So langsam setzt sich das Entsetzen wie eine dunkle Rauchschicht auf die Seelen. Aber es kommt auch die Zeit zum Überdenken. Warum hatten wir die Frage nach Krieg und Frieden so sehr vergessen oder nach hinten geschoben? War es so selbstverständlich, dass die neuen kalten Kriege auch kalt bleiben würden oder nur ganz, ganz woanders wieder heiß werden könnten?

Im neuen Heft der „Marxistischen Blätter“ gibt es eine Beilage „Die Waffen nieder!“:

Zuerst wird konstatiert, dass die „Schnellschüsse der Bundesregierung“ (Aufrüstung, Ende des Tabus gegen Waffenlieferungen) „keine Friedenspolitik, sondern Öl ins Feuer“ bedeuten. Auf einer digitalen Aktionskonferenz der Friedensbewegung wurde in einer Resolution klar gesagt: „Wir verurteilen die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine. Für Krieg gibt es keine Rechtfertigung.“ Auch „die jahrelange antirussische Konfrontationspolitik des Westens […] rechtfertigen keinesfalls die militärische Intervention Russlands“. Die anderen Texte, von Demonstrationsrednern und Offenen Briefe und Resolutionen, die in der Beilage veröffentlicht sind, sind sich darin ebenfalls einig.

Michael Müller von den NaturFreunden machte auf der großen „Kundgebung für den Frieden“ am 27.2. 2022 in Berlin auch darauf aufmerksam, dass wir auch „gegen den neuen Nationalismus“ kämpfen. In einem offenen Brief an den Präsidenten der Russischen Föderation bekunden russische Mitarbeiter*innen des Gesundheitswesens, dass sie „allen Menschen […] helfen, unabhängig von ihrer Nationalität, Religion oder politischen Einstellung“. Sie verweisen darauf, dass die einfachen Menschen nicht profitieren vom Einsatz der tödlichen Waffen.

Etwas einseitig ist meiner Ansicht nach der Beitrag der „Schwarzen Allianz für den Frieden“. Ihre Fokussierung auf das „Streben der USA, der NATO und der Europäischen Union nach globaler wirtschaftlicher und politischer Dominanz“ verweist allerdings auch berechtigt auf Interessen, die heutzutage gerne vergessen werden und inmitten all der Empörung nur weiter vorangetrieben werden. Auch die Schweizer Friedensbewegung sieht die Hintergründe: „Das Vorgehen Russlands ist die Reaktion darauf, dass die Ukraine die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen mit Duldung der westlichen Garantiemächte seit acht Jahren blockiert hat“. Wer jetzt vorschnell mit einem Vorwurf an die „Putin-Versteher“ reagiert, sollte bedenken, dass Verstehen nicht Entschuldigen oder Rechtfertigen bedeutet. Richtig ist auch folgende Feststellung: „Mit der ebenfalls völkerrechtswidrigen militärischen Durchsetzung der Abspaltung des Kosovo von Serbien und dessen Anerkennung schuf die NATO einen folgenschweren Präzedenzfall. Russland hat nun seinerseits zu solchen Methoden gegriffen, und ist dabei, militärisch vollendete Tatsachen zu schaffen.“ Tatsächlich: Die Zeitenwende, das Umkippen des kalten in heiße Kriege, hat bereits damals begonnen. Seitdem galt: „Nicht Russland breitet sich in Richtung Westen aus, sondern NATO und EU in Richtung Osten“ – konstatiert auch der Vorstand der Solidarwerkstatt Österreich. Auch der SPIEGEL berichtete inzwischen dass versprochen worden war, „die Nato nicht über die Elbe hinaus aus[zu]dehnen“. Seit 2014 stiegen übrigens auch die Militärausgaben der Ukraine ständig an. Gleichzeitig wird, z.B. von der KP Portugals, auch betont, dass auch Russland „ein kapitalistisches Land ist, dessen Positionierung im Wesentlichen von den Interessen seiner Eliten und Inhaber von Wirtschaftsgruppen bestimmt wird“. Es ist ein „interimperialistischer Krieg“, wie die KP Irlands schreibt.

Von der kubanischen Regierung kommt neben Argumenten für ein Verständnis „einer Situation, die hätte vermieden werden können“, die allgemeine Aussage: „Kuba wird immer für den Frieden eintreten und die Anwendung von Gewalt und die Androhung von Gewalt gegen jeden Staat verurteilen.“ Sie verweist auch auf einen unzureichenden Resolutionsentwurf der UN, die „keinerlei Rücksicht nimmt auf die legitimen Anliegen aller beteiligten Parteien“ nehme.

In den in der Beilage der „Marxistischen Blätter“ gesammelten Bekundungen gibt es Unterschiede darin, ob wirtschaftliche Sanktionen als Lösungsmittel akzeptiert werden oder nicht. Dagegen spricht vor allem, dass sie vor allem die einfachen Menschen treffen. Die Sanktionen auch auf die Kultur auszuweiten wird ebenfalls kritisiert.

Eine außereuropäische Perspektive brachte Vijay Prashad in einer Rede in New York City ein: „Als ob der Krieg, weil er in Europa stattfindet, wichtiger wäre als der Krieg in Syrien oder der Krieg gegen die Palästinenser oder der Krieg im Jemen.“ Die damit verbundene Doppelmoral wird insbesondere auch von der KP Irlands verurteilt.

Eine solche Sicht erinnert daran, dass die Erhitzung der Erde im Klima-Umbruch wie auch die steigende Zahl heißer Kriege nicht nur mit einzelnen „Verrückten“ ausgeht, sondern ganz grundlegend mit fehlgeleiteten geopolitischen Interessenlagen. Es käme darauf an, diese Interessen zu untersuchen und insgesamt zu einer anderen als der imperialen Weltordnung zu kommen, in der alle Interessen auf friedliche Weise untereinander abgeklärt werden können. Bis dahin muss eine Kultur gestärkt werden, bei der „Rücksicht… auf die legitimen Anliegen“ von allen genommen wird.

Auf die einfache Frage, was genau denn nun sofort zu einem Ende des Kriegs führen könnte, hat niemand eine schnelle Antwort. Vielleicht muss die Anerkennung des eigenen Anteils an der Verursachung der Problemlage ein erster Schritt sein. Der NATO-Vormarsch muss ebenso gestoppt werden wie die eigene Aufrüstung. Ohne das wird alle Empörung in neue Wellen von einseitigem Nationalismus und Hassspiralen münden.

Angesichts der kritischen Umwelt- und Klimaproblematik wird mit gutem  Recht erinnert an den „Palme-Bericht“ von vor 40 Jahren.

»Der Frieden in der Welt muss sich auf ein Engagement für das gemeinsame Überleben statt auf die Drohung durch gegenseitige Auslöschung gründen.«

Bei dem, was in der oben genannten Resolution als Forderungen formuliert wird, sind einige auch Forderungen an uns. Wir sollten

  • uns weiter gegen Waffenlieferungen und die neue Aufrüstungsrunde einsetzen,
  • Solidarität mit der Friedensbewegung in Russland und der Ukraine üben,
  • Solidarität mit allen (!) Geflüchteten praktizieren
  • eine bundesweite Aktion gegen Aufrüstung und Militarismus vorbereiten
  • und… den Ostermärschen zu einem Neuaufschwung verhelfen, als „Signal für Abrüstung und gemeinsame Sicherheit“.

Also los gehts!