Meine liebsten Weihnachtsgeschenke waren wie immer Bücher. Zwei dicke Bücher habe ich schon ausgelesen. Zuerst die fast 1300 Seiten des Romans von Andreas Eschbach: „Eines Menschen Flügel“, einer wunderschönen Utopie, die 1000 Jahre lang nur funktionieren kann, weil die geflügelten Menschen von ihren Ahnen versteckt wurden und sie nichts wussten von der Bedrohung durch das kriegerische Imperium, wie es sonst so in Science-Fiction-Romanen vorherrscht.

Deutlich wirklichkeitsbezogener war dann die „Biographie und Werkentwicklung“ des jungen Karl Marx, wie sie Michael Heinrich in einem ersten Biographieband über Marx vorstellte. Das wird wohl für lange Zeit wieder ein Standardwerk sein, denn hier räumt Heinrich mit oft wiederholten Mythen auf und legt ganz genau dar, was bekannt ist über das Leben von Marx und Gründe für seine Ansichten und für welche dichterischen Ergänzungen es keinen ausreichenden Grund gibt.

Marx? Schon wieder und immer wieder? Hat sich das nicht längst erledigt? Nein, das zeigt ein drittes Buch, das mir gerade zugeschickt wurde. In ihm heißt es:

„Ich habe das lange so nicht für möglich gehalten, dass es die Zustände, auf die Karl Marx reagiert hat, noch einmal wieder geben könnte in einer sozialen Marktwirtschaft.“

Es geht um die Fleischwirtschaft, deren Skandale nicht nur wegen dem Tierleid, sondern vor allem wegen den „Wegwerfmenschen“, die dort arbeiten müssen, aufgrund der enorm hohen Coronazahlen endlich stärker in die Öffentlichkeit gerückt sind. Mir liegt jetzt der Folgeband von „Das ‚System Tönnies‛ – organisierte Kriminalität und moderne Sklaverei vor. Zusammengestellt von Jour fixe Gewerkschaftslinke Hamburg berichten viele Autorinnen und Autoren über diese Zustände.

Mir war gar nicht bewusst, dass vor allem seit 20-30 Jahren die Großkonzerne ein rasantes Wachstum auf Kosten von Klein- und Kleinstbetrieben hingelegt haben und dies vor allem deswegen, weil sie Arbeiter*innen aus den neuen EU-Staaten mit Werkverträgen ausbeuten, die enorme Lohnkosten einsparten. Das besondere Lohndumping in Deutschland hatte auch Auswirkungen z.B. auf Dänemark, wo 15 000 Jobs in der Fleischindustrie abgebaut wurden. Besonders skandalträchtig ist auch der Umgang mit Lokalpolitiker*innen, die vor allem dem Konzernriesen Tönnies in die Suppe spucken möchten. Sie werden systematisch kalt gestellt. Trotzdem bewirkte die Aufmerksamkeit durch die Corona-Hotspots u.a. nun endlich das Arbeitsschutzkontrollgesetz, das die Kämpfe um Tierwohl und Menschenrechte nicht obsolet macht, aber erleichtern kann.

Und damit sind wir wieder bei Marx. Es wird festgestellt, dass sich von ihm allemal noch lernen lässt, nämlich „dass der Arbeiter und die Arbeiterin nur ihre Arbeitskraft in die Waagschale werfen können und nur, wenn sie sich zusammenschließen, eine gewisse Macht haben“.

Literatur:

Eschbach, Andreas (2020): Eines Menschen Flügel. Lübbe.

Heinrich, Michael (2018): Karl Marx und die Geburt der modernen Gesellschaft. Biographie und Werkentwicklung. Band I. 1818-1841. Stuttgart: schmetterling verlag.

Jour fixe Gewerkschaftslinke Hamburg (Hg.) (2022): Ist das System Tönnies passé? Welche Perspektiven haben Landwirtschaft, Schlachthöfe und Tierrechte? Folgeband von „Das ‚System Tönnies‛ – organisierte Kriminalität und moderne Sklaverei. Berlin: Die Buchmacherei.