„Nichts ist gefährlicher, als das jeweilige Ideal in ein abstraktes Normativ zu verwandeln,
in eine wie auch immer gefärbte Brille, durch welche die Wirklichkeit nur noch als
mehr oder minder gelungene Verkörperung des Ideals zu sehen ist.“ (Brie 1990: 8)
In manchen Debatten wird angenommen, dass wir in einer nachkapitalistischen, besseren Gesellschaft nicht mehr „arbeiten“ müssen. Klar müssen noch genug Sachen hergestellt werden, damit wir leben zu können, aber dieses Tun soll nicht mehr „Arbeit“ genannt werden, sondern zum Beispiel „Tätigkeit“. Das Wort „Arbeit“ wird dann nur auf seine Bedeutung aus dem Mittelhochdeutschen als „arabeit“ in der Bedeutung von Mühsal und Not reduziert. Es gibt in diesem Sinn auch eine Verwandtschaft mit dem Wort „rabota“, was von- „rabu“ (= Knecht, Leibeigener) hergeleitet ist. Inhalte von Worten und Begriffen haben sich historisch häufig gewandelt. Im Englischen gibt es wenigstens noch die Unterscheidung von work und labour.
Vor allem die bisherigen Unterdrückungsgesellschaften füllten die Worte mit Inhalten, die deren Praxen entsprachen. Müssen wir deshalb die ganze Sprache neu erfinden? Oder sollten wir ausweichen auf anscheinend „unverbrauchte“, „unverschmutzte“ Worte, wie von „Arbeit“ zu „Tätigkeit“ oder von „Eigentum“ zu „Verfügung“? Ich bin in solchen Fällen immer dafür, den Begriffsumfang in aller Geschichte genau zu erkunden und dann zu versuchen, auf den allgemeinsten hier vorkommenden Begriff zurück zu kommen, um dann Unterschiede als Besonderungen zu bestimmen. Der Begriff von „Arbeit“ hat eine besondere Bedeutung, gilt er doch im marxschen Kontext als wichtige Unterscheidung für das Menschliche gegenüber allem, was Tiere tun können.