Am 31.01.23 habe ich online einen Vortrag für „DB for Future“-Menschen gehalten.
In diesem Vortrag geht um den tieferen Grund, warum es bei der Bahn wie auch dem Klimaschutz immer wieder klemmt und sich soziale und ökologische Krisen so verknäueln. Im Vortrag wird erläutert, wieso der Kapitalismus ausbeuterisch und umwelt-/klimaschädlich ist.
Hier gibts nun den Text zum Vortrag (tlw. ergänzt am 1.2.23):
Nach Angaben der Deutschen Bundesbahn werden fast 70% der Treibhausgasemission eingespart, wenn mit der Regionalbahn gefahren wird statt mit dem Auto. Da der Verkehr eine der wichtigsten Quellen für CO2-Emissionen ist (und in Europa ein Fünftel ausmacht), wäre ein Umstieg auf eine 100%ig mit Ökostrom fahrende Bahn wesentlich für eine Transformation zu einer klimaneutralen Welt. Zwar haben die 9-Eurotickes von 2022 noch kein Umsteigen vom Auto in die Bahnen bewirkt, aber sie waren so etwas wie ein Stresstest, ob das überhaupt möglich wäre. Leider ging das weitgehend auf Kosten der Bahnbeschäftigten und es zeigte, dass die Bahn eine solche Belastung nicht aushält (FAZ 2023).
Wenn wir uns fragen, was die Bahn daran hindert, ihre Aufgabe gut zu erfüllen, so fällt auf, dass es meistens fehlende Investitionen und ausreichende Reserven bei Material und Arbeitskräften sind, die das System im Ernstfall überlasten. Woran liegt das? Müsste es nicht eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein, eine ausreichende Mobilitätsinfrastruktur zur Verfügung zu stellen, die den motorisierten Individualverkehr überflüssig macht? Aber der Trend ging in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr in Richtung einer Privatisierung von Bahn- und Netzbetrieb. Damit sollte – so eine offizielle Begründung – Verschwendung verhindert und Effizienz erzwungen werden. In viel ärmeren Zeiten war es mal klar, dass bestimmte Aufgaben der allgemeinen Lebensgestaltung gesellschaftliche, d.h. öffentliche Angelegenheit sind. Aber mit der Durchsetzung des sog. Neoliberalen Zeitalters und dem Ende der Systemalternative setzten sich Privatisierungsgedanken und –praxen auf vielen Gebieten, auch im Gesundheitswesen, immer mehr zu. Und das Streben nach Effizienz trocknete die Systeme bis ins Unerträgliche aus. Das ist nicht bloß ein strategischer Irrtum, sondern hat seine Ursache „im System“, dem kapitalistischen.
Its the System, stupid!
Viele verbinden die kapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftsform mit persönlicher Freiheit (z.B. diesen oder auch jenen Arbeitsvertrag zu unterschreiben), mit Demokratie (zumindest bei einigen Fragen und in einigen Bereichen) und er ermöglichte es nach einem anfänglichen – von Marx und Engels als Hintergrund für ihre Kritik erlebten – massenhaften Elend der Arbeiterschaft doch, vielen Menschen ein recht hohes Lebensniveau zu ermöglichen. Der begeisterte Blick von DDR-Menschen in eine Bananenkiste während der „Wende“ 1989/1990 spricht Bände über die damit verbundenen Erwartungen.
Freiheit also, aber wie weit geht die im Kapitalismus? Wirtschaftlich jedenfalls sind die Grenzen der unternehmerischen Freiheit dort gesetzt, wo es sich nicht mehr „rechnet“. Wo kein Profit zu erwarten ist, wird nichts „unternommen“ und wenn ein öffentliches Interesse sich „nicht rechnet“, wird es unternehmerisch (d.h. privatkapitalistisch) nicht gemacht bzw. nicht ordentlich gemacht. Und für den Einzelnen zeigt sich das Ende der Freiheit darin, dass nur denjenigen ein einigermaßen gutes, das heißt vor allem auch sozial abgesichertes, Leben ermöglicht wird, die sich (wenn sie nicht Unternehmer*in oder vermögend sind) einer Lohnarbeit unterwerfen. Vor allem letzteres steht für den Kapitalismus als Klassengesellschaft. Auch wenn die sich nicht mehr so offensichtlich wie im frühen Kapitalismus vor allem als Elend der Arbeitenden (und erst recht der Lohnarbeitslosen) zeigt, so können nur die über den Einsatz der Produktionsmittel entscheiden, die ihre Eigentümer sind. Für die anderen endet die Demokratie „an den Werktoren“, sie können nur und müssen das tun, was die Unternehmensvertreter als profitabel ansehen.
Zum Kapitalismus gehört es ganz wesentlich, dass wirtschaftliche Entscheidungen nur sehr begrenzt durch die Politik beeinflusst werden können. Wir erleben dies an den Grenzen unserer Einflussnahme auf die sozialen Bedingungen der Arbeit und auch bei dem Versuch, ökologischer zu leben und zu arbeiten. Franz Josef Strauß wird das geistreiche Bonmot zugesprochen: „Geld ist geil wie ein Bock und scheu wie ein Reh.“
Kapitalismus ist ausbeuterisch
Wenn nur etwas wirtschaftlich „unternommen“ wird, wenn Profit bzw. Gewinne winken, sollten wir mal genauer hinschauen, woher die Gewinne kommen. Sie sind das, was mehr rauskommt aus dem Produktionsprozess, als was hineingesteckt wurde. Bauwerke und Maschinen werden „abgeschrieben“, sie übertragen ihren Wert auf die Produkte. Verwendete Materialien gehen ins Produkt ein. All das mag sich „rechnen“, also mit plus/minus Null rauskommen, aber damit wird kein Unternehmer anfangen. Gewinn muss her. Alle möglichen Alternativen seiner Herkunft werden von Marx im „Kapital“ ausgeschlossen und auch die historisch später extrem dominant werdenden Finanzspekulationen usw. setzen nur auf den Kern“trick“ des Gewinnmachens auf und übertreffen dessen Dynamik dann um ein Vielfaches. Der Kerntrick ist jedoch folgender: Die Arbeitskräfte, die gegen Lohn für eine bestimmte Zeit arbeiten, erhalten nicht den Gegenwart ihrer aufgebrachten Arbeitskraft, sondern nur einen Teil davon als Lohn. Der Lohn wird letztlich dadurch bestimmt, was die Arbeitskraft für ein durchschnittliches Leben braucht (d.h. auch, wieviel sie in Lohnkämpfen erkämpft hat). Um diesen Wert zu erhalten, würde es vielleicht reichen, 3 Tage in der Woche zu arbeiten. Die restlichen beiden Tage arbeiten wir für das Unternehmen. Davon muss, das ist einzusehen, das Unternehmen nun wieder verschiedene Kosten bezahlen und auch investieren. Aber es bleibt immer noch was übrig, was wir nicht bekommen und was die Unternehmenden sich als ihr Vermögen einsacken. Und dieser Anteil wird im Vergleich zu den Löhnen immer größer (abgesehen von einem Absacken der Vermögensabschöpfung in der Krise um 2008) (Bildquelle):
Dabei gibt es seit Jahrzehnten den Trend, dass anteilsmäßig eher weniger als mehr investiert wird und die reinen Vermögensanteile unverhältnismäßig steigen und in Finanzspekulationen gesteckt werden. Die Verlaufskurven von Löhnen und Gewinn- sowie Vermögenseinkommen laufen immer weiter auseinander. Es ist klar, welche Kurve sich in unerhörte Höhen aufschwingt und welche eher stagniert… (Bildquelle):
Neben diesem Kern-Ausbeutungsprozess gibt es weitere Ausbeutungen z.B. von massenhafter unbezahlter Arbeit vieler Menschen auf aller Welt, insbesondere von Frauen. Manchmal wird auch die Vernutzung von Natur, ohne sie ausreichend zu reproduzieren, als „Ausbeutung“ bezeichnet.
Insgesamt ist zu konstatieren, dass im Kapitalismus bei fast allen Vorgängen die Kosten möglichst vergesellschaftet werden, die Gewinne aber privatisiert werden.
Wie ist das nun bei der Bahn? Wir wissen doch alle, dass die mehr Schulden als Gewinne macht…? Nun ja, hier kommt ihr quasi hybrider Zustand zum Tragen. Einerseits soll sie öffentliche Aufgaben erfüllen, z.B. einigermaßen flächendeckend zur Verfügung stehen, die DB AG ist im Eigentum des Bundes. Aber sie ist eine AG, d.h. sie muss Profite erwirtschaften. Zwar wurde nicht, wie zuvor geplant, alles privatisiert, aber die Logik einer geforderten höheren Profitabilität schlägt doch durch: Sie führt zur Intensivierung der Arbeit, für immer weniger Mitarbeitende, die nicht ausreichend durch Lohnerhöhungen kompensiert wird. Hier liegt eine klassische Lohnarbeits-Ausbeutung vor. Gleichzeitig sorgen die Kosteneinsparungen, die weit über vernünftige Effizienzsteigerungen hinausgehen, zu einer Vernachlässigung von kostenintensiven Wartungen, Reparaturen und Pflegearbeiten. Auch die Vernachlässigung des Schienennetzes ist dadurch begründet. Der Auftrag der öffentlichen Versorgung wird auch dadurch vernachlässigt, dass seit Anfang der 90er Jahre der „größte Netzabbau in 186-jähriger Geschichte der dt. Eisenbahnen“ (Wolf 2021) stattfand.
Unternommen wird also die Bahn (von Unternehmerseite her), um Profit zu machen… und nicht etwa, um Leute und Material zu transportieren. Gearbeitet wird auch da (vorwiegend), um Lohn zu erhalten, damit man davon leben kann… und nicht etwa weil Lok fahren und Leute während der Reise zu betreuen und das Ganze zu organisieren Freude macht und Erfüllung bringt. Ganz normaler Kapitalismus ebnen.
Daraus erklärt sich dann auch, warum die Privatisierung trotz starker Probleme immer weiter betrieben wird. Übrigens: einer der Gründe dafür besteht auch darin, dass die Gewerkschaften geschwächt werden sollen, was ja in Großbritannien, dem Lehrbeispiel dafür, leider auch gut gelang. Daraus erklärt sich auch, warum um Lohnerhöhungen und bessere Arbeitsbedingungen so hartnäckig gekämpft werden muss. Und es erklärt sich, warum die Arbeitenden, wo immer es geht, in Besser- und Schlechtergestellte aufgeteilt werden, damit man an den Schlechtergestellten noch besser verdienen kann und sich alle Ausgebeuteten möglichst zerstreiten.
Kapitalismus ist naturzerstörend
Der Kapitalismus ist recht erfolgreich damit, viel Energie und viel Material umzuwandeln in viele Konsumgüter, nicht zuletzt damit konnte er über die versuchte Systemalternative siegen. Sein Produktionssystem ist wie eine Riesenmaschinerie, in die vorne natürliche Ressourcen und Arbeitskraft eingesaugt werden und hinten neben den angehimmelten Konsumgütern eine ungeheure Menge an Abfall und aller Arten von Umweltverschmutzung rauskommen. Die kapitalistische Wirtschaftstätigkeit vernutzt eine Menge mehr natürlicher Produktionsvoraussetzungen, als sich in der Natur in der gegebenen Zeit reproduzieren kann. Die fossilen Energien wurden über 300 Millionen Jahre lang „angespart“ und jetzt in wenigen Jahrzehnten verheißt, die Fischgründe aller Meere sind längst über- und leergefischt, Böden laugen aus, Ökosysteme verschwinden in enormer Geschwindigkeit und das sechste Massenaussterben biologischer Arten nimmt immer mehr Fahrt auf. Von der gefährlichen Veränderung des Weltklimas will ich hier gar nicht erst anfangen…
Was hat das mit der kapitalistischen Wirtschaftsdynamik zu tun? Könnten nicht die kapitalistischen Entscheider auch kapieren, dass sie nicht mehr „geil wie ein Bock“ sein dürfen, sondern in ihrer Naturvernutzung unterhalb der naturmöglichen Reproduktionsschwelle bleiben müssen? Es wird ja schon länger vom „Grünen Kapitalismus“ geredet (auch wenn er praktisch nicht wirklich vorankommt).
Wir müssen hier die Frage des Profits noch genauer durchleuchten. Man könnte ja denken, die Unternehmen können sich mit der Ausbeutung einer vielleicht auch nur moderaten Ausbeutung der Arbeitskrafte begnügen; der Gewinn wird sicher schon für Vermögen reichen, die man in mehreren Luxusleben nicht aufbrauchen kann. Aber kein Unternehmen ist allein, sondern alle müssen sich ständig gegen ihre Konkurrenz behaupten, sonst gehen sie unter und verschwinden vom Markt. Und in dieser Konkurrenz geht es nicht nur darum, die Produkte loszuwerden und etwas mehr als die Kosten reinzubekommen, sondern alle stehen im Wettbewerb darum, die Kosten zu senken, so dass jede/r immer weiter mit machen muss, die Kosten, z.B. für Löhne und die Reproduktion der Natur, auch bei sich immer weiter zu senken, statt zu erhöhen. Das ist wie bei der „Roten Königin“ aus dem Buch „Alice hinter den Spiegeln“, die zu Alice sagte: „Hierzulande musst du so schnell rennen, wie du kannst, wenn du am gleichen Fleck bleiben willst.“ Außerdem müssen dabei das eigene Unternehmen und sein Output notwendigerweise wachsen, was den „Wachstumszwang“ im Kapitalismus begründet. Es geht dabei nicht nur darum, Profit zu machen, sondern es muss genügend Profit im Vergleich zur Konkurrenz sein. „Es muss sich rentieren“ heißt also nicht nur, die Kosten wieder hereinzubekommen, sondern genug Profit zu machen, um in der Konkurrenz bestehen zu können (vgl. Schlemm 2022, Schlemm 2023).
Um mehr und mehr Profit machen zu können, muss mehr und mehr produziert werden – mit allen Folgen für die Umwelt bei der Ressourcenübernutzung und des tötenden Abfalls allerorten. Es gab mal Hoffnungen, dass sich die Produktion auf digitaler Grundlage und durch mehr Dienstleistungen mehr und mehr „immaterialisiert“, wodurch die stofflich-energetischen Grundlagen nicht mehr so stark belastet würden. Aber es zeigte sich, dass das Immaterielle immer nur als Begleiterscheinung sogar einer beschleunigten Umwälzung der materiellen Produktions- und Handelsprozesse dient. Und auch wo mehr ökologische Effektivität (mehr Produkte mit weniger Energie/Material) stattfindet, wird die Ersparnis wieder aufgefressen vom Rebound-Effekt, also einer durch günstigere Kosten erhöhte Nutzung.
Bedeutet das immer weiter betriebene und getriebene Wachstum nun wenigstens, dass mehr Bedürfnisse besser befriedigt werden? Am Anfang einer Entwicklung heraus aus einer elenden Lebenslage können mehr Arbeit und mehr Produkte natürlich das Leben verbessern. Schon geringfügig größere Eingriffe in die Naturbedingungen können dann große Verbesserungen im Lebensniveau hervorbringen. Man kann in einem Diagramm ein Maß für gutes Leben (üblicherweise der Human Development Index HDI) auf der y-Achse über dem wachsenden Naturverbrauch (z.B. dem Ökologischen Fußabdruck pro Person) auftragen.
Dann endet die aufsteigende Kurve bei einem HDI von ca. 0,8 (das Maximum ist 1), wofür noch nicht zu viel Natur vernutzt wird. Dann flacht die Kurve abrupt ab und steigt nicht mehr. Der größte Bereich wachsenden Naturverbrauchs nach rechts auf der x-Kurve führt für die dort befindlichen Ökonomien nicht mehr zu einem steigenden HDI. Die Kurve läuft in eine Gerade aus, dies zeigt eine „Sättigung“ an. „Mehr, Mehr, Mehr“ macht ab einem für die zuerst industrialisierten Länder schon längst erreichten Punkt gar nicht glücklicher. Eigentlich wissen wir das alle…
Es geht dann primär um eine bessere Verteilungsgerechtigkeit. Außerdem ist es paradox, dass trotz einer Lage in doch wirtschaftlich erfolgreichen Ländern gerade so wichtige Bedürfnisse wie nach bezahlbarem Wohnraum, Gesundheitswesen, Pflege usw. immer schlechter befriedigt werden können, von den Bedürfnissen nach nichtkonkurrierenden, „echten“ menschlichen Beziehungen ganz zu schweigen. Und die Bedürfnisse, in einer intakten Natur zu leben und für das Leben seiner Nachfahren nicht durch fürchten zu müssen, können erst recht nicht mehr befriedigt werden.
Seit den 80er Jahren schon übersteigt die Anforderung der Wirtschaft die Biokapazität des Planeten Erde. Auch 4 der insgesamt 9 ausgemachten sog. planetaren Belastungsgrenzen sind bereits überschritten (Bildquelle):
Die Aussichten sind alles andere als positiv, sogar wenn ab sofort Vernunft einziehen würde und eine sozial-ökologische Transformation beginnen würde.
Kapitalismus ist also weder grundsätzlich sozial, noch wirtschaftsdemokratisch, noch nachhaltig ökologisch oder klimagerecht. Und all die angedeuteten Krisen, die damit verbunden sind, verknäueln sich. Die Bahnmisere ist, weil ihre Lösung den Klimaschutz befördern könnte, Teil des Klimanotstands!
Eine Lösung dieses Knäuels ist nur noch durch das „Durchhauen des Knotens“, d.h. die Durchsetzung einer grundsätzlich neuartigen Lebens- und Wirtschaftsweise möglich.
Der Kapitalismus ist nicht alternativlos
Rein sachlich, d.h. zuerst einmal ohne politische Konnotation ist es notwendig, andere Dinge anders zu produzieren. Die Sachen müssten langlebig, recyclingfähig und reparaturfreundlich sein, geworben werden müsste genau für Recycling, Reparatur und pfleglichen Umgang statt für Neukäufe. Und es müsste für den wirklichen Nutzen produziert werden, nicht für Profit. Dann würde viel weniger produziert als jetzt, Militär, kurzlebige Dinge, „geplante Obsoleszenz“ würden überflüssig. Anders würde insofern produziert, als die Reproduktion von vornherein darin integriert wäre. Alles wäre auf eine Kreislaufwirtschaft hin orientiert, die Produktionsstätten entlang verfügbarer Rohstoffe und Energiegewinnungsorte optimiert, dezentral-vernetzte Strukturen würden umweltbelastende Zentralisierungen beenden. Und natürlich wäre Selbst- und Mitbestimmung auch in der Wirtschaft selbstverständlich.
Der neue Bericht an den Club of Rome (Dixxon-Decléve 2022) geht noch weiter. Das, was heutzutage angesichts des Klima-Umbruchs meist sachlich zuerst gesehen wird, ist der „Übergang zum Einsatz sauberer Energie“. Das kommt aber bei den in diesem Bericht genannten notwendigen „5 Kehrtwenden“ erst an 5. Stelle. An 4. Stelle kommt der „Aufbau eines für Menschen und Ökosysteme gesunden Nahrungsmittelsystems“ (was auch wesentlich zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen ist). Aber da das Klimathema nicht isoliert ist von all den anderen Themen, muss auch die wirtschaftlich-gesellschaftliche Transformation viel weiter gehen. Hierzu nennt der Bericht an den Club of Rome an 3. Stelle die „Ermächtigung von Frauen“ (was das Bevölkerungswachstum abbremsen hilft). An 1. und 2. Stelle steht aber etwas eminent Soziales, die gesellschaftlichen Verhältnisse Betreffendes: Die Armut auf der Erde muss beendet werden und die eklatante Ungleichheit muss beseitigt werden. Erst dann werden auch Benachteiligte verstehen, warum sie auf ein „Mehr“ und „Mehr“ und „Mehr“ verzichten sollen, wenn doch für so viele Superreiche und Reiche das nicht gelten soll.
Es ist egal, ob man diese nachkapitalistische Gesellschaftsordnung „Commonismus“ nennt oder „Öko-Sozialismus“, die eben genannten Anforderungen müssen alle erfüllen.
Alle Arbeits- und Versorgungsprozesse müssen zwei Grenzbedingungen einhalten: 1. müssen Aufwendungen erbracht werden, um die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen, deshalb ist eine bestimmte Nutzung auch von Naturgegebenheiten durchaus notwendig und die Einflussreichweite der Menschen in die nichtmenschliche Natur hinein kann kein Punkt mit dem Radius Null sein. Aber die Einflussnahme darf 2. nicht so weit gehen, dass die natürlichen Reproduktionskreisläufe zerstört werden. Dies wird bildlich dargestellt als sog. „Donut-Ökonomie“, weil sich der „sichere und gerechte Raum für die Menschheit“ in einer ähnlichen Darstellung, wie wir sie bei den Planetaren Belastungsgrenzen kennen gelernt haben als Raum zwischen beiden Grenzen erweist (Bildquelle und mehr Infos hier):
Was heißt das für die Bahn? Sie erhält neue Aufgaben im Rahmen der gesellschaftlichen Arbeitsteilung, die dann vernünftig eingerichtet ist, um Bedürfnisse zu erfüllen, statt Profiten hinterher zu jagen. Und sie wird ein sehr bedeutsamer Teil eines neuen Mobilitätskonzepts. Einige konkrete Vorstellungen über eine im wahrsten Sinne des Wortes zukunftsfähige Bahn hat Winfried Wolf entwickelt:
- Wiederherstellung der Flächenbahn,
- 100 Prozent Ökostrom,
- Fahrplan: engmaschig, einfach, transparent,
- Güter gehören auf die Schiene;
- Maximaler Respekt vor dem höchsten Gut innerhalb des Systems Schiene: den Beschäftigten. …
Aufgrund der inhaltlichen Verbundenheit der Mobilisietätsrformen der Menschen, der Ausbeutung der Beschäftigten u.a. der Bahn und der damit verbundenen Folgen für die Umwelt ist es wichtig, dass auch politische Bewegungen sich zusammentun. Klimaaktivist*innen können Tarifkämpfe der Beschäftigten bei der Bahn und im Nahverkehr unterstützen und Mobilitäts-Beschäftigte sich an den Klimabewegungen beteiligen. Ich habe mich gefreut, zu diesem Vortrag von den Menschen von „DB vor Future“ eingeladen worden zu sein und wünsche Euch und uns viele gemeinsame Kämpfe und Erfolge…
Quellen
DB (2023): DB Regionalverkehr: Zur Arbeit. Fürs Klima.
Dixxon-Decléve, Sandrine; Gaffney, Owen; Ghosh, Jayati; Randers, Jørgen; Rockström, Johan; Stoknes, Per Espen (2022): Earth for all. Ein Survivalguide für unseren Planeten. Der neue Bericht an den Club of Rome, 50Jahre nach „Die Grenzen des Wachstums“. München: oekom.
FAZ (2022): „Das 9-Euro-Ticket macht krank“. Frankfurter Allgemeine, aktualisiert am 17.07.2022.
Schlemm, Annette (2022): Geil wie ein Bock. In: junge Welt, 13. Juni 2022, Nr. 134, S. 12-13. Online (als Abonnent*in).
Schlemm, Annette (2023): Woher kommt der Wachstumszwang im Kapitalismus? Oder: Warum die Wachstumsdynamik unauflöslich mit dem Klassencharakter des Kapitalismus verbunden ist. Vortrag auf der Tagung „Der Widersprich zwischen dem Kapital und der Natur“ vom 10.-11. Juni 2022 an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Der Sammelband wird 2023 im PapyRossa Verlag erscheinen.
Wolf, Winfried (2021): blog 22: Die falsche Alternative für die Bahn.
Wolf, Winfried (2022): Die Bahn-Misere als Teil des Klimanotstands und die Notwendigkeit einer Klimabahn.
(Onlinedateien wurden am 31.01.2023 abgerufen)
Dieser Beitrag kann auch mit der URL https://kurzelinks.de/OekoSozialBahn abgerufen und zitiert werden.
Danke an R.C. für eine Zahlenkorrektur.
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