Menschliche Arbeit verändert unter Zuhilfenahme von Arbeitsmitteln Arbeitsgegenstände entsprechend menschlichen Zwecken. Im Rahmen dieser Veränderung wirken Kräfte und setzen natürliche, insb. auch menschliche Energien frei. Energienutzung und Produktionsprozesse hängen also eng miteinander zusammen.

Die historisch jeweils verfügbaren Energiequellen haben deshalb einen großen Einfluss auf die Ausgestaltung der Produktionsprozesse, obwohl die Entscheidungen für oder gegen ganz bestimmte Produkte (veränderte Arbeitsgegenstände) bzw. Produktionstechniken (Produktionsmittel) nicht nur den sachlichen Gegebenheiten entsprechen, sondern sogar primär aus demgegenüber „äußeren“ wirtschaftlichen (d.h. monetären Rentabilitäts-)Gegebenheiten heraus bestimmt werden.

Ich habe gerade nicht die Möglichkeit, zu dieser Problematik aktuelle Beispiele zu erarbeiten. Deshalb referiere ich hier lediglich einige von Commoner vorgestellte Beispiele. Sie belegen eindrucksvoll, welche Prämissen der Wahl der Produkte und Techniken, die unsere Lebenswelt seit vielen Jahrzehnten prägen, zugrunde lagen.

Kern- kontra Solarenergie

Commoner legt dar, dass die Kernenergie nicht primär für die Aufgabe der Energieversorgung ausgedacht wurde, sondern nach dem Einsatz der Atombombe zur Verbesserung des Images von Kernenergie dienen sollte.

„Die Schaffung des US-Kernenergieprogramms wurde weniger durch den Energiebedarf motiviert als durch die Hoffnung, den erschreckenden Ausblick auf einen Atomkrieg mit einer friedlichen Fassade zu bemänteln.“ (Commoner 1977: 75)

Thermodynamisch sind Kernkraftwerke äußerst uneffektiv, die erzeugte Wärme erwärmt Kühlwasser und Umgebung – Commoner spricht von „thermaler Umweltverschmutzung“ (ebd. 80). Insgesamt gilt:

„Der Gebrauch von Kernstrahlung für die relativ milde Aufgabe, Wasser zu kochen, verstößt gegen die vertraute Abneigung dagegen, mit einer Kanone auf eine Fliege zu schießen. Die Fliege wird vermutlich getötet, doch auf Kosten beträchtlicher unnötiger Schäden.“ (88)

In den 70er Jahren musste man davon ausgehen, dass eine ausreichend lange Nutzung der Kernenergie nur möglich ist, wenn Schnelle Brüter entwickelt werden und zum Einsatz kommen. Obwohl bereits in den 70er Jahren Konzepte zur Entwicklung und wettbewerbsfähigen Markteinführung von Solarzellen bis 1990 entwickelt wurden, bekam die Solarzellenforschung nur 1% der Forschungsmittel, die für Schnelle Brüter bereit gestellt wurden, obwohl bereits damals in allen Kernkraftwerksbauprojekten die Kosten ständig aus dem Ruder liefen und deutlich wurde, das es – vor allem auch angesichts der „Ewigkeitskosten“ für die Entsorgung –keinen „billigen Atomstrom“ geben würde. Gegen die Solarenergie sprachen nicht wirklich Kosten- oder technische Gründe sondern vor allem die Tatsache, dass Solarenergie nicht monopolisiert werden kann und der „Brennstoff“, das Sonnenlicht, quasi kostenlos vorhanden ist. (ebd.: 132)

Obgleich Solarenergie auch bei den damaligen technischen Möglichkeiten grundsätzlich die thermodynamisch effzizentere Form der Energieversorgung gewesen wäre, passte die Kernkraft besser zur gegebenen zentralistischen, monopolistischen Wirtschaftsstruktur.

Der Zweck der Energiewirtschaft war nie die bestmögliche Versorgung der Menschen mit Energie, sondern die Kapitalakkumulation. Dies zeigt sich auch daran, dass in den 60er Jahren die Ausbeutung der US-amerikanischen Ölvorkommen immer weniger Rendite brachte (obgleich noch nicht von einer Erschöpfung der Ressourcen gesprochen werden konnte) – und die Energiekonzerne ihr Kapital deswegen lieber in der boomenden Chemieindustrie unterbrachten.

„Einem Privatunternehmen bedeutet es nichts, wenn jemand sagt, dass ein großer Bedarf an Öl besteht. Man braucht einen Anreiz. Wenn sich herausstellt, dass Phosphatgestein rentabler ist, werden wir unser Geld da hineinstecken.“ (John J. Dorgan, geschäftsführender Vizepräsident der Occidental Oil Corporation, zit. S. 60)

Landwirtschaft

Commoner stellt die einfache Frage, welches die Aufgabe der Landwirtschaft sei. Die Antwort ist: Das Einfangen der Sonnenenergie (ebd.: 140)! (durch die Kombination von Tier- und Pflanzenproduktion, Fruchtwechsel etc….).

Die Landwirtschaft in den USA erfuhr jedoch insbesondere nach dem zweiten Weltkrieg eine grundlegende Umgestaltung, bei der immer weniger Sonnenlicht, dafür immer mehr „Fremd-“ Energie eingesetzt wurde. Immer mehr Kunstdünger und andere Chemikalien, immer mehr Maschineneinsatz machte die landwirtschaftliche Produktion „produktiver“. Das „Agrobussiness“, also die Lieferanten von Maschinen, Dünger und Chemikalien bestimmte immer mehr die Marschrichtung.

„Die gigantischen Konzerne haben aus dem ländlichen Amerika eine Kolonie gemacht. So wie Standard Oil ihr Produkt dem alten China aufgezwungen hat, hat die US-Industrie die Farmen der Nation zu einem bequemen Markt und geschwächte Konkurrenten geformt.“ (ebd.; 149; Die Konkurrenz bezieht sich auf synthetische Produkte, die frühere landwirtschaftliche Produkte ersetzen wie Wasch- und Reinigungsmittel, Kunststoffe statt Holz,…)

Die Farmer mussten immer mehr Kapital aufbringen, um diese Ressourcen von außerhalb kaufen zu können – viele mussten aufgeben (die Zahl der Farmer halbierte sich von 1950 bis 1970). Die Einkommen der verbleibenden Farmer sanken, obwohl immer mehr Geld durch ihre Bücher ging.

„Der Agrarkommerz hat die Farmer gezwungen, auf einer höheren ökonomischen Stufe zu operieren, somit größere finanzielle Risiken auf sich zu nehmen – und das ohne realen Zuwachs des Nettoeinkommens.“ (ebd.: 146)

Insgesamt sehen wir hier also innerhalb von Amerika jene Prozesse am Wirken, die sich in den nächsten Jahrzehnten auch weltweit auswirken sollten.

Thermodynamisch gesehen sieht die Bilanz so aus, dass Farmen, die auf „biologischen Anbau“ (organic farming) setzen, etwa gleiche ökonomische Erträge bringen wie die konventionell mit dem Agrobusiness verbundenen, dabei aber ein Drittel weniger Energie einsetzen müssen (ebd.: 150).

Verkehr

Barry Commoner nennt als typisches Beispiel für die Gestaltung des Verkehrs die Zerstörung des guten Straßenbahnsystems in den USA zu Anfang des 20. Jahrhunderts. Es waren nicht die Bedürfnisse der Kunden, die gegen die Straßenbahn sprachen, auch nicht fehlende Rentabilität oder ähnliches. Nein, General Motors brauchte einen Markt für neu entwickelte Busse. Nach Angaben des Rechtssyndikus von GM entschied der Konzern damals, dass „der einzige Weg, den neuen Markt für (City-)Busse zu schaffen, darin bestand, die Umstellung von Straßenbahnen auf Busse in einigen kleinen Städten zu finanzieren“ (zit. in Commoner 1977: 162). 1949 wurden GM und andere Firmen deswegen sogar nachträglich verurteilt.

„Diese historische Fallstudie scheint die Hypothese zu bestätigen, daß die Tendenz des US-Verkehrssystems zur Begünstigung ineffizienter Verkehrsarten aus dem Bestreben der Verkehrsgesellschaften herrührt, ihre Gewinne zu maximieren, statt der Verbesserung der Leistung des Transportsystems den Vorzug zu geben.“ (ebd.: 163)

Beförderung von Menschen und Gütern, aber sie „ergeben weniger Gewinn –verglichen mit alternativen Investitionen“ (ebd.: 166).

Letztlich können verschiedene Bestimmungen von Produktivität verwendet werden. Die Arbeitsproduktivität erfasst die Tonnen- oder Personenkilometer, die pro Mann-Stunde eingesetzter Arbeitskraft befördert werden, die Kapitalproduktivität die Tonnen- oder Personenkilometer pro Dollar investierten Kapital und schließlich die Energieproduktivität, die die Tonnen- oder Personenkilometer pro Brennstoffeinheit erfasst (ebd.: 154).

Die Energieproduktivität ist im Personenverkehr für Straßenbahnen und Busse am besten, für Frachten sind es Eisenbahnen. Was stattdessen vorherrscht, sehen wir täglich und überall. Es gilt mittlerweile nicht nur für die USA:

„Das amerikanische Verkehrssystem hat also mit bemerkenswerter Präzision jene Verkehrsarten begünstigt, die thermodynamisch ineffizient sind und geringe Kapitalproduktivität aufweisen.“ (ebd.: 160)

Die Situation im Verkehrswesen zeigt nach Commoner also besonders deutlich die Kontraproduktivität des kapitalistischen Rentabilitätsprinzips.

Für Barry Commoner ist deshalb keinesfalls nur der Rentabilitätsimperativ in Frage zu stellen, sondern auch die Entscheidung darüber „was und wie zu produzieren ist“. Die Frage ist, wovon wir uns leiten lassen: „dem Ziel der Maximierung des sozialen Werts oder der Maximierung des privaten Profits.“ (ebd.: 178)

Beim Lesen dieser Zeilen erinnerte ich mich daran, dass nur wenige antikapitalistische Projekte (zumindest jene, die nicht nur auf arbeitsintensive Landwirtschaft und kleines Handwerk orientierten) damals ebenfalls die real existierenden Produktionsmittel und –Ergebnisse in Frage stellten. Innerhalb der realsozialistischen Länder könnte die viel verlachte Losung „Überholen ohne Einzuholen“ (aus den 60er Jahren) darauf hindeuten, dass tatsächlich in einem kurzen Zeitraum auch darüber nachgedacht worden war, auch technisch und konsumgütermäßig nicht alles nur den kapitalistischen Vorbildern entsprechend nachzumachen (Zeitzeugen bestätigten mir dies).

Die jetzige Produktionswelt wurde letztlich von der industriellen Revolution geprägt, die ganz wesentlich auf der Nutzung von fossiler Energie beruht. Die folgende Abbildung zeigt die komplexen Wechselwirkungen der verschiedenen, sich beeinflussenden Faktoren (aus WBGU 2011: 352):

Eine entsprechende Abbildung fehlt für die nachfossile Lebens- und Produktionswelt anscheinend noch. Vielleicht sollten wir beginnen, ihre Umrisse, die sich durch vielfältige entsprechende keimförmige Praxen und weitere theoretische Überlegungen ja durchaus weiter entwickelt haben, zu stärken.


Literatur:
Commoner, Barry (1977): Energieeinsatz und Wirtschaftskrise. Die Grundlagen für den radikalen Wandel. Reinbek: Rowohlt.
WBGU (Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung. Globale Umweltveränderung): Hauptgutachten: Welt im Wandel. Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation 2011.