Meine Projektgruppe „Gesellschaft nach dem Geld“ beteiligte sich mit einer ganzen Session an der Konferenz  „Great Transformation: Die Zukunft moderner Gesellschaften“  vom 23.-27. September 2019 in Jena. Schon deshalb konnte ich nicht zu allen Veranstaltungen gehen, aber auch sonst war das Angebot an spannenden Themen überwältigend. Da die Konferenz gleichzeitig auch die Abschlusskonferenz der DFG-Kollegforscher_innegruppe „Postwachstumsgesellschaften“ war, ging es natürlich ganz zentral um die Problematik der Transformation hin zu einer Gesellschaft, in der zumindest jene Bereiche nicht mehr wachsen, die natürliche und menschliche Potentiale zerstören. Ich werde im Folgenden einige inhaltliche Bemerkungen teilen.

Welches Wachstum woher?

In einem Workshop zum Ökosozialismus betonte Frieder Otto Wolf, dass es nicht um „Wachstum an sich“ und dessen Ablehnung gehen könne, sondern dass zu unterscheiden ist zwischen notwendiger selektiver Schrumpfung in den gefährlichen Bereichen, der Aufrechterhaltung anderer, für unser Leben notwendiger Bereiche und sogar dem Ausbau in anderen Bereichen (z.B. der ökologischen Landwirtschaft). (mehr …)

Vorgestern hatte ich etwas zur Spiegelmetapher geschrieben, die in der Philosophie recht hilfreich sein kann, um sich sog. Reflexionsbeziehungen vorzustellen. Die Verwandtschaft von „Spekulation“ und „speculum“ (lat. für Spiegel) ist übrigens auch keinesfalls zufällig. In einem anderen Text verwende ich diese Metapher gerade und diesen Teil möchte ich hier auch vorstellen (leicht ergänzt am 11.1.). Es geht um die unter Marxist_innen bekannte Wertformanalyse (siehe dazu auch hier) im ersten Band des „Kapitals“ von Marx (MEW 23: 62-85). Dieses Kapitel ist grundlegend für das dort folgende Fetischkapitel (ebd.: 98; beides zusammen auch in MEGA II.5: 27-51), das ja häufig auch in politischen Debatten verwendet wird. (mehr …)

„… das traurige Geschäft der Linken [besteht] heute immer noch darin,
Aspekte im Marxschen Werk auszugraben, an sie anzuknüpfen,
und sie weiter zu schärfen, denen ein besserer Geschichtsverlauf
erlaubt hätte, in den Bibliotheken zu schlummern.“ (Pohrt 1995: 56f.)

(2., leicht veränderte Version vom 8.10.11)

Einige Tage nach dem letzten Blogeintrag las ich einen Text von Uli W., indem es um das Verhältnis von Gebrauchswert, Tauschwert und Wert geht. Er fragt, ausgehend von einer Fußnotenformulierung von Marx (MEW 42: 193), ob „der Gebrauchswert nicht nur als vorausgesetzter Stoff außerhalb der Ökonomie und ihrer Formbestimmung bleibt“. Letztlich ist genau das auch die Hypothese von John Holloway, weil der Doppelcharakter der Arbeit letztlich auf den Unterschied zwischen Gebrauchswert und Wert zurückzuführen ist. Nun war es Zeit, mich auf ein Buch zu besinnen, das ich schon vor über 10 Jahren einmal gelesen hatte: „Theorie des Gebrauchswerts“ von Wolfgang Pohrt. (mehr …)

Holloway hat Recht mit seiner Beschreibung der Widersprüchlichkeit zwischen den Anforderungen, die die Wirtschaftswelt an uns stellt und den darüber hinaus schießenden menschlichen Bedürfnissen und Fähigkeiten. Aber diese Widersprüchlichkeit begrifflich an den „Doppelcharakter der Arbeit“ nach Marx zu binden, verkürzt die Marxsche Theorie unzulässig. (mehr …)

3. Geld als Kapital

Während Marx im ersten Band des „Kapitals“ lediglich den Unterschied von Geld in seiner Vermittlungsfunktion für den Austausch von Gebrauchswerten und Kapital als mehrwertheckend beschrieben und auf seinen Grund (die Aneignung unbezahlter Arbeit) zurückgeführt hat, untersucht er im zweiten Band des „Kapitals“ genauer, wann und wie Kapital eine Geldform annimmt.

Dazu wird das Kapital nicht mehr nur als einfaches Verhältnis betrachtet, sondern als „ein Prozeß, in dessen verschiednen Momenten es immer Kapital ist“ (MEW 42: 183). Diese Zirkulation ist keine kreislaufförmige, sondern eine „Spirallinie, sich erweiternde Kurve“ (ebd.: 190).

„Das Kapital wird abwechselnd Ware und Geld [… es ist] selbst der Wechsel dieser beiden Bestimmungen.“ (MEW 42: 186)

Der gesamte Kreislauf sieht folgendermaßen aus:
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Um es gleich vorwegzunehmen: ich denke wie viele andere auch, dass wir in der Gesellschaft, die nach dem Kapitalismus entstehen kann, kein Geld mehr brauchen. Ich stehe also nicht auf dem Standpunkt, dass es in einer arbeitsteiligen, komplexen Gesellschaft Geld geben muss, etwa um Austauschbeziehungen oder die Arbeitsteilung zu vermitteln.

Trotzdem weiß ich nicht, ob die Konzentration auf eine Kritik des Geldes bzw. die Forderung nach seiner Abschaffung die zentrale Forderung sein sollte, wenn es um die Abschaffung von kapitalistischer Ausbeutung und Unterdrückung geht.

Geld gab es bereits lange vor dem Kapitalismus, ebenso wie die Herstellung von Produkten für den Tausch. Vor dem Kapitalismus bestimmte diese Warenproduktion aber nicht die gesamte gesellschaftliche Struktur. Der Gegenstand des Marxschen „Kapitals“ ist der Kapitalismus, so dass alle Kategorien vor allem für Verhältnisse im Kapitalismus gelten werden. Trotzdem gab es häufig Vorformen für diese Verhältnisse auch schon vorher. Die Vorstellung, die „einfache Wertform“( x Ware A = y Ware B) aus dem Wertformkapitel bei Marx (MEW 23: 63) bzw. die Zirkulationsform W-G-W könnte historisch einer Gesellschaftsform der „einfachen Warenproduktion“ entsprechen (Engels in MEW 25: 20, 909), wird heute kaum noch vertreten. In einem Kinderbuch über Geld aus der DDR wird diese Vorstellung ganz lustig und „realistisch“ illustriert:
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Ich habe nicht vor, das gesamte „Kapital. Zweiter Band“ von Karl Marx darzustellen. Aber ich beginne mal, weil ich eh gerade dabei bin, das für unsere Lesegruppe vorzubereiten. Nach der Darstellung der Stellung der Thematik „Zirkulation“ in der Gesamtstruktur des Werks „Das Kapital“ geht es nun los mit:

Erster Abschnitt: Die Metamorphosen des Kapitals und ihr Kreislauf

In der Zirkulation des Kapitals drückt sich aus, dass das Kapital keine statische Gegebenheit ist, sondern „ein Prozeß, in dessen verschiednen Momenten es immer Kapital ist.“ (MEW 42: 183).

„Das Kapital wird abwechselnd Ware und Geld [… es ist] selbst der Wechsel dieser beiden Bestimmungen.“ (MEW 42: 186)

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Unsere Kapital-Lesegruppe ist jetzt beim Band II angelangt. Während ich zum Band I mehrere kommentierende Bücher zur Unterstützung vorfand und alle, die in der DDR mal so etwas wie ML (Marxismus-Leninismus) gelernt haben, auch die Grundaussagen kannten, sind wir beim zweiten Band ziemlich auf uns und das direkte Lesen des Marx-Textes verwiesen.

Das „Kapital. Zweiter Band“ im Gesamtkonzept

Also beginnen wir mal. Zuerst möchte ich mich vergewissern, wie der Band II in die Gesamtstruktur des Kapitals eingeordnet ist. Im Prinzip kann man die Marxsche Argumentation aus sich selbst heraus verstehen, Satz für Satz. Dabei ist Marxens Text aber nicht nur eine Aneinanderreihung von Tatsachen und Beobachtungen. Er ist auch beileibe keine Verallgemeinerung im Sinn einer fortschreitenden Abstraktion vom Sinnlich-Konkreten. Und obwohl er gespickt ist mit kritischen Bemerkungen gegenüber Vorläufern, ist er nicht nur eine Kritik, eine Dekonstruktion, sondern zielt auf eine Theorie, die den Kapitalismus als komplexe Gesellschaftsformation darstellt und erklärt. Er strebt also durchaus (relative) Wahrheit an. Um einen weiteren Vorwurf gleich anzusprechen: Er unterscheidet zwischen Wesen und Erscheinungen, er ist in diesem Sinne „essentialistisch“.

„Alle Wissenschaft wäre überflüssig, wenn die Erscheinungsform und das Wesen der Dinge zusammenfielen.“ (MEW 25: 825)

Noch „schlimmer“: Marx bezieht sich bei der Aufeinanderfolge der Betrachtung auf die Struktur der Hegelschen Philosophie, speziell dessen „Wissenschaft der Logik“ (siehe dazu hier und hier und hier). Lenins Hinweis, man müsse die Hegelsche „Logik“ „durchstudiert und begriffen“ haben, um das „Kapital“ verstehen zu können, wird heutzutage fast überwiegend abgelehnt. (mehr …)


Der Fernsehsender 3sat scheint ein marxistischer Bildungssender zu werden. Erstens bringt er ab morgen eine Themenreihe „Sein oder Haben“.

Und zweitens gibt es auf der Webseite des Senders einige lustige Filmchen mit einer Einführung zu wichtigen Begriffen von Marx, so (mehr …)

Erwerbslosigkeit als Bedingung der kapitalistischen Wirtschaftsweise

Wenn bei einer wachsenden organischen Zusammensetzung des Kapitals der Anteil des variablen Kapitals (Lohn, Anzahl der Beschäftigten) relativ gesehen abnimmt, muss das noch nicht bedeuten, dass er auch absolut abnimmt. Trotzdem verschiebt sich ein Ungleichgewicht immer mehr in Richtung des Einsatzes der sog. „toten Arbeit“ (vergegenständlichte frühere Arbeit in den Produktionsmitteln) und der relative Anteil der lebendigen Arbeit sinkt. Diejenigen Arbeitskräfte, die noch aktiv sind, produzieren „die Mittel ihrer Überzähligmachung“ (MEW 23: 660). Das hat auch deutlich erfahrbare Konsequenzen:
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