Hier dokumentiere ich eine unvollendete Studie von mir zur Entstehung des Feudalismus, die eine gewisse Bedeutung bei der Frage hat: Wie entstehen eigentlich Gesellschaftsformationen – gibt es dabei eher verallgemeinerbare Abfolgen und Prinzipien oder eher nicht? Sie ist Teil der Bemühungen, uns im Kontext von Commoning-Debatten mit dem Thema „Weltgeschichte und Transformation“ (WuT) zu beschäftigen.


Was ist eigentlich und
wie entstand der „Feudalismus“?

Der Begriff „Feudalismus“ ist häufig eingebettet in eine marxistische Geschichtstheorie und bezeichnet eine der historisch-konkreten Gesellschaftsformationen. Die Produktions- und Lebensweise der Menschen in einer bestimmten Gesellschaftsformation ist durch bestimmte qualitative Wesenszüge bestimmt, die nur dieser Gesellschaftsformation zukommen und die sie zu einem Ganzen machen, in dem viele Charakteristika zusammen gehören und nicht voneinander trennbar sind.

„Feudalismus“ kennzeichnet die Epoche zwischen dem 7./8. Jahrhundert und dem 17. Jahrhundert in Mitteleuropa; ob auch andere Zivilisationen als „Feudalismus“ zu betrachten sind, hängt von den Inhalten des Begriffs „Feudalismus“ ab. Um ihn zu bilden, muss man ihm mindestens eine besondere „Konfiguration struktureller Beziehungen“ (Hilton 1978a: 11) zuschreiben.

Heute möchte ich in diesem Zusammenhang vor allem über einen Text aus dem Buch von Otto Hintze: „Wesen und Verbreitung des Feudalismus“ aus dem Jahr 1929 (hier aus dem Buch „Feudalismus – Kapitalismus“ von 1970) berichten. Für ihn ist der Feudalismus ein „Prinzip der Kriegsverfassung und der Wirtschafts- und Sozialverfassung“ (Hintze 1929/1970: 14). Die von mir bisher gelesenen marxistischen Autoren konzentrieren sich stark auf den ökonomischen Aspekt, dazu werde ich im Anschluss noch etwas ergänzen. (mehr …)

Dieser Text gehört zum Projekt „Über Utopie und Transformation neu nachdenken“.


Problemcluster 2: Finalismus, Einlinigkeit, Verlust der Möglichkeitsfelder, Multifaktorialität

Die Übertragung des Keimform-Konzepts aus der Geschichtstheorie in die dementsprechende Antizipation erbt auch die anderen Probleme der Keimform-Geschichtstheorie, so auch jene des Finalismus, der Einlinigkeit und des Verlusts der Möglichkeitsfelder. (mehr …)

Dieser Text gehört zum Projekt „Über Utopie und Transformation neu nachdenken“.


Problem: Abhängigkeit von der Bestimmung der Gegenwart

Das Beispiel mit der Entstehung des Kapitalismus offenbart eine wichtige Problematik dieses Vorgehens für historische Darstellungen und Erklärungen: Es hängt außerordentlich von der Fassung des letztlich erreichten Zustandes ab, welche Faktoren in der historischen Untersuchung überhaupt betrachtet werden. „Die Anatomie des Menschen ist ein Schlüssel zur Anatomie des Affen“ schreibt Marx dazu (MEW 42: 39). Was ist nun aber die „Anatomie des Kapitalismus“? Für Simon und Stefan ist das Wesentliche des Kapitalismus der verallgemeinerte Tauschzwang. (mehr …)

Dieser Text gehört zum Projekt „Über Utopie und Transformation neu nachdenken“.


Von den logischen fünf Schritten des Keimformkonzepts vollziehen sich bei Simon und Stefan die letzten drei auch als zeitlicher „tatsächliche[r] Entwicklungsprozess“ (S&S: 204). Die ersten beiden (logischen) Schritte umfassen die Vorbedingungen (1), bei denen es einen Entwicklungswiderspruch (2) gibt. Danach entsteht im Funktionswechsel (3) eine Keimform, die noch im Alten möglich ist bzw. es sogar stützen kann (wie z.B. Freie Software, bzw. jetzt schon existierende Commons innerhalb des Kapitalismus). Erst danach – auch wieder durch einen bestimmten Entwicklungswiderspruch vorangetrieben – kann diese Form dominant werden (4) und schließlich das ganze System (bis hin zum Erreichen des „Commonismus“) umstrukturieren (5). Der eigentliche „Sprung“ geschieht vor allem im 4. Schritt. Die Dominanz zeigt sich – das wäre zu ergänzen – vor allem darin, dass nun die eigenen (gesellschaftlichen) Existenzbedingungen selbst erzeugt werden. Das nun dominant Gewordene „geht nicht mehr von Voraussetzungen aus, um zu werden, sondern ist selbst vorausgesetzt und, von sich ausgehend, schafft die Voraussetzungen seiner Erhaltung und Wachstums selbst.“ (MEW 42: 372) (mehr …)

Bei der Beschäftigung mit Geschichte habe ich festgestellt, dass es sinnvoll sein kann, verschiedene Fragestellungen an das historische Geschehen und das, was man dazu liest, zu unterscheiden.  Das möchte ich hier vorstellen und zur Diskussion stellen:

1. Geschichte

Da ist zuerst jener Bereich, in dem bestimmte zeitlich, räumlich oder auch thematisch beschränkte geschichtliche Geschehnisse empirisch und theoretisch untersucht werden. In der damit befassten Wissenschaft „Geschichte“ geht es darum, „der Bewegung des Konkreten so wie es ist genau auf der Spur zu bleiben“, was „jedoch stets bedroht ist von der Gefahr, sich in seiner unausschöpflichen Besonderheit zu verlieren, ohne daß es gelingt, die allgemeine innere Notwendigkeit zu fassen“ (Séve 1976: 137).

2. Geschichtstheorie

Auch wenn manche die Wissenschaft Geschichte auf diese Form von Theorie beschränken möchten, gibt es doch immer auch übergreifende paradigmatische Konzepte, die in eine „Geschichtstheorie“ eingehen. Zwei solche nicht miteinander vereinbaren Konzepte, d.h. Geschichtstheorien sind z.B. die, bei dem davon ausgegangen wird, „daß die Weltgeschichte in einem geschlossenen Horizont von etwa 6000 Jahren währen wird“ und jene, die annimmt, dass Menschen „auf einem Zeitstrahl des Fortschritts in immer neue Zukünfte vorwärtsgeschleudert werden“ (Kittsteiner 2006: 39.). Auf dieser Ebene werden auch jeweils allgemeine Begriffe gebildet, wie für den Marxismus „Gesellschaftsformation“, „Produktivkräfte“, „Eigentumsverhältnisse“, „Klassen“ usw. usf…. Was soll man von dieser Vielfalt der Geschichtskonzepte und -theorien halten? Können wir einfach eine aussuchen und als die „wahre“ annehmen?

3. Geschichtsphilosophie
Letztlich sind alle Geschichtstheorien eingebettet in ihre Zeit. Sie sind, wie auch die naturwissenschaftlichen Theorien Praxen von Menschen, sie sind „allgemeine Arbeit“ (vgl. Schlemm 2004, 2005: 220). Als solche können sie wie andere Arbeitsprozesse analysiert werden. Dazu gehört ihre Einbettung in den jeweiligen historischen Kontext. Für die Naturwissenschaft setzt hier die „Philosophie der Naturwissenschaften“ ein. Diese Art, sich mit Geschichtstheorien zu beschäftigen, kann demnach auch als „Geschichtsphilosophie“ betrachtet werden.

„Die Art und Weise, wie Menschen sich selbst in ihrer Geschichte verorten, wie sie ihre Geschichte denken, wird selbst zum Untersuchungsgegenstand.“ (Wagner 2016: 50)

Heinz-Dieter Kittsteiner (1974) untersuchte z.B., wie sich die Tatsache, dass  in der DDR die „Aufgabe der „Bewußtseinsbildung“ […] der Historiographie vorgegeben“ war, auf die Geschichtswissenschaft auswirkte (vgl. auch Kunkel 1987).

Literatur: (mehr …)

Dieser Beitrag gehört zum Text „Trägt oder trügt die Hoffnung aus einer dialektischen Geschichtsphilosophie?“


Ein Universalschlüssel, der etwa aus den früher gelehrten „dialektischen Grundgesetzen“ konstruiert wurde, erschließt uns weder die Geschichte noch sinnvolle Antizipationen der Zukunft. Natürlich gibt es Widersprüche, bei denen gegensätzliche Momente einer Einheit einander konstituieren. Natürlich können aus quantitativen Veränderungen nach Überschreiten eines Maßes qualitative Zustandsänderungen folgen. Natürlich wird das entstehende Neue das Alte im Prinzip doppelt negieren, weil es gegensätzliche Momente hat, aber das Sich-Verändernde (als „Menschheit“) doch mit sich gleich geblieben ist. In Hegels „Logik“ treibt der Widerspruch zwischen der zuerst erkannten Begriffsbedeutung mit der in ihm implizit enthaltenden weitergehenden, der ersten widersprechenden, Bedeutung zur Weiterentwicklung des Begriffs. In der „Weltgeschichte“ von Hegel werden die geschichtlichen Übergänge konkret untersucht. Beim Übergang zur griechischen Antike betont Hegel die „Berührung der persischen und griechischen Welt“ (HW 12: 273, vgl. 313ff.). (mehr …)

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Dass die Fesseln der gesellschaftlichen Verhältnisse immer wieder gesprengt wurden, sieht man aus einer Perspektive des erreichten Entwicklungsstandes, quasi der „Eule der Minerva“, die „erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug“ beginnt. (HW 7: 28) Bis zur Gegenwart hat es immer weitere Stufen der Höherentwicklung gegeben. Wenn wir nur diese Stufen betrachten und dieses Strukturmuster des stufenweisen Voranschreitens weiter in die Zukunft antizipieren, entsteht ein recht deterministisches Geschichtsbild. Die Stufen werden abgeleitet aus den „Gesetzmäßigkeiten“ der Geschichte. In dem schon genannten Lehrbuch wird die Argumentationsweise, die dazu führt, offenbart: Die Bestimmung der „Gesetzmäßigkeit der gesellschaftlichen Entwicklung“ werden unmittelbar aus dem „Kapitel über die materialistische Dialektik“ über die Bestimmung der dort verhandelten Gesetzmäßigkeiten abgeleitet (Hahn, Kosing, Rupprecht 1983: 411). Das ist ein methodologischer Kurzschluss (Erpenbeck, Hörz 1977: 50) zwischen unterschiedlichen Ebenen des Erkenntnisprozesses (zwischen der allgemein-philosophischen Ebene der Philosophie und der Verallgemeinerung geschichtlicher Erkenntnisse) und überspringt die notwendigen Studien der „wirklichen Bewegung“ in der Geschichte, d. h. das Studium geschichtlicher Entwicklungen „jede […] für sich“ und ihre Vergleichung. (mehr …)

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An diesem Zitat müssen wir natürlich heute zweifeln. Eine „Notwendigkeit des geschichtlichen Fortschritts“ gibt es nicht. Oder doch?
Ellen Meiksin Wood (Wood 2015) kritisiert in ihrem Buch „Der Ursprung des Kapitalismus. Eine Spurensuche“ (2015) jene Sichtweise, bei der die Entstehung des Kapitalismus als quasi notwendige Folge der vorherigen Geschichte angenommen wird. Das bedeutet dann, dass die Entstehung des Kapitalismus eine „Möglichkeit“ sei, „die ergriffen werden muss, wo immer und wann immer es möglich ist“ (ebd.: 14). Das Fehlen des Kapitalismus stellt dann immer „irgendwie ein historisches Scheitern dar […]“ (ebd.: 39) und bei der geschichtlichen Suche nach den Anfängen des Kapitalismus sucht man auf jenen Ansatz, „der immer nur darauf wartete, von äußeren Hindernissen befreit zu werden“ (ebd.: 25). Demgegenüber vertritt Wood die Ansicht, dass es nur in England eigentümliche Bedingungen gab, die zur Ausbildung des Kapitalismus führten. Ganz besondere rechtliche Eigentumsformen unter ganz speziellen Bedingungen führten erst dazu, dass Marktimperative entstanden, die dann auch die Entwicklung der Produktivkräfte beförderten. (mehr …)

Dieser Beitrag gehört zum Text „Trägt oder trügt die Hoffnung aus einer dialektischen Geschichtsphilosophie?“


Die dialektische Entwicklung in der Geschichte verbürgte für viele MarxistInnen ihren Fortschrittsoptimismus. Kuczynski schrieb nach der „Wende“: „Der einzige Trost in der gegenwärtigen Situation ist, daß man weiß, wie auch Engels sagt, daß die Geschichte im Zickzack verläuft, und daß sich letztlich stets die fortschrittliche Zickperiode durchsetzt.“ (Kuczynski 1994: 92) Ist er damit ein „hoffnungsloser Fall von Optimismus“, wie das Buch heißt, aus dem dieses Zitat entnommen ist? Ernst Bloch jedenfalls wusste um die Möglichkeit des Scheiterns (EP: 70), der Vereitelung der Utopie (PH 364): „Also, Hoffnung muß enttäuscht werden können, sonst kann sie keine Hoffnung sein.“ (Bloch 1975: 233) (mehr …)

Wieder sind zwei Veröffentlichungen von mir erschienen. Diesmal fast gleichzeitig zum selben Thema. Der erste ist die Verschriftlichung eines Vortrags bei der Ernst-Bloch-Assoziation von 2017, der zweite wurde für die Zeitschrift „Aufhebung“ geschrieben.

 

Wie weiter nach radikal ent-täuschten Hoffnungen? In: VorSchein. Jahrbuch 2017 der Ernst-Bloch-Assoziation (Hg.: Doris Zeilinger). Nürnberg: ANTOGO Verlag. S. 77-88.
Trägt oder trügt die Hoffnung aus einer dialektischen Geschichtsphilosophie? In: Aufhebung. Zeitschrift für dialektische Philosophie. #12/2018. Berlin: Gesellschaft für dialektische Philosophie Eigenverlag. S. 49-69.

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