Mensch Silke, geh nicht! … Über Raum und Zeit hinweg möchte ich das schreien: Mensch Silke, pass auf! Tritt nicht daneben!
Der Abend ist grau, der grad noch sonnengelb leuchtende Kastanienbaum vor meinem Fenster wurde abrupt zu einer schwarzen Silhouette. Ich habe erfahren, dass unsere Freundin Silke Helfrich am Mittwoch bei einer Bergwanderung umgekommen ist. Grad noch war sie Mitautorin unseres Artikels über „Resilienz durch Commoning“ gewesen. Grad hatten wir noch überlegt, wie wir an diesem Thema weiter arbeiten könnten. Grad hatte sie noch so viel vor!
Ja, hier gilt das Wort vom „Mitten aus dem Leben gerissen“. Und aus was für einem! Selten trifft die Rede von einem unersetzlichen Verlust so zu wie für sie. Strahlend, reich gestikulierend riss sie uns wie viele andere mit auf dem Weg zu einem glücklichen, gemeinschaffenden Leben. Sie war der Quell vieler Ideen, sie war gleichzeitig das Herz der Commoning-Bewegung. Sie war international berühmt, aber in keiner Weise abgehoben. Geerdet in ihrer Hoffnung, die vielen noch kleinen Commoning-Praxen aufleben zu sehen, mit Zukunftsvorstellungen, die den Horizont der meisten weit übertrafen.
Ich möchte noch ein Gedichtchen ergänzen, das ich innerhalb der „Schreibwerkstatt“ in der Sommerschule „Commoning“, geschrieben hatte (diese Sommerschulen entstammen auch Silkes Initiative):
Himmelhochjauchzend ist vorbei.
Trauerflor überzieht alles
wie Schimmel.
Trauerflor, samt und weich
Liebevoll.
Hier gibt es einen Abschiedstext vom Commons-Institut, in dem mehr von ihrem Leben steht, mit dem wundervollen Titel: „Abschied nehmen und in Verbindung bleiben“.
- Hier ein weiterer Nachruf aus der taz.
November 16, 2021 at 6:44 pm
Mein Beileid
November 16, 2021 at 6:52 pm
Immer wieder müssen wir (auch ich persönlich) leider erleben, dass – sagen wir, um Missverständnisse und unnötige Einwände zu vermeiden – im Sinne der Bibel gute Menschen nur allzu früh von ihrem Tun weggerissen werden, während böse Menschen nur allzu lange ihre Untaten fortsetzen können. – Dazu passt ein Text von Karat 1981.
November 16, 2021 at 7:00 pm
Im Abschiedstext vom Commons-Institut wird auf das Interesse von Silke Helfrich am sprachlichen Ausdruck hingewiesen und auf ihr Redetalent. Das spricht dafür, dass ihr die ggw. Tendenzen zur Verarmung und Ungenauigkeit der deutschen Sprache aufgestoßen sind. Hat sie vielleicht sogar dagegen gewirkt, um die mögliche Genauigkeit der deutschen Sprache für die Genauigkeit ihrer Formulierungen beizubehalten?
November 17, 2021 at 8:20 am
Über die Bedeutung ihres sorgsamen Umgangs mit Sprache hat sie selbst geschrieben: Ab S. 53 (Kapitel 3) in dem hier abrufbaren Buch: https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-5574-2/frei-fair-und-lebendig-die-macht-der-commons/
November 17, 2021 at 7:49 pm
Liebe Annette,
vielen Dank für Deinen Hinweis! Das Vorwort von Barbara Unmüßig wird dieser Sorgfalt leider nicht gerecht, ich werde trotz dessen weiterlesen 🙂
November 17, 2021 at 8:37 pm
Leider überschüttet mich bereits zu Anfang eine Fülle von unnötigen Fremdwörtern.
„… worin sich das menschliche Verhalten von dem anderer Spezies unterscheidet“: es wird kein Beleg dafür angeführt, dass dieses verhalten bei anderen Arten nicht vorkommt.
„Commons“ und „Commoning“ wird nicht definiert. Gibt es wirklich keine brauchbaren deutschen Ausdrücke hierfür?
Der übermäßige Gebrauch von „korporativ“ statt „gemeinschaftlich“ spricht gegen Deine Bewertung sorgfältiger Wortwahl.
Was sind „Open-Source-Design-Projekte“, außer Denglisch, im Deutschlandfunk (DLF) auch „Schmutz-Sprache“ genannt?
„Sprache, die für dich dichtet und denkt“ (Schiller): stinkendest Beispiel: „Job“, die „US-amerikanische Abkürzung für Wegwerftätigkeit“ (Peter Gauweiler im DLF). Sie steht für Entfremdung von der Arbeit – die Schlussfolgerungen brauche ich Dir nicht vorzutragen. —
November 18, 2021 at 8:43 am
Lieber Peter, ich glaube, Du wirst in jedem Text Wörter finden, die Dir nicht passen. Aber wenn Du das ganze Buch liest, wirst du merken, wie gerade zu dem Thema, um das es in dem Buch geht, sehr sorgfältig darüber nachgedacht wurde, wie was genannt wird. Bei „Commons“ und „Commoning“ gibt es viele Texte darüber, warum es dafür keine angemessenes deutsches Wort gibt. Denn letztlich ist das, was damit bezeichnet werden soll, eine globale Praxis und nicht auf deutschem Mist gewachsen.
November 24, 2021 at 6:58 pm
Liebe Annette,
es geht nicht um einzelne Wörter. Auch Physik und Wissenschaft werden von Menschen in aller Welt durchgeführt, und doch gibt es deutsche Wörter hierfür.
Freilich gibt es Fremdwörter, deren wörtliche Übersetzung ihrem Inhalt nicht gerecht würde, z.B.
Transistor – Übergänger.
Hier zeigen sich die Beweglichkeit und zugleich die Ungenauigkeit, um nicht zu sagen: Beliebigkeit, der anglo-amerikanischen Sprache.
Das Grundproblem besteht jedoch in der zunehmenden Gleichgültigkeit der Deutschen an den Vorteilen unserer Sprache.
Unter den Ursachen unstrittig ist die Vertreibung bzw. Ermordung eines Großteils des Bildungsbürgertums, wovon sich „Deutschland niemals wieder erholen wird“ (ich selbst 2010, Norbert Lammert 2015).
Mit diesem Mangel an Sprachgefühl ist m. E. ein Mangel an Bildung verbunden.
Mit den Stärken unserer Sprache können wir zur Stärke der Bewegung der Vergemeinschaftung beitragen.
November 17, 2021 at 9:03 pm
Rainer Maria Rilke
Arbeiten im Projekt
Dans le Jardin de Projets
Sein Blick ist vom Bewerben für Projekte
So müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist als gäb’s allein derartige Projekte,
Und hinter diesen allen keine Welt.
Sein weicher Gang geschmeidig starker Schritte,
der die Projekt-Sein-Armut um sich dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.
Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille,
sich lautlos auf –. Dann geht ein Bild hinein,
Träumt von der Welt ganz ohne die Projekte
Und hört im Herzen auf zu sein.
November 24, 2021 at 4:48 pm
Danke, das zieht sich auch durch meine Tage, und doch wächst grade die nächste Genossenschaft, die mich in neue Hoffnung trägt … fritz
November 24, 2021 at 6:43 pm
Dazu drücke ich Dir beide Daumen!
Das Übermaß an Projekten (wobei ich hier nicht die Verarmung – um nicht zu sagen Verschmutzung – der deutschen Sprache meine, im Rahmen derer auch Vorhaben, Ziele u.a.m. als „Projekte“ bezeichnet werden) ist schließlich Teil des Gegenformarsches des sog. Neoliberalismus (LTI lässt grüßen!) seit 1979, mithin der (von Marx hervorgesagten) Ökonomisierung und Atomisierung immer weiterer Teile der Gesellschaft. (Wie das funktioniert, ist an den USA [sic!] ersichtlich, wo die sich gesellschaftlich einsetzenden Menschen mehrheitlich durch sie an Ort und Stelle betreffende Schwierigkeiten beschäftigt und damit von der „großen Politik“ abgelenkt werden.)
Dass hiergegen die Gemeinsamkeiten-Bewegung einen Ausweg weist, ist – nicht zuletzt angesichts Nashs Einsicht über die Vorteile der Zusammenarbeit, gestützt durch die Tatsache, dass die laminare Strömung viel effektiver ist als eine Strömung mit Wirbeln – aussichtsreich 🙂
Peter
November 27, 2021 at 3:09 am
Danke, die Vielfalt vor Ort wird uns gegen die Konzerne schützen …