Die Hegelsche Philosophie, und damit auch Hegels Verstandes- und Vernunftbegriff setzen voraus, dass die Vernunft nichts der Welt Fremdes oder Äußerliches ist. Die Welt ist (zumindest der Möglichkeit nach) vernünftig und die Welt zu begreifen ist vernünftig. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die gesamte Hegelsche Philosophie. Wer diese Ansicht nicht teilt, dem hat Hegel nichts zu sagen. Bevor man aber weiß, ob man zu ihnen gehört, oder ob man mehr damit anfangen kann, sollte man aber mehr darüber wissen, was das eigentlich im Hegelschen Sinne bedeutet.
Die einfachste Vorstellung, was damit gemeint sein könnte, gibt ein Schüler von Hegel, J.E. Erdmann, in einer Vorlesung. Für ihn lässt sich der Satz „In der Welt ist „Vernunft““ übersetzen als „In der Welt ist (objectiver) Zusammenhang“ (Erdmann § 7, 1: 4). Wir würden heute davon sprechen, dass Strukturen und Prozesse in geordneter Weise vorliegen und ablaufen und auch dramatische Veränderungen dieser Ordnungen nicht völlig beliebig ablaufen, sondern selbst wieder Ordnungsstrukturen zeigen. Diese Annahme findet heute insbesondere durch die Komplexitätstheorien wieder deutliche Bestätigungen.
Da wir selbst in die objektiven Zusammenhänge eingebunden sind, wäre es unvernünftig anzunehmen, das Universum wäre uns fremd. Wir sind ein Produkt der natürlichen Entwicklung und wir wirken selbst immer stärker auf die uns umgebenden Weltbereiche ein, sind also selbst Faktor ihrer Entwicklung. Für die materielle Realität ist das sicher leichter einzusehen als für das, auf was sich Hegel bezieht: den Geist. „Geist“ ist bei Hegel aber nichts gespenstig-Mystisches, sondern hat immer etwas mit Selbsterschaffung und Selbsterkenntnis zu tun. Angesichts der modernen Erkenntnisse über die Selbstorganisierung in allen Strukturniveaus der Materie muss gar keine so große Kluft mehr angenommen werden zwischen „rein materiellen“ Evolutionsprozessen und dem menschlich-(geistig)-Ideellen. Wenn wir Geist als die immer weiter fortschreitende Entfaltung von Möglichkeiten im Universum verstehen, dann kann auch der folgende Satz akzeptiert werden, mit dem Charles Taylor die Hegelsche Position beschreibt:
„Mit einer geistigen Ordnung des Universums können wir uns […] identifizieren, indem wir uns als ihre Emanation erkennen.“ (Taylor 1998: 244)
Es gibt durchaus Entgegensetzungen, Widersprüche und auch wir finden uns häufig der Welt entgegenstehend. Für Hegel kommt es jedoch darauf an, mit dem vernünftigen Erkennen und dem vernünftigen Tun solches Gegeneinander aufzuheben. Da Menschen durch (die Möglichkeit der) Vernunft bestimmt sind, wäre es eine unangemessen trennende Annahme, der Welt keine (wenigstens potentielle) Vernünftigkeit zuzuerkennen. Genau das nimmt Hegel für seine Philosophie in Anspruch: Die Vernunft in der Welt zu erkennen:
„Etwas vernünftig betrachten heißt, nicht an den Gegenstand von außen her eine Vernunft hinzubringen und ihn dadurch bearbeiten, sondern der Gegenstand ist für sich selbst vernünftig […].“ (HW 7: 85).
Zu dem recht bekannten Spruch „was wirklich ist, das ist vernünftig…“ kommen wir im übernächsten Beitrag. Unter dieser Voraussetzung gilt: „Wer die Welt vernünftig ansieht, den sieht sie auch vernünftig an, beides ist in Wechselbestimmung“ (HW 12: 23). Dies gilt auch für die Geschichte. Geschichtsphilosophie (und bewusstes Tun) wären völlig sinnlos, wenn wir nicht annehmen könnten, „…daß überhaupt Vernunft in der Geschichte sei“ (HW 10: 348, vgl. ebd., 352, HW 12: 23). Das heißt:
„Der einzige Gedanke, den die Philosophie mitbringt, ist aber der einfache Gedanke der Vernunft, daß die Vernunft die Welt beherrsche, daß es also auch in der Weltgeschichte vernünftig zugegangen sei.“ (HW 20: 20)
Wie kann man nun die Vernunft nicht „von außen her hineinbringen“? Ganz einfach: „[…] die Wissenschaft hat nur das Geschäft, diese eigene Arbeit der Vernunft der Sache zum Bewußtsein zu bringen“ (HW 7: 85).
- (Später) Weiter zu: 1.1 Die Möglichkeit als Triebkraft
- Literatur
Januar 21, 2012 at 2:35 am
Mal nachgefragt:
>Die Hegelsche Philosophie, und damit auch Hegels Verstandes-
>und Vernunftbegriff setzen voraus, dass die Vernunft nichts
>der Welt Fremdes oder Äußerliches ist.
Was ich daran nicht verstehe: Wie könnte jemand überhaupt auf die Idee kommen, dass Vernunft etwas der Welt Fremdes oder Äußerliches sein könnte? Wer denkt oder dachte das?
>Die Welt ist (zumindest der Möglichkeit nach) vernünftig
>und die Welt zu begreifen ist vernünftig.“
Aber ist es überhaupt möglich, die ganze Welt zu begreifen? Ist sie dazu nicht ein wenig groß? Wäre es nicht vernünftiger, lediglich konkrete Aspekte des Daseins verstehen zu wollen als sich an „die Welt“ zu verheben?
Und da ich die ganze Welt nicht erfassen kann, ist mir eine vernünftige Aussage zur möglichen Vernunft des Ganzen auch nicht möglich. Deshalb hat mir also Hegel also nichts mehr zu sagen? Nun, dann ist das wohl so.
>In der Welt ist „Vernunft““ übersetzen als „In der Welt
> ist (objectiver) Zusammenhang“ (Erdmann § 7, 1: 4).
Da gehts mir wieder wie beim ersten Satz, dass ich also nicht verstehe, wie jemand auf die Idee kommen könnte, es gäbe keine Vernunft bzw. keine Zusammenhänge IN (!) der Welt. Allerdings denke ich, dass Zusammenhängendes doch nicht unbedingt vernünftig sein muss. So richtig entwirrend finde ich das also nicht.
>Wir würden heute davon sprechen, dass Strukturen
> und Prozesse in geordneter Weise vorliegen und
>ablaufen und auch dramatische Veränderungen
>dieser Ordnungen nicht völlig beliebig ablaufen,
>sondern selbst wieder Ordnungsstrukturen zeigen.
Das wiederum ist in meinen Augen sonnenklar. Wie gut, dass es Fortschritte gibt.
>Da wir selbst in die objektiven Zusammenhänge
>eingebunden sind, wäre es unvernünftig
>anzunehmen, das Universum wäre uns fremd
Weil ich in bestimmte Zusammenhänge eingebunden bin, soll mir das Universum nicht fremd sein? Hmmm…
>„Geist“ ist bei Hegel aber nichts gespenstig-Mystisches,
>sondern hat immer etwas mit Selbsterschaffung und
>Selbsterkenntnis zu tun. Angesichts der modernen
>Erkenntnisse über die Selbstorganisierung in allen
>Strukturniveaus der Materie muss gar keine so große
>Kluft mehr angenommen werden zwischen „rein
>materiellen“ Evolutionsprozessen und dem
>menschlich-(geistig)-Ideellen.
Aber genau das klingt für mich gespenstig-mystisch. Ist „Geist“ nicht einfach ein anderes Wort für „Orientierung“ oder „Ausrichtung“? Und Versuche, das Zusammenspiel von Orientierung und Bedingungen der Orientierung bzw. den sich orientierenden Dingen nicht ähnlich absurd wie die Frage, ob es eine Fahrradfahrt ohne Fahrrad geben könne oder statt ein Fahrrad fü eine Fahrt zu benutzen doch lieber eine Fahrradfahrt unternehmen sollte?
>“Der einzige Gedanke, den die Philosophie mitbringt,
>ist aber der einfache Gedanke der Vernunft, daß die
>Vernunft die Welt beherrsche, daß es also auch in der
>Weltgeschichte vernünftig zugegangen sei.“ (HW 20: 20)
Die Vernunft beherrscht die Welt? Der Satz ergibt für mich keinerlei Sinn. In meinen Augen kann von Vernunft in einer vernünftgen Weise nur im Sinne von „zweckdienlich“ geredet weden. Alles andere sehe ich als Mystizismus, der allerdings – das sei zugegeben – auch in bestimmter Weise zweckdenlich und in so fern vernünftig sein kann.
Gruß hh
Januar 21, 2012 at 6:41 pm
Hm, Deine Fragen könnten in einen ganzen Strauß neuer Texte münden… Was mir immer wieder auffällt: Kannst Du nicht mal versuchen, die Worte als Begriffe für Inhalte zu nehmen, die bei Hegel (und ich versuche es jeweils kurz zu skizzieren) bestimmt werden und nicht für das, was aus Deiner Sicht „einfach ein Wort für“ etwas oder etwas „in deinen Augen“ ist. Wenn Du Dir was anderes denkst, als was Hegel damit meint, kommt Ihr natürlich nie auf eine Argumentationslinie.
Januar 21, 2012 at 6:49 pm
„Was ich daran nicht verstehe: Wie könnte jemand überhaupt auf die Idee kommen, dass Vernunft etwas der Welt Fremdes oder Äußerliches sein könnte? Wer denkt oder dachte das? “
Nietzsche denkt das; die Postmodernen denken das; viele Positivisten denken das…., eigentlich alle Nicht-Dialektiker_innen auf die eine oder andere Weise.
Bertrand Russell beispielsweise, einer der frühen Kritiker der Hegelschen Philosophie (nachdem er ihr selbst angehangen hatte) seiht in der welt nur noch ein „unordentliches Durcheinander von Flickwerk und Löchern“. (Zu Russells Hegelkritik siehe auch http://www.thur.de/philo/hegel/hegel16.htm)
Ansonsten ist die Unterscheidung von subjektiver Vernunft und Welt durchaus auch ein sinnvolles Stadium in der Erkenntnis. Auch das spätere Begreifen ihrer Einheit setzt eine Unterscheidung erst einmal voraus.
Januar 21, 2012 at 7:10 pm
„Und da ich die ganze Welt nicht erfassen kann, ist mir eine vernünftige Aussage zur möglichen Vernunft des Ganzen auch nicht möglich.“
Was heißt „erfassen“? Ich kann sie nicht in die Hand nehmen und berühren. Aber ich kann viel von ihr erkennen, rein wissenschaftlich sogar bis an die „Grenzen des Universums“. In der Kosmologie wird grad drüber diskutiert, was es bedeutet, wenn es sinnvoll ist, die Existenz mehrerer Universen anzunehmen. Da zeigt es sich, dass wir anscheinend, obwohl wir keine direkte Wechselwirkung mit diesen Universen haben (können), doch sinnvolle Aussagen über sie machen können, weil sie wir bestimmter Weise aus der wissenschaftlichen Erkenntnis unseres eigenen Universums heraus gedrängt werden, diese Universen mit in die Überlegung einzubeziehen (zumindest weil sie in der Vergangenheit was mit unserem zu tun hatten).
Die Frage ist nun, warum wie bei unserer Beziehung zur Welt irgendwo eine Grenze ziehen sollten, bis zu der hin wir sie „erfassen“ wollen/können oder worauf unsere „vernünftigen Aussagen“ begrenzt sein sollten. Das würde letztlich darauf hinauslaufen, doch eine Aussage über das zu machen, was „hinter den Grenzen“ liegt, nämlich: „wir können es nicht erfassen“, bzw. „wir können keine vernünftigen Aussagen dazu machen“. Woduch ließe sich diese Behauptung begründen? Ist es nicht viel begründeter anzunehmen, dass wir potentiell in der Lage sind, auch darüber etwas zu sagen?
Hans Heinz Holz hat sich u.a. damit beschäftigt. Er schreibt, dass nach Engels die Dialektik die „Theorie des Gesamtzusammenhangs“ ist. „Dieser ist uns, weil endliche Erfahrung grundsätzlich übersteigend, nie empirisch gegeben.“ Was mache ich nun damit? Setze ich mir eine Grenze, oder gehe ich davon aus, dass die Art und Weise der Vermittlung über Widersprüche nicht nur in dem uns zugänglichen Weltbereich gilt, oder ist es nicht nahe liegender (es braucht keine zusätzliche Annahme) anzunehmen, dass diese Art der Vermittlung auch für die uns (noch?) nicht zugänglichen Bereiche gelten? Können wir nicht auf diese Weise auch über das nachdenken, was uns nicht direkt zu gänglich ist? Holz rettet dabei auch den Begriff der „Spekulation“ gegen seinen schlechten Klang (speculari heißt Ausschau halten, sich umsehen).
Januar 21, 2012 at 7:12 pm
„Allerdings denke ich, dass Zusammenhängendes doch nicht unbedingt vernünftig sein muss.“
Richtig, das reicht nicht aus zur Bestimmung dessen, was Vernunft ist. Aber so ist das nun mal, wenn man zur Erklärung Vereinfachungen heranzieht 😉
Die Brotkrumen sind aber in die richtige Richtung gelegt: Mit Zusammenhängen hat die Vernunft zu tun und die gibt es in der wirklichen Welt wohl doch.
Januar 21, 2012 at 7:17 pm
„Ist „Geist“ nicht einfach ein anderes Wort für „Orientierung“ oder „Ausrichtung“? “
Zur Entstehung des Geistbegriffs bei Hegel und was er damit erfassen will, siehe auch http://www.thur.de/philo/hegel/hegel22.htm.
Januar 24, 2012 at 5:52 pm
Vielleicht ist es dennoch eine erkenntnisträchtige Übung, die für phylosophische Begriffe verwandten Wörter experimentell durch solche zu ersetzen, die in der Alltagssprache synonym verwendet werden.
Aber mal sehen. Ich versuche es mal:
Ok, Ausgangsfrage: „Da die Persönlichkeit und auch die Gesellschaftlichkeit nicht mehr als unveränderbar gegeben angenommen wurden, entstanden Überlegungen, wie sie im Sinne eines sittlichen Lebens bewusst gestaltet werden könnte.“
Es geht also um die Frage nach einer richtigen Ausrichtung des Zusammenlebens. Um soziale Orientierung.
„Aufklärung des Verstands macht zwar klüger, aber nicht besser.“ (Fragm: 21).
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„Es geht um das Abstreifen des Abstrakten, um das Vordringen zum Konkreten“
Klingt vielversprechend, obwohl Marx wohl nicht ohne Grund betonte, vom wirklichen Leben auszugehen und nicht erst als Ergebnis eines „Abstreifens von abstraktheit“ dahin zu kommen.
Ok, Arbeit an gemeinsamen Zielen mit dem netten Begriff „Freundschaft“ belegt. (Erinnert an Brechts Wörter an uns Nachgeborenen: „wir, die wir den Boden bereiten wollten für die Freundlichkeit …)
Auch super:. die an gemeinsamen Zielen arbeitenden (Freunde) sollen gleichberechtigt sein (Voraussetzung für das Freunschaftliche der Zusammenarbeit) aber schaffen grad durch die Unterschiedlichkeit an anlagen, Fähigkeiten, bedürfnissen usw. -gemeinsam mehr.
Heißt: Arbeitsteilung ja, aber so, dass noch klar ist, dass an gemeinsamen Zielen gearbeitet wird.
„Freundschaftliche Verbundenheit schränkt auch Freiheit nicht ein“
Hier beginnen meine Schwierigkeiten und die Frage, ob man das Wort „Freiheit“ nicht öfter mal NICHT als eine Art „heiliger Geist“ (geistloser Zeiten) vorstellen sollte sondern deren jedesmalige Bedeutung dem wirklichen Leben gemäß aus dem Kontext erschießt. Aber den hier zum Ausdruck kommenden Gedanken, dass die Formulierung gemeinsamer (!) Ziele keine Unterdrückung individueller Ziele sein muss, finde ich natrlich gut.
„Es geht zwar um ein allen gemeinsames höheres Ziel, dieses steht aber nicht abstrakt über ihnen, sondern es muss in sich so differenziert sein, dass jeder das Seinige tun kann und damit im Ganzen wirkt. Wir haben hier bereits eine Vorstellung für den späteren Begriff der „Totalität“. Die spätere Behauptung, nur die Totalität sei frei, ist schwer zu denken – eher vorstellbar ist die Tatsache: ‚Frei ist die Freundschaft gerade und nur dann, wenn die Freunde bei aller Einigung dennoch selbständig bleiben.'“
Damit ist also der Gedanke einer modernen, d.h. die individuellen Freiheiten weitgehend respektierenden / bewusst nutzenden Gemeinschaft / Vergemeinschaftung (und dieser entsprechenden Arbeitsteilung) ausgesprochen. (Für Weber und Tönnies schien das ja undenkbar). „Totalität“ für die Gesamtheit des Zusammenwirkens mag auch eine sinnvolle Benamsung sein. Aber „nur die Totalität ist frei“ verstehe ich tatsächlich nicht. Wie eine „Abstreifung des Abstrakten“ sieht das auch nicht aus.
‚Frei ist die Freundschaft gerade und nur dann, wenn die Freunde bei aller Einigung dennoch selbständig bleiben.‘
Ok, muss hier ersteinmal abbrechen. Ich würde gezielter nach Freiheiten Fragen, die das, was hier „Freundschaft“ heißt, also die Möglichkeit der gemeinschaftlichen Zweckbestimmung, bewahren helfen kann.
Soweit ersteinmal
Gruß hh
Januar 25, 2012 at 8:42 pm
„Klingt vielversprechend, obwohl Marx wohl nicht ohne Grund betonte, vom wirklichen Leben auszugehen und nicht erst als Ergebnis eines „Abstreifens von abstraktheit“ dahin zu kommen“
Und was ist das „wirkliche Leben“? Hier gibt es einen Unterschied zwischen Marx (und Engels) aus MEW 3, als sie den Junghegelianern ihren Materialismus entgegen schmetterten und der genauer durchdachten Methode in MEW 42, insbesondere S. 34ff. mit: „Es scheint das richtige zu sein, mit dem Realen und Konkreten, der wirklichen Voraussetzung zu beginnen, also z.B. in der Ökonomie mit der Bevölkerung…. Indes zeigt sich dies bei näherer Betrachtung [als] falsch. Die Bevölkerung ist eine Abstraktion, wenn ich z.B.die Klassen, aus denen sie besteht, weglasse…“
Damit ist er wieder voll bei Hegel, bei dem das „Wirkliche“ sich erst nach dem Durchgang durch das Verständige entschlüsselt, weil das Wirkliche eben nicht einfach sinnlich erscheint. Das, was an der Oberfläche erscheint, muss (mit Marx) als sogar als Verkehrung entschlüsselt werden, sonst unterliegen wir selbst den offensichtlichen Fetischen.
Januar 27, 2012 at 1:51 pm
Ich sehe keine Abkehr von den Aussagen aus der „Deutschen Ideologie“. „Freiheit“ dem wirklichen Leben gemäß zu bestimmen und dabei dessen göttliche Aura ein Stückweit zu hinterfragen, heißt keineswegs, von Abstraktionen wie „Bevölkerung“ („Menschheit“, „die Bedürfnisse“ usw.) auszugehen, mit denen man allzu leicht entweder zum platten Empirismus / Positivismus oder zur anmaßenden Bestimmung „wahrer Bdürfnisse“, „wahrer Freiheit“ usw. kommt. Natürlich sind die – nicht unmttelbar sichtbaren – inneren Bewegungsgesetze, Beweggründe, Reproduktionsbedingungen usw. des wirklichen Lebens (der tatsächlichen Wechselwirkungen) zu erfassen weil sie ja auch Grenzen von Freiheit beschreiben. Aber mir gefäll halt Marx Bemerkung, dass niemand gegen „die Freiheit“ ist, sondern höchtens gegen die Freiheit der anderen. Zum Beipiel bin ich gegen die Freiheit zur Einfuhr von aus Raubau gewonnenem Holz. Und natürlich ist auch das ein Angriff gegen ein – m.E. mangelndes – Verständnis von Freiheit“ bei dem „ihm“ unendlliche Wahrheit und Güte unterstellt wird. So etwas finde ich unvernnftig.
Noch einmal zur Vernunft „der Welt“. Ich brauche eine gewisse Präzession der Bestimmung, um mein – leider nicht abstellbares – Nachdenken nicht ganz durchdrehen zu lassen, also z.B. eine genaue Unterscheidung von Vernunft „in“ der Welt (oder in der „menschlichen Vorgeschichte“) und Vernunft „der Welt“ („der“ menschlchen Vorgeschichte).
Außerdem: wenn ich weiß, dass ich nicht ALLES wissen (d.h. nicht die Welt als Ganze erfassen) kann, kann ich selbstverständlich Theorien über immer neue Aspekte des Ganzen aufstellen und die auch plausibel machen, auch sinnvolle Aussagen über Wahrscheinlichkeiten ihrer Stimmigkeiten machen oder sie unter Umständen gar beweisen. Nur dass sich Theorien über „den Gesamtzusammenhang“ nur wiederum bestimmter Einheiten beweisen ließen, niemals über „das“ Ganze im Sinne der „ganzen Welt“. Wer sagt denn, dass die verschiedenen Galaxien oder gar die von dir erwähnten „meherere Universen“ nicht Teil einer Atomstruktur, und die wiederum Teil eines Lebewesens sind – und wir hier alle im Auge einer außerordentlich großen Schildkröte leben?
Ich versuche ja, zu verstehen, was es mit den Hegelschen Bestimmungen auf sich hat. Arbeiteremanzpation und Philosophie sollten ja nach dem frühen Marx als eine widersprüchliche Einheit verstanden werden die dahin kommt, dass sich auch aus der Bildungsferne komende „den Philosophen verständlich machen“ können.
Und ich lerne ja hier auch einiges.
Mich wrde z.B. interessieren, was mit oder gegen Hegel über die so außerordentlich gut aufeinander abgestimmten spezialisierten Lebensformen, die außerhalb des Menschen existieren, ausgesagt werden kann. Sie scheinen ja Ausdruck von außerhalb des menschlichen Reflektionsvermögens existierende Vernunft zu sein, weil sie eine Ordnung (Anordnungen von Wechselbeziehungen bilden, die bestimmte Entwicklungen forcieren und dabei gewissen Gsetzmäßigkeiten unerliegen, über dessen „Vernünftigkeit“ wir sinnvolle Aussagen oder gar eine Entwicklung zum höher Organisierten ausmachen können.
Und tatsächlich spielen hier „Entscheidungsspielräume“ eine Rolle, die bereits vor und auch außerhalb der Menschen wirksam sind auch wenn die konkrete Entwicklung der Arten nicht Ergebnis eines Plans, der Fähigkeit, einen Nutzen im Kopf vorherzubestimmen und danach herzustellen, ist. Das ist auch bei der bisherigen „Menschengechichte“ – weitgehend – nicht so. Kapitalismus ist eine Naturgewalt wie der Prozess einer Sukzession an dessen Ende – unter bestimmten Umständen – der Wald steht .
Nur, dass mit „der Produktivkraftentwicklung“ unsere Möglichkeiten steigen, die sich – unter kapitalistischen Bedingungen – zugleich erweiternden und eingeengenden Spielräume neu anzuordnen, so dass dies zugleich einer Emanzipation aus der Naturgegebenheit der eigenen Verhältnisse und eine „Vervollkommunung“ der menschlichen Natur gleichkäme. Das wäre dann aber wieder nicht „die“ Vervollkommnung“ „des“ Geistes“ sondern viellecht „nur“ etwas, das, dies in einer – noch sehr mystischen Weise – vorgedacht hatte.
Januar 27, 2012 at 2:10 pm
Entschuldigt bitte die Tippfehler. Blöd, auch wenn das Verständnis davon unberührt ist. Beim letzten Satz könnte das Gemeinte allerdigs zu kurz kommen. Deshalb eine Korrektur: .
Das wäre dann aber wieder nicht „die“ Vervollkommnung“ „des“ Geistes“ sondern diese Aussage vielleicht „nur“ die eines großen Geistes, (bzw. Gedankenausrichters), (Hegel), dessen Größe sich dadurch auszeicnet, dass er diesen Prozess bereits im 19. Jahrhundert vorgedacht hatte – wenn auch, dem damaligen Stand der Produktivkräfte gemäß in einer noch sehr mystischen Weise.
Februar 3, 2012 at 12:21 pm
„Ich sehe keine Abkehr von den Aussagen aus der „Deutschen Ideologie“.“
Ich denke doch. Sie haben das zwar nie formuliert, aber sie haben ihre eigenen damaligen methodischen Aussagen nie verwirklicht. Sie sind nie so empiristisch vorgegangen wie sie damals noch schrieben: „Diese Voraussetzungen sind also auf rein empirischem Wege konstatierbar.“ (MEW 3: 20). Gerade gegen diese „reine Empirie“ richtet sich das Zitierte aus MEW 42. Übrigens hatte Marx ja in den 50ern den Hegel noch mal mit einer viel aufgeschlosseneren Haltung gelesen als in der frühen Kritik-Zeit.
Januar 21, 2012 at 7:23 pm
„Versuche, das Zusammenspiel von Orientierung und Bedingungen der Orientierung bzw. den sich orientierenden Dingen nicht ähnlich absurd “
Dies ist eine der wichtigsten Probleme bei dem Ganzen. Es geht um die Frage, ob alles durch gegebene Tatsachen vorherbestimmt ist, d.h. auch unser Handeln dadurch bestimmt und bedingt ist. Eine solche Sicht würde etwa dem naiven Materialismus entsprechen. Oder ob wir als Subjekte (als Individuen oder gesellschaftlich) „mit dem Kopf durch die Wand“ können und einfach machen, was wir wollen (beliebig, willkürlich) („Idealismus“).
Beide Positionen scheinen nicht ganz falsch zu sein: Unser Handeln muss konkrete gegebene Tatsachen berücksichtigen – aber wir können auch etwas Neues schaffen bzw. aus verschiedenen Möglichkeiten der Entwicklung auswählen. Beides muss aber zusammen gedacht und letztlich auch irgendwie in einer Wechselbeziehung praktisch bewältigt werden.
Hegel findet für die beiden Seiten der möglichen Ansichten dazu immer wieder schöne Beschreibungen (Stoizismus versus Skeptizismus…), diese entsprechenden Sachen lassen sich gut lesen.
Januar 22, 2012 at 1:20 pm
Oh, Satzumstellungen sind stets eine Fehlerquelle. Und hier waren mir zwei für den Zuammenhang bedeutende Wörtchen verloren gegangen.
Es sollte heißen: „… und Versuche, das Zusammenspiel von Orientierung und Bedingungen der Orientierung bzw. den sich orientierenden Dingen ZU NEGIEREN nicht ähnlich absurd …
„Es geht um die Frage, ob alles durch gegebene Tatsachen vorherbestimmt ist, d.h. auch unser Handeln dadurch bestimmt und bedingt ist….“
Ja wer würde denn so einen Unsinn behaupten? Oder ist mit „Alles“ wieder nicht „alles“ gemeint sondern ein von einem berühmten Philosophen fixierter Begriff, der mit dem, was in meinen Augen „alles“ ist, nichts gemein hat? Gesellschaftliche Entwicklungsbedingungen zu verstehen bzw. zu ergründen, und den Schluss zu ziehen, dass sich etwas (wie etwa der berühmte „Wachstumswahn“) unter bestimmten Umständen als eine Naturgewalt durchsetzt, heißt doch nicht, ALLES für vorherbestimmt zu halten.
Was die Welt und die Vernunft angeht: Kann es sein, dass der Herr Hegel mit „Welt“ eigentlich „Natur“ meinte, und seine Behauptung ist, dass in der Natur Vernunft ist und diese der Natur nicht äußerlich ist?
Januar 22, 2012 at 3:45 pm
„Ja wer würde denn so einen Unsinn behaupten?“ Hm, ich kenne da schon einige. Es gibt immer wieder Debatten um das Verhältnis von ziemlich vollständiger Bestimmtheit (oft „Determinismus“ genannt) und dem sog. freien Willen. Im Gegeneinander der Argumente wird häufig die eigene Position verabsolutiert und so gibt es Meinungen, die den freien Willen leugnen, auch auf der Basis der Annahme, dass sowieso das meiste (das wichtigste/alles…) festgelegt und in seiner Entwicklung vorausbestimmt wäre. Dem Hegel wird häufg genau diese Meinung unterstellt!
Januar 22, 2012 at 3:51 pm
Mit „Welt“ meint Hegel nicht nur die Natur, so spricht er auch von einer „Weltgeschichte“, wo er die Geschichte der Menschheit meint.
Natur ist bei Hegel „dieser Prozess, zum Geiste zu werden“, er ist „der sich entfremdete Geist“. In ihm steckt also etwas vom absoluten Geist, aber noch nicht in der Form der bloßen Natur. Das wird Hegel häufig vorgeworfen, ihm wird eine „unökologische“ Philosophie vorgeworfen. (Zu Hegels Naturphilosphie siehe http://www.thur.de/philo/hegel/hegel21.htm)
Januar 22, 2012 at 5:34 pm
>Mit „Welt“ meint Hegel nicht nur die Natur, so
>spricht er auch von einer „Weltgeschichte“, wo
> er die Geschichte der Menschheit meint.
Dass da wer meinen könnte, dass Vernunft außerhalb der Menschheitsgeschichte bzw. dieser äußerlich sein könnte, kann ich allerdings um so weniger nachvollzehen.
>Natur ist bei Hegel „dieser Prozess, zum Geiste
>zu werden“, er ist „der sich entfremdete Geist“
Dieser Satz wird mir wohl ewig ein Rätsel mit sieben Siegeln bleiben, und ich denke, dass er wohl ein Ausdruck von Entfremdung ist also von Verhältnissen, die kein (umwelt-)bewusstes Miteinander-Ausrichten dessen zulassen, was für eine nachhaltig Entwicklung menschlichen Wohlstands zu tun wäre. Stellte sich Herr Hegel etwa vor, dass es einmal einen „absoluten Geist“ gab, der dann leider Gottes Natur wurde, was dem Geist dann vor sich selbst schaudern ließe und er sich selbst so fremd wurde, dass er nun einem Zustand zustrebt, wo die Natur wieder reiner Geist geworden und er dann wieder ganz beieinander sein wird? Hegel war Theologe, nicht wahr? Scheint mir jedengfalls an die „Dreifaltigkeit“ angelehnt (Gott = Vater, Sohn und heiliger Geist).
>Zu Hegels Naturphilosphie siehe
> http://www.thur.de/philo/hegel/hegel21.htm)
Ok, werds mir ansehen. Vielleicht bereichert es die Gedanken, die ich mir mal dazu gemacht hatte:
http://oekohumanismus.wordpress.com/was-ist-natur/
Gruß hh
Januar 21, 2012 at 7:24 pm
„Die Vernunft beherrscht die Welt? Der Satz ergibt für mich keinerlei Sinn. In meinen Augen kann von Vernunft in einer vernünftgen Weise nur im Sinne von „zweckdienlich“ geredet weden.“
Zum Zweck komme ich ganz hinten noch mal. Du hast schon die richtige Ahnung, wo das hinläuft… 😉
Januar 23, 2012 at 4:20 pm
„Dass da wer meinen könnte, dass Vernunft außerhalb der Menschheitsgeschichte bzw. dieser äußerlich sein könnte, kann ich allerdings um so weniger nachvollzehen.“
Tatsächlich nicht? Wenn man sich so anschaut, was derzeit in der Welt geschieht, kann man das nur schwer als Entwicklung eines „Bewusstseins der Freiheit“ (oder auch wirklicher Freiheit) verstehen. Spätestens der Faschismus lässt sich nicht mehr als irgendwie „vernünftig“ begreifen. Bis dahin könnte man vielleicht noch irgendwie auch Kriege und barbarische Phasen als notwendige Durchgangsphasen der insgesamt durch einen Trend zur Vernunft gekennzeichneten Geschichte betrachten. Die ersten deutlichen Zweifel an der Annahme einer „Vernunft in der Geschichte“ kamen also spätestens in Bezug auf den Faschismus.
Heutzutage ist es die (post-)strukturalistische und postmoderne Denkweise, die ja auch von von vielen Linken übernommen wurde, die es ablehnt, „große Erzählungen“ zu akzeptieren, zu denen sie auch die Annahme einer „Vernunft in der Geschichte“ zählen.
Ich kann diese Positionen recht gut nachvollziehen, auch wenn ich sie nicht in der meist vorgetragenen Absolutheit mit trage.
Januar 24, 2012 at 7:09 pm
hh:
„Dass da wer meinen könnte, dass Vernunft außerhalb der Menschheitsgeschichte bzw. dieser äußerlich sein könnte, kann ich allerdings um so weniger nachvollzehen.“
as:
„Tatsächlich nicht? Wenn man sich so anschaut, was derzeit in der Welt geschieht, kann man das nur schwer als Entwicklung eines „Bewusstseins der Freiheit“ (oder auch wirklicher Freiheit) verstehen.“
hh
Sehe ich nicht so. Wenn ich feststellen, dass Vernunft der Welt nicht äußerlich ist und in der Welt / der Entwicklung durchaus präsent, heißt das doch nicht, dass ALLE Welt mit einem Schlag total vernünftig ist und das auch noch so, dass für mich keinerlei Wünsche mehr offen bleiben.
Zwar hat Adorno gewiss Recht mit seiner Bemerkung, dass es kein richtiges Leben im falschen geben kann, aber es gibt richtiges Streben wenn es auch niemals in allern erdenklichen Aspekten total richtig sein dürfte. Aber die Ideologie der unbefleckten Empfängnis (eines Wirklichkeit werdenden heiligen Geistes) sollten wir vielleicht der katholischen Kirche überlassen. Und außerhalb der Welt weilende höhere Wesen werden uns auch nicht zur ökohumanen Vernunft bringen. Das müssen wir schon selber tun. Zum Beisiel, indem wir endlich die Bedeutung von Nachhaltigkeitsstrategien wahr nehmen, sie nutzen und weiter entwickeln helfen.
as
„Spätestens der Faschismus lässt sich nicht mehr als irgendwie „vernünftig“ begreifen. Bis dahin könnte man vielleicht noch irgendwie auch Kriege und barbarische Phasen als notwendige Durchgangsphasen der insgesamt durch einen Trend zur Vernunft gekennzeichneten Geschichte betrachten. Die ersten deutlichen Zweifel an der Annahme einer „Vernunft in der Geschichte“ kamen also spätestens in Bezug auf den Faschismus.“
hh
Wäre keine Vernunft in der Welt gewesen, wäre der Nazifaschismus nicht besiegt worden. Zwar war auch der Krieg gegen Nazideutschland kein gerechter Krieg, weil er Menschen Leid zufügte und ums Leben brachte, die für die Heilhitlerei kaum verantwortlich gemacht werden können, aber er war zweifellos gerechtfertigt und jedenfalls vernünftig – wenn auch mit Gewissheit nicht in allen seinen Einzelheiten.
Den Kolonialismus und die Vernichtung gemeineigentümlicher Regionalkulturen mag ich mir auch nicht als Ausgeburt „der Vernunft“ vorstellen, und ich betrachte weltkommunistische Perspektive mehr als eine Antwort auf all diese Verbrechen der bürgerlichen Revolution, die ich mich weigere als „Vernunftgeschichte“ zu rationalisieren auch wenn ich weiß, dass die Unmenschlichkeiten der – nun hoffentlich bald zuende gehenden – kapitalistischen Epoche Voraussetzung für die Möglichkeit (aber auch die Notwendigkeit!) eines vernünftiges Weltwirtschaftens war bzw. ist. Dialektik kann verdammt unmoralisch sein.
Allerdings bin ich eben auch hier für eine ideologische Entschlackung des Begriffs. Vernunft bzw. Rationalität gibt es m.E. immer nur im Hinblick auf bestimmte Zwecke. taten, Ideen, Bedingungen usw. können in bestimmert Hinsicht für eine gewisse Zeit rational, und in einer anderen zu anderen Zeiten irrational / unvernünftig sein. Vernunft kann außerordentlich unernünftig sein. Es ist m.E. von großem Interesse, die Rationalitätsbedingungen des Naziwahns zu erforschen.
Siehe dazu auch http://hhirschel.wordpress.com/2012/01/20/zur-wannseeekonferenz-am-20-januar-1942/
as
„Heutzutage ist es die (post-)strukturalistische und postmoderne Denkweise, die ja auch von von vielen Linken übernommen wurde, die es ablehnt, „große Erzählungen“ zu akzeptieren, zu denen sie auch die Annahme einer „Vernunft in der Geschichte“ zählen.“
hh
Sie sehen in Hegel deshalb einen Urvater des Totalitarismmus, und auch da muss man wohl herausarbeiten, was an der Intention dieses Vorwurfs vernünftig ist (und natürlich auch, ob der Hegel gerecht wird).
Gruß hh
Übrigens würde ich Dieter Kleins Vorschlag an die Linken, eine neue „Erzählung“ aufzutischen entgegenhalten, dass es besser sei, an einer „Erzählung der Menschlichkeitsgeschichte“ mitzuwirken und zwar mit einer möglicht großen Portion Humor, Selbstironie und vielerei Doppeldeutigkeiten.
Januar 23, 2012 at 4:45 pm
Zur Natur als „entfremdeter Geist“ (z.B. in HW 9: 25).
Erstens ist davon auszugehen, dass die Natur nicht die gleiche Art Geist enthält wie sie dann später in der menschlichen Gesellschaft auftaucht (etwa als Selbstreflexion oder in der bewussten Umweltveränderung durch Arbeit).
Zweitens: Lass Dich von der „mystischen“ Vorstellung nicht gleich ins Bockshorn jagen. Deine Beschreibung kommt von der Struktur der Hegelschen Philosophie, die man sich graphisch etwa so vorstellen kann:
http://www.thur.de/philo/hegel/41.gif:
Es ist hier der absolute Geist, der sich als Natur entäußert und später wieder erkennt und dadurch zu sich kommt. Klingt extrem mystisch. Kann aber auch ganz materialistisch diskutiert werden:
Man muss dazu beachten, dass Hegel nicht etwas über „die Welt da draußen“ aussagt, sondern sein Gegenstand ist „Unser Wissen von der Welt“. Es gibt dazu ein Bild und eine kurze Erklärung unter: http://www.thur.de/philo/hegel/hegel27.htm#2.
Dabei kann man sich vorstellen, dass sich Hegel nicht unbedingt auf die Menschen auf dem Planeten Erde beschränkt, sondern man kann das auf alle selbst-bewussten Zivilisationen im Universum verallgemeinern. Sobald solche Zivilisationen entstanden sind (die Menschheit als eine davon), denken sie über ihre weltverändernde Praxis nach und alles, was sie dabei erreichen können, ist der „absolute Geist“.
Und jetzt haben wir die Situation, dass in diesem „absoluten Geist“ (jeweils auch von einzelnen bewussten Individuen verkörpert, Hegel nahm an, er sei da sehr weit gekommen) eben all das drin steckt, was man über die Welt wissen kann. Man kann etwas über die allgemeine Struktur wissen (dass es Einheiten gibt, die in sich differenziert sind und sich über Widersprüche entwickeln – ohne die Einheiten zu bennennen: die Wissenschaft solcher allgemeiner Strukturen (in der Wirklichkeit und dem Denken) nennt Hegel „Logik“). Man kann etwas über die Natur wissen („Naturphilosophie“) und die Gesellschaft („Philosophie des Geistes“, auch in der „Philosophie des Rechts“). Das Thema von Hegel ist dabei nicht die Wissenschaft von der Natur („empirische“ Naturwissenschaft), sondern die Philosophie der Natur (nach Maßgabe unseres Wissens von ihr). (Der Gegenstand einer Philosophie der Natur ist im Bild http://www.thur.de/philo/hegel/logik5.gif nicht die Natur außerhalb des Kopfes, sondern die Natur, so wie sie sich im Wissen zeigt).
Die „Entäußerung des Geistes in die Natur“ entschlüsselt sich auf dieser Grundlage als „Art und Weise, wie vernünftige Wesen die Natur erkennen und verändern“. Und hier gilt, dass die Natur nicht in derselben Weise „Geistiges“ darstellt wie die Gesellschaft, sondern beispielsweise wäre es eine „Entfremdung“ vom seiner Gesellschaftlichkeit, wenn sich der Mensch nur als biologisch-natürliches Wesen anerkennen würde. Insofern ist das „Herabbeugen“ zu dem nur-Natürlichen (ohne Gesellschaftlichkeit) jeweils ein Verlust im Vergleich zu dem, was ein vernünftiges Wesen insgesamt begreifen kann.
So spielen in der Gesellschaft Zwecksetzungen eine große Rolle – in der Natur dagegen wirken lediglich recht zufällig entstandene Erscheinungen
aufeinander ein und das in ziemlich naturgesetzlich-notwendiger Weise.
Wenn sich der absolute Geist also mit den nur-notwendigen Prozessen in der Natur beschäftigt ist es schon eine „Entfremdung“ gegenüber höheren Fähigkeiten (aber es ist der Natur angemessen, Hegel überhöht die Natur auch nicht unangemessen, um sie dem Menschlichen gleich zu machen).
Februar 1, 2012 at 12:56 pm
[…] wir uns an die Ausgangsannahme: Es ist Vernunft in der Welt. Das bedeutet auch: Es gibt keine grundsätzliche Trennung zwischen handelnden Akteuren und der […]