Am 31.01.23 habe ich online einen Vortrag für „DB for Future“-Menschen gehalten.

In diesem Vortrag geht um den tieferen Grund, warum es bei der Bahn wie auch dem Klimaschutz immer wieder klemmt und sich soziale und ökologische Krisen so verknäueln. Im Vortrag wird erläutert, wieso der Kapitalismus ausbeuterisch und umwelt-/klimaschädlich ist.

Hier gibts nun den Text zum Vortrag (tlw. ergänzt am 1.2.23):

Nach Angaben der Deutschen Bundesbahn werden fast 70% der Treibhausgasemission eingespart, wenn mit der Regionalbahn gefahren wird statt mit dem Auto. Da der Verkehr eine der wichtigsten Quellen für CO2-Emissionen ist (und in Europa ein Fünftel ausmacht), wäre ein Umstieg auf eine 100%ig mit Ökostrom fahrende Bahn wesentlich für eine Transformation zu einer klimaneutralen Welt. Zwar haben die 9-Eurotickes von 2022 noch kein Umsteigen vom Auto in die Bahnen bewirkt, aber sie waren so etwas wie ein Stresstest, ob das überhaupt möglich wäre. Leider ging das weitgehend auf Kosten der Bahnbeschäftigten und es zeigte, dass die Bahn eine solche Belastung nicht aushält (FAZ 2023).

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Meine liebsten Weihnachtsgeschenke waren wie immer Bücher. Zwei dicke Bücher habe ich schon ausgelesen. Zuerst die fast 1300 Seiten des Romans von Andreas Eschbach: „Eines Menschen Flügel“, einer wunderschönen Utopie, die 1000 Jahre lang nur funktionieren kann, weil die geflügelten Menschen von ihren Ahnen versteckt wurden und sie nichts wussten von der Bedrohung durch das kriegerische Imperium, wie es sonst so in Science-Fiction-Romanen vorherrscht.

Deutlich wirklichkeitsbezogener war dann die „Biographie und Werkentwicklung“ des jungen Karl Marx, wie sie Michael Heinrich in einem ersten Biographieband über Marx vorstellte. Das wird wohl für lange Zeit wieder ein Standardwerk sein, denn hier räumt Heinrich mit oft wiederholten Mythen auf und legt ganz genau dar, was bekannt ist über das Leben von Marx und Gründe für seine Ansichten und für welche dichterischen Ergänzungen es keinen ausreichenden Grund gibt.

Marx? Schon wieder und immer wieder? Hat sich das nicht längst erledigt? Nein, das zeigt ein drittes Buch, das mir gerade zugeschickt wurde. In ihm heißt es:

„Ich habe das lange so nicht für möglich gehalten, dass es die Zustände, auf die Karl Marx reagiert hat, noch einmal wieder geben könnte in einer sozialen Marktwirtschaft.“

Es geht um die Fleischwirtschaft, deren Skandale nicht nur wegen dem Tierleid, sondern vor allem wegen den „Wegwerfmenschen“, die dort arbeiten müssen, aufgrund der enorm hohen Coronazahlen endlich stärker in die Öffentlichkeit gerückt sind. Mir liegt jetzt der Folgeband von „Das ‚System Tönnies‛ – organisierte Kriminalität und moderne Sklaverei vor. Zusammengestellt von Jour fixe Gewerkschaftslinke Hamburg berichten viele Autorinnen und Autoren über diese Zustände.

Mir war gar nicht bewusst, dass vor allem seit 20-30 Jahren die Großkonzerne ein rasantes Wachstum auf Kosten von Klein- und Kleinstbetrieben hingelegt haben und dies vor allem deswegen, weil sie Arbeiter*innen aus den neuen EU-Staaten mit Werkverträgen ausbeuten, die enorme Lohnkosten einsparten. Das besondere Lohndumping in Deutschland hatte auch Auswirkungen z.B. auf Dänemark, wo 15 000 Jobs in der Fleischindustrie abgebaut wurden. Besonders skandalträchtig ist auch der Umgang mit Lokalpolitiker*innen, die vor allem dem Konzernriesen Tönnies in die Suppe spucken möchten. Sie werden systematisch kalt gestellt. Trotzdem bewirkte die Aufmerksamkeit durch die Corona-Hotspots u.a. nun endlich das Arbeitsschutzkontrollgesetz, das die Kämpfe um Tierwohl und Menschenrechte nicht obsolet macht, aber erleichtern kann.

Und damit sind wir wieder bei Marx. Es wird festgestellt, dass sich von ihm allemal noch lernen lässt, nämlich „dass der Arbeiter und die Arbeiterin nur ihre Arbeitskraft in die Waagschale werfen können und nur, wenn sie sich zusammenschließen, eine gewisse Macht haben“.

Literatur:

Eschbach, Andreas (2020): Eines Menschen Flügel. Lübbe.

Heinrich, Michael (2018): Karl Marx und die Geburt der modernen Gesellschaft. Biographie und Werkentwicklung. Band I. 1818-1841. Stuttgart: schmetterling verlag.

Jour fixe Gewerkschaftslinke Hamburg (Hg.) (2022): Ist das System Tönnies passé? Welche Perspektiven haben Landwirtschaft, Schlachthöfe und Tierrechte? Folgeband von „Das ‚System Tönnies‛ – organisierte Kriminalität und moderne Sklaverei. Berlin: Die Buchmacherei.

Auch die kapitalistisch orientierten Wirtschaftswissenschaften müssen sich wohl oder übel mit dem Klimawandel als „ultimative[r] Herausforderung für die Wirtschaft“ beschäftigen. Der Nobelpreisträger William D. Nordhaus verwendete diese Formulierung in seinem Preisvortrag von 2018, von dem ich im Folgenden berichten möchte.

Mögliche Regulierung der Nutzung „öffentlicher Güter“?

Nordhaus sieht das Problem des Klimawandels darin, dass das Klima ein öffentliches Gut ist und damit eine Externalität in Bezug auf die Wirtschaft. Das heißt, dass seine Kosten „außerhalb des Marktes anfallen“ und sie „nicht durch Marktpreise erfasst“ werden. Die „Klimawandelökonomie“ will sich diesem Problem widmen. Dabei zeigt es sich, dass aus dieser ökonomischen Perspektive heraus solche „harten“ Ziele wie unter einer global durchschnittlichen Temperaturerhöhung von 1,5 oder 2 Grad zu bleiben, nicht zielführend seien, weil sie die Kosten der dazu nötigen Maßnahmen außer Acht lassen. Eine Alternative dazu zeigt Nordhaus am Ende des Beitrags auf.

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Annette vom Klimanotstands-Zentrum hielt heute einen Vortrag beim Netzwerktreffen Care Revolution. Die Präsentation gibts hier online:

Zum Thema Solidarität hab ich auch noch mal einen Artikel von mir „Commoning als strukturelle Solidarität“ hochgeladen.

Ich habe in den letzten Monaten in Jena das „Klimanotstands-Zentrum“ mitgegründet. Wir haben noch keinen festen Raum, aber wir treffen uns regelmäßig, beteiligen uns an der Klimabewegung in Jena, halten Vorträge usw.. Oft werden wir dann gefragt, warum wir uns KlimaNOTSTANDS-Zentrum nennen.

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Ich war vom 28.-30. Oktober in Leipzig beim „System Change“-Kongress des SDS, weil ich selbst als Referentin eingeladen war. Ich nehme bei solchen Gelegenheiten eigentlich immer die gesamte Zeit teil. Diesmal habe ich aber nur an der Hälfte der möglichen Workshops oder Plena teilgenommen, weil ich zwischendurch viele schöne und spannende Gespräche hatte, die wir nicht abbrechen wollten. Aber einiges Interessante habe ich doch mitgekriegt, wovon ich hier erzählen will. Also jetzt zur 4-Schwerpunkte-Matrix zur Selbstverständigung und politisch orientierten Gruppen und Bündnissen:

Leonor Canadas und Joao Camargo von der spanischen Gruppe Climaximo stellten ein Konzept vor, das auf einer „Theory of Change and Conflict Escalation“ (Theorie des Wandels und Konflikt-Eskalation) beruht. Ein Tool zur Orientierung dabei ist die 4-Schwerpunkte-Matrix. Diese kann einerseits (I) genutzt werden, um sich selbst die eigenen Schwerpunkte klarer zu machen, als auch andererseits (II) dazu, die Dynamik von politischen Aktivitäten zu verdeutlichen. Die Darstellung beruht lediglich auf dem, was ich von der Veranstaltung mitgenommen habe und Verkürzungen etc. sind mit anzulasten. Soweit ich mitbekommen habe, gibt es mit diesen und weiteren Inhalten ganze Schulungskampagnen…

I) Orientierung in Gruppen, Organisationen, Bewegungen…

Die folgende Abbildung zeigt, wie sich 4 typische Schwerpunktsetzungen entlang von zwei Dimensionen darstellen lassen:

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Es gibt noch einen Text im Nachtrag zu dem, was ich am 10.06.22 in Oldenburg vorgetragen habe, bzw. was dazu in der jungen Welt am 13.06.22 veröffentlicht worden war. Er bezieht sich stärker auf konkrete Debatten und betont die Behandlung der Konkurrenz in der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie des Kapitalismus.


Was passiert, wenn „Ausbeutung“, „Mehrwert“ und „Profit“ und damit auch das Klassenverhältnis bei der Kapitalismusanalyse gegenüber dem Begriff des „Werts“ als unwichtig angenommen werden?  An einer Stelle, die ich jetzt nicht finde[1], kommentiert Stefan Meretz zu einem Text von mir so ungefähr: „Mehrwert ist doch nur mehr Wert“, bilde also nur einen quantitativen Unterschied. Ich sehe das nicht so. An dieser Stelle (beim Mehrwert) kommt die Arbeitskraft als eine qualitativ besondere Ware ins Spiel.

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Diese Seite gehört zum Text: „Sozialismus-Utopie?“


Der Horizont dessen, wohin wir aus dem Kapitalismus heraus springen könnten, kann in einer abstrakten Gegenübersetzung gegen kapitalistische Funktionsprinzipien gesehen werden (kein ökonomischer Wert, kein Geld, kein Staat…vgl. Sutterlütti, Meretz 2018), oder auch auf kürzere Sicht mehr an den derzeit gegebenen Bedingungen ansetzen, wie bei Klaus Dörre. Um der früheren Entgegensetzungen von „Revolution“ und „Reform“ auszuweichen, sprechen mittlerweile fast alle von einer notwendigen „Transformation“ auf dem Weg dahin (vgl. Brie 2015). Häufig wird für eine Verbindung des Reform- und des Revolutionsgedankens auch positiv auf die Bezeichnung „revolutionäre Realpolitik“ von Rosa Luxemburg Bezug genommen (Luxemburg 1903: 373)[1], womit sie „die politische Kleinarbeit des Alltags zum ausführenden Werkzeug der großen Idee“ (ebd.) machen wollte. So sieht das wohl auch Dörre (obwohl er Luxemburg diesbezüglich nicht zitiert). (mehr …)

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Bei der Konzeption eines Sozialismus des 21. Jahrhunderts stehen wir wiederum vor dem Problem, wie die bestimmte Formen Arbeit als „Stoffwechsel mit der Natur“, die Zeit, Arbeitskraft und Ressourcen erfordert, so zeit- und ressourceneffektiv erfolgen können, dass notwendige Arbeit erstens nicht mehr so ein großes Ausmaß annimmt und zweitens genügend Freiraum für durchaus zeitaufwendige Care-Arbeit im ausreichenden Maß gewonnen werden kann. Zu starke Hoffnungen darauf, dass angesichts der vielen derzeitigen Bullshit-Jobs und des Verzichts auf Rüstung, Marketing und Wegwerfwaren-Produktion sowieso nur noch wenig Arbeit notwendig wäre, erledigen sich angesichts der künftig erhöhten Aufwendungen für die Energiegewinnung durch sich erneuernde Energien, bei einer ökologisch nachhaltigen Nahrungsmittelproduktion und den vielen notwendigen Arbeiten bei der Regeneration der Atmosphäre und Biosphäre. Also müssen wir Wege finden, in vielen Bereichen ressourcen- und zeiteffektiv zu arbeiten und dies unter Einbeziehung aller zu organisieren.

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Klaus Dörre erfüllt mit seinem „Sozialismus als Utopie“ wahrlich die Forderung von  Ernst Bloch nach der Konkretheit der Utopie, d.h. der Anknüpfung an konkrete Bedingungen. Was Sozialismus konkret sein kann, hängt ab von „der Entwicklung der kapitalistischen Formation und den Gegenbewegungen, die sie hervorbringt“ (Dörre 2021: 38). Der Zielhorizont ist durch die „Ziele nachhaltiger Entwicklung“ (SDGs) gegeben. Dabei verweist Dörre auch auf Friedrich Engels, der wie Marx die künftige erwünschte Gesellschaftsordnung nicht im Einzelnen vorplante: „[…] wir haben kein Endziel. Wir sind Evolutionisten, wir haben nicht die Absicht,  der Menschheit endgültige Gesetze zu diktieren. Vorgefasste Meinungen in Bezug auf die Organisation der zukünftigen Gesellschaft im einzelnen? Davon werden Sie bei uns keine Spur finden. Wir sind schon zufrieden, wenn wir die Produktionsmittel in die Hände der ganzen Gesellschaft gebracht haben […]“ (Engels 1893: 542).

Etwas konkreter wird Dörre allerdings schon.

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