Jemand hatte mich nach meinen Texten zum Alter(n) (insbesondere zur „Utopie des Alter(n)s“) auf das Buch „Schöne Aussichten fürs Alter“ von Dorette Deutsch aufmerksam gemacht (danke für den Tipp ;-)). In diesem Buch versammelt sie Reportagen aus der Welt des Alterns. Sie beginnt mit der Vorstellung eines gelungenen Modellprojekts und alle anderen Berichte werden von dieser Perspektive der verwirklichten Utopie her beleuchtet. (mehr …)

Otfried Höffe (2012) hat die Herausforderung, das Alter zum Thema der Philosophie, d.h. ihres Teilgebiets Ethik zu machen, angenommen. Er entwickelte „12 Bausteine einer gerontologischen Ethik“. Dabei unterscheidet er zwischen der personalen und der Sozialethik – ich würde mit Honecker (2006: 9) noch stärker differenzieren: Die Individualethik betrifft die individuelle persönliche Lebensführung; die Personalethik die zwischenmenschlichen Beziehungen und die Sozialethik die Institutionen und Strukturen der Gesellschaft.

Der Tradition ethischer Debatten entspricht es auch, zwischen der Behandlung von Pflichten (in der „kategorischen Ethik“) und von Ratschlägen (der eudämistischen Ethik, d.h. hier der Theorie der Lebenskunst (Höffe 2012: 216)) zu unterscheiden. Ich möchte im Folgenden nicht die gesamte Argumentation des Beitrags von Otfried Höffe referieren, sondern nur einige Ergebnisse nennen.
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Für das Sterben sind die 5 Phasen nach Elisabeth Kübler-Ross recht bekannt. In ähnlicher Weise versucht Otfried Höffe (2012: 217) für das Altern verschiedene Phasen zu finden und stellt drei Phasen vor. Ich sehe nicht so sehr, dass sie bei je einem Menschen nacheinander folgen, sondern eher unterschiedliche Räume für idealtypisch-mögliches Verhalten beim Alter(n) darstellen. Beim „resignativen Altern“ werden nur die physischen und sozialen Verluste wahrgenommen. Beim „abwägend-integrativen Altern“ wenden sich die Menschen altersgerechten Interessen und Beziehungen zu. Mit Ernst Bloch gesprochen zieht das „Wunschbild Überblick, gegebenenfalls Ernte“ ein. Beim „kreativen Altern“ wird der neuen Lebensphase ihre Eigenart gelassen und ihr Gewinn wird wahrgenommen.

Welcher Gewinn könnte das sein? Welchen Sinn hat das Altwerden?

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Für die Philosophie als Nachdenken über das menschliche Leben in dieser Welt sollte der Abschied von dieser Welt und der Weg dahin, das Alter(n), ein wichtiges Thema sein. Das Hoffmeistersche „Wörterbuch der philosophischen Begriffe“, das unter Philosophie die „Lehre vom Erkennen und Wissen überhaupt und Prinzipienlehre der Einzelwissenschaften“ versteht, kennt das „Alter“ aber überhaupt nicht. Auch meine anderen drei philosophischen Wörterbücher retten die Ehre der Philosophie nicht. Das Alter ist kein Thema für sie.

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Wie soll es also werden mit dem Alter(n) und was muss sich in der Gesellschaft dazu verändern?

Kurz nach der „Wende“ beteiligte ich mich an der Gründung eines Gemeinschaftswohnvereins. Ein Grund war, dass ich für die Unterstützung meiner Mutti, die damals erst um die 60 war, gute Bedingungen schaffen wollte. Ich wünschte mir, dass ich mich bereits vorher in meinem Wohnumfeld gemeinsam mit anderen um die gerade anwesenden pflegebedürftigen (alten) Menschen mit kümmern kann, dabei lerne, wie das geht und meine Ängste verliere – und gleichzeitig auch berechtigt darauf hoffen kann, dass ich auch Unterstützung bekomme, wenn es bei meiner Mutti so weit ist.
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Der konservative Philosoph Odo Marquard sieht es als Vorzug des Alters an, endgültig resistent gegenüber Illusionen zu werden und er begrüßt den Verlust der Fähigkeit, „Zukunftsillusionen zu entwickeln und aufrecht zu erhalten“. Im Alter trete zu Tage, was immer gelte, aber durch Illusionen verdeckt werde. Das „So-ist-es“ siege endlich über das „So-hat-es-zu-sein“.
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“Gutes Leben im Alter. Die philosophischen Grundlagen“, Stuttgart: Reclam, 2012, (mehr …)

Menschen meiner Generation werden häufig erst spät von ihren Eltern verlassen. Diese agieren lange selbständig, sind wie selbstverständlich immer da. Je nachdem, wie weit wir entfernt wohnen, begleiten sie das Großwerden unserer Kinder und können sich noch ins Leben von Graubärten einmischen.

Als das Leben meiner Mutti in ihren frühen Siebzigern zu Ende war, fanden meine Schwiegereltern, beide längst in den 80ern, das viel zu früh. Nun ist der erste von ihnen mit 93 Jahren auch gegangen. Seine letzten aktiven Jahre verbrachte er mit dem Schreiben seiner Memoiren. Einige Wochen konnte ihm das Zu-Hause-Bleiben durch Pflegekräfte ermöglicht werden, er saß noch wenige Tage vor seinem Ende auf der Terrasse und meinte, dass er schon noch ein Weilchen allem zuschauen wolle…

Am Abend seiner Trauerfeier traf sich die Familie in der von ihm einst gebauten Hütte tief im Thüringer Wald und anstelle wie geplant die Beileidskarten zu sichten erfreuten wir uns am Gebrabbel und dem lustigen Spiel von zweien seiner Urenkel.

Der bilanzierende Spruch zu all dem war schon längst von ihm ausgesprochen:

Ihr glücklichen Augen, was je ihr gesehn,
es sei wie es wolle, es war doch so schön.

Nachdem ich auch Leben zu Ende gehen sah, die in depressive Stimmung getaucht verloschen, danke ich nun für dieses lebenswerte Vorbild.

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