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Der Trick mit ungedeckten Versprechungen

Schon seit 30 Jahren wissen wir, dass die Emissionen von Treibhausgasen drastisch sinken müssen. So gut wie nichts geschah; der reale Emissionspfad übertraf in der Emissionsmenge den „Business as Usual“-Pfad, der 1990 als der schlechtest-mögliche eingeschätzt wurde (siehe die folgende Abbildung unter Verwendung DB 1990: 52). Anstatt bei 36,5 GT CO2-Emissionen pro Jahr (2018) müssten wir weltweit bei ca. 16 GT CO2-Emissionen pro Jahr liegen! Und das zusätzlich ausgestoßene CO2 sammelt sich Jahr für Jahr weiter in der Atmosphäre an.

30 Jahre nach diesen Plänen sind wir noch nicht einmal „in den Knick“ (das Abknicken der Kurve von einer Steigung hin zu einer Senkung) gekommen und die Verzögerung führt dazu, dass die die Neigung der Reduktionskurve immer steiler nach unten weisen muss (d.h. die notwendigen Reduktionsraten steigen enorm). Mit der angestiegenen CO2-Menge in der Atmosphäre verringert sich auch das Zeitfenster, das wir bis zum Aufbrauchen des CO2-Budgets noch haben, d.h. das Ende der Emissionen muss noch zeitiger erreicht werden, als 1990 angenommen. Die durchgezogene rote Linie zeigt die aus heutiger Sicht  notwendige Reduktionskurve im Vergleich zu der von 1990: (mehr …)

Der folgende Text wurde von Rüdiger Lutz in seinem 1988 herausgegebenen Sammelband „Pläne für eine menschliche Zukunft“ veröffentlicht. Das damals aktuelle Thema war die Gefahr eines Kernwaffenkriegs, die leider immer noch nicht gebannt wurde. Trotzdem schiebt sich heute ein neues Thema in den Vordergrund: der Klima-Umbruch. Deshalb schreibe ich den Text um[1] und nenne ihn auch nicht wie im Original „Die Friedenswerkstatt“ sondern „Die Klimawerkstatt“. Denn der Text, den ich eher zufällig in meiner Bibliothek (wieder)fand, gibt eine Antwort auf eine Frage, die mich schon länger herumtreibt: Wie können wir uns in Gruppen gegenseitig helfen, mit der aufkommenden Verzweiflung und Trauer über den stattfindenden Klima-Umbruch umzugehen, ohne sie zu verleugnen oder in ihr zu versinken? In der Bewegung „Extinction Rebellion“ werden hierzu Methoden, die eng verwandt mit der problematischen Tiefenökologie sind, verwendet (nach Joanna Macy) – mit dem Konzept von Rüdiger Lutz gibt es nun eine Alternative. Obwohl er leider nicht mehr lebt, bin ich mir sicher, dass er erfreut darüber  wäre, dass seine Arbeit erneut genutzt wird.

Brecht schrieb für jene, die im brennenden Haus den Brand nicht wahrnehmen wollen:

„Ohne zu antworten, ging ich wieder hinaus. Diese, dachte ich, müssen verbrennen, bevor sie zu fragen aufhören. Wirklich Freunde, wem der Boden noch nicht so heiß ist, dass er ihn lieber mit jedem anderen vertausche, als dass er da bliebe, dem habe ich nichts zu sagen.“

Mit der Klimawerkstatt wenden wir uns nicht ab, sondern wir wollen miteinander reden über die Gründe des Nicht-Wahrnehmens. (mehr …)

Häufig werden die Worte „Klimawandel“ oder „Erderwärmung“ inzwischen als zu verniedlichend für das, was geschieht und geschehen wird, gesehen. Von „Katastrophe“ will aber auch kaum jemand wirklich sprechen, also wird etwas zaghafter, wenn auch verschärfend von „Klimakrise“ gesprochen.

Zum Wort „Krise“ fand ich gerade in einem alten Büchlein mit dem auch heute noch spannenden Titel „Wieviel Katastrophe braucht der Mensch?“ (Antwort: nie genug) eine schöne Auseinandersetzung mit der Beschönigung, die bei „Krise“ enthalten ist:

Christina Thürmer-Rohr schreibt da:

„Ich gehe nicht davon aus, daß wir in der „Krise“ stecken. Wer es dennoch tut, sagt. „Im Augenblick ist die Lage zwar ernst, aber es wird wieder.“ „Durch die Krise muß man durch. Nach jeder Talsohle geht es wieder aufwärts.“ Wer Krise sagt, sagt auch, daß alles mal besser war und wieder besser wird; daß die Entwicklung (von Sicherheit, Fortschritt, Meinungen, wirtschaftlichem Wachstum und so weiter) eben so ist: Auf und Ab. Auf Regel folgt Sonne und auf Sonne folgt Regen; schließlich aber doch: Durch Nacht zum Licht.

Das ist alles ablenkendes und dummes Gerede. Das Wort Krise bagatellisiert und vernebelt. Der Zustand von Erde und Menschen, der in der Absurdität des atomaren Mordes an jedem einzelnen Lebewesen lediglich gipfelt, und der moralische Zustand der Menschen, die dieses Faktum geschaffen haben, ist mit dem Terminus „Krise“ überhaupt nicht gekennzeichnet.“

Tatsächlich hängt an der Bedeutung von „Krise“ die immer wieder aufgerufene Beziehung zur Chance. Symbolisiert im selben chinesischen Schriftzeichen für „Krise“ und „Chance“… Im eben zitierten Buch schreibt dementsprechend Dieter Keupp: Die „Krise sollten wir vor allem als Chance und nicht bloß als Gefahr sehen“ – wer könnte den Klima-Umbruch, der viele Katastrophen mit sich bringt und bringen wird, noch wirklich als Chance begreifen?

Ich habe mich auch schon einmal erinnert, dass im Hitzesommer 2003 in Europa innerhalb einer Woche ca. 70 000 Menschen mehr starben, als durchschnittlich in dieser Zeit. Ich glaube 2010 gab es dann in Russland eine Hitzewelle mit ca. 55 000 Toten.

Ich will Tote nicht gegen Tote verrechnen. Aber unsere Wahrnehmung für Gefahren und die entsprechenden Reaktionen sind schon sehr irrational.

Hier deshalb noch ein Bericht über den Zusammenhang zwischen Klimaveränderungen und Gesundheit (Bild aus ebd.):

 

Nun ist es also soweit. Die FDP nutzt die  Corona- und die damit verbundene kommende Wirtschaftskrise, um nicht etwa die Art Wirtschaftssystem in Frage zu stellen, bei der Profit schon immer über Menschen und erst recht Natur ging, sondern um eine „Pause bei Umweltgesetzen“ einzufordern.

Na prima. Eben hatte ich in einem anderen Blogbeitrag noch ein Zitat ergänzt, das hier genau so gilt:

„Wahr ist allerdings auch, dass sie sich eher das Ende der Welt als das Ende einer Wirtschaftsweise vorstellen können, die den Planeten auffrisst.“ (P. Carstens)

Siehe dazu auch:

Aus einer Mailinglist:


Es „wird an das vermeintlich „solidarische“ Verhalten der Bevölkerung ja auch von staatlicher Seite massiv appelliert.

Dem widerspricht die libertär-sozialistische Tradition, welche unter Solidarität nicht versteht, Gleichgemachte auf einem umgrenzten Territorium zu unterstützen, um das Elend zu kompensieren, für welches sie nicht verantwortlich sind – denn es wurde ihnen aufgebürdet und kann prinzipiell abgeschafft werden.

Unter Solidarität ist vielmehr die Unterstützung von Anderen zu verstehen, indem auf diese in ihrer Andersartigkeit Bezug genommen wird, also Beziehungen gestiftet werden, welche über eine rein materielle oder ökonomische Dimension weit hinausgehen. Solidarität meint nicht die Kameraderie unter Bürger*innen an der zusammengeschweißten Front gegen das aus ihren Gesellschaftsformen und Lebensweisen vielfach Verdrängte. Solidarität entsteht stattdessen überhaupt erst in der Begegnung mit Anderen, der Entwicklung von wechselseitiger Sympathie in gemeinsamen Auseinandersetzungen gegen die Herrschaftsverhältnisse, unter denen wir jeweils zu leben gezwungen werden. Solidarität wird nicht in der bürgerlichen Kleinfamilie praktiziert oder in der kuscheligen Wohngemeinschaft, die ersterer oftmals wenig nachsteht, sondern in der Überwindung der zwischen uns gesetzten Grenzen und dem riskanten Sprung ins Unbekannte.

Solidarität ist konkret im persönlichen Kontakt zwischen verschiedenen Menschen erfahrbar und kann gleichzeitig nicht auf diese begrenzt werden, sondern strebt danach, sich auszudehnen bis hin zu Menschen, denen wir gar nicht persönlich begegnen können, weil sie ganz woanders oder in anderen Zeiten leben. Auch wenn es schwer zu denken ist, übersteigt sie tendenziell sogar den Bereich menschlichen Lebens. Schließlich sprengt echte Solidarität im libertär-sozialistischen Sinne, den wissenschaftlich-rationalen, den bürokratisch-gesetzlichen Rahmen von Ausgleichszahlungen, sozialen und technischen „Hilfswerken“, von behördlichen Appellen und den verschiedensten Eingliederungsmaßnahmen. Echte Solidarität ist nicht am Werk, wenn jene, die sich leidenschaftlich gern kümmern, organisieren und kontrollieren, in der Krise plötzlich manisch aufblühen, weil sie nun jene Selbstwirksamkeit erfahren können, die ihnen den Eindruck verschafft, mächtig zu sein. Unterstützung, Organizing, partizipatorische und horizontale Selbstorganisation, sind die Gebote der Stunde für das Projekt des libertären Sozialismus. Doch wenn sie allein als Selbstzweck und vor allem zur Selbstbestätigung betrieben werden, handelt es sich nicht um mehr als unbezahlte Sozialarbeit auf Kosten der Einbindung des eigenen Aktionismus in die totalitären Transformationsbestrebungen. Solidarität hingegen ist sich dieser starken Sogwirkung und ihres Missbrauchs bewusst. Um den Menschen zu dienen, muss sie daher herrschaftsfeindlich werden und nach der Überwindung der bestehenden Ordnung streben.“


Nachtrag:

Wie weit sich aufgrund solcher  Ereignisse die moralischen „Normalitäten“ verschieben können, zeigt der texanische Gouverneur Dan Patrick: Die Älteren sollten ruhig sterben, damit die  Wirtschaft weiter laufen kann…. Daran sieht man, wie dieses Wirtschaftssystem über Leichen geht und den Opfern auch noch einredet, sich freiwillig opfern zu wollen/zu sollen.

Kostenträger, Nicht-Leister, „wollt Ihr ewig leben“?

 

Im vorigen Post verneinte ich die Frage, was Corona-Virus und Klimaproblem miteinander zu tun haben. Stimmt aber nicht ganz (was zu erwarten war):

Durch die verminderten Aktivitäten und Produktionsausfälle sanken natürlich die CO2-Emissionen.

In China z.B. sanken die CO2-Emissionen um ca. 25%.

Aus einer Mail:

Die Krise als Chance –
Selbstorganisation statt autoritäres Durchgreifen!

Ein Zitat aus „Die Ruhe vor dem Sturm…“:

Im besten Fall steht uns ein erinnerungswürdiger Sommer und Herbst bevor, in dem plötzlich vieles möglich ist und vieles anders funktionieren wird als sonst. Im schlechtesten Fall droht uns aber vielleicht auch eine durchgedrehte autoritäre und noch ausgrenzendere Gesellschaft, von der wir zukünftig in einer Vor-dem-Virus/ Nach-dem-Virus-Terminologie erzählen werden.

Was ist eigentlich mit gesellschaftlichen Protesten, wie bei der Klimabewegung?

Hier die  Links:

Weitere Links:

  • Willkommen in Retrotopia: „Endlich wieder „wir“ sagen: Corona schrumpft uns zurück zur Gemeinschaft. Wir dürfen uns davon aber nicht zu viel versprechen. Denn klar ist auch: Dieses Wir betrügt uns.“

„Quarantänehäuser sprießen,
Ärzte, Betten überall
Forscher forschen, Gelder fließen
Politik mit Überschall.
Also hat sie klargestellt:
Wenn sie will, dann kann die Welt.
Also will sie nicht beenden
Das Krepieren in den Kriegen,
Das Verrecken vor den Stränden
Und dass Kinder schreiend liegen
In den Zelten, zitternd, nass.
Also will sie. Alles das.“

(Thomas Gsella)

Vom Umweltbundesamt wurde ein neuer Monitoringbericht zu den Folgen der globalen Erderwärmung in Deutschland veröffentlicht. Er kann online abgerufen werden.

Für Deutschland sehen die vom Logo der „Scientists For Future“ bekannten Streifen so aus (S. 7):

„Das Jahresmittel der Lufttemperatur ist im Flächenmittel von Deutschland von 1881 bis 2018 statistisch gesichert um 1,5 °C angestiegen“ (19), das sind 0,5 Grad mehr als  als der globale Anstieg im gleichen Zeitraum.

Im Diagramm dargestellt sieht die Entwicklung der Temperatur (im  Vergleich zu den globalen Werten) so aus (19):

Im Folgenden werde ich einige der Klimawandelfolgen vor allem durch  Abbildungen aus diesem Bericht) verdeutlichen. (mehr …)

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