Nach wie vor scheint die „CO2-Steuer“ wie ein Rettungsring zu wirken. Alle hängen sich dran… Und zu viele geben sich damit zufrieden. Dazu hatte ich schon mal meine Position geäußert.
Zuerst einmal würde ich mir ja wünschen, dass bei jedem Beitrag dazu, der zustimmend geteilt wird, zuallerst nachgeschaut wird, ob mindstens schon mal alle Subventionen für fossile Energien und andere CO2-produzierende Geschäftszweige gestrichen werden. Wenn nicht, ist der Debattenbeitrag oder Vorschlag schon mal von vornherein disqualifiziert…
In einem Artikel in der Zeitschrift ak (Nr. 650, 18. Juni 2019, S. 12) fand ich ebenfalls Argumente mit einer Kritik (Autor Alfred Kollmeier von attac Mainz):
Bisherige Bepreisungen von Treibhausgasen brachten keine ausreichenden Ergebnisse:
- Es wird keine Schwelle genannt, aber welcher der hohe Preis tatsächlich wirksame Verhaltens- und Gestaltungsveränderungen mit sich bringen könnte. In allen Fällen trat der Steuerungseffekt nicht in der notwendigen Stärke ein, weil die Bepreisung zu gering war und auch nie entsprechend erhöht wurde. Am höchsten ist die CO2-Abgabe bei 120 Euro je Tonne in Schweden, sonst bei 22 (Frankreich), 21 (GB), 14 (Kanada). In Schweden wurde eine Senkung der THG-Emissionen seit 1990 um ca. 23 % erreicht. Das kann man nun nicht gerade eine Vollbremsung oder gar Schubumkehr nennen. Und das ist ungefähr so viel, wie auch die BRD schaffte (wobei die Entindustrialierung der DDR hier maßgeblich half). Siehe dazu auch noch den übernächsten Punkt.
- In allen Fällen gibt es viele Ausnahmen insbesondere für energieintensive Unternehmen. „Das schwedische Beispiel scheint auf den ersten Blick das einer mutigen Avantgarde zu sein, ernüchtert aber auf den zweiten Blick: Die wesentlichen energieintensiven Industrien zahlen sehr viel weniger Emissionssteuer.“ Befürchtet wird (angesichts der üblichen Mechanismen in der kapitalistischen Wirtschaft wohl auch nicht zu unrecht), dass Produktion in andere Länder und Regionen verlagert wird. Das wird auch „Kohlendioxid-Verschiebung“ („Carbon leakage“) genannt. „Solche Dreckschleudern vor Ort zu halten, ist erklärtes Ziel der deutschen Regierung, die dieselbe panische Angst vor einer Deindustrialisierung hat wie die USA und andere OECD-Staaten.“
- Die Auslagerung von ökologisch bedenklichen Industrien folgt dem alten Muster der „imperialen Lebensweise“. „In jedem Fall wirkt dieses Prinzip verstärkend auf die Erosion der sozialen und ökologischen Lebensbedingungen überall, wo sich eine CO2-intensive Grundstoffindustrie befindet und billige Arbeitskräfte Massengüter für imperiale Zentren herstellen.“ – Siehe nächster Punkt: ( und unten die Abbildung *)
- In den OECD-Staaten konnten die Treibhausgasemissionen tatsächlich schon gesenkt werden. Aber wodurch (außer die schon erwähnte DDR-Deindustrialisierung)? Ein gewisser Anteil konnte durch neue Technologien, durch Wärmedämmung etc. erreicht werden. Ein großer Anteil der Emissionssenkungen beruht aber auf dem Export von Emissionen, d.h. der Verlagerung der entsprechenden wirtschaftlichen Aktivitäten. Man muss unterscheiden die territorial-produkionsbasierten Emissionen, die den Statistiken normalerweise zugrunde liegen und den konsumbasierten Emissionen. Letztere berechnen die Emissionen mit ein, die in dem jeweiligen Land „verkonsumiert“ werden, obwohl sie woanders erzeugt werden (weil die Produkte woanders erzeugt werden). Beispiele:
- Deutschland: nach dem Produktionsprinzip kommt auf jede Person 13,2 Tonnen CO2 pro Jahr, nach dem Konsumprinzip wären es 18,3 Tonnen.
- In Großbritannien konnten die territorialen Emissionen seit 1990 um 25% gesenkt werden, die konsumbedingten Emissionen stiegen gleichzeitig um 27 %!
- Eine territorial-produktionsorientierte Besteuerung verstärkt also auch die globale Ungerechtigkeit.
(*) Ergänzung: die folgende Abbildung aus dem IPCC-Bericht von 2014 zeigt, wie groß der Anteil an THG-Emissionen ist, der von den „Hocheinkommens-Ländern“ in die mit niedrigem und geringem Einkommen verschoben wird.
Link zu einem Artikel „Ökosteuern und die Verpreisung der Natur“ von Thies Gleiss .
August 5, 2019 at 2:03 pm
Den Schnack von der „imperialen Lebensweise“ halte ich für ein prima Mittel der Selbstverflachung. Er blockiert jede Neugierde auf strukturelle Hintergründe und Ansätze zu deren Veränderung und ersetzt Analyse und öko-kommmunistische Straegiebildung durch moralistische Selbstanklage kapitalistisch vereinzelter Enzelner. Mit dem gleichen Argument, dass zu hohe CO2 Steuern zu Produktionsverlagerung in Billiglohnländern führt und nur die Ärmeren trifft, wird ja auch schon seit Jahr und Tag erfolgeich gegen Lohnerhöhungen gewettert.
Das kapilistische Wirtschaften, und ein anderes habe wir leider nicht zur Vefügung, kann in der Tat nur mit Maßnahmen in Richtung Nachhaltigkeitsniveau getrimmt werden, die auf globaler (!) Ebene in die Konkrrenzbedingungen eingreifen.
Die Klimabewegung wird deshalb eine neue. Welthandelsordnung erzwingen müssen, die globale Produktionsstandards bestimmt, notfalls auch Mengenbegrenzungen und Verstöße gegen entsprechende Nachhaltgkeitsgebote mit empfiindlichen Strafzöllen belegt, die wiederum Transformationsmaßnahmen finanzieren helfen. Dass Raubbau an Mensch und Natur nicht länger von den Märkten belohnt werden darf, ist ja kinderleicht einzusehen. (Man muss es vielleicht hinbekommen, das in gereimter Form auszudrücken)
Das links-grün kritiche Potenzial darf sich deshalb in ihrer Kritik am Freihandel nicht länger auf mehr der minder linkspopulistischen Antiismus zurückziehen, der dann nur dafür sorgt, dass von der Brown Economy getragene Nazionalkapitaliste wie das U-Trumputeam die Früchte des Zorns ernten.
August 8, 2019 at 9:47 am
„Den Schnack von der „imperialen Lebensweise“ halte ich für ein prima Mittel der Selbstverflachung. Er blockiert jede Neugierde auf strukturelle Hintergründe und Ansätze zu deren Veränderung und ersetzt Analyse und öko-kommmunistische Straegiebildung durch moralistische Selbstanklage kapitalistisch vereinzelter Enzelner.“
Du verstehst den Gedanken der „imperialen Lebensweise“ nicht. Natürlich geht es da nicht nur um die individuelle Lebensweise, sondern gerade um Strukturen, die dazu führen, dass eine nur individuelle Verhaltensweisen hier und heute bei uns eben immer noch auf den „imperialen“ Strukturen beruht. Was neu ist gegenüber den üblichen Kapitalismusbestimmungen, die auf die Enteignung des Mehrwerts der Lohnarbeitenden fokussieren, ist die Tatsache, dass er eben gleichzeitig und immer und überall auch auf der Einhegung, Ausbeutung und Zerstörung „äußerer“ Territorien (Land, Ressourcen, Menschenliches…) beruht. Und das strukturell.
August 8, 2019 at 9:49 am
“ linkspopulistischen Antiismus“
Bleibe bitte sachlich und verwandle nicht eigene Vorurteile in Aburteilungen anderer.
August 8, 2019 at 9:53 am
„Das kapilistische Wirtschaften, und ein anderes habe wir leider nicht zur Vefügung“
Aha. Hätten die Menschheit deshalb auch bei der Sklaverei bleiben sollen, denn „eine andere hatten sie nicht zur Verfügung“???
Tatsächlich hatten es die DDR-Bürger leicht, sie konnten 1990 plärren „Keine Experimente“, weil ihnen Kohl ein bewährtes soziales Netzwerk für Arbeitslose (das dann zügig zurückgebaut wurde) anbieten konnte, mit denen man sich immerhin Bananen leisten konnte. Diesen Luxus, einfach nur in eine schon vorhandene Alternative umzusteigen, haben wir tatsächlich nicht. Wir müssen, mitten auf der Hochsee, das Schiff, mit dem wir reisen, umbauen, ohne dabei unterzugehen.
Na und, dann müssen wir das eben. Schlimm genug, dass wir so lange herumzaudern, das verschlechtert die Bedingungen dafür immer mehr.
August 5, 2019 at 3:44 pm
Die „Subventionen für fossile Energieträger“ streichen? Das Problem ist, dass die fossilen Energieträger unsere gesamte Wirtschaft einschließlich der „Energiewende“ und auch einschließlich aller Ideologen und allen SchreibtischheldIentums subventionieren.
Ohne die fossilen Energieträger bleibt fast nur noch Muskelkraft als mechanische Energie und Feuerholz zum Heizen.
Bedenken sollte man dabei dann vielleicht auch gleich noch, dass heute für jede Kalorie die als Nahrungsmittel auf den Tisch kommt 10 Kalorien an fossilen Energieträgern benötigt werden. Die Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung und auch Teile der Trinkwasserversorgung sind zwingend auf fossile Energieträger und die damit verbundenen CO2-Emissionen angewiesen.
Subventionen die dringend gestrichen werden müssten sind jene, die für die „erneuerbaren Energien“ gezahlt werden, einschließlich deren Vorrecht grundsätzlich zuerst zu liefern. Dazu sollte von den „Erneuerbaren“ verlangt werden, dass sie angemessene Steuern und zahlen und auch für die von ihnen verursachten Schäden an der Infrastruktur, der Umwelt und der Gesundheit in voller Höhe haften ( https://ourfiniteworld.com/2019/07/31/rethinking-renewable-mandates/ ). Wenn die „Erneuerbaren“ wirklich eine Energiequelle sind, dann könnten deren Betreiber das alles ganz locker zahlen. Aber die „Eneuerbaren“ sind, wie die Kosten der „Energiewende“ zeigen, keine Energiequelle, sondern eine Spielerrei und Energiesenke. Sie sind damit eher schön gerechnete zusätzliche Quellen von CO2-Emissionen.
Unsere Zivilisation und ganz besonders auch der scheinbar verfügbare Lebensraum der BRD, im Sinne von Sumners „Earth Hunger“, von dem derzeit noch viele den Eindruck haben, er wäre so groß dass man noch halb Afrika aufnehmen könnte, sind Resultate der Nutzung fossiler Energieträger.
Zur Nutzung der fossilen Energieträger gibt es keine Alternative – außer dem totalen Zusammenbruch unserer Zivilisation und ihrer Werte und ihrer Illusionen.
Dabei werden die fossilen Energieträger voraussichtlich auch ohne CO2-Steuern schneller unbezahlbar, als über 99 % der Bevölkerung und auch der Regierenden in der Praxis lieb sein dürfte.
Es wird der BRD am ende so ergehen wie den Nazis. Als Albert Speer eine Kolonne von 150 Lastwagen der 10. Armee sah, von den jeder von je vier Ochsen gezogen wurde, wusste er, dass der Krieg verloren war ( https://www.freizahn.de/2017/09/blut-fuer-oel/ ).
Der BRD wird es sehr ähnlich ergehen. Nur wird es dieses mal kein anschließendes Wirtschaftswunder mit billigem amerikanischen und arabischem Öl geben.
Falls sich hier jemand wirklich ernsthaft Sorgen wegen des Anstiegs der CO2-Emissionen macht: Es gibt sehr gute und auch ziemlich schnell umsetzbare, praxiserprobte Lösungen, mit denen man eine CO2-neutrale Wirtschaft auch ohne CO2-Bepreisung realisieren kann: https://www.freizahn.de/2019/07/zum-thema-co2-und-klima/
August 8, 2019 at 9:44 am
Wenn ich solche langen und aus meiner Sicht fehlleitenden Kommentare freischalte, nötigst Du mich zu langen Entgegnungen, für die ich die Zeit und Geduld nicht immer aufbringen werde.
Du hast Recht, dass die derzeitige Wirtschaftsordnung von den fossilen Energien „subventioniert“ wird. Da sie aber nun immer stärker die atmosphärischen Grundlagen und damit auch die biologischen Grundlagen unseres Lebens bedroht, wird es Zeit, als Menschheit einen neuen Entwicklungsschritt zu machen, der uns davon wegführt.
Deine Ansichten zu den Erneuerbaren Energien sehe ich als völlig verfehlt an. Wenn wir sie nicht entwickeln und einsetzen würden, würden wir ja tatsächlich auf Muskelkraft und Holz zurückgreifen müssen. Tatsächlich kann man die Energie- und restliche Wirtschaft nicht unkompliziert 1:1 von fossil auf erneuerbar umstellen. Aber grundsätzlich scheinst Du in alten Vorurteilen über die Erneuerbaren festzuhängen, die nun mittlerweile schon fast ein Vierteljahrhundert veraltet sind.
Wenn es tatsächlich so wäre: „Zur Nutzung der fossilen Energieträger gibt es keine Alternative – außer dem totalen Zusammenbruch unserer Zivilisation und ihrer Werte und ihrer Illusionen“, dann wäre es eben so. Wir könnten uns dann den Zusammenbruchsweg noch aussuchen. Im Fall der weiteren Nutzung der fossilen Energieträger landen wir im globalen Durchschnitt auf der Erde dann in wenigen Generationen bei 6 und 8 Grad Temperaturerhöhung, was die Erde so gut wie unbewohnbar macht (von Resten in den Polgebieten vielleicht abgesehen). Von unserer „Zivilisation“ und auch den „Werten“ wird dann nicht viel übrig sein. Wenn unsere Zivilisation es nicht schafft, bewusst und gezielt ihre Lebens- und Produktionsweise sinnvoll und in globaler Gemeinschaft umzugestalten, ist sie es vielleicht auch nicht wert, erhalten zu bleiben…
Dein Link zur CO2-Problematik wiederholt altbekannte und vielwiderlegt Klimawandel-Leugner-Argumente. Vieles, was da steht zur Rolle der Landnutzung etc., ist natürlich auch in den Klimastudien des IPCC berücksichtigt. Die anderen CO2-Wechselwirkungen sind dort auch enthalten und in ihren jeweiligen Ausmaßen mit einbezogen. Das Ganze entspricht so ungefähr dem Status: Was daran richtig ist, ist nicht neu (auch die Klimaschutzregelung mittels Einfluss auf die Photosyntheseleistung), und was neu zu sein behauptet, ist falsch. Ich weiß nicht, ob Du so was nicht merkst oder nicht merken willst: Wenn behauptet wird, dass es in den letzten 11 000 Jahren nie „deutlich wärmer“ war als jetzt, geht es um die durchschnittliche GLOBALE Temperatur, während Du Daten von der „northern hemisphere“ entgegen setzt. Du vergleichst also Äpfel mit Birnen.
Du solltest Dich mal mit derselben Intensität, mit der Du Zweifel-Argumente sammelst, mit den Studien, die im IPCC zitiert werden, beschäftigen.