Schummer (2003) betont immer wieder, dass es nicht einfach nur der Selbstlauf des technologischen Voranschreitens war, der uns auf die Bahn der Nanotechnologie gebracht hat. Ein wichtiger Faktor war, dass es in den USA gängig ist, der Technik eine geradezu heilsgeschichtliche Bedeutung zu verleihen (Schummer 2003: 74). Außerdem waren andere technische Visionen wie die Raumfahrt oder die Künstliche Intelligenz gerade in einer absteigenden oder stagnierenden Phase (Challenger-Katastrophe und Zusammenbruch des Weltraumprogramms) und auch deren Akteure begannen, ihre Anliegen in die Nano-Visionen hinein zu projizieren. Deshalb war das Eindringen der Nanothemen in die Populärkultur nicht so schwer und mit dem weiteren Vordringen der Dominanz von US-Ideologien wurde auch diese Idee ziemlich widerstandslos in den Rest der Welt exportiert. Genau genommen gibt es für eigentlich alle wichtigen gesellschaftlichen Gruppen interessante Anknüpfungspunkte:
August 15, 2010
Cui bono? Nanotechnologie Teil VI
Posted by Annette Schlemm under Essay, Wissenschaft | Schlagwörter: Nanotechnik, Technik(kritik), Zukunft |Kommentar verfassen
August 12, 2010
Futuristische Anteile des Nanobooms – Nanotechnologie Teil V
Posted by Annette Schlemm under Essay, Wissenschaft | Schlagwörter: Nanotechnik, Technik(kritik), Zukunft |Kommentar verfassen
Dieser rein technische Blickwinkel ist aber zu eng, um das explosionsartige Umsichgreifen der Nano-Idee zu erklären. Joachim Schummer verweist auf die Bedeutsamkeit des geistig-kulturellen Kontextes, auf die Rolle von Visionen und von kulturellen Bedürfnissen und schildert die streitbare Wechselbeziehung zwischen „Zeitgeist“- Bedürfnissen, Science Fiction, Technik-Visionen (Raumfahrt, Künstliche Intelligenz, „Singularität“ , Extropier ,Transhumanisten (Schummer 2003: 65 ff.) und „normalem“ wissenschaftlichem Fortschritt am Beispiel der Nano-Ideenwelt. Auffällig ist auch die Verflechtung von Populärkultur, Politiklobbyismus und Wissenschaftspolitik. „Echte“ Wissenschaftler hielten sich sogar lange Zeit auf Distanz zum Nano-Gedanken, weil ihnen die Visionäre zu unseriös waren. Als es um einen verschärften Konkurrenzkampf um die Mittel ging, nahmen sie gern die Schützenhilfe inzwischen popularisierender Medien in Kauf. (Schummer 2003: 75)
Dabei war Feynmans Vision aus dem 1959, dass im Bereich des Sehr-Kleinen noch viele Möglichkeiten der technischen Manipulation durch schrittweise Miniaturisierung erobert werden können, nicht völlig neu. Im Roman „Waldo“ : des Autors Robert Heinlein werden ebenfalls bereits biologische Zellen durch eine schrittweise Selbstverkleinerung der Manipulatoren bearbeitet. Schummer nennt eine Vielzahl weiterer Beispiele aus der US-amerikanischen Science Fiction (Schummer 2003: Kapitel 5, S. 48 ff.). Da ich selbst mit Begeisterung utopische Romane und Geschichten gelesen habe, früher aber natürlich nur diejenigen aus den sozialistischen Ländern, frage ich mich übrigens, inwiefern sich hier absolut bedeutsame Unterschiede in den Zukunftsvisionen sowie den Menschen- und Technikbildern zwischen Autoren in sozialistischen und kapitalistischen Ländern zeigen bzw. wo es doch eventuell erstaunliche Parallelen gibt… Aber das nur nebenbei.
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August 9, 2010
P.S. “Wir sehen nicht die Atome…” Nanotechnologie Teil IV
Posted by Annette Schlemm under Essay, Wissenschaft | Schlagwörter: Nanotechnik, Technik(kritik), Zukunft |1 Kommentar
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Hier sei ein kleiner Exkurs zum „Bildersehen“ eingeschoben (eine Sammlung von entsprechenden Bildern gibt’s z.B. hier). |
Was wir bei den berühmt gewordenen Bildern des sehen, sind natürlich nicht die Atome selbst, sondern Wirkungen von Tunnelströmen zwischen einer Sonde und der abgetasteten Oberfläche, wobei die 2D-Bilder noch in 3D-Bilder umgerechnet werden. Was man wirklich „sieht“, ist nicht die geometrische Struktur, sondern die elektronische Struktur der Oberfläche, bei Atomen genau genommen die Aufenthaltswahrscheinlichkeit von Elektronen. Der Sohn von Richard Feynman berichtet, dass sein Vater bei einem Besuch an einem Rastertunnelmikroskop zu der Bemerkung, er könne nun die „Atome sehen“, über deren Manipulation er einst geschrieben habe, nur meinte: „Wir sehen nicht die Atome, wir sehen tunnelnde Elektronen.“ (Quelle)
August 6, 2010
Geschichte der Nanotechnologie – Nimbus und Alltag (Teil III)
Posted by Annette Schlemm under Essay, Wissenschaft | Schlagwörter: Nanotechnik, Technik(kritik), Zukunft |1 Kommentar
Natürlich haben sich molekulare und kristallographische Strukturen schon immer im Nanobereich befunden (Schummer 2003: 31, vgl. auch, S. 11). Forschungen in diesem Bereich lassen sich natürlich nun leicht als „Nano“ etikettieren. Auch bei chemischen Katalysevorgängen hat die (geringe) Größe schon immer eine Rolle gespielt. Chemiker ärgern sich häufig über den Nanohype: „Früher nannte man das Kolloidchemie, heute heißt das Nanotechnik.“ (Boeing 2006: 31). Die chemische Gasphasenabscheidung für ultradünne Beschichtungen und zur Herstellung von Nanopartikeln ist seit den 60er Jahren bekannt. Auch die sog. „drug delivery systems“, also Substanzen, die in den Körper als Träger von Arzneimitteln eingeführt werden, werden bereits seit den 70er Jahren untersucht (Quelle). Viele andere Nanopartikel und Kolloide, Flüssigkristalle, Polymere, Nanocomposites, nanostrukturierte Materialien und Nanofilme waren längst bekannt, bevor im Jahr 2000 der Nano-Boom begann. Es ist offensichtlich, dass angesichts des ausgelösten Booms viele Forscher ihre Untersuchungen einfach umbenennen, um in den Genuss der ausgeschriebenen Nano-Fördermittel zu kommen.
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August 3, 2010
The Empire of Dwarfs – Nanotechnologie II
Posted by Annette Schlemm under Essay, Wissenschaft | Schlagwörter: Nanotechnik, Technik(kritik), Zukunft |1 Kommentar
Kommen wir nun wenigstens kurz zu den neuen Regeln im Reich der Zwerge (Quellen u.a. 1, 2) Die folgende Tabelle zeigt einige Unterschiede zwischen der Makro- und der Nano-Welt.
Wie Richard Feynman schon 1959 voraus dachte, sind für Objekte mit sehr kleinen Abmessungen andere physikalische und chemische Gesetze wesentlich als für größere. Feynman dachte daran, dass die Gravitation unwichtig wird. Auch die Trägheit wird unwesentlich. Dafür bekommen solche Effekte wie die Oberflächenspannung und die Van-der-Waals-Kräfte mehr Bedeutung.
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Juli 31, 2010
Nanotechnologie – zwischen Hype, Horror und Alltäglichkeit – Teil I
Posted by Annette Schlemm under Essay, Wissenschaft | Schlagwörter: Nanotechnik, Technik(kritik), Zukunft |[4] Comments
„Wer „Nanotechnologie“ sagt, hat damit immer schon das von der amerikanischen Wissenschaftspolitik abgesegnete Assoziationspaket aus der Populärkultur übernommen“
Mein Blogbericht über die Nanosolarzellen ist einer der am meisten aufgerufenen. Trotzdem scheint das Thema der „Nanotechnologie“ noch nicht im allgemeinen Interesse angekommen zu sein. Dabei gilt es unter Kennern als revolutionäre Neuerung, die die Welt in den nächsten Jahrzehnten maßgeblich verändern könnte. Inzwischen wandert Nano in unsere alltäglichen Produkte, und kaum einer merkts…
Es ist schon rein wissenschaftlich faszinierend festzustellen, dass bei einer Teilchengröße im Nanometerbereich wichtige Teilcheneigenschaften (Leitfähigkeit, Magnetisierung…) sich mit der Größe und der äußeren Form verändern, so dass neue Freiheitsgrade für die technische Gestaltung entstehen.
Von den Visionen sich selbst reproduzierender Assembler mal noch ganz abgesehen. Für mich war das Thema „Nanotechnologie“ auch deshalb interessant, weil es als Beginn einer neuen industriellen Revolution ausgegeben wird. Dabei hatten manche doch schon gedacht, der Kapitalismus habe seine innovative, konstruktive Funktion längst eingebüßt und brächte nur noch destruktive Folgen mit sich. Sollte sich in ihm die „materiell-technische Basis“ der meisten Produktionsprozesse noch einmal grundlegend umwälzen?
Die folgenden Blogbeiträge werden sich mit folgenden Themen beschäftigen:
- Was ist eigentlich „Nanotechnologie“?
- The Empire of Dwarfs
- Was kann man damit machen?
- Geschichte – Nimbus und Alltag
- P.S. “Wir sehen nicht die Atome…”
- Futuristische Anteile des Nanobooms
- Cui bono?
- Konvergenz durch Nano?
- Risiken und Nebenwirkungen
- Nanosilber – antibakterieller Segen oder gefährlicher Sauberkeitswahn ?
- Nanotechnik als „Cleantech“?
Was ist eigentlich Nanotechnologie?
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Juli 20, 2010
Technischer Nano-Futurismus
Posted by Annette Schlemm under Allgemein, Essay, Politische Theorie, Wissenschaft | Schlagwörter: Gesellschaftstheorie, konkrete Utopie, Nanotechnik, Technik(kritik), Zukunft |[4] Comments
Bei der Beschäftigung mit Nanotechnologien stieß ich schnell auf eine ihrer Wurzeln: den Technischen Futurismus. Was soll das sein? Heute natürlich zuallererst ein Marketing-Hype. Unter dem Titel „Der neue Futurismus“ wird das Design eines neuen Automodells beschrieben: |
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„So etwas wie das … Visionsmodell hat die Welt noch nicht gesehen: ein Automobil, dessen Karosserie nicht länger aus Blech besteht, sondern dessen Körper ein straff sitzendes Kleid aus High-Tech-Gewebe umspielt, als sei der Beruf des Karosserie-schneiders eine Erfindung der Zukunft und wahrlich der letzte Schrei.“ (Quelle) |
Als künstlerische Richtung wurde der Futurismus des frühen 20. Jahrhunderts verbunden mit Kriegsverherrlichung und einer Umarmung des eigentlich Bedrohenden:
Juli 18, 2010
Maschinen der Schöpfung und der Zerstörung II
Posted by Annette Schlemm under Essay, Wissenschaft | Schlagwörter: Nanotechnik, Technik(kritik), Zukunft |[5] Comments
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Bei der Beschäftigung mit den Büchern, Veröffentlichungen und Webseiten speziell von und zu Eric K. Drexlers Konzepten der Nanotechnologie fielen mir mehrere grundlegende Denkstrukturen auf, die mir bedenklich erscheinen. Meine Kritik an dem von Drexler ausgehenden Konzepten von Nanotechnologie bezieht sich weniger auf die schon sehr oft diskutierten technischen Gefahren als auf die Denkstrukturen, die damit verbunden sind. |
“Advances in the technologies […] depend on our ability to arrange atoms.” (Drexler 1986: 14)
Es ist kein Zufall, dass besonders die Animationen für Beispiele aus der Nanotechnik im Drexlerschen Stil sehr an eine lediglich miniaturisierte Mechanik erinnern. Schon Richard Smalley hatte in seiner Kritik an Drexler betont, dass die Schaffung vorausbestimmter chemischer Bindungen durch mechanische Bewegungen wohl kaum möglich sein wird. (mehr …)
Juli 17, 2010
Maschinen der Schöpfung und der Zerstörung I
Posted by Annette Schlemm under Essay, Wissenschaft | Schlagwörter: Nanotechnik, Technik(kritik), Zukunft |[7] Comments
Im kulturellen Vorstellungsvermögen sind sie schon lange, die Nanobots. Fiction-Literatur (1, 2) verwendet sie und filmisch wurden sie populär z.B. in der Folge „Die Macht der Naniten“ (engl.: Evolution) aus der Startrek-Serie „The next Generation“ von 1989 und durch die „Replikatoren“ in Stargate.
Aber es bleibt nicht bei Fiktionen. Was vorstellbar ist und was nicht durch Naturgesetze verboten ist, wird auch verwirklicht – dies ist die Meinung von Eric K. Drexler (engl.) , und die Zeit für eine „molekulare Technologie“ scheint seit Anfang der 80er Jahre gekommen.
Eric K. Drexler beschäftigte sich seit den 70er Jahren mit grundlegenden Fragen des Fortschritts angesichts anscheinend schrumpfender Ressourcen (3 , vgl. auch 4 ).
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April 19, 2010
Die 4. Revolution am Scheideweg
Posted by Annette Schlemm under Berichte, Essay, Politische Theorie, Wissenschaft | Schlagwörter: aktuelle Politik, Ökologie, Energiepolitik, Klimawandel, Photovoltaik, Technik(kritik), Zukunft |[3] Comments
Es war ein passendes Schlusswort von einer älteren Dame nach der Filmvorführung „Die 4. Revolution“
gestern im Schillerhof-Kino in Jena. Sie sagte: „Das war endlich mal wieder ein Film, nach dem ich ermutigt und guter Laute nach Hause gehe, nicht so deprimiert wie sonst nach Dokumentarfilmen.“
Wir hatten das Glück, eine Vorstellung mit dem Regisseur, Carl-A. Fechner zu erleben und dadurch zu erfahren, dass bei diesem Film die Finanzierung ausschließlich von interessierten Personen, Familien Verbänden und Firmen finanziert wurde und er keine Auftragsarbeit war. Der Film selbst erzeugt Diskussions-Wellen und wird von einigen Kinos zum zweiten Mal gebucht. Was ist daran so besonders?
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