Das Eis von Arktis und Grönland schmilzt schneller, als die bisherigen Warnungen zum Klimawandel annahmen. Jetzt wird damit gerechnet, dass bis zum Jahre 2100 die Weltmeere um 90 bis 160 cm steigen könnten. Bisher hatte man höchstens 60 cm erwartet. Das würde noch ausreichen für den Schutz der tiefliegenden Gebiete in den Niederlanden, denn bis zu einem Meter Wasseranstieg fühlt man sich hier gewachsen. Aber nun wird’s eng…

Eine kleine Vorausschau auf die neue Küstenlinie bei 1 m Meeresanstieg in Norddeutschland gibt die folgende Abbildung (Quelle):

Aber das reicht manchen noch nicht aus. Der Science-Fiction-Roman „Die letzte Flut“ von Stephen Baxter greift wissenschaftliche Vermutungen über gigantische Wasserspeicher im Erdmantel auf und entwirft eine Horrorzukunft, in der letztlich auch die allerhöchsten Berge unter dem Wassermeer verschwinden. Was geschieht, wenn das Wasser einfach nicht aufhört zu steigen? Wie verhalten wir uns dann und alle Leute um uns rum? Die ersten stürmischen Anzeichen durchleben wir bereits und auch noch sehr lange werden wir immer wieder nur versuchen, wieder eine Art „Normalleben“ zu erreichen nach den Krisen und Katastrophen.

Aber irgendwann werden bei Baxter nun auch die Hochländer überflutet, in die sich Menschen geflüchtet haben, die sie mühsam urbar gemacht und gegen Neuankömmlinge brutal verteidigt haben…

Das Ausfließen der unterirdischen Wasserreservoirs lässt den Weltuntergang quasi innerhalb eines Lebensalters geschehen. Es dauert eine ganze Weile, ehe die durch Stürme, Tsunamis und andere Erschütterungen aufgeschreckten Menschen kapieren:

„Dies ist kein Notfall mehr, weil es nicht von begrenzter Dauer ist. Wir treten in eine neue Phase der menschlichen Geschichte ein.“ (360)

Über Lily, deren Lebensweg das Buch beschreibt, ihre Familie und Menschen, mit denen sie lange Jahre hinweg als Geisel gehalten worden war, schildert Baxter die verschiedensten Überlebensstrategien – als „atemberaubenden Wissenschaftsthriller“ (Werbetext) konnte ich das allerdings nicht recht lesen. Vielleicht war es mir, gerade weil es „hochbrisant und hochaktuell“ ist, zu wenig utopisch. Aber was sollen auch Utopien in dieser untergehenden Welt… Schon vor den heute oft aus Zäsur genannten Terroranschlägen vom 11.9.2001 zeigte sich an SF-Fernsehserien, dass ein neuer Geist Einzug hält. Die Serie „Andromeda“, in den Grundzügen wohl noch von Gene Rodenberry erdacht, unterschied sich von Anfang an vom optimistischen StarTrek. Der ausführende Produzent R.H. Wolfe äußerte dazu:

„Es geht nicht darum, neue Zivilisationen zu entdecken, oder neue Lebensformen zu suchen. Es geht vielmehr darum, eine zerstörte Welt zu beschützen und diese wieder Stück für Stück aufzubauen.“

In der „letzten Flut“ bleibt erst mal nichts als Zerstörung, Aufbau kleiner neuer Lebensinseln, erneuter Rückzug… Ein ehemaliger Astronaut der NASA verkörpert den Kontrast: Irgendwann erinnert er sich, dass gerade ein Flugfenster zum Mars offen ist, und dass er eigentlich vom Alter her noch dabei sein könnte. Könnte, wenn es nicht anders gekommen wäre…

Leider ist Stephen Baxter nicht besonders ideenreich, was die Überlebensversuche der Menschen angeht. Am tatkräftigsten kommt noch der Finanzmagnat daher, der fast bis zuletzt durch seine Beziehungen immer wieder Ressourcen mobilisieren kann, um für sich und seine Entourage zuerst sogar ein recht luxuriöses Überleben zu ermöglichen. Für ihn erweisen sich die ersten Katastrophen als Bereicherungsgelegenheiten und seine Herrschaft gewinnt einige Überzeugungskraft durch ihren Erfolg für die NutznießerInnen, zu denen eine Zeitlang sogar die auf den Hochlandminen Ausgebeuteten zählen. Es kommt zu Scharmützeln, die die Geschichte vorantreiben, weil sie die Menschen erneut in die Flucht schlagen und der Finanzmagnat erfüllt eine wichtige Funktion wenigstens als technischer Innovator, was seiner Gruppe immer ein Stück weiter hilft.

Es ist schon richtig, dass kein „utopisches“ Buch mehr an den Drohungen der nahen Zukunft für die Menschheit vorbei kann. Aber es macht nicht viel Spaß, das auch noch zu lesen. Waren nicht solche Romane eher was für eine Pause aus dem Alltag, für ein bißchen Weltflucht? Jetzt sind sie realistischer als alles andere, weil hellsichtiger und ehrlicher.

Leider gelingt es Stephen Baxter, wie so vielen SF-Autoren, nicht einmal gut, die Menschen als lebende, leidende, gestaltende Persönlichkeiten darzustellen. Sie fungieren lediglich als recht blutleere Handlungsträger. Ob der zweite Teil, „die letzte Arche“, spannender wird?