Organisierung

Es wurde wiederholt darauf hingewiesen, dass jene Erfahrungen, die aufgrund der oben genannten „strukturellen Determinanten“ vielen Menschen gemeinsam zukommen, einer Artikulation bedürfen. Solange jedes Individuum mit seiner Erfahrung allein ist, bleibt mögliches Klassenbewusstsein unbewusst, der „Habitus“ nach Bordieu sei beispielsweise solch ein unbewusster Ausdruck der Klassenlage. Für die Artikulation und Reflexion der Klassenerfahrung sei deshalb eine geeignete Organisierung und auch der Beitrag von Intellektuellen erforderlich.

Inhaltlich wurden als solche gemeinsamen Erfahrungen vor allem Leidensformen genannt:

  • das (schon genannte) Leiden angesichts nicht anerkannter und gewürdigter Leistungen
  • das Leiden daran, dass Menschen etwas „gut machen“ wollen, es aber unter den gegebenen Umständen „nicht können“.

Staatlichkeit – offenes Kampffeld oder Gegner?

Das Verhältnis von Klassenkampf und Staat war gar kein explizit ausgeschriebenes Thema, an ihm entzündeten sich aber die offensichtlichsten Kontroversen.

Die positive Bezugnahme von Alexander Gallas (Lancaster) auf
Nicos Poulantzas blieb nicht unwidersprochen.

Für Karl Reitter ist „Die Staatsmacht ist für Marx kein Mittel emanzipatorischer, umwälzender Kritik“ (Quelle)
Denn:

„Die Erfahrungen mit dem Schicksal ehemals oppositioneller Kräfte, die, kaum an das Staatsruder gelangt, in Windeseile zu staatstragenden Kräften werden und frühere Ideale verraten, können, wie ich meine, nur mit dieser Institutionsanalyse erklärt werden.“

Hinweis zu Commons

Während dem Lesen einiger mit der Staatsfrage zusammenhängenden Paper (z.B. I.Elbe) erinnere ich mich auch wieder an stehen gebliebene offene Fragen zum Staat aus einer Commons-Debatte. Hier sollten wir unbedingt weiter machen, mir selbst fehlt dazu aber viel Grundlagenwissen.

Noch eine Bemerkung zum Thema der „Commons“. Im Vortrag von Tilman Reitz (Jena) wurde der derzeit aktuelle Trend erwähnt, dass das Kapital immer mehr Natur und immaterielle Arbeit in Eigentumsform bringt und sich daraus neue Allianzen und Impulse für die Antiglobalisierungsbewegung ergeben. Leider kam dies im weiteren Verlauf nie wieder zur Sprache, da es (in meiner Anwesenheitszeit) vor allem auch im politischen Bereich primär um die direkte Arbeiterschaft, in Verbindung mit gewerkschaftlichen Kämpfen ging.

In einer Pausendiskussion fanden wir einen Zusammenhang dieser Prozesse mit der „Landnahme“-Analyse durch Klaus Dörre u.a. an der Uni Jena. Ich erinnere mich dabei auch an den Jenaer Soziologenkongress „Bringing Capitalism back in!“ , in dem Klaus Dörre über die „Neue Landnahme und den ökosozialen New Deal“ sprach.

Ich denke, es wäre darüber nachzudenken, in welcher Weise nicht nur die Klassen, sondern auch die „Commons“ aus unserer Erinnerung gelöscht und, soweit es sie auch in unseren hochentwickelten kapitalistischen Ländern noch gibt bzw. vor kurzem gab, „unsichtbar gemacht“ wurden. Auch Linken fällt es sehr schwer, außerhalb der Alternativen Privatwirtschaft und an Staatlichkeit gebundenes „Öffentliches Eigentum“ zu denken. Zur Bindung der „Öffentlichkeit an die Staatlichkeit“ beziehe ich mich auf die Zuordnung des Öffentlichen Eigentums auf das Verwaltungsrecht (Wikipedia: Artikel zu „Recht der öffentlichen Sachen“), welches insbesondere „die Rechtsbeziehungen des Staates zu seinen Bürgern“ regelt (Wikipedia-Artikel Verwaltungsrecht) Dies nur als kleiner Nachtrag auch zu der Debatte in der Rosa-Luxemburg-Stiftung vom vorigen Mittwoch.

Als interessanten Anschluss will ich noch vermerken, dass Stefanie Hürtgen (München) davon ausgeht, dass das Gegenstück zum Markt nicht der Staat sein muss und sich fragt: „Was heißt gesellschaftliche Produktion?“ Sie würde sich wünschen, dass diese Frage auch in den Gewerkschaften gestellt wird, denen es noch zu oft nur um die Verfügungsgewalt innerhalb einer privat(kapitalistisch) ausgerichteten Grundstruktur geht. Dabei werden die Werte weiter als „gute Werte“ betrachtet,sie „gehören nur leider nicht den Arbeitern“. Ihrer Meinung nach reicht es gerade nicht aus, Ausbeutung als „Wegnehmen von Mehrwert“ zu bestimmen, wobei die Produktion und die Erzeugung der Werte nicht kritisiert werden. Sie verwies darauf, dass die privatgesellschaftliche Produktivität nicht mit gesellschaftlicher Nützlichkeit identifiziert werden darf.

Wie das aber gehen soll… Der letzte Redner sprach die Situation deutlich aus:

„Das muss irgendwie gehen, aber ich weiß auch nicht wie…“

Hitzegegart, schweißgebadet, einige in freudiger Erwartung des Fußballspiels… – so konnten wir wie geplant früher schließen, aber ich denke für alle ist klar, dass diese ERSTE Jenaer Klassenkonferenz nicht die letzte bleiben wird.

Mir bleibt vor allem auch in Erinnerung, dass die veranstaltende Gruppe viel inhaltlich strukturierende Vorarbeit leistete, was man in der Veranstaltung auch gut spüren konnte und dass die Referent_innen fast alle frei gesprochen haben, was sehr angenehm im Zuhören und Mitdenken war. Wie schon erwähnt war ich nicht immer anwesend und ich habe auch nicht protokollarisch mitgeschrieben, deshalb ist dieser Überblick sehr fragmentarisch.