Klar werden im Klimawandel mindestens so viele Menschen sterben wie im Holocaust, viele davon sind schon tot oder sterben jetzt gerade (wer das noch nicht wusste, sollte sich erkundigen, auch hier im Blog gibts vieles zur Lage und Prognose diesbezüglich). Vergleichbar sind diese Ereignisse natürlich trotzdem nicht. Dooferweise hat das Roger Hallam aber behauptet (in der „Zeit„).
Ich überlege gerade am Beispiel anderer Umweltdebatten, wie sehr nicht akzeptable Aussagen von Vertretern von Umweltbewegungen auf die gesamte Bewegung „zurückschlagen“. Historisch ist das so: Das Engagement von tausenden oder zigtausenden wird „entwertet“, weil einer Blödsinn erzählt (z.B. die „Tiefenökologie“, besonders durch Aussagen von Earth First!lern – mehr hier im Blog). Einer, der die Bewegung mit aufgebaut hat, reißt jetzt mit dem A… ein, was alle gemeinsam geschafft/en haben. Leider widerholt sich die Geschichte immer wieder.
Roger Hallam formulierte, der Holocaust sei für ihn „just another fuckery in human history“, d.h. „nur ein weiterer Scheiß in der Weltgeschichte“. Am Ende der Menschheitsgeschichte wird die Bilanz geschrieben und natürlich sieht die für die Opfer des Klima-Umbruchs mit Sicherheit nicht besser aus als jene des Holocaust. Die Ursachen, Hintergründe und Mechanismen lassen sich natürlich nicht vergleichen, auch nicht die Tatsache, dass im ersten Fall Menschen das bewusst angestrebt und sich an der systematischen Ermordung beteiligt haben. Die Klimawandel-Opfer, mögen es nun tausende, zigtausende oder Milliarden sein, sind eher eine „unbeabsichtigte Nebenfolge“ der kapitalistischen Wirtschaftsordnung, in die wir alle „eingebaut“ sind. In einem Facebookpost versucht sich Hallam noch mal zu erklären. Dass Hallam Allarm schlägt, finde ich nachvollziehbar und denke mir auch: „Endlich sagt mal einer die Wahrheit“. … Aber doch nicht so!
Wenn aber die Aussage in der „Zeit“ nicht mal nur ein Ausrutscher ist, sondern bewusste Strategie, wie im „Freitag“ geschrieben wird, dann geht er viel zu weit. Die Konsequenzen sind auch da: Sein Buch „Common Sense..“ wird nicht bei Ullstein erscheinen. Und das Wichtigste: Extinction Rebellion Deutschland distanziert sich nun deutlich von seinen Aussagen.
In dem Distanzierungsschreiben wird noch einmal darauf hingewiesen, dass Extinction Rebellion „eine dezentrale und autonom agierende Bewegung“ ist. Einerseits trägt das die Gefahr in sich, dass da vieles „autonom“ von sich gegeben werden kann, ohne dass es ein Aufpassergremium gibt. Andererseits versteht das kaum jemand und vor allem nach außen bekommt eine Aussage von der wohl bekanntesten öffentlichen Person der Bewegung eine größere Gewichtung, als sie entsprechend dieser Organisierungsform hat.
Wichtig finde ich auch, dass hier noch einmal veröffentlicht wird, dass interne Diskussionen in der BRD bereits zu einer Ergänzung des 6. Prinzips geführt hat. Das lautet:
„Jeder ist willkommen, so wie er ist. Wir arbeiten aktiv daran, ein geschütztes und für alle zugängliches Umfeld zu schaffen.“
Da es von Leuten von XR auch Aussagen gab, dass dies auch rechtsorientierte Menschen einschließt, gab es dazu viele Debatten. Die einen sagten, dass die anderen Prinzipien und Werte von XR Menschen mit solchen Orientierungen sowieso ausschließen; letztlich wurde eine Ergänzung hinzugefügt:
„Verhalten, das Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, Islamophobie, Homophobie, Behindertenfeindlichkeit, Klassendiskriminierung, Altersvorurteile und alle anderen Formen der Diskriminierung, einschließlich beleidigender Sprache, aufweist, akzeptieren wir weder persönlich noch online.“
Hoffen wir mal, dass wir alle uns entwickeln an solchen Widersprüchen, ganz ohne Fehler wird es nicht abgehen und wie über uns dann mal die Geschichte berichten wird, hängt noch von uns ab.
November 24, 2019 at 5:46 am
0) Um Missverständnisse zu vermeiden: Die systematische Vernichtung der Juden im 3. Reich betrachte ich als einen durch nichts, aber auch gar nichts zu rechtfertigenden verbrecherischen Versuch, eine ganze Menschengruppe auszulöschen, getrieben durch Wahnsinn, Neid und Habgier. Es war Völkermord.
1) Der Begriff „Völkermord“ entstand unter dem Eindruck der Massenermordungen der Armenier und der Juden, s. https://de.wikipedia.org/wiki/Konvention_über_die_Verhütung_und_Bestrafung_des_Völkermordes. Doch trifft er nicht auch auf die Hugenotten zu? Und auf die Ureinwohner Nordamerikas? Unter dem Motto „Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer!“ wurden sie systematisch vertrieben und vernichtet. Die Ureinwohner Australiens sollten nicht physisch, aber geistig-moralisch ausgerottet werden. Die Völkermorde in Afrika in den vergangenen Jahrzehnten fallen ebenfalls hierunter.
2) Das Deutsche Ärzteblatt spricht 2003 von den NS-Euthanasie-Opfern als „von [den] Opfern der ersten zentral organisierten Massenvernichtungsaktion im Nationalsozialismus.“ (https://www.aerzteblatt.de/archiv/38807/NS-Euthanasie-Vom-Wahn-zur-Wirklichkeit) Auch die Roma sollten ausgerottet werden.
3) Bei den Diskussionen um ein Ehrenmahl für die Massenermordeten der NS-Zeit in den 1980-er Jahren in Westdeutschland schoben sich von Anfang an – begünstigt durch ihre Erscheinung in der ARD – Stimmen in den Vordergrund, die ein Denkmal nur für die ermordeten Juden forderten und damit die Ausgrenzung aller anderen, ebenfalls systematisch verfolgten und ermordeten Menschen. Ich habe das damals nicht verstanden und fand es kontraproduktiv. Denn damit wurde (und wird) die Ideologie der Juden als auserwähltem Volk vorangetrieben. Hat aber nicht die Ideologie der Arier als auserwählter Rasse hat auf schrecklichste Weise gezeigt, wie schädlich eine solche Ideologie ist?
4) Weshalb also dieser Anspruch auf Einzigartigkeit? Als Rechtfertigung für die Existenz Israels? Als Rechtfertigung der Unterdrückung von Kritik am Verhalten israelischer Regierungen? Als Rechtfertigung dafür, dass verfolgte jüdische Familien von Deutschland zweimal entschädigt wurden, wogegen Verfolgte anderer Völker Brosamen erhielten?
5) Habt Ihr das in Betracht gezogen?
November 24, 2019 at 7:57 am
Ich wollte gar nicht das ganze Fass „Einzigartigkeit des Holocaust“ aufmachen, aber mit dem Klimawandel ist es nun wirklich nicht zu vergleichen. Ich hoffe, das sollte klar geworden sein.
November 24, 2019 at 7:08 pm
AS: Ich wollte gar nicht das ganze Fass „Einzigartigkeit des Holocaust“ aufmachen,…“
PS: Habt Ihr mit Eurer Reakton aber
AS: „… aber mit dem Klimawandel ist es nun wirklich nicht zu vergleichen.“
PE: Das hat Herr Hallam gemäß https://www.zeit.de/wirtschaft/2019-11/roger-hallam-extinction-rebellion-mitgruender-klimawandel-holocaust gar nicht getan.
November 24, 2019 at 10:53 am
Huch? Wo iist denn meine Antwort geblieben?
Klar, die jüdische Weltverschwörung hat das mit dem Denkmal mit ihrer berühmten Macht über die Medien gedeichselt. Und natürlich geschah das aus lauter Geldgier und um jüdische Missetaten zu vertuschen. . Zeigt mal wieder, wie tief das antiemitische Verswörungsgeschwurbel Nazideutschlands selbst in den Gedankengängen „linker“ Gehirne nocht herumspukt.
Eine Endlösung der Klimafrage nach dem Vorbild Nazideutschlands oder auch des Wütens des Belgischen Kolonialherren im Kongo ist nicht undenkbar. Was man sagt und tut wirkt dem entgegen oder machte es mit möglich. Dass die Wortwahl von Hallam so sehr der „Vogelschiss“ Äußerung dieses Herren mit der Hundekrawatte ähnelt, scheint mir leider kein Zufall. Er konterkatiert damit, was der rationale Kern seiner Ansicht sein könnte.
Der Ausstrbensdiskurs von XR muss einem nicht gefallen und es ist auch notwendig, dass darin anlelegte Totalitarismuspotenzial zu sehen und zu überlegen, was es an der Entwicklung hindern könnte. Aber XR macht derzeit einen guten und absolut notwendigen Job, demontriert den Ernst der Lage. Endlich.
XR in Deutschland, GB, Israel und anderswo haben sich distanziert und Roger Hallam, hat sich immerhin für seine Aussagen in der ZEIT über den Holocaust entschuldigt. „Es tut mir sehr leid für die Wörter, die ich benutzt habe“, schrieb er auf Facebook. „Und ich möchte mich entschuldigen für die Verletzung und die Beleidigung, die sie ausgelöst haben.“
ZEIT vom 21.11.19
Siehe auch den Klimareporter: https://www.klimareporter.de/protest/hallam-bittet-um-entschuldigung-fuer-holocaust-aussagen?fbclid=IwAR2j_nRcCyX9UFZwlJf7wCXQuE3fNPUg70qI7zwLWKZTJcZ18S5Ejye_zoo
November 24, 2019 at 9:07 pm
Dieses Verfälschen von Argumentation durch extreme Verkürzung nebst Verdrehung von Tatsachen verdient eigentlich keine Entgegnung, weil genau das exemplifiziert wird, was ich – zurückhaltend und fragend – thematisiert hatte. Deshalb nur 2 Punkte als Beispiel.
1) Dass sich „XR in Deutschland …“ distanziert haben, bestätigt ebenfalls meine Bedenken. Gabriel hat seinerzeit auch gekuscht, dabei hatte er nichts Anderes beschrieben als der Deutschlandfunk in etlichen Reportagen.
2) Worum es eigentlich geht, scheint gar nicht angekommen zu sein: Dass kein Volk sich als auserwählt aka Herrenvolk betrachten sollte.
Hat er auch nur irgend etwas Substantielles gegen meinen Text vorzubringen??
November 27, 2019 at 12:41 pm
Was die ZEIT nicht berücksichtigte, ist die verschiedene Landeskultur im internationalen Blick auf die Kolonien, die dortigen Verbrechen und Völkermorde: Was im deutschen Blick als „Spitzenleistung“ eingeordnet wird, ist in britischer Sichtweise anders konnotiert.