Hier folgt jetzt ein kleines Arbeitsergebnis von meinem Aufenthalt in der Projektwerkstatt Saasen:
Ohne Technik könnten menschliche Lebewesen nicht als Menschen leben. Wir nutzen für unser Leben nicht nur natürliche Gegebenheiten, sondern wir gestalten sie aktiv um. Dazu nutzen wir Werkzeuge, die gegenständlich oder in Form ideeller Sachverhalte (Wissen, Software) („Denkwerkzeuge“) eine wichtige Grundlage dieser aktiven Tätigkeit sind. Obgleich Technik schon immer als etwas „Widernatürliches“ gekennzeichnet wurde, ist die „menschliche Natur“ dadurch bestimmt, mittels geeigneter, selbst hergestellter Instrumente und Verfahren gesetzte Zwecke zu erreichen.
Wenn wir über „Technik“ reden, haben wir sofort die Vorstellung von gegenständlichen Dingen. Aber wir sprechen auch von „Meditations-Techniken“ oder „Sozial-Techniken“ (Popper) sowie von einer „Technik des Selbst“ (Foucault). Die Verdinglichung ist also schon eine sehr einseitige Sicht. Allgemein betrachtet ist unter Technik eher eine Handlungsform zu verstehen, mit der „einheitlich die Beziehungen des Menschen zu sich selbst, zu anderen und zur Umwelt in seinen wichtigsten Handlungszusammenhängen reguliert“ werden (Krohn 1976, S. 43) .
Die Bezeichnung „Regulierung“ beinhaltet die von fast allen Begriffsbestimmungen für Technik genannte Zielorientiertheit, bzw. Planmäßigkeit des Handelns und verweist auf das Erreichen bestimmter Zwecke mit dazu geeigneten Mitteln. Die Technik wird deshalb von mindesten drei Faktoren bestimmt:
- vom Zweck des seine Handlungen regulierenden Menschen.
- ist sein Tun nur dann zweckmäßig, wenn es die konkrete Beschaffenheit des Gegenstands und den Widerstand, den dieser seinem Tun entgegen setzt, auch berücksichtigt und
- ist er von den historisch jeweils konkret gegebenen Möglichkeiten für die Auswahl und Weiterentwicklung der Mittel abhängig.
Die handelnden Menschen existieren jedoch nicht in einem Vakuum, sondern sie leben und handeln in sozialen Kontexten. Diese bestimmen nicht nur die Zwecke des Handelns, sondern auch die Basis der bereits vorhandenen oder möglichen Mittel und vor allem auch die Auswahl der Gegebenheiten, die für ihn überhaupt zu einem zu verändernden Gegenstand werden.
Da das Handeln selbst eine gesellschaftliche Aktivität ist, haben wir eine zirkuläre Situation vor uns: Beim Regulierung von Beziehungen erzeugen wir konkrete gesellschaftliche Formen und Verhältnisse und diese wiederum legen in bestimmten Grenzen einen Rahmen fest, innerhalb dessen wir unsere Beziehungen regulieren.
Angesichts der erreichten Komplexität, Reichweite und der Durchdringungstiefe der verschiedenartigsten zweckbestimmten Handlungsregulationen spricht Niels Boeing davon, dass wir in einer Art „Technosphäre“ leben, einem „globalen technischen Metasystem, das sich in Konkurrenz zu Bio- und Geosphäre herausbildet“ (Boeing 2010: 49) . Für die weitere Entwicklung dieser Technosphäre gibt er zwei mögliche Tendenzen an, die sich grundlegend unterscheiden. Der Unterschied liegt erstens im Zugang zur Technik und zweitens im Umgang mit der Technik. Ein Zugang ist gegeben durch die „Möglichkeit, technische Systeme analysieren und sich produktiv aneignen zu können“ und der Umgang meint die Möglichkeit, „Technik selbstbestimmt und sicher nutzen zu können“.
Die erste Entwicklungstendenz bewegt sich in Richtung einer immer mehr geschlossenen Technosphäre.
„Der Zugang zu technischem Wissen wird zunehmend ökonomisiert und dabei für eine wachsende Zahl von Menschen verschlossen; der Umgang mit Technik wird an verschärfte ökonomische Bedingungen geknüpft; die Möglichkeiten einer selbstbestimmten Nutzung werden eingeschränkt, indem Vorstellungen über die Welt in das Design einfließen; und die Komplexität technischer Systeme verschleiert ihre Wechselwirkungen untereinander sowie mit der Umwelt.“ (ebd.: 50)
Als Alternative sieht Boeing die Entfaltung einer offenen Technosphäre:
„ „Offen“ ist dabei dreifach zu verstehen: im Sinne eines offenen Designs, als Transparenz technischer Strukturen und als die Freiheit, Entscheidungen über die Nutzung von Technik fällen zu können.“ (ebd.: 52)
Es kommt also darauf an, für die Offenheit der Technikentwicklung zu kämpfen gegen ihre immer weitere Schließung. Dies erfordert politische Kämpfe auf der Ebene der gesellschaftlichen Machtverhältnisse und die eigenständige Gestaltung von Handlungsregulationen in allen Bereichen in „offener“ Weise.
Literatur:
Boeing, Niels (2010): Die Öffnung der Technosphäre. In: Reader „Selbstbestimmte Technikentwicklung& -nutzung“ (Bremen, 2010).
Krohn, W., Technischer Fortschritt und fortschrittliche Technik – die alternativen Bezugspunkte technischer Innovation, in: Zimmerli, W.Ch. (Hrsg.), Technik oder: wissen wir, was wir tun? Basel/Stuttgart 1976
Oktober 16, 2011 at 12:11 pm
In der Perspektive eines wissenschaftlichen Kommunismus: Mehr Weltkommunismus zu wagen hieße in Bezug auf Technik, die geeigneten Mittel der Entwicklung/Globalisierung und Verallgemeinerung ökohumanistischer Zweckbestimmungskompetenz im Hinblick auf verschiedene Bedeutungen des menschlichen Stoff- bzw. Energieaustausches (global, regional bzw. lokal und z.B. als (potenziellen) „Nutzen“ oder (potenziellen) Schaden bestimmt) zu wählen bzw. entwickeln, d.h., Vorgefundenes, aufzugreifen und Möglichkeiten zu ergreifen oder zu schaffen, sie entsprechend umzumodeln, nach geeigneteren Mitteln Ausschau halten usw.
Oktober 17, 2011 at 8:36 pm
Die Vorstellung einer sich in Konkurrenz zur Biosphäre heraus bildenden Technoshpäre finde ich seltsam. Die ganze Entwicklung und Anwendung technischer Mittel zur Herstellung nutzbarer Güter und Dienste (sowie deren Verbrauch und Entsorgung bzw. Recycling) kann die Biospähre ja nicht wirklich verlassen. Die kapitalistische Art der (weltweiten) Teilung bzw. Abtrennung von Entwicklung, Arbeit, Genuss, Erfahrung, Wissen und Verantwortung erweckt nur diesen falschen Eindruck. Die technischen Mittel, diese Trennung zu überwinden reifen nun ebenso heran wie das Wissen, dass sie unter den derzeitigen Verhältnissen zu Veräderungen in der Biosphäre nötigen, die auf keine Kuhhaut mehr gehen.
Oktober 22, 2011 at 12:08 pm
Konkurrenz heißt ja auch nicht „verlassen“. Konkurrenz findet durchaus INNERHALB eines Systems statt. Ich schreibe oben explizit darüber, dass auch das durch den Menschen Erzeugte nicht „widernatürlich“ ist, sondern der „menschlichen Natur“ entspricht. Das meint natürlich eigentlich eher den Natur- als Wesensbegriff, aber es soll auch darauf hinweisen, dass wir nie wirklich außerhalb der Natur sind, die Natur verändert sich bloß (im Ernstfall in Richtung einer Zivilisations- bzw. Lebensfeindlichkeit).
Aber der Sphärenbegriff wurde ja extra deswegen gebildet,um auf unterschiedliche systemische Zusammenhänge hinzuweisen, und deren gegenseitige Beziehungen können sich natürlich verändern. Im Moment steht die Technosphäre weniger in einer „Allianz-“ oder „Koevolutions-„Beziehung, sondern tatsächlich in Konkurrenz zur Biosphäre, weil sie deren weitere Entfaltungsmöglichkeiten behindert statt fördert.
Oktober 24, 2011 at 12:04 am
„Konkurrenz findet durchaus INNERHALB eines Systems statt.“
Eben, innerhalb (!) der Biosphäre konkurrieren z.B. Interessen an Siedlungsbau oder an – möglichst kostenlosen – Emissionsrechten für die Kunstdüngerproduktion mit Interessen, die von Naturschützern und -forschern oder Naturfilmern und deren Konsumenten oder von Schützer der Klimastabilität wahrgenommen bzw. kommuniziert werden.