Vor genau 40 Jahren war ich zum ersten Mal im Paradies!!! In den 8 Sommerferienwochen bei den Großeltern eröffnete sich dem Großstadtkind eine neue Welt: Weites Land, ein blau-flimmernder Himmel mit prachtvollen Sonnenuntergängen, die nicht durch graue Haussilhouetten verstellt waren und Menschen, die einfach nur nett waren und dafür nicht erst irgend eine Art Wohlverhalten erwarteten.

Der alte Apfelbaum – längst verschwunden….

Ich war dann häufig dort, aber in den letzten Jahren, seit mein Opa mit 95 Jahren gestorben war, wurde das immer seltener. Trotzdem fühle ich immer, wenn ich durch diese Gegend fahre so etwas, was wohl Heimatgefühl heißt. Das geht mir nicht so in der Stadt, aus der ich komme, oder in der, in der ich jetzt schon über 30 Jahre lebe.

Wie man ausgerechnet an dieser sächsisch-anhaltinischen „Sandwüste“ Gefallen finden kann, wo es nichts Besonderes gibt, keine Seen, nicht viele wirkliche Sehenswürdigkeiten – nur Sand, Felder und Kiefernwälder, gesprenkelt mit Dörfchen, wird wohl kaum jemand verstehen. Ich war auch in der Stadt kein unglückliches Kind. Aber die Ausfahrten mit Omas Fahrrad durch die Feldwege und Wälder, auch wenn ich manchmal erschrocken an einer „Russenkaserne“ rauskam; die ungezwungene Beteiligung an der Fütterung der Tiere im Hof, natürlich mein Lieblingskaninchen „Moppl“ – irgendwie eröffnete sich damit eine wichtige Dimension des Lebens und ich war immer sehr traurig, wieder wegfahren zu müssen. Und unverhofft wurde diese Dimension zu etwas, was „Heimat“ genannt wird, obwohl ich immer nur auf Besuch hier war. Das bedeutet: Nicht fremd zu sein, sich immer wieder hinzusehnen, seine Wurzeln dort zu spüren.

Später wurde mir bewusst, dass es wohl nicht die Natur allein war, die für mich besonders war, sondern diese Gegend stand für einen mitmenschlichen Umgang, den ich woanders noch nicht erlebt hatte. Recht unkompliziert, ehrlich. Angenommen sein ohne Vorbedingung – das war das Wichtigste.

Diese Gegend, die ich beschreibe, liegt etwas südlich von der Fläming-Skate-Strecke. Die Skate-Strecke selbst ist landschaftlich schon spannender (vor allem auch hügeliger, wie ich vorgestern schon erwähnte). Aber weswegen ich so gern hier bin, ist vor allem der Rest vom flachen, kahlen Sand-Himmel-Land.

Eins allerdings lerne ich gerade: Das Auto ist bloß gut zum Herkommen, die letzten Kurven, die letzten Straßen… die kenne ich alle von meinen Fahrradausfahrten. Aber: das Auto ist einfach zu schnell. Als ich bei der Fahrt zum Skaten und zurück zweimal an „meinem“ Lieblingsweg vorbei kam, mit den Pappeln am Ende, – sah ich die Pappeln nicht. Und auch wenn ich sie optisch erspäht hätte: dieser flüchtige Eindruck da hinten, der kann es nicht sein, das sind nicht „meine“ Pappeln!

Durch das Auto verändert sich die Gegend: vom Erlebnis wird sie zum Hindernis auf dem eiligen Weg zwischen Hier nach Da. Auch sonst hat sich vieles verändert. Im Umkreis von 10 Kilometern gibt es keinen Laden für den Alltagsbedarf mehr, im fahrradnahen Städtchen veröden die Ladengeschäfte, hier hängen auch noch die „Zu verkaufen“-Schilder, die man sich auf dem Dorf längst spart. Die Häuschen wenden mir ihre geschlossenen Fensterläden zu, menschenleer, tot – nur Autos „beleben“ das Bild. Wenn doch mal ein Hoftor aufgeht, kommt kein Mensch raus, sondern eine Autoschnauze.

Erst beim Skaten auf den Wegen entlang der Dorfränder treffe ich auf Menschen und erlebe moderne landwirtschaftliche Arbeit. Einige wenige alte Leutchen – Frauen mit der üblichen Kittelschürze – im Hintergarten wie eh und je. Rüstige Rentner stoppeln auf dem Maisfeldern. Ich teile mir die Wege mit den Treckern; einmal wartet ein Erntetrupp meine Vorbeifahrt ab, ehe er wieder mächtig Staub aufwirbelt.

Ein anderes Zeichen des Wandels: In mein zur Dorfstraße gerichtetes Zimmer dringt mehr Autokrach als in meine Innenstadtwohnung zu Hause.

Heimat“ und „Zuhause“. Ich brauche beide Bezeichnungen, um meine Wohlfühlgegenden zu beschreiben.