Dieser Beitrag gehört zum Text über „Klassenanalyse bei Werner Seppmann“
„Meine Mutter ist eine Arbeiterin,
Mein Vater ist ein Arbeiter,
Ich bin eine Arbeitertochter.
Ich liebe Arbeiter*innen. Arbeiter*innen haben mir geholfen,
Ich helfe Arbeiter*innen.
Ich konnte mich nie an die Reichen gewöhnen,
Die mit Abscheu
Die Klassen unter ihnen
Verachten.“
Semra Ertan, 25 Jahre alt, verbrannte sich 1982 in Hamburg
aus Protest gegen den erlebten Rassismus.
Alternative und ein großer Teil linker Theorie ist seit Jahrzehnten mehr oder weniger bewusst klassen-vergessen. Auch ich bearbeitete dieses Thema nicht für längere Zeit und systematisch und so blieben auch die Schriften von Werner Seppmann, obwohl ich ihn persönlich kannte, meistens unter meinem Radar. Werner Seppmann ist voriges Jahr leider verstorben. Von seiner auf 7 Bände geplanten Arbeit „Klassenanalysen I…VII“ konnte nur der erste Band 2017 im Mangrovenverlag erscheinen („Kapital und Arbeit“). An der Umsetzung seines Manuskriptes für den zweiten Band für die Veröffentlichung wird gerade gearbeitet. Viele Veröffentlichungen von ihm gibt es schon. Ich habe nun den ersten Band der „Klassenanalysen“ gelesen und möchte seine Inhalte hier vorstellen.
In diesem Text zu dem Buch von Werner Seppmann ergänze ich einige Zahlen bzw. Bilder auch aus anderen Quellen. Ich habe für die Reihenfolge der Themen auch eine eigene Gliederung verwendet. Wenn, wie Klaus Dörre schreibt, der Begriff Klassenbewusstsein „im Schnittpunkt von Klassenstruktur und revolutionärem Handeln“ steht (Dörre 2008: 787), so bestehen wichtige Unterschiede zwischen diesen Phänomenen, die sich in der Analyse beginnend von objektiven Bedingungen hin zum Subjektiven verfolgen lassen: Struktur – Bewusstsein – Handeln. (vgl. auch Ritsert 1998: 66)[1] Im ersten Klassenanalyse-Band von Werner Seppmann liegt der Schwerpunkt auf der Klassenstruktur als Ausgangspunkt für später geplante Themen. Das Übergewicht des Strukturellen erklärt sich daraus, dass die Gesellschaftsstruktur das Fundament des sich mit den anderen Schwerpunkten (Bewusstsein und Handeln) weiter öffnenden Möglichkeitsrahmens ist.
Manchmal habe ich auch noch Quellen ergänzt und vor allem Abbildungen aus den isw-wirtschaftsinfos und Verweise auf konkrete Berichte aus dem Buch „In einem reichen Land. Zeugnisse alltäglichen Leidens an der Gesellschaft“ (Hg.: Günter Grass, Daniela Dahn und Johano Strasser). Ich lasse auch eigene Gedanken einfließen, auch wenn diese sich um die Inhalte aus Werner Seppmanns Buch ranken. Werner Seppmann verwendete, darauf sei noch hinzuweisen, keine gendergerechte Schreibweise; aber inhaltlich verwies er häufig ganz konkret auf die besondere Lage von Frauen.
Warum denke ich, dass dieses Thema wichtig ist? Wenn man Entwicklung des Kapitalismus vor allem in Richtung auf eine „Wissensgesellschaft“ oder „Netzwerksgesellschaft“ interpretiert bzw. die Arbeiterklasse abschreibt, weil sie frühere Erwartungen auf die Erfüllung ihrer „historischen Mission“ nicht bestätigt hat, bleibt meines Erachtens vieles Wichtige „unter der Decke“ des Verschweigens und Verschleierns. Dabei geht der Blick auf die fundamental gegensätzlichen Interessen verloren, die die kapitalistischen Verhältnisse bestimmen und die vielschichtigen Vermittlungsprozesse im Komplex Struktur – Bewusstsein – Handeln können nicht mehr thematisiert werden. Wenn wir in sozial-ökologischem Interesse „das System“ in Frage stellen und „den Kapitalismus“ abschaffen (oder „aufheben“) wollen, müssen wir das, was wir beseitigen wollen, natürlich verstehen, weil wir ja auch wissen müssen, wo die Wurzel verankert ist, die ausgerissen werden muss. Und wenn wir gleichzeitig auf die Entfaltung neuer menschlicher Beziehungen aus sind, müssen wir die Beziehungen in ihrer Verwurzlung (Radikalität) kennen, von denen ausgehend wir hier und jetzt agieren wollen und müssen.
[1] Autonome Marxist:innen bestimmen die Klassen nicht durch ihre Stellung im Produktionszusammenhang, sondern „durch ihren Kampf gegen das Kapital“ (Einleitung Zerowork#1 1974: 13). Dies erscheint mir ebenso einseitig wie eine Ableitung des Kampfs allein aus der Klassenlage heraus. Alle Vermittlungsebenen existieren gleichzeitig, nur die Analyse schafft sich eine Reihenfolge der Betrachtung.
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