Gemeinschaftliches Leben gilt vielen als Utopie. Spätestens seit der Ausbildung von weitreichenden und komplexen gesellschaftlichen Zusammenhängen wurde ihnen der Wunsch nach einer Rückkehr in überschaubere und „gemütliche“ kleinere Strukturen entgegen gestellt. Die Theorie des traditionellen Marxismus handelt vom gesellschaftlichen Leben der Menschen. Als „Gesellschaft“ gilt eine Gesamtheit komplexer Strukturen. Diese überschreitet den Bereich, den wir Menschen als „unsere Gemeinschaft“ erfahren. Außerdem behandelt die marxistische Gesellschafttheorie primär (polit-)ökonomische Verhältnisse.[1] Aus diesen beiden Gründen fällt das Gemeinschaftliche aus der marxistischen Gesellschaftstheorie weitgehend heraus,[2] was aber nicht verhinderte, dass sich innerhalb der Arbeiterbewegung weitgehend ein „Ethos der Gemeinschaft“ durchsetzte (Plessner 1924/2003: 34). Heutzutage stützen sich erst recht viele Konzepte, die über den Kapitalismus hinausweisende gesellschaftliche Zustände vorschlagen wollen, ausdrücklich auf Gemeinschaften als jenen Verbund von Individuen, die ihnen ein erfolgreiches gemeinsames Agieren ermöglichen sollen.
Weitere Abschnitte (werden in den nächsten Tagen ergänzt):
- Gemeinschaft und Gesellschaft
- Traditionale Gemeinschaften
- Post-Traditionale Vergemeinschaftung
- Neue Weise der Individualisierung
- Neue Vergemeinschaftung
- Community-Kapitalismus
- Posttraditionale soziale und ökologische Bewegungen
- Ambivalenz und Probleme von Gemeinschaftlichkeit
- Gesellschaft kommunistisch vergemeinschaften?
- Entkopplung von Geben und Nehmen
- Sozialistisch/Kommunistische Gemeinschaften?
[1] Auch Dieter Strützel, der sich schon zu DDR-Zeiten vor allem für die soziokulturelle Komponente der Gesellschaftlichkeit interessierte, betonte die besondere Bedeutung der Implikationen der Produktivkraftentwicklung für diese (Strützel 1988). Letztlich würden vor allem jene Interessen von „sozialen Gruppen“ betrachtet, „welche letztlich in ihrer Stellung im Produktionsprozess begründet sind“ (Pasemann 1988: 383).
[2] In den sozialistischen Ländern gab es auch die Einzelwissenschaft Soziologie, der manchmal die Aufgabe zugesprochen wurde, auch Gemeinschaften zu thematisieren und „eigenständige Gesetzmäßigkeiten der sozialen Entwicklung“ zu untersuchen. (Sparschuh 1988: 290, 292) Im Unterschied zur Gesellschaftstheorie, welche „die objektiven Gesetzmäßigkeiten er gesellschaftlichen Entwicklung“ erforschen soll, gehe es der Soziologie darum, „soziale Grundprozesse“ insbesondere in der Vermittlung „zwischen objektiven gesellschaftlichen Entwicklungsanforderungen und sozialem Handeln“ zu untersuchen (Berger 1989: 1ff.).
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