Ich stecke wieder mal in der Philosophie, beschäftige mich mit ziemlich haarspalterisch erscheinenden Themen. Als kleines „Nebenwerk“ beziehe ich mich in diesem Text auf die Definition der „Kausalität“ in dem von Hörz und Röseberg herausgegebenen und erst jetzt digital veröffentlichten Werk „Dialektik der Natur und der Naturerkenntnis“. Ich habe aus diesem Anlass ein Wiki erstellt und beim Zusammentragen der Kategorien denke ich natürlich auch über sie nach und ob ich noch andere Ansätze dazu weiß, die das ergänzen oder verbessern könnten. Im Fall der „Kausalität“ bin ich fündig geworden, was ich als Debattenbeitrag dort eingestellt habe (dort auch die Literaturhinweise), aber auch hier zur Diskussion stellen möchte.
Die Bestimmung der Kausalität als „direkte und konkrete Vermittlungen des objektiven Zusammenhangs, wobei durch Einwirkungen auf ein System (Ursachen) Zustandsänderungen des Systems (Wirkungen) entstehen.“ (Hörz, Röseberg 1990/2013b: 30) stellt die Kausalität in den Kontext des Existierenden. Bei Hegel dagegen ist Kausalität auf das Wirkliche bezogen. Für den Bereich des Existierenden ist für das, was Hörz und Röseberg „Kausalität“ nennen, vielleicht mit der Hegelschen Kategorie der „Kraft“ analog. Man stellt sich die Ursache als Anstoß durch eine Kraft vor, bzw. die Kraft als etwas, das etwas verursacht.
Diese Übereinstimmung ist sicher nicht zufällig, weil „Ursache“ und „Kraft“ tatsächlich häufig als dasselbe betrachtet werden. So bei der Interpretation des zweiten Newtonsches Gesetzes F = ma: Hier wird die Kraft als Ursache der Veränderung des Bewegungszustandes (Beschleunigung) interpretiert. Warum eigentlich? Wieso wird ein Gleichheitszeichen umstandslos als Verursachung interpretiert? Bei statistischen Zusammenhängen hat es sich inzwischen herumgesprochen, dass eine Korrelation von Datenreihen nicht automatisch als Verursachung interpretiert werden darf. Dasselbe gilt für die kurzschlüssige Identifikation von Äquivalenz und Verursachung.
Was bedeutet nun der Unterschied im Kontext? Was verändert sich an der Kausalität, wenn sie nicht im Bereich des Existierenden, sondern des Wirklichen angesiedelt wird? Existierendes entsteht und vergeht, während das Wirkliche immer wirklich bleibt. Wenn sich etwas verändert, so wird etwas anders. Etwas und Anderes sind zu unterscheiden (als Existierendes). Aber diese beiden haben auch eine Beziehung zueinander. Diese Beziehung verweist auf den Bereich des Wirklichen. Wenn sich etwas ändert, entsteht das vorherige „Andere“ und vergeht das vorherige „Etwas“. Als Wirkliches wird es jedoch nicht unwirklich, sondern bleibt wirklich.
Wenn wir die Kausalität in der Wirklichkeit verankern, dann erst lässt sich ausdrücken, dass die Ursache in der Wirkung erhalten bleibt, denn „in der Wirkung ist erst die Ursache wirklich und Ursache“ (HW 8: 298). Einfacher ausgedrückt: „der Regen, die Ursache, und die Nässe, die Wirkung, sind ein und dasselbe existierende Wasser“ (ebd.).
Wenn wir Kausalität im Bereich des Existierenden verankern, so trennen wir Ursache und Wirkung. In der oben genannten Definition von Hörz/Röseberg sind z.B. die „Einwirkungen auf ein System“ (also von außerhalb) deutlich unterschieden von den „Zustandsänderungen des Systems“ (also im Innern). Dieses Verhältnis gilt nun allerdings nicht mal für eine Kraft, wenn wir sie richtig verstehen (als Wirkfähigkeit) und nicht als „Impuls“ missinterpretieren. Dies passierte aber sogar Kant und Hegel:
„Was bei Kant und auch bei Hegel unter der Überschrift „Kraft“ oder „mechanische Kraft“ diskutiert wird, ist eigentlich Stoß oder Impuls. In der Tat aber ist das, was in der Mechanik Kraft heißt, das, was im zweiten Newtonschen Axiom auf der rechten Seite steht, was wiederum mitbestimmt wird durch das, was im ersten und dritten Axiom gesagt wird. Oder, etwas verständlicher formuliert, Kraft ist eine dynamische Wechselwirkung, die durch die drei Newtonschen Axiome in ihrem Charakter determiniert ist.“ (Wahsner 2002, S. 35f.)
Das heißt: mit der Ansiedlung des Kausalitätsverhältnisses im Bereich des Existierenden (wie bei Hörz und Röseberg) ist eine Trennung von Ursache und Wirkung gedacht (weil entweder das Etwas oder das Andere existiert – vor bzw. nach der Zustandsänderung) – während die Ansiedlung dieses Verhältnisses im Wirklichen ihre Einheit denken lässt.
Meines Erachtens ist es durchaus sinnvoll, sich der Hegelschen Bestimmungen der Kategorien zu versichern. Das Hegelsche Kategoriensystem ist in sich sehr differenziert und begründet. Viele inhaltliche Bestimmungen können aufgenommen werden und von einem Grundverständnis der Kategorienbildung bei Hegel ausgehend kann es dann auch gerechtfertigt sein, von ihnen abzuweichen (so kritisiert z.B. R. Wahsner die Hegelsche Bestimmung der „Kraft“ mit guten Gründen). Ein Ignorieren des Hegelschen Kategoriensystems, weil das gesamte System als „idealistisch“ oder „spekulativ“ verworfen wird, führt häufig zu Rückfällen in zu vereinfachtes Denken.
Literatur
- Wahsner, Renate (2002b): Ist die Naturphilosophie eine abgelegte Gestalt des modernen Geistes? In: Die Natur muß bewiesen werden. Zu Grundfragen der Hegelschen Naturphilosophie. Hrsg. von Renate Wahsner und Thomas Posch. Frankfurt am Main, Berlin, Bern, New York, Paris, Wien. Peter Lang, 2002. S. 9-40.
Dezember 8, 2013 at 6:05 pm
Da fragt sich der frei assoziierende Philosophielaie: Warum solte ich zwischen Existenz und Wirklichkeit unterscheiden? Existiert irgendetwas jenseits darauf einwirkender und davon ausgehender Wirkungen? Oder soll zwischen innerer Konsistenz einer Entität und dessen, was darauf von außen einwirkt bzw. davon nach außen ausgeht unterschieden werden. Alles zusammen macht aber die (sich ändernde) Wirklichkeit und damit die Existenz der Entität aus.
Auf die Baumborke einer Eiche fallende Lichtstrahlen werden unter Umständen zur Usache (unter vielen) von Sinnenseindrücken, die unter weiteren Umständen den Ausruf: „oh, eine Eiche“! hervorrufen. Daran ist ein ganzes Universum von Ursachen und Wirkungen bzw. Wechselwirkungen beteiligt. Die Wirklichkeit / Existenz der Eiche, der Sonneneinstrahlung, des menschlichen Auges, des die Sinnenseindrücke verarbeitenden Gehirns, der Sprechwerkzeuge usw. ist jeweils die Summe dessen, was auf das Genannte einwirkt und davon ausgeht. Veränderungen der inneren Konsistenz sind Teil der gesamten Wirklichkeit.
Dass der Effekt (Ausruf: „Oh, eine Eiche“) hier nicht zwingend hervorgerufen wird, ändert nichts. Ich kann meine Augen schließen, die Lichtstrahlen bleiben, die besondere Konsistenz der Borke, aber sie verursachen nicht den berühmten Sinnenseindruck bzw. dessen bekannte Verarbeitung. Die Existenz des Baumes ist für den Moment der geschlossenen Augen um diese Wirkung ärmer.
Nehme ich eine Kettensäge und säge den Baum durch, ist die Wirkung vorhersehbar und auch nicht revidierbar. Die Baumleiche ist immer noch wirklich, aber nicht mehr als lebendiger Baum. Als solcher hört er auf zu existieren. Das ist seine Wirklichkeit. Eine nicht unerhebnliche Ursache: Der Baum wurde durchgesägt.
Was ist dagegen hegelianistisch zu sagen?
Oder auch. Wirkliches entsteht und vergeht, während das Existierende bleibt
😉
Gruß, schönen Atvent noch. hhh
Dezember 8, 2013 at 7:21 pm
Warum solltest Du..? Nun, jeder Mensch kann sich letztlich beliebig eine Privatphilosophie zusammenbasteln. Wenn Du keine komplexeren Probleme hast, die ein hohes Maß an Differenzierung erfordern, reichen sicher einige wenige Worte um das zu beschreiben, was man grad ausdrücken will.
Es hat sich nun aber ergeben, dass für viele Menschen viele komplexe Zusammenhänge zum Problem wurden, so dass sie sich über ihre Versuche, sie praktisch und/oder denkerisch zu lösen, austauschen mussten und konnten. Da macht es sich dann gut, sich auf die Art und Weise wie jeweils Andere Worte verwenden, zu beziehen. Entweder man hat gute Gründe, deren Verwendung zu kritisieren, dann entwickeln sich durch eigene Verbesserungsvorschläge im Optimalfall die denkerischen Möglichkeiten der Menschheit weiter. Oder ich habe keine guten Gründe, dann kann das am Desinteresse liegen (wogegen ja nichts zu sagen ist), oder an anderen Gründen, über die man sich aber klar werden sollte, sobald man produktiv mitreden will.
In diesem Fall hier ging es um zwei verschiedene Interpretationen der Kausalität, für die gerade die Unterscheidung von Existenz und Wirklichkeit in dem vorgestellten Sinne maßgeblich ist. Wenn Dich das Problem nicht interessiert, wird für Dich die Unterscheidung auch keinen Sinn ergeben, dann zwingt Dich niemand, das zu übernehmen.
Wenn aber künftig mit mir jemand über Kausalität reden will und ich selbst für mich nach einer Begründung suche, worum ich die Bestimmung von Kausalität nach Hörz/Röseberg nicht einfach übernehmen will, weil sie mir zu einfach erscheint (im Vergleich zu dem, was Hegel hinkriegt), dann nutzt mir diese Unterscheidung viel. Und das möchte ich nur mitteilen und anderen empfehlen.
Wenns nichts für Dich ist, weil ich Antworten auf Fragen zu geben versuche, die Du gar nicht hast, dann ist das eben so…
Wenn Du am Problem selbst mitdiskutieren willst, erwarte ich aber gute Begründungen für Kritiken und eigene Vorschläge.
Dezember 8, 2013 at 8:57 pm
Irgend ein Argument konnte ich jetzt nicht entdecken. Nur ziemlich arrogante Schmähungen.
Dezember 9, 2013 at 7:04 pm
Was ist hier arrogant? Dass ich keinen Anhaltspunkt finde, an dem ich produktiv ansetzen könnte?
Ich könnte arrogant sein, wenn ich Dir keine Gelegenheit gäbe, mich besser zu verstehen.
Und wo du eine Schmähung under gar Schmähungen herausliest, ist mir ein Rätsel. Falls Du etwas so verstehst, dann hier ausdrücklich: so habe ich es nicht gemeint.
Dezember 8, 2013 at 7:45 pm
Wenn du schon fragst, will ich auch versuchen zu antworten: „Existiert irgendetwas jenseits darauf einwirkender und davon ausgehender Wirkungen?'“ Ja, es existiert etwas jenseits von darauf einwirkenden und davon ausgehenden Wirkungen.
Schau Dir den Baum an. Zuerst ist da nur „Etwas“. Bevor Du genau bestimmen kannst, was das ist (z.B. als Baby), kommt dem, was Du da wahrnimmst, nur das Sein in einem sehr unbestimmten Sinne zu. Du weißt nicht, was es ist, du weißt nur, dass es ist.
Nun beginnst Du Eigenschaften wahrzunehmen: Braunes, in die Höhe reichendes Mittelstück mit grünen „Fleddern“ an dem Braunen, das sich verzweigt. Du erkennst Dinge mit ihren Eigenschaften und auch, dass sich diese Eigenschaften verändern. Dann ist der Baum nicht mehr nur, sondern er ist da (Übergang vom Sein zum Dasein; Dasein ist bestimmtes Sein).
Dann merkst Du, dass der Baum nicht nur einfach da ist, sondern dass es einen Grund für ihn gibt: seine Vorgeschichte, sein Keim, seine Umgebung – alles zusammen. Dann hast Du den Baum als „existierenden“ erkannt. (Etwas, was einen Grund hat, bzw. etwas, für das alle Bedingungen gegeben sind, existiert).
Wenn die Bedingungen für seine Existenz verschwinden, endet aber auch die Existenz des Baumes. Er hat aber einen Keim hinterlassen, er wirkt über seine Existenz hinaus – er war/ ist wirklich. Die Wirklichkeit geht insofern über die Existenz hinaus, dass in ihr die Mögilchkeit enthalten ist. Wir sehen in einer Tatsache nicht nur, dass sie gerade ist, da ist oder existiert, sondern dass sie bestimmte Möglichkeiten in sich hat. Dann sehen wir sie als Wirkliche.
Diese verschiedenen Bestimmungen, vom Sein bis zur Wirklichkeit, sind in meiner Interpretation von Hegel demnach verschiedene, aufeinander folgende und tiefer gehende bzw. umfassendere Verständnisweisen der Erscheinungen der Welt (Auch Hegel hat nie angenommen, die Sachen würden sich in einer zeitlichen Aufeinanderfolge etwa vom Sein zum Dasein und dann weiter über die Existenz in die Wirklichkeit entwickeln. (Die „Realität“ zwischen „Existenz“ und „Wirklicheit“ hab ich in dieser Kurzzusammenfassung sogar übergangen). Am Beispiel der Kausalität habe ich gezeigt, dass die Verankerung in dieser oder jener Bestimmung durchaus den Inhalt verändern kann. Diese Erfahrung ist sicher auch für andere Bemühungen, die Welt zu verstehen, wichtig.
Natürlich weiß ich, dass im allgemeinen Sprachgebrauch vieles anders verwendet wird. Und Du wirst ewig und ständig gegen das, was ich hier vorstelle, plaudern können. Aber welche Funktion hat das, was willst Du damit erreichen? Wir reden ständig aneinander vorbei, wir verfolgen nicht denselben Zweck. Mein Zweck ist eine möglichst differenzierte und umfassende Kenntnis vieler Phänomene dieser Welt (an deren Veränderung ich beteiligt bin). Ich arbeite an der Weiterentwicklung meines Verständnisses seit ich 15 bin und weiß, dass ich damit eine ziemliche Ausnahme bin und damit am Kneipentisch nicht punkten könnte, sogar wenn ich wöllte. Aber ich möchte ernst genommen werden in meinem Anliegen.
Ich verlange von niemandem, meinen Zweck zu übernehmen – aber ich muss auch nicht Deinen übernehmen. Mir ist auch der Zweck Deiner Einlassung nicht klar, ich sehe nur, dass Du Dich nicht bemühst zu verstehen, warum ich welche Kategorien wie verwende, sondern immer nur dagegen hältst, dass es ja auch anders gehe… Du arbeitest Dich dann damit aber nicht wirklich an meinen Problemen ab um mir zu zeigen, dass es damit tatsächlich auch besser geht. Vielleicht verstehst Du diese Probleme nicht, willst es nicht und brauchst es auch nicht. Aber dann ist es kein Wunder, dass ich Dir nichts sagen kann und mich Deine Kommentare leider nicht weiter bringen.
Dezember 8, 2013 at 9:02 pm
Genug geplaudert. Wird nicht wieder vorkommen.
Dezember 9, 2013 at 7:07 pm
Ich kritisiere nicht das „Plaudern“ an sich, aber ich weiß einfach nicht, was Du bezweckst. Ich suche immer Hinweise, aus denen ich was lernen, was weiter entwickeln kann. Dazu ist Kritik immer gut, aber ich muss sehen, dass sich diese Kritik auf etwas bezieht, wozu in meinem Text argumentiert wird.
Dass mich Deine Beiträge interessieren, siehst du an meinen Versuchen, dir zu erklären, welche Probleme ich damit habe. Sonst würde ich sie ignorieren.