Hier dokumentiere ich für eine gerade laufende Debatte einen Teil eines umfassenderen Textes zu einem anderen Thema aus dem Jahr 2007:


Peter Ruben und Camilla Warnke veröffentlichten 1979 einen Text, der sich gegen eine ihrer Ansicht nach einseitige Bestimmung der menschlichen Arbeit richtet. Georg Lukács hatte als Bestimmung der menschlichen Arbeit vor allem ihre Zielgerichtetheit betont. Für ihn beruhte die Arbeit auf einer „fortlaufenden Verwirklichung teleologischer Setzungen“ (zit. in Ruben, Warnke 1979: 21).
Dem stellten Ruben und Warnke eine umfassende eigene Bestimmung der Arbeit entgegen, bei der das umfassende Wissen Camilla Warnkes über die philosophische (Hegelsche) Dialektik und Peter Rubens über die analytische Verdinglichung als einer reduzierenden Denkmethode zur vollen Wirkung kommt. Auch die menschliche Arbeit kann unter diesen beiden Sichtweisen betrachtet werden, der dialektischen und der analytischen.

Eine dialektische Sicht auf die Arbeit muss die konkrete Einheit ihrer Momente erfassen. Dabei sind die Momente zwar kategorial unterschieden, aber in ihrer Existenz untrennbar miteinander verknüpft. Dies gilt, wenn wir die unmittelbare, aktuelle Existenz eines Arbeitsvorganges betrachten. Dabei eignet sich ein Arbeitssubjekt das Arbeitsobjekt an und bildet es um. Das Subjekt ist als solches nur bestimmt in der konkreten Einheit mit dem Objekt – das Objekt in der Einheit mit dem Subjekt.


Eine Trennung dieser Momente ist durch die gedankliche Analyse möglich, das „Subjekt“ arbeitet dann aber nicht mehr, sondern wird zu einem abstrakten, verdinglichten Arbeitsvermögen und das „Objekt“ steht diesem Vermögen äußerlich, z. B. als Naturgegenstand, gegenüber.


Ein wirkliches Subjekt und ein wirkliches Objekt gibt es nur in der dialektischen Relation in der wirklichen, konkreten Beziehung. In einer analytischen Sichtweise werden (potentielle) „Subjekte“ und (potentielle) „Objekte“ zu vergleichbaren Gegenständen in einer nicht mehr dialektischen, sondern in einer binären Relation. Beide werden als in ihrer Existenz voneinander unabhängige Dinge unterstellt und zwischen ihnen werden analytische Vergleiche möglich (so können zwischen aufgewandtem subjektiven Arbeitsvermögen – Aufwand – und dem konsumierbaren vergegenständlichten Arbeitsvermögen – Nutzen – ökonomische Vergleiche stattfinden).

Dialektische Unterscheidung

Welche Momente sind nun im konkreten Arbeitsprozess („konkrete Arbeit“) zu unterscheiden? Gerade für die Arbeit ist es wesentlich, dass Subjekt und Objekt nicht unvermittelt wechselwirken, sondern sich das Subjekt Arbeitsmittel schafft[1], mittels derer es seine Arbeitsobjekte umgestaltet. Das Subjekt ist dabei der Akteur der Aneignung und Umbildung des Objekts und das Arbeitsobjekt ist nicht nur die äußerliche, passive Bedingung eines auf ihn einwirkenden Prozesses, sondern konstitutives Moment der Arbeit. Im Arbeitsmittel finden wir eine reale Einheit von Objekt und Subjekt, nach Ruben und Warnke „das reale Objekt-Subjekt, das Schelling einst im Ich Fichtes suchte, aber mangels der Orientierungen auf die wirkliche materielle Produktion nicht fand“ (Ruben, Warnke 1979: 22)[2]. Innerhalb dieser dialektischen Einheit kann nicht in dem Sinne unterschieden werden, dass eins der Momente ein aktives, ein anderes ein passives wäre – jedes Moment ist selbst als Einheit von Gegenstand und Verhalten (ebd.: 25) zu betrachten. Das bedeutet, dass in der Arbeit auch das Subjekt verändert wird und auch das Objekt nicht nur passiver Veränderung unterliegt sondern in seinen Verhaltensweisen aktiv mitwirkt.

Analytische Trennung

Bei der analytischen Trennung erhalten wir eigenständige Dinge, die nur das Abstrakte der vorher konkreten Momente darstellen. In unserem Fall sehen wir als verdinglichtes Arbeitsvermögen die realisierbare Arbeitsfähigkeit auf der einen Seite und auf der anderen Seite Rohstoffe oder Halbfertigwaren als potentielle Objekte der Arbeit oder die fertigen Arbeitsprodukte. Es sind nicht Momente wirklicher Arbeit, sondern „Bedingungen ihrer Möglichkeit“ (Ruben, Warnke 1979: 22) und sie kennzeichnen die „abstrakte Arbeit“ als ihre subsumierende Einheit. All diese Faktoren können getrennt existieren, außerhalb des konkreten Arbeitsprozesses. Wenn ich sie in dieser Form einer Untersuchung zum Thema Arbeit zugrunde lege (wie ökonomietheoretisch z.B. als „Produktionsfaktoren“), seziere ich tote Dinge, aber ich kann den konkreten Arbeitsprozess nicht begreifen. In dieser getrennten Form kann ich sie auch einem Vergleich unterwerfen, bei dem ihre konkrete Mannigfaltigkeit auf wenige oder einen Parameter reduziert wird (wie die Zuschreibung des ökonomischen „Werts“).
Während in der dialektischen Sichtweise jedem der Momente eine innere Einheit von Aktivität und Passivität, von Verändert-Werden und Verändern zugesprochen wird, wird nun dem „Subjekt“ das aktive Einwirken auf ein als passiv vorgestelltes „Objekt“ zugeschrieben. Dem entspricht die Auffassung von Arbeit als Äußerung eines Subjekts unter Ausschluss und im Gegensatz zum Objekt, wie es bei Lukácz zu verzeichnen ist (Ruben, Warnke 1979: 28).


[1] Ruben und Warnke zitieren hier die Arbeit „Sinnliche Erkenntnis…“ von Klaus Holzkamp (1973) mit der Bestimmung menschlicher Werkzeugherstellung als „Werkzeugherstellung für eine zukünftige Gelegenheit“ (zit. Ruben, Warnke 1979: 23, in Holzkamp S. 112).

[2] In der Subjekt-Objekt-Identität, dem absoluten Ich, ist der wechselseitige Übergang (dass das Objekt auch Subjekt ist und das Subjekt auch Objekt) aufgehoben (Schelling 1795: 69). Die ursprüngliche Identität von Subjekt und Objekt, von Mensch und Natur sieht Schelling im Absoluten, das er nach Spinoza auch Substanz oder Gott nennt. (Schelling 1804) (vgl. http://www.thur.de/philo/as221.htm und http://www.thur.de/philo/as226.htm)

Literatur:

Ruben, Peter; Warnke, Camilla (1979): Telosrealisation oder Selbsterzeugung der menschlichen Gattung. DZfPh 27 (1979), S. 20-30.

Schelling, F.W.J. (1795): Vom Ich als Princip der Philosophie oder über das Unbedingte im menschlichen Wissen (in Ausgew.Schriften, F.a.M. 1985, Band 1)

Schelling F.W.J. (1804): System der gesammten Philosophie und der Naturphilosophie insbesondere (in Ausgew.Schriften, F.a.M. 1985, Band 3)