Es wurde bereits einmal diskutiert, welche Auswirkungen Erneuerbare Energien auf das Preisgefüge im Strommarkt haben könnten. So wurde vermutet, wegen der Kostenlosigkeit des Brennstoffes würden die Strompreise ins Bodenlose versinken und den Markmechanismus obsolet machen. Leider ist die Sachlage komplizierter.

In der Zeit seit 2007 hat sich die installierte PV-Leistung in der BRD von 4,15 auf 17,9 Gigawatt vervierfacht. Dies bewirkte bereits erhebliche Veränderungen im Preissystem: So verringerte sich die vorher deutlich vorhandene Differenz zwischen Grundlaststrom und Spitzenlaststrom. Wie wird sich das weiter entwickeln? Ist das jetzige Preissystem für den Trend hin zu 100% Erneuerbaren gewappnet? Oder stürzt es ganz zusammen, weil bei 100% erneuerbaren Energien der Strompreis gleich Null sein könnte? Auf Märkten gehandelt werden nur Güter, die „knapp“ sind. Wenn etwas in ausreichender Menge vorhanden ist, wird niemand dafür bezahlen wollen.

Märkte sind nicht einfach da und sie funktionieren nicht immer nach denselben Prinzipien, sondern ihre Funktionsweise ist insbesondere im Energiensektor durch entsprechende Vorgaben festgelegt. Schauen wir einmal, wie die Stromvermarktung heute funktioniert und welche Rolle der Solarstrom dabei spielt.

Im Strommarkt gibt es unterschiedliche Preisbildungsmechanismen:

  • Spotmarkt im Intradayhandel: Strompreis hängt von der Leistung ab, die im Netz ist.
  • Intraday-Spotmarkt: Der Strom wird noch bis zu einer Dreiviertelstunde vor seiner Lieferung gehandelt (der Preis ist also von der Leistung im Netz abhängig).
  • Day-ahead-Markt: Strom, der morgen geliefert wird, wird heute gehandelt.
  • Terminhandel: Strom, der in weiter Zukunft geliefert wird, wird heute gehandelt.

Im Day-ahaed- und im Spotmarkt wird der Börsenmechanismus „Merit Order“ angewandt (beim Intraday-Handel wird direkt mit „Biete“ und „Suche“ verhandelt, jedoch bildet sich ein ähnliches Muster wie bei Merit Order). Das Ziel besteht darin, dass eine möglichst große Menge Strom gehandelt wird. Dabei wird berücksichtigt, dass einige Kraftwerkstypen den Strom billiger, andere ihn teurer produzieren. Hier gilt: „Ist der Strombedarf niedrig, so wird nur Strom von billigen Kraftwerken verkauft die teuren müssen dann heruntergefahren werden. Ist die Nachfrage hoch, kommen auch die teuren zum Zuge. Der Strompreis für alle Kraftwerke bestimmt sich dabei stets über den Angebotspreis des teuersten Kraftwerks, das gerade noch arbeiten muss, um die Nachfrage zu decken.“ Wer dann noch teurer ist, setzt zu, alle anderen können die Differenz des ausgehandelten höchstens Preises zu ihren eigenen Kosten als Gewinn bzw. zur Refinanzierung seiner fixen Kosten einfahren. Dabei ist festgelegt, dass bei den Kosten lediglich die Grenzkosten eine Rolle spielen und das sind im Wesentlichen die Brennstoffkosten, die für erneuerbare Energien nicht anfallen. Solarstrom ist dann unschlagbar günstig und wird auf jeden Fall verkauft.

Was lässt sich nun bisher beobachten seit der Erhöhung des Anteils an erneuerbaren Energien?

Auf dem Spotmarkt veränderten sich die Preise im wesentlichen nicht durch die Erneuerbaren. Der Intraday-Spotmarkt jedoch wird deutlich durch den steigenden Anteil des Solarstroms an der Netzleistung beeinflusst.

Politische Regulierungen zugunsten der Erneuerbaren Energien wirken sich insbesondere auf den Day-ahead-Markt aus: Das EEG verlangt von den Übertragungsnetzbetreibern, dass die gesamte prognostizierte Menge für den nächsten Tag auch am Markt angeboten werden muss. Das führte dazu, dass Spitzenlaststrom häufig nicht mehr viel teurer ist als Grundlaststrom, manchmal sogar billiger. Am 2. Juni 2011 ergänzten 11,7 GW Solarstrom plus 2 GW Windstrom die konventionellen Kraftwerke, die 28 GW beisteuerten. Dadurch verringerte sich der Mehrpreis für den Spitzenstrom von 1,5 Cent (vor 4 Jahren) auf 0,5 Cent.

Day-ahead-Prognosen und der Intraday-Markt hängen auch zusammen: Am 16.Juli 2011 lieferten Sonne (mit mehr als 12 GW) und Wind (mit mehr als 4 GW) zeitweise mehr als ein Drittel des Stromverbrauchs. Geplant waren aber nur 14 GW Verbrauch. Deshalb sank der Intraday-Preis von beinahe 5 auf 2.5 Cent (siehe die Abbildung, Bildquelle: PHOTON, August 2011, S. 15).


Intraday-Strompreis (rote Linie) und Photovoltaik (gelbe Balken) am 16.7.2011

Bis auf einige Grundlastkraftwerke (die aus technischen Gründen nicht heruntergeregelt werden können wie die KKW oder die Kraft-Wärmekopplungs-Anlagen von Stadtwerken) wurden Steinkohle- und Gaskraftwerke vom Netz genommen und das Preisniveau rutschte in die Größenordnung der Stromgestehungskosten der Grundlastkraftwerke.

Wem kommen die sinkenden Preise der preissenkenden Effekte der PV zugute? Derzeit eher nicht den Endkunden, denn sie finanzieren die EEG-Umlage. Den großen Reibach machen die stromintensiven Betriebe, die von der Umlage weitgehend befreit sind, aber insbesondere von den günstigeren Spitzenlastpreisen profitieren.

„Das EEG ist eine Kostensenkungsmethode für stromintensive Betriebe.“

Wir haben gesehen, wie voraussetzungsvoll der Strommarktmechanismus ist. Der Merit-Order-Mechanismus, der bei der Liberalisierung des Strommarktes eingeführt wurde, hatte bisher auch die teureren Anbieter im Markt gehalten, weil sie für die Spitzenlastproduktion gebraucht wurden. Insbesondere der Solarstrom verändert diesen Zustand – er kann die Spitzen ausgleichen und schiebt „die teuren Kraftwerke nach rechts über die Linie der Nachfrage hinaus“. Nicht nur diese haben ein Problem damit, sondern der Börsenpreis insgesamt wird niedriger und lässt die Gewinne schmelzen.

Angesichts der neuen Erfahrungen werden bereits neue Konzepte der Vermarktung von Strom diskutiert. Das bisherige Börsenmodell verfolgt den Zweck, einen Anreiz für neue konventionelle Kraftwerke zu erzeugen, denn es ermöglicht große Profite für solche (Man muss das „scheue Reh“ Kapital schießlich anfüttern.). Wegen den erneuerbaren Energien verfehlt das Modell seinen Zweck mehr und mehr (d.h. es motiviert nicht mehr dazu, in konventionelle Kraftwerke zu investieren). Vor allem kann es nichts dazu beitragen, die weiterhin noch eine Weile benötigten flexiblen Gaskraftwerke zu fördern. Deshalb werden verschiedene andere Marktkonzepte diskutiert.

Ein solches anderes Markkonzept ist er sog. „Kapazitätsmarkt“. Dabei wird angenommen, dass noch längere Zeit flexible Kraftwerke benötigt werden, die mit den fluktuierenden Solar- und Windenergien kombiniert werden können. Diese würden einen fixen Preis für die Bereitstellung einer bestimmten Kraftwerksleistung erhalten. Solch ein Kapazitätsmarkt kann auch für andere Projekte eingeführt werden, so für das e-Methankonzept (dabei wird zuerst durch regenerativen Strom aus Wasser Wasserstoff und Sauerstoff erzeugt, dann entsteht durch Zufuhr von CO2 zum Wasserstoff Methan. Dieses kann über das vorhandene Erdgasnetz verteilt werden.
Es wäre auch möglich, das EEG auf die konventionellen Stromerzeuger zu übertragen (Kostendeckungsmodell). Dann würde grundsätzlich jeder Kraftwerksbetreiber seine Anfangsinvestionskosten und die laufenden Kosten finanziert bekommen. Gewinne aus der Marktsituation („windfall profits“) würden wegfallen. Der Strompreis könnte dann von ca. 6 Cent auf rund 4 Cent fallen. Der bisherige Marktmechanismus ist dagegen ein Markt, der nicht den „günstigsten Strom zugunsten des Kunden“ bevorzugt, sondern gleichermaßen die Interessen der Stromkunden (nach günstigen Preisen) wie der Erzeuger (nach Gewinn) befriedigt. Dieses Modell würde einen Spielraum für die weitere Entwicklung der Erneuerbaren ermöglichen.

Auch für die Erneuerbaren Energien selbst verändern sich die Modalitäten. Während sie bisher auf eine langfristig garantierte Einspeisevergütung setzen konnten, sollen sie demnächst stärker an der Vermarktung ihres Stroms beteiligt werden. Biogaskraftwerke ab 750 kW erhalten ab 2014 bereits keine Einspeisevergütung mehr. Dafür erhalten sie eine sog. „Marktprämie“. Der Trend geht in Richtung Direktvermarktung, für die es mehrere Modelle gibt (z.B. auch das Grünstromprivileg).

Funktioniert dieses Marktprämienmodell nicht, so drohen den Betreibern von erneuerbaren Energieumwandlern Risiken. Angesichts des rasanten Zuwachses an erneuerbarer Energie und unter der Voraussetzung eines ausreichend erweiterten Stromnetzes soll gelten: „Wer Strom erzeugt, den keiner braucht, wird entschädigungslos abgeschaltet.“ In Photovoltaikanlagen mit mehr als 30 kW Leistung müssen bereits jetzt spezielle Abschalteinrichtungen installiert werden. Es ist zwar vorgeschrieben, dass „insgesamt“ die größtmögliche Strommenge aus erneuerbaren Energien abgenommen werden muss“, aber den einzelnen Betreiber kann das schon empfindlich treffen.

Quelle: PHOTON August 2011


Korrektur von Fehlern am 03.05.2014