Essay


Beim heutigen Ostermarsch in Jena beteiligen wir uns auch mit einer kleinen Rede, zu der wir auch ausführlicheres Informationsmaterial bereitstellen.


Die Ukrainerin Oksana Aliieva von der Heinrich-Böll-Stiftung sagt mit großer Berechtigung: „Es ist schwierig, die dringende Notwendigkeit der Bekämpfung des Klimawandels zu vermitteln, wenn gleichzeitig ein anderer Kampf priorisiert werden muss.“

Und Serhij Natrus, der Leiter der Abteilung Ökologie der Gebietsverwaltung Donezk meint „Wo Krieg herrscht, verlieren wir die Natur“.

Um das zu verdeutlichen, möchte ich nur einige wenige Fakten und Zahlen zu Zerstörungen in der Ukraine dazu nennen: 

  • Fast 80 Prozent des Nationalparks „Swjati Hory“ wurden zerstört.
  • Der gesprengte Staudamm am Wasserkraftwerk Kachowka führte zu Überflutungen mit massiven Folgeschäden, über die heute schon niemand mehr spricht. 
  • „Mehr als 80 Prozent der größten bewaffneten Konflikte finden in Biodiversitäts-Hotspots statt, also in Regionen, in denen es eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten gibt“ (bzw. gab).

Im ersten Jahr des Ukrainekrieges wurde mehr Kohlendioxid emittiert als vom Land Belgien im gleichen Zeitraum.

Durch Brände gelangte fast eine halbe Million Tonnen CO2 in die Luft.

Die allgemeine Militarisierung lässt die militärischen Emissionen ebenfalls in die Höhe schnellen. Der militärische Sektor ist global für 6% der Emissionen verantwortlich.

Eine einzige Tankfüllung des F-35-Kampfflugzeuges emittiert mit ca. 28 Tonnen CO2-Äquivalenten mehr als zwei durchschnittliche Menschen in der BRD im ganzen Jahr verursachen (je 11,2 Tonnen CO2-Äquivalent).

Eine weitere verhängnisvolle  Folge des Kriegs: Die Energiewende ist ins Stocken geraten. 

Zuerst muss der Krieg so schnell wie möglich beendet werden, um die unmittelbaren Schäden nicht noch weiter ausufern zu lassen. 

Und wir stellen uns hinter die Forderung von Oksana Aliieva: Wir brauchen „kompletten Neuaufbau von Infrastruktur und Wirtschaft„. – aber – wie bei uns hoffentlich –nachhaltig und ökologisch! 


Hier gehts zur einem Informationsblatt zu diesem Thema.


Karl Kautsky (1854-1938) war einer der noch recht jungen Mitstreiter von Friedrich Engels in London als er das Buch über die berühmte Utopie von Thomas More (lateinisiert: Morus) (1478-1535) schrieb. Er gibt damit ein gutes Beispiel für das ab, was eine materialistische Geschichtsschreibung werden sollte. In diesem Buch würdigte er Thomas More als „ersten modernen Sozialisten“ (Kautsky 1888/1913: 107, 130). Dabei wusste Kautsky und begründete es ausführlich, wie zeitgebunden die Vorstellungen von More waren.

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Bei der Demo am letzten Mittwoch in Jena  gabes einen Redebeitrag aus der Ortsgruppe XR Jena. Der frei gesprochene Text wurde für diese Dokumentation noch einmal verschriftlicht:


Es soll hier mal konkret um das Thema Mobilität gehen. Wie verrückt die derzeitige Lage ist und wie schön es eigentlich sein könnte.

Wer in der Jenaer Innenstadt an einer vielbefahrenen Straße wohnt -wie bspw. der B88- weiß wovon ich rede. Dort ist es so laut, dass sofort das Stresslevel steigt und man nur so schnell wie möglich dort wegkommen möchte. Daher habe ich mich oft gefragt wie könnte es denn ohne die ganzen Autos sein?

Aber fangen wir von vorne an. Warum brauchen wir eigentlich eine Mobilitäts- bzw. Verkehrswende? (mehr …)

Der Trick mit ungedeckten Versprechungen

Schon seit 30 Jahren wissen wir, dass die Emissionen von Treibhausgasen drastisch sinken müssen. So gut wie nichts geschah; der reale Emissionspfad übertraf in der Emissionsmenge den „Business as Usual“-Pfad, der 1990 als der schlechtest-mögliche eingeschätzt wurde (siehe die folgende Abbildung unter Verwendung DB 1990: 52). Anstatt bei 36,5 GT CO2-Emissionen pro Jahr (2018) müssten wir weltweit bei ca. 16 GT CO2-Emissionen pro Jahr liegen! Und das zusätzlich ausgestoßene CO2 sammelt sich Jahr für Jahr weiter in der Atmosphäre an.

30 Jahre nach diesen Plänen sind wir noch nicht einmal „in den Knick“ (das Abknicken der Kurve von einer Steigung hin zu einer Senkung) gekommen und die Verzögerung führt dazu, dass die die Neigung der Reduktionskurve immer steiler nach unten weisen muss (d.h. die notwendigen Reduktionsraten steigen enorm). Mit der angestiegenen CO2-Menge in der Atmosphäre verringert sich auch das Zeitfenster, das wir bis zum Aufbrauchen des CO2-Budgets noch haben, d.h. das Ende der Emissionen muss noch zeitiger erreicht werden, als 1990 angenommen. Die durchgezogene rote Linie zeigt die aus heutiger Sicht  notwendige Reduktionskurve im Vergleich zu der von 1990: (mehr …)

Oder: Wenn Stout Hegel gekannt hätte…

In einer Gesprächsrunde wurde folgende Unterscheidung von unterschiedlichen Ontologien vorgeschlagen. Ich möchte diese in Bezug setzen und ergänzen durch entsprechende Inhalte aus der Philosophie Hegels.

Diese Tabelle bezieht sich auf Ontologien, wie sie in unterschiedlichen politischen Konzepten vorausgesetzt werden. Bei Hegel wird ein Zusammenhang ähnlicher Formen entwickelt, die sich in allen Bereichen der Welt (Natur, Gesellschaft, Denken) mehr oder weniger vorfinden. (mehr …)

Kurzfassung von: Schlemm, Annette (2018): Hegels implizite Ontologie. Das Durchscheinen der Welt in Hegels Kategorialentwicklung. In: Rainer E. Zimmermann (Hrsg.): Probleme der Grundlegung nach Schelling und Bloch. Hamburg: Verlag Dr. Kovac 2018. S. 97-114.


Verhältnis von Dingen und Denken

  • Die subjektiven Gedanken sind „zugleich objective Verhältnisse der Wirklichkeit“ (Erdmann)
  • impliziter Materialismus: Unser Denken muss sich „nach ihnen [den Dingen, AS] beschränken, und unsere Willkür oder Freiheit soll sie nicht nach sich zurichten wollen“ (Hegel)
  • Was nimmt das Denken auf? „Im Denken hingegen sondern wir von der Sache das Äußerliche, bloß Unwesentliche ab und heben die Sache nur in ihrem Wesen hervor. Das Denken dringt durch die äußerliche Erscheinung durch zur inneren Natur der Sache und macht sie zu seinem Gegenstand. Es läßt das Zufällige einer Sache weg. Es nimmt eine Sache nicht, wie sie als unmittelbare Erscheinung ist, sondern scheidet das Unwesentliche von dem Wesentlichen ab und abstrahiert also von demselben.“ (Hegel)

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Ich hatte bereits einmal mehrere Blog-Seiten über die „Phänomenologie des Geistes“ geschrieben. Den  Anfang der Argumentation hatte ich da „unterschlagen“, weil er für den Zweck innerhalb einer damaligen Debatte nicht gebraucht wurde. Derzeit laufen wieder Gespräche, für die ich diesen Anfang jedoch nachliefern möchte:


Der Gedankengang in der „Phänomenologie des Geistes“ (auf dem Weg von der sinnlichen Gewissheit bis hin zum Selbstbewusstsein[1]) ist folgender (wobei hier nur die ersten Schritte referiert werden, und diese noch extrem verkürzt):

  1. Sinnliche Gewissheit
  • Die erste Stufe der Selbst- als Welterkenntnis ist die „sinnliche Gewissheit“ (HW 3: 82). Was weiß ich, wenn ich nur sinnlich fühle? Ich weiß nur „Dieses“. Ich weiß nicht, was das ist, denn die Bestimmung eines „Was“ würde eine Beziehung zu anderem voraussetzen. Wenn ich z.B. weiß: „Dies piekst“, dann setze ich zusätzlich zu dem Beginn als nur „Dieses“ zusätzlich voraus, dass etwas piecksen oder stechen oder streicheln kann. Dies sind alles (allgemeine) Oberbegriffe für mögliche Verhaltensweisen von „Dieses“. Erst recht setze ich Anderes voraus, wenn ich inhaltlich bestimme, was „Dieses“ ist. „Dieses“ ist dann z.B. eine Nadel. „Nadel“ setzt eine allgemeine Bestimmung dessen, was „Nadel-Sein“ bedeutet, voraus. (mehr …)

Der folgende Textteil gehört noch in das Thema „Klima-Umbruch -Transformation – Lebensführung“.  Denn um sich der Frage nach der Verzweiflung zuzuwenden, muss erst noch einmal klargemacht werden, warum Verzweiflung nicht mehr nur die Folge von Panikmache ist, sondern angesichts der erreichten und weiter zu befürchtenden Schädigungen unserer Lebensgrundlagen kaum noch zu vermeiden sein dürfte. Deshalb schiebe ich diesen Teil noch zwischen die Ausführungen zur „Transformation“ und die zur „Lebensführung“.


Diese Transformation ist keine, bei der vieles von dem bisher Erreichten beibehalten werden und die Verhältnisse grundlegend verbessert werden können. Wir können uns die bisherigen Zukunftshoffnungen z.B. mit einer sog. „Fitness-Landschaft“ vorstellen: (mehr …)

Commons und alternative Projekte im Handgemenge

Dieser Text erschien in der Zeitung Contraste,
Oktober 2019, Nr. 421, S. 12 im Schwerpunkt „Wie geht Utopie“.


Der aktuelle Sonderbericht des IPCC zum Zusammenhang zwischen Klimawandel und Landsystemen macht auf die Verwundbarkeit der Ernährungsgrundlage der Menschheit durch den Klimawandel aufmerksam. Gewusst hat mans ja schon, aber nun muss man es wissenschaftlich nachgewiesen zur Kenntnis nehmen und damit umgehen. Angesichts der sich häufenden Hiobsbotschaften bringt mich die Beschäftigung mit der Zukunft der Menschheit, d.h. mit der Variante davon, die die höchste Wahrscheinlichkeit hat, immer mehr um mein Weltvertrauen. Wir sind ein Vierteljahrhundert zu spät dran, um die Bremse einzulegen und die Richtung zu ändern, bevor es heikel wird. Es wird weiter zu ungeheuren Wetterextremen, Dürren, Überschwemmungen und Hurrikans kommen, deren Wahrscheinlichkeit und Stärke wir uns zuzuschreiben haben. Die jungen Leute haben zuerst gemerkt, dass wir Älteren die Gefahrenzeichen zu lange übersehen und die Augen davor geschlossen haben. Für solche wie mich, die schon länger trauern um die verlorenen glücklichen Zukünfte, oder jene, die bereits Panik vor dem zu Erwartendem haben, gibt es inzwischen schon eine – wohl nicht ganz ernst gemeinte – Diagnose: „Prä-Traumatisches Belastungssyndrom“. Ich bin also nicht allein mit meinen Ängsten. Dies zu wissen, hilft mir schon ungemein.[1] Wenn wir heute noch Utopien haben, müssen sie sich einem gewaltigen Crash-Test[2] unterziehen! Manchmal erfolgt dieser Crash-Test von alleine, etwa wenn Projekte des Mietshäuser Syndikats von rechten Anschlägen bedroht sind.[3]

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Hier kommt eine Ergänzung meines Textes zum Thema „Klima-Umbruch – Transformation – Lebensführung“. Im Text habe ich bereits auf das  Konzept von Joanna Macy für eine Gruppenarbeit zum Thema „Trauer und Verzweiflung“ verwiesen. Jetzt möchte ich noch etwas Methodisches ergänzen für jene Situation, in der das für die Zukunft Bedrohliche schon irgendwie gewusst wird, aber noch nicht gedacht wird. Das „irgendwie“ gewusst erweist sich als „unbewusst“  – es geht um das sog. „Soziale Träumen“. Neben dem Fühlen kann demnach auch das Träumen eine „erkenntnisleitende Funktion“ (Holzkamp 1983/1985: 333) haben. Es kann über das „Nicht-Wahrhaben-Wollen“ der 1. im Text genannten Phase hinausgehen: 


Häufig ist die Erkenntnis über die Lage schon eher im sog. Un(ter)bewussten angekommen, als im Bewusstsein. Dies kann z.B. durch die Untersuchung beängstigender Träume herausgefunden werden. Mit der Methode des „Sozialen Träumens“ können „Gespräche in den Köpfen“ entdeckt werden, in denen sich Ängste artikulieren. In Träumen werden „Beziehungen mit Objekten der Umwelt“ erprobt und antizipiert (Lawrence 2014: 7). Dadurch können wir einen  Zugang zu den „unbewussten Befürchtungen und Ängsten gegenüber der Gesellschaft […], in der wir leben“ (Lawrence 1998: 80) erreichen. Träume sind dann Schlüssel zu allem, was zwar „gewußt, aber noch nicht gedacht“ ist (ebd.: 173). ). Insofern können neben den Gefühlen auch Träume eine „erkenntnisleitende Funktion“ (Holzkamp 1983/1985: 333) haben (vgl. auch Tögel 1985: 23ff.). Lawrence entwickelte Gruppengespräche mit 30-60 Menschen, bei denen die unbewussten Prozesse „unbewusstes Wissen“ über die sie umgebende Gesellschaft offenbarten.[1] Auch bei der Antizipation von Bedrohungen weiß das Unbewusste oft schon mehr als das Bewusstsein. Charlotte Beradt berichtet von den Träumen des emigrierten Paul Tillich, der berichtete: „Ich bin aufgewacht mit dem Gefühl, daß unser ganzes Dasein verändert werde. Im bewußten Wachen glaubte ich, daß wir dem Schlimmsten entgehen könnten, aber mein Unterbewußtest wußte es besser.““ (Beradt 1966/2017: 9, kursiv AS)

[1] Veranstaltungen zum Erzählen und Interpretieren von Träumen fanden sogar in der Tent City University der Occupy-Aktionen 2011 in London statt (Sher 2013). Dort gab es vor allem Erzählungen mit Träumen einerseits über Reisen und andererseits über Verluste.

Literatur hierzu:

Beradt, Charlotte (1966/2018): Das Dritte Reich des Traums. Suhrkamp.

Gosling, Jonathan; Case, Peter (2013): Social dreaming and ecocentric ethics: sources of non-rational insight in the face of climate change catastrophe. September 2013, Organization 20(5):705-721.

Holzkamp, Klaus (1983/1985): Grundlegung der Psychologie. Frankfurt/Main, New York 1985.

Lawrence, W. Gordon (1998): Social Dreaming @ Work. New York: Routledge.

Lawrence, W. Gordon (2014): Soziales Träumen. Freie Assoziation. Zeitschrift für das Unbe-wusste in Organisation und Kultur. 17. Jg. (2014) Heft 1/2 S. 7-26.

Sher, Manni (2013): A Tale of One City: Social Dreaming and the Social Protest Movement – Occupy London at Tent City. Socioanalysis 15: 2013 (60-70).

Tögel, Christfried (1985): Der Traum in Geschichte und Gegenwart. In: H. Wendt (Hg.): Traum bearbeitung in der Psychotherapie. Leipzig: Thiema, S. 11-28.

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