relativen Wertform zeigt, in welcher sich der Wert der einen Ware im Gebrauchswert der anderen darstellt (ebd.66). Dass dieser Gegensatz in der allgemeinen Wertform und schließlich im Geld unsichtbar wird, begründet den „Fetisch“, wobei „das bestimmte gesellschaftliche Verhältnis der Menschen selbst […] hier für sie die phantasmagorische Form eines Verhältnisses von Dingen annimmt“ (ebd.: 86). Diese „phantasmogorische Form“ stellt eine in dieser Gesellschaftsformation notwendige „gesellschaftlich gültige, also objektive Gedankenform“ (ebd.: 90) dar. Es sind aber die Formen – und zwar die Erscheinungsformen – von etwas, das in Wirklichkeit etwas anderes ist. In Wirklichkeit sind auch im Kapitalismus „die gesellschaftlichen Verhältnisse der Menschen selbst“ (ebd.: 86) basal, sie erscheinen aber in verkehrter Form, eben fetischisiert. Wer nun annimmt, dass in Wirklichkeit „die Sachen“ die Menschen kontrollieren, unterliegt genau dem von Marx kritisierten Fetischismus. Damit ginge dann auch das Gegensätzliche verloren im polarischen Gegensatz von Wert und Gebrauchswert und der wesentliche Unterschied in der doppelten Erscheinungsweise der Arbeit. Es ginge auch verloren, dass für Marx die „Elementarform“ nicht eine nur mit sich identische Einheit hat, sondern „jene elementare Einheit der Gegensätze, jener Widerspruch, auf dessen Entfaltung und „Verallgemeinerung“ die Entwicklung des Systems beruht“ (Warnke 1977d: 62) ist. Eine Kapitalismusanalyse, die lediglich die Zirkulationserscheinungen (3) beschreibt, ohne deren Grund (4) aufzusuchen, wäre deshalb nach Marx auch gar keine Wissenschaft, denn „alle Wissenschaft wäre überflüssig, wenn die Erscheinungsform und das Wesen der Dinge unmittelbar zusammenfielen“ (Marx, MEW 25: 825).

Die Analyse der Erscheinungsformen ist eine Durchgangsstufe zu dieser Wissenschaft und nach der Erkenntnis des Wesens gehört auch der notwendige Zusammenhang zwischen Wesen und seinen Erscheinungsformen zur wissenschaftlichen Theorie.[9] Das heißt, dass das Denken in Zirkulationsprozessen und systemhaftes Denken nicht grundsätzlich falsch oder abzulehnen ist. Und das erklärt auch warum es so frappierend oft die Oberflächen wirklich gut abzubilden in der Lage ist: „man kann in den realen gesellschaftlichen Vorgängen immer den jeweils passenden Beleg dafür finden, da ja Gesellschaft tatsächlich den genannten Systemaspekt aufweist“ (Warnke 1974: 49). Auch Marx bemerkt zum Tableau Économique von Francois Quesnay (hierzu z.B. MEW 26.1: 356):

„Was zunächst an diesem tableau zu bemerken und den Zeitgenossen imponieren mußte, ist die Art, wie die Geldzirkulation bloß bestimmt erscheint durch die Warenzirkulation und Warenreproduktion, in fact durch den Zirkulationsprozeß des Kapitals.“ (MEW 26.1: 283)

Allerdings führt ein Verharren auf dieser Erkenntnisstufe zu einer „Reduktion der Gesellschaft auf Wesensbestimmungen und Zielfunktionen des Biologischen oder (und) zur Reduktion auf abstrakt-allgemeine Bestimmungen systemtheoretischer Herkunft“ (Warnke 1974: 49).

Zusammenfassend kann man also feststellen, dass das Systemdenken bei Marx im Bereich der Zirkulation (3) einen Platz hat (Warnke 1977d: 39). Dem liegen „reale Abstraktionen in der gesellschaftlichen Wirklichkeit zugrunde“ (ebd.: 41) und es ist kein Zufall, dass auch im Bereich von Information und Kommunikation bestimmte Abstraktionen von gegenständlichen Grundlagen vorzufinden sind (vgl. ebd.: 46). Die „abstrakt aufgefaßte Zirkulation oder der Austausch“ vermitteln dabei „die innere Verknüpfung und Bewegung des Ganzen“ (Schnauß 1977: 133) und der „Austausch für sich genommen ist eine Struktur, in der die in diesem Vorgang jeweils einbezogenen Elemente als „Sein-für-Anderes“ bestimmt sind.“ (ebd.) Dies entspricht der klassischen Definition für Erscheinungen.

„Marx setzt Systemdenken […] ein, sofern er die Sphäre der Zirkulation als in sich abgeschlossene Sphäre zum Gegenstand seiner Untersuchung macht. Aber Systemdenken tritt bei Marx nur als Moment innerhalb der Untersuchung des Organismus der kapitalistischen Gesellschaft auf, da er deren Reproduktion und Entwicklung nicht vom Standpunkt der Zirkulation, sondern von dem der Produktion her begreift. Und der Übergang von der Untersuchung des reinen Austausches zur Untersuchung der wirklichen Produktion markiert den Übergang vom Systemdenken zur Dialektik (ein Übergang im Sinne des Aufsteigens vom Abstrakten zum Konkreten).“ (Warnke 1977/1981: 152-153)

Dem Systemdenken entspricht auch eine Reduzierung der Kritik des Kapitalismus auf Geldkritik, denn Marx betont, „…daß in den einfach gefaßten Geldverhältnissen alle immanenten Gegensätze der bürgerlichen Gesellschaft ausgelöscht erscheinen“ (MEW 42: 166). Über die systemhafte Erfassung von derartigen Erscheinungen hinaus zeigt Marx, dass es notwendig ist, von der erscheinenden Oberfläche her in den „Grund“ überzugehen, das Wesen der Gesellschaftsformation Kapitalismus. Dieses zeigt sich im Produktionsprozess, nicht der Zirkulation. „Denn Produktion heißt eben Veränderung der gegenständlichen Existenzbedingungen des gesellschaftlichen Ganzen und damit Erzeugung der Voraussetzungen, unter denen eine qualitative Änderung der gegebenen Gesellschaftsstruktur im Interesse der Erhaltung der Gesellschaft unabweisbar wird“ (Warnke 1977c: 21). Wie schon erwähnt kann und muss man die von Marx betrachtete wesentliche Besonderheit der Ware Arbeitskraft heutzutage ergänzen durch die Besonderheit der in die Arbeitsprozesse hineingezogenen Naturkräfte (vgl. bei Marx schon hier: MEW 26.1: 19; 367).

Sobald der Übergang in den Grund, sprich das Wesen mit der Erkenntnis des wesentlichen Widerspruchs gelungen ist, kann auch die Fetischisierung begriffen[10] werden. All jene Phänomene, die z.B. systemtheoretisch erfasst werden können, weil lediglich der Austausch von Waren mit gleichem Wert behandelt wird, werden nachgewiesen als notwendig aus den wesentlichen Verhältnissen folgend. Dass es so erscheint, als wären die Verhältnisse im Kapitalismus keine zwischen Menschen mehr, sondern zwischen Dingen (Werten…), wird als notwendige Folge der Perspektive nachgewiesen, in welcher der wesentliche Unterschied des Gebrauchswerts der Arbeitskraft gegenüber anderen Waren verleugnet wird. Dies ist nicht völlig falsch, aber es ist nicht die ganze Wahrheit, schon gar nicht die wesentliche. Als Phänomen ist es nicht völlig falsch: „Das Verhältnis des Austausches zwischen Kapitalist und Arbeiter wird also nur ein dem Zirkulationsprozeß angehöriger Schein“ (MEW 23: 609). Es gilt: „Der beständige Kauf und Verkauf der Arbeitskraft ist die Form“ (ebd.). Aber bei der Beschränkung auf diese erscheinende Form würde der wesentliche Inhalt verleugnet: „Der Inhalt ist, daß der Kapitalist einen Teil der bereits vergegenständlichten fremden Arbeit, die er sich unaufhörlich ohne Äquivalent aneignet, stets wieder gegen größeres Quantum lebendiger fremder Arbeit umsetzt.“ (ebd.) Camilla Warnke bezieht die unterschiedlichen theoretischen Perspektiven, die auch Folgen für die unterschiedliche Bedeutungsgebung der Systemtheorien haben, auf die jeweiligen Klassenstandpunkte:

„Aus der Sicht der Bourgeoisie fallen also „sinnhaft identifiziertes System“ und „gesellschaftliches Subjekt“ tatsächlich zusammen. Nicht so aus der Perspektive der Arbeiterklasse. Für diese gilt, daß sie zwar – in den Reproduktionsprozeß des kapitalistischen Systems eingebunden – von der Existenz des ihr fremden, ihr vorausgesetzten, sie beherrschenden sinnhaft identifizierten Systems auszugehen hat, aber da dieses System nicht von ihr „gesetzt“ ist, ist sie nicht dessen Subjekt, sondern Subjekt eines anderen von ihr erst zu schaffenden sinnhaft identifizierten Systems.“[11] (Warnke 1977d: 59)

Es geht dabei nicht um beliebig verschiedene Perspektiven oder Standpunkte, sondern es sind gegensätzliche. Denn hinter dem Fetisch steckt nicht wirklich ein „automatisches Subjekt“ (MEW 23: 169), sondern mit der Darstellung der scheinbar „okkulten“ Selbstvermehrung des Werts (von G zu G´) befindet sich auch Marx in diesem Kapitel noch auf der Ebene der Darstellung des Scheins als Erscheinung von etwas, dem er in diesem 4. Kapitel noch nicht wirklich auf den Grund gegangen ist. Es ist die Perspektive des Kapitals, die bei dieser Sichtweise stehen bleibt, denn „[d]er Kapitalist weiß…“ (ebd.) es und will es nur so wissen. Genau nach dieser Darstellung des objektiven Scheins kommt Marx im nächsten Unterkapitel auf die die Erkenntnis weitertreibenden Widersprüche dieser Sichtweise zu sprechen, die in die Frage nach der Quelle des Mehrwerts münden. Wer diesen Kapiteln nicht mehr folgt, sondern die Darstellung aus der Perspektive des Kapitals vom „automatischen Subjekt“ für bare Münze nimmt, hat vom Marxschen Argumentationsgang rein gar nichts verstanden.[12] Beim „Zurückgehen in den Grund“ gelangt Marx aus der Zirkulationssphäre (3) hinaus in die Sphäre der Produktion (4), wo der Gebrauchswert der Ware Arbeitskraft den wesentlichen Unterschied macht. Im Unterschied zum Kapitalisten, der die unbezahlte Aneignung von Mehrwert lieber in einer „black box“ unsichtbar macht, um auf der Zirkulationsebene von „zinsbringenden Kapital“ sprechen zu können, haben jene, die der Ausbeutung unterliegen, durchaus das Interesse, „die reale Ungleichheit unter dem Schein der Gleichheit aufzudecken und zu erklären, wie der Schein der Gleichheit zustande kommt“ (Schnauß 1977: 134). Das Proletariat erfährt „in seiner Eigentumslosigkeit [gemeint ist Eigentumslosigkeit an den Produktionsbedingungen außer seiner Arbeitskraft, AS] die reale Ungleichheit am eigenen Leibe […] Obwohl es in den ökonomischen Prozeß seine Arbeitskraft einbringt und durch diese den Reichtum der Gesellschaft erhält und erweitert, bleibt es selbst von ihm ausgeschlossen.“ (ebd.) Wie groß das Ausmaß dieses Ausschlusses ist und ob dieser Ausschluss zu einem entsprechenden Klassenkampf führt, ist hiermit noch nicht gesagt. Aber der damit angesprochene strukturelle Gegensatz der Interessen schließt zumindest potentiell auch ein, dass die arbeitenden Menschen mit der Erzeugung dieses Reichtums auch die Naturgrundlagen zerstören müssen, solange sie sich diesem Dasein unterwerfen. „Eigentum erscheint jetzt auf Seite des Kapitalisten als das Recht, fremde unbezahlte Arbeit oder ihr Produkt, auf Seiten des Arbeiters als Unmöglichkeit, sich sein eignes Produkt anzueignen“ (MEW 23: 610) und für letztere auch als Unmöglichkeit, die Zwecke der Produktion selbst zu setzen und die ökologischen Voraussetzungen in ausreichendem Maß zu erhalten und zu reproduzieren. Im Klassenverhältnis, das Marx letztlich als grundlegendes Verhältnis erschließen will (im „Kapital“ jedoch nicht mehr schafft), steckt durch den potentiell möglichen Ausbruch der arbeitenden Menschen aus der kapitalistischen Zwecksetzung, der den Kapitalisten als Kapitalisten prinzipiell nicht möglich ist, ein durchaus wesentlicher qualitativer Gegensatz; es geht nicht bloß um einen quantitativ größeren Anteil am Mehrwert. (mehr zum Klassenverhältnis und theoretischen Missverständnissen von „Arbeitermarxismus“-Gegnern wie Kurz (siehe in Schlemm 2017b, vgl. auch Schlemm 2014, Schlemm 2009c).


Dieses Thema wird noch weiter geführt mit dem Begriff „Verhältnis“,
der das kennzeichnet, was noch über (3) hinausgeht…

Siehe schon mal z .B. hier:


[1] Ursachen befinden sich auf derselben Ebene wie das Verursachte, bei dem Zusammenhang zwischen Grund und Folge liegt der Grund der als Folge auftretenden Erscheinung allerdings im Wesen (vgl. Hegel HW 6: 114f.). Im Unterschied etwa auch zur Bedingung (der auch als „zufälliger, äußerlicher Umstand, der ohne Rücksicht auf die Sache existiert“ (HW 8: 292) gelten kann) bringt der Grund die „Inhaltsbestimmungen“ des Begründeten mit (HW 6: 110). Der Grund ist das mit sich identische Wesen, das sich abstößt (Erdmann 1864: 79, § 100) – weil es als Widerspruch bestimmt ist. Ein dialektischer Argumentations- bzw. Erkenntnisgang dringt immer tiefer in den Grund ein. Nicht etwa leitet er etwas aus einer zu Beginn gesetzten Grundlage ab, wie z.B. Robert Kurz annahm(Kurz 1987: 60, 63).

[2] So erkannte schon Adam Smith dass der Austausch zwischen Kapital und Lohnarbeit kein adäquater Austausch ist (Marx MEW 26.1: 43).

[3] Robert Kurz versteht entsprechende Unterscheidungen zwischen diesen Ebenen als „Trennung“. So heißt es bei ihm, dass“ die gesellschaftliche Allgemeinheit der Arbeit (oder kurz ihre Gesellschaftlichkeit als solche) real GETRENNT ist von diesem inhaltlichen Reichtum der besonderen nützlichen Arbeiten in ihrer Vielfalt der konkreten gesellschaftlichen Arbeitsteilung“ (Kurz 1987: 70, Großschreibung im Original). Damit trennt der die Erscheinung von seinem Grund im widersprüchlichen Wesen.

[4] Zur besseren Orientierung werde ich im folgenden Text öfter die Kennzeichnung (1) vornehmen für das verdinglichende Denken, (2) für das Aufzeigen von Beziehungen, (3) für die Selbstreproduktion der systemartigen Beziehungen und (4) für die konkret-allgemeine Totalität.

[5] Bei den Physiokraten wird allerdings fälschlicherweise angenommen, dass der Mehrwert nur als „reine[s] Geschenk der Erde“ und aus der Aneignung der Produkte der Mehrarbeit des Landarbeiters durch die Landeigentümer lediglich in der Agrarproduktion kommt; sie sehen nicht die Mehrwertbildung aus der Ausbeutung der Arbeitskraft in der Industrie.

[6] Nicht zufällig erweisen sich Konzepte der Phänomenologie von Husserl bis Brodbeck (2014) als „Reduktion der Wirklichkeit auf Erscheinendes“ (Warnke 1977c: 16; Warnke 1977d: 35) und für sie ist typisch die Entmaterialisierung der Gesellschaft und Relativismus. Systemdenken neigt dementsprechend zur „Verabsolutierung zu einer rein phänomenologischen Philosophie“ (Warnke 1977d: 47).

[7] siehe hierzu auch meine früheren Texte (Schlemm 2009a, 2009b)

[8] Und wenn man meint, dieser Mehrwert würde tatsächlich nur quantitativ mehr Wert bedeuten, verfällt man der abstrahierenden Sichtweise auf dieser Ebene und verabsolutiert sie. Wenn mit Recht kritisiert wird, dass auch in den Kämpfen der Arbeiterklassen mitunter nur dieser quantitative Aspekt eine Rolle spielt, so sollte die Schlussfolgerung daraus nicht sein, die qualitative Besonderheit des Potentials der lebendigen Arbeit grundsätzlich zu verleugnen, sondern sie gegen die bloß quantifizierende Sicht stark zu machen und in Praxis und Theorie weiter zu entfalten.

[9] Für Hegelaffine: das entspricht der Aufeinanderfolge von seinslogischem, wesenslogischem und begriffslogischem Denken

[10] Wieder für HegelianerInnen: Mit dem Begreifen der notwendigen Einheit des Wesens mit seinen Erscheinungen ist die Sphäre des begrifflichen Erkennens/Darstellens erreicht.

[11] Dass die real-existierende „Arbeiterklasse“ zu vereinfachte Vorstellungen über sie und Erwartungen an sie nicht erfüllt hat, erledigt nicht die Tatsache, dass Menschen mit ihrem Arbeitsvermögen über ihre Einbindung in den kapitalistischen Reproduktionsprozess hinaus reichen.

[12] Wie etwa Robert Kurz, der bei dem die Abfolge des Argumentationsgangs ständig als „Ableitung“ missverstanden wird (z.B. Kurz 1987: 60, 63), obwohl es in dialektischer Darstellungsweise ein „Zurückgehen in den Grund“ ist.