Mal schnell nebenbei… gehe ich heute auf einen Kommentar zu dem gestern genannten Beitrag ein, weil er mich interessiert. Es geht um den Kommentar 16 (leider kann ich nicht direkt auf den Kommentar mit dieser Nummer verlinken), der die Beziehung zwischen Produktionsverhältnissen und Eigentumsverhältnissen als Beziehung zwischen Inhalt und Form betrachtet.
Dazu nun ein (für Philosoph_innen) kürzerer Kommentar, der für Philosoph_innen eine „Anwendung“ für Hegelianische Kategorienlehre bietet, für politisch Interessierte die Ergebnisse aus einem kurzen Eintauchen in die dialektische Werkzeugkiste vorstellt:
@16 „Weil weder ETV ein Moment der PV sein kann noch umgekehrt, sondern sich wie Inhalt und Form verhalten,…“
Das hats mich denn doch gejuckt, mal wieder (WAKis werden sich vielleicht erinnern ;-)) ein wenig in die Inhalt-Form-Philosophie einzusteigen. Ich gehe mal davon aus, dass hier angenommen wird, die Produktionsverhältnisse seien der Inhalt und die Eigentumsverhältnisse die Form (das lese ich auch aus einer späteren Zeile des Kommentars heraus, auf den ich mich beziehe).
Was denke ich mir dabei, wenn ich irgendetwas in den Kategorien „Inhalt“ und „Form“ denke? Letztlich gibt es keinen bestimmen Inhalt ohne eine bestimmte Form. Bestimmte Formen ohne bestimmte Inhalte gibt es. Aus diesem Grund sind „Inhalt“ und „Form“ nicht ganz symmetrisch aufeinander bezogen. Welche Kategorien sind es nun, die eigentlich zusammen gehören? Hier gibt uns der so tödlich langweilige und umständliche, dafür aber präzise Denker Hegel genau die richtige Antwort: Wir müssen noch eine weitere Kategorie hinzunehmen, um das Verhältnis von Inhalt und Form zu begreifen: die „Materie“. „Materie“ führt Hegel als Begriff für etwas ein, das etwas formloses Unbestimmtes ist (WdL II: 88). (Das sieht Engels übrigens auch so: „Materie an sich“ ist nichts wirklich Existierendes, sondern wegen seiner Unkonkretheit nur etwas, was abstrahierend gedacht wird, siehe auch bei Hegel Enz.I: 261)). Hegel braucht diesen Begriff eigentlich nur als Ausgangsbegriff, um später zum Begriff „Inhalt“ zu kommen. Wie geschieht das nun im Einzelnen (und was heißt das in jedem Schritt für unsere Beziehung zwischen PV und ETV?):
Nochmal: Die Materie „ist das gegen die Form gleichgültige“ (WdL II: 89). Genau so sind auch die von uns gedachten Produktionsverhältnisse, wenn wir von allen konkreten historischen Formen abstrahieren, so etwas. (Klar, wir haben von der Form abstrahiert, also sind sie gegen die Form gleichgültig…). Aber wir wissen ja schon, dass das nicht so bleibt, unser Denken muss vom Abstrakten zum Konkreten voranschreiten (ja, Marx und Dialektik…). Wie kommen nun Materie und Form (PV als solche und bestimmte ETV) zueinander und was entsteht daraus?
Es gibt nun, und Hegel spielt sie auch durch, eine Denkweise, in der die ETV als die „Bestimmer“ auftauchen: Die Materie wird von der Form (als von einem ihr Äußeren) bestimmt (ebd.: 92) – d.h. die ETV bestimmen die PV. Okay. Prima. Es scheint also nicht ganz verkehrt zu sein, dass die ETV tatsächlich das Bestimmende für die PV sind.
Aaaber: bei Hegel geht es (leider/glücklicherweise) meist noch weiter, negierend, das Vorherige aufhebend (d.h. kritisierend und darauf aufbauend). Denn es geht noch weiter („Es genügt nicht die einfache Wahrheit“ schrieb Volker Braun mal in der DDR):
„Das, was als Tätigkeit der Form erscheint, ist […] ebensosehr die eigene Bewegung der Materie selbst“ (ebd.). Was als Bestimmung der PV durch die ETV erscheint, ist ebensosehr die Bewegung der PV selbst. „Die Materie bestimmt ebensowohl sich selbst, als dies Bestimmen ein für sie äußerliches Tun der Form ist…“ (ebd.)
Wir haben mindestens zwei Hinweise, welche der Betrachtungsweisen die weiter entwickelte ist (die Betrachtungweise, dass die ETV die PV bestimmen, oder jene, nach der es die Bewegung der PV selbst ist, die zu dieser Bestimmung führt). Einmal steht im Zitat das Wort „erscheint“ und alles was im Fortschreiten der Erkenntnis nur erscheint soll im Wesen eine Begründung finden. Zum Anderen wird das Bestimmen der Materie (der PV) durch die Form (die ETV) als „äußerliches Tun“ betrachtet, und alles nur Äußerliche soll in das Begreifen von inneren Zusammenhängen hineingelangen.
Das haben wir eigentlich schon erreicht in dem Satz: „Was als Bestimmung der PV durch die ETV erscheint, ist ebensosehr die Bewegung der PV selbst.“ Die durch das „ist ebensosehr“ ausgedrückte Einheit von (unbestimmter, abstrakter) Materie/PV und Bestimmung durch die Form/ETV ist… der langersehnte Begriff „Inhalt“. Der Inhalt ist geformte Materie, denn Inhalt ist immer bestimmt durch die Form.
Wenn man sich nun die Beziehung der Begriffe „Materie“, “Form“ und „Inhalt“ zueinander vorstellt, so stehen „Materie“ und „Form“ quasi nebeneinander, als einander ergänzend (das Eine ist unbestimmt/wird durch das Andere bestimmt, das Andere bestimmend das Eine) – ihre „höhere“ Einheit ist der „Inhalt“. Wenn also irgendwo etwas von „Form-Inhalt-Dialektik“ oder so gesagt wird oder man sagt, dass etwas sich wie „Form und Inhalt“ verhält, so muss etwas präziser überlegt werden ob man an der jeweiligen Stelle tatsächlich den „Inhalt“ als Gegenpart zur „Form“ meint, oder doch eher die „Materie“ (ich gebe zu, dass kaum jemand diese ganzen Spitzfindigkeiten kennt; ich meine aber, dass sie das Denken viel präziser machen können, und manchmal kommts eben darauf an, wenn man nicht ewig aneinander vorbei reden will).
Wir verwenden die Begriffe PV und ETV häufig dafür, um jeweils Gründe zu kennen für die gegenwärtigen Phänomene in der Welt. Dies und das ist ist eben „durch die PV/ETV begründet“. Die Kategorie „Grund“ hat Hegel natürlich in dieses Begriffsnetzwerk auch eingewoben. Da sieht es dann so aus:
Die „Form“ ist das Tätige, die „Materie“ die Grundlage, aber der Grund ist der „Inhalt“. Der Inhalt ist das übergreifende Verhältnis und ein Verhältnis ist eine „Einheit der Beziehung auf sich und die Beziehung auf Anderes“ (Enz.I: 267). Die konkreten PV sind durch die ETV bestimmt, aber nicht, indem die ETV einfach äußerlich „hinzukommen“, sondern aufgrund der eigenen Bewegung der PV.
Geht das auch umgekehrt? Entwickeln sich die ETV einfach durch ihre eigene Bewegung weiter und bestimmen dann die PV? Meiner Meinung nach und der realsozialistischen Erfahrung nach nicht. Das Übergreifende (der Inhalt) sind die PV, die ETV gehören zu den (durch sie ausgebildeten und sie bestimmenden) Formen. Man kann, und das macht Hegel auch an „Inhalt“ und „Form“ deutlich, nicht sagen, das eine sei wesentlich und das andere unwesentlich. Nein, beide sind wesentlich. Aber: „Die Bestimmtheit des Inhalts ist… die Grundlage für die Form“ (WdL II: 96).
Die Bestimmtheit der PV, wie sie in ihrer Bewegung entstanden ist, ist also die Grundlage für die ETV. Und wie wir die PV weiter entwickeln, können sich die ETV weiter mit verändern.
Diese Unsymmetrie der Beziehung zwischen „Inhalt“ und „Form“ entwickelt sich dann auch in den Begriffsbildungen bei Hegel (in der Enz.I) weiter zum Verhältnis des Ganzen und der Teile: „Der Inhalt ist das Ganze und besteht aus den Teilen (der Form)…“ (Enz.I: 267) Damit wären wir dann bei meiner den Kommentar auslösenden Bemerkung, „ETV sind Moment der PV und nicht umgekehrt.“
November 19, 2012 at 10:48 pm
Ist es nicht vielmehr so, dass Produktionsverhältnisse bestimmte (z.B. privat- oder gemeineigentümliche) Formen UND Inhalte haben? Und dass die Behauptung einer gemeineigentümlichen Form der Zwecksetzung unwahr sein kann?
Was waren die wirklichen Aneignungsformen, mit denen in der DDR über die Entwicklung und den Einsatz der Produktinsmittel entschieden werden konnten bzw. mussten?
November 21, 2012 at 9:23 am
Individuelles und kollektives Privateigentum unterscheiden sich bzgl. der PV grundsätzlich nicht. Folglich sind sie auch in Bezug auf die Zwecksetzung (der Produktion, nehme ich an) äquivalent.
Über Entwicklung und Einsatz der PM entschieden in der DDR sowohl zentrale Planbehörde wie die Betriebe. Der Konflikt ging dann darum, wer letztlich das Sagen hat. So in etwa kann man es aus dem Lehrbuch zur »Politischen Ökonomie des Kapitalismus und des Sozialismus« von 1981 herauslesen. Im Lehrbuch geschieht natürlich alles in »harmonischer Einheit«.
November 21, 2012 at 11:31 am
Stimmt zwar nicht ganz, weil die genossenschaftliche Organisation in bestimmten Fällen einiges an Zweckbestimmung möglich macht, das mit anderen Rechtsformen nicht möglich wäre (siehe etwa die taz-Genossenschaft oder die GSL-Gemeinschaftsbank), aber grundsätzlich rütteln kollektive Eigentümerrechte an dem Charakter privateigentümlicher Vergesellschaftung natürlich nichts. Für das sehr weite Feld der Übergangsformen, (in das m:E. auch die Diskussion um neue Commons passt), hat das sicher eine gewisse Relevanz. Aber es muss uns natürlich um sehr viel mehr gehen.
Marx Perspektive war die (welt-)kommunistische „Wiederherstellung des individuellen Eigentums“ (d.h. der Möglichkeit, die Produktion und Aneignung der (Re-)Produktionsmittel selbst mitbestimmen und sie sich so zu eigen machen zu können) – aber nicht mehr auf der Basis privateigentümlicher Vermittlung von Produktion und Konsum sondern als Mitwirkungsvermögen an den zentralen Fragen des Was, Wie, Wo, Womit, Fürwen, Wieviel usw. Das halte ich nach wie vor für eine höchst spannende Aussicht.
Zur DDR: Vielleicht kann die reale Verfügung oder besser Nichtverfügung der Individuen über die „volkseigen“ benamsten Produktionsmittel (bzw. Zweckbestimmungsmittel) als Zustand des Ausschlusses aus „kollektivem Privateigentum“ beschrieben werden. Wobei das „kollektiv“ doch sehr, sehr eingeschränkt galt. Die Entscheidungsfindung innerhalb der zentralen Planungsbehörde waren meines Wissens GEHEIME Staatssache und in weiten Teilen der politischen Willkür sehr weniger Leute vorbehalten deren Entscheidungsgrundlage schon infolge mangelnder Wissenschaftsfreiheit und des selbstbetrügerischen (auf Beruhigung der Gemüter angelegten) Wechselspiels zwischen genügend bescheidenen Betriebsplänen und deren „sozialistische“ Übererfüllung ein Witz in Tüten.
Erste Bedingung der Möglichkeit einer freien Vergemeinschaftung der Miteinscheidungskompetenz ist die Möglichkeit eines herrschaftsfreien, öffentlichen Diskurses – oder ZUMINDEST eine erkennbare Bewegung in eine solche Richtung. Und die gab es nicht.
Gruß hhh
November 21, 2012 at 7:13 pm
„Folglich sind sie auch in Bezug auf die Zwecksetzung (der Produktion, nehme ich an) äquivalent.“
Nein, niemand, auch nicht die Politbürokratie, hatte ein verselbständigtes Interesse an der Profitaneignung. Letztlich ging es um die bessere Bedürfnisbefriedigung, auch wenn das (zumindest im Vergleich mit dem kapitalistischen „Schaufenstern“) nicht ausreichend gelang.
(Ich mag einfach nicht bei allen Übereinstimmungen mit der
kapitalistischen Produktionsweise alle Unterschiede wegwischen.)
November 21, 2012 at 8:32 pm
Die Behauptung der „äquivalenten Zwecksetzung“ hatte ich glatt überlesen. Das halte ich auch für eine ganz falsche Vorstellung. Sicher entfalteten z.B. die von Strauß eingefädelten Westkredite eine Dynamik, die der Parole „Unsere Devise heißt Devisen“ Futter gab und die Zwecksetzung immer mehr Bedienung von (westlichen) Kapitalinteressen war. (Die Sklavenarbeit in DDR Gefängnissen für IKEA war allerdings schon früher so weit ich weiß).
Aber die private Aneigung und Mehrung von Bereicherungsvermögen war vom Grundsatz her sicher nicht charakterisierend für die SED-Diktatur. Ob „es“ der um bessere Bedürfnisbefriedigung ging, wage ich allerdings auch zu bezweifelt. In erster Linie schien es um Machterhalt und Aufrechterhaltung der Sozialismusillusion zu gehen. Und man gefiel sich in der Rolle des gestrengen, aber gerechten Königs.
Jedenfalls waren die Verhältnisse so, dass die Machthabenden keine keinen freien Diskurs über die Zwecksetzung der Produktion von Investitutionen usw. zulassen konnten. Dass unter solchen Umständen jeder Kommunismus im Keime erstickt werden musste, sollte klar sein.
November 22, 2012 at 10:59 am
Die Zwecksetzung war und ist unhintergehbar: Mehrwert durch Verwertung zu realisieren. Diese ist unabhängig von der Form des Privateigentums. Wie unter dieser Zwecksetzung der Betrieb organisiert wird, was sein Produkt ist und wie Gewinne verwendet werden, ist unterschiedlich — das ist klar.
Ich erinnere an Hegel: objektiver Geist – Reflexion der Mittel, absoluter Geist – Reflexion der Zwecke (Annette: dein Gespräch mit Kai).
November 20, 2012 at 5:55 pm
Doch, das geht. Klicken auf die Kommentar-Nummer liefert den direkten Link: http://keimform.de/2012/widersprueche-und-spannungsfelder/#comment-22884
November 20, 2012 at 7:43 pm
Die Nummer hatte ich nicht gefunden…
November 20, 2012 at 9:42 pm
Na einfach auf die „16“ klicken, gesehen hattest du sie ja offensichtlich 😉
November 21, 2012 at 7:14 pm
Gesehen ja, aber dann noch draufklicken, wenn ich bloß die Nummer wissen willl… (für meine Hektik manchmal zu viel verlangt ;-)) Danke für den Tip….
November 21, 2012 at 8:49 am
inwiefern ist Hegel „tödlich langweilig“? 😮
November 21, 2012 at 7:16 pm
Für die meisten doch schon, oder? Naja, ich habs natürlich nicht ganz ernst gemeint. Letztlich werden jene, die mit Hegel nichts anfangen können, mit meinem Text nicht viel besser zurecht kommen. Aber manche, die sich damit etwas auskennen, haben damit vielleicht einen „roten Faden“… (Ich schreibe so was heutzutage oft nach einem anstrengenden Arbeitstag, da kann ich nur hoffen, das andere das aufgreifen, damit wir gemeinsam mal wirklich was weiter entwickeln.)
November 21, 2012 at 8:52 am
lt. Kommentar 16 „können“ PV und ETV etwas – oder auch nicht – haben sie die Möglichkeit eine Wahl zu treffen?
„Die Modalverben sind die trojanischen Pferde der Anthropomorphismen“
November 21, 2012 at 7:47 pm
Hier muss ich ‚mal einhaken. Ich stimme zu, dass sich die ETV nicht einfach durch ihre eigene Bewegung weiterentwickeln. Auch sehe ich die PV als das Übergreifende und die ETV als ihren bestimmenden Bestandteil. Ich stimme auch zu, dass sie sich nicht „einfach durch ihre eigene Bewegung“ weiterentwickeln. Das taten sie weder in der realsozialistischen Welt und tun es noch immer nicht in der realkapitatlistischen.
Sie sind aber keine Form des Inhalts sondern in gewisser Weise der Inhalt selbst. Die Definition aus dem Philosophischen Wörterbuch (des VEB Enzyklopädie Leipzig) formuliert das so treffend, dass ich mir eine eigene Formulierung spare:
Ich interpretiere das ganz klar so, dass die Beziehung von PV und ETV nicht die von Inhalt und einer daraus gebildeten Form ist. Die ETV sind ein großer und sogar der bestimmende Teil der PV, welche noch andere Verhältnisse umfassen.
Und eine letzte Anmerkung:
Eine Weiterentwicklung der ETV wäre eine Weiterentwicklung der PV und umgekehrt, wesentliche Veränderungen an den PV wären Änderungen der ETV.
Ich kenne aber keine Beispiele aus der Geschichte, bei denen man primär die PV (ETV) weiterentwickelt hätte, um der gesellschaftlichen Entwicklung Raum zu verschaffen. Im Sozialismus hat man mit bekanntem Ergebnis versucht, an den PV zu schrauben, jedoch versäumt neue Produktivkräfte zu entwickeln. Und wenn man auf die Geschichte der westlichen Industrieländer schaut, so hat man dort in den letzten 60 Jahren ohne prinzipielle Veränderung der Grundlagen (ETV) an den Verteilungsveränderungen herumgedoktort – erst 30 Jahre lang in der einen Richtung und nun 30 Jahre lang in der anderen Richtung. Das Ergebnis ist ebenfalls bekannt – die heutige Wirtschaftskrise. Beide Systeme und ihre Versuche die gesellschaftliche Entwicklung durch die Beeinflussung der PV zu steuern sind für mich ein schlagender Beweis, dass gesellschaftlicher Fortschritt nur durch die Weiterentwicklung der Produktivkräfte initiiert werden kann. Was immer das bedeutet… (kann jetzt wegen Platzbedarfs hier nicht mehr diskutiert werden).
November 21, 2012 at 9:05 pm
Finde deren Definition auch sehr treffend.
Die Frage, was Inhalt und was Form ist, finde ich im Übrigen auch seltsam. Es lässt sich höchstens die Frage nach den Inhalten von Produktionsverhältnissen klären (Produktion und Aneignung, Entwicklung und Einsatz von Produktionsmitteln usw.) und in wie weit all das von der Form der Aneignung bzw. Arbeitsteilung bestimmt ist.
Die Frage nach den Inhalten von Verfügungsrechten führt einmal nach deren Mitteln (Vorschriften, Übereinkommen oder was immer) kann aber auch die nach den Inhalten der damit geregelten (der so formatierten) Produktionsverhältnisse sein.
Ich denke, dass eine Menge Missverständnisse dadurch entstehen, dass Produktionsverhältnisse nicht als Einheit von Produktion, Konsum und Entwicklung gesehen wird.
Der Inhalt der Produktionsverhältnisse sehe ich
Genau so sehen ich das auch.
Das finde ich allerdings ein wenig holzschnittmäßig. Herumschrauben an den PV geht eben nicht, wenn man sich genötigt fühlt, die dazu nötigen Schraubendrehkräfte zu entmündigen (sie also faktisch zu enteignen).
November 22, 2012 at 11:59 pm
„Das finde ich allerdings ein wenig holzschnittmäßig. Herumschrauben an den PV geht eben nicht, die dazu nötigen Schraubendrehkräfte zu entmündigen (sie also faktisch zu enteignen).“
Ich denke, wir sind hier der gleichen Meinung. Was ich meinte ist das Folgende. In beiden Systemen wurden und werden die Produktionsmittel durch eine vergleichsweise kleine Gruppe besessen oder von einer kleinen Gruppe im Namen aller verwaltet. In dem einen System hat man, so lange Schuldenaufbau betrieben werden konnte, an den Verteilungsverhälntnissen „geschraubt“ und sichergestellt, dass alle etwas mehr bekommen und einige ganz viel. Im anderen System hat man die Produktionsverhältnisse weitgehend erstarren lassen und so versucht die Macht zu sichern. Beides funktioniert nur bis zu einem gewissen Punkt.
Das eine System ist verschwunden, das andere hat zu einem Ende vieler Produktionstätigkeiten geführt, ohne dass diese durch andere ersetzt wurden bzw. die Produktionsverhältnisse angepasst wurden (z.Bsp. mit einer Begrenzung von Gewinnen und einer allgemeinen Arbeitszeitverkürzung, die die Verteilung gerechter machen würde). Summa summarum verkümmern im Ergebnis enorme Produktivkräfte (nämlich die Arbeitskraft von Millionen Menschen – in Europa im Moment mehr als 18 Millionen).
Alle Ideale der Aufklärung, mit denen unsere heutige Gesellschaft gestartet ist, werden im Moment ad absurdum geführt. Ich traue mir zu sagen, dass zur Zeit das Bürgertum (um wegen der Aufklärung diesen alten Begriff zu verwenden) seine Gesellschaft schneller selbst abschafft als jemals eine Revolution ausbrechen könnte. Alle Politiker, die derzeit so ernsthaft versuchen, den Status quo und die Schulden zu erhalten, werden als tragische Revolutionäre wider Willen in die Geschichte eingehen.
November 22, 2012 at 11:08 am
Die Def. aus der Enzyklopädie enthält genau jenen (IMHO falschen) Kurzschluss von PV und ETV, auf den wir nicht wieder zurückfallen sollten. Der Kurzschluss war ideologisch geformt und diente als Rechtfertigung: Da die ETV gelöst ist (wie auch immer), ist die PV-Frage auch keine mehr. Sie wirkt bis heute weiter als Fixierung auf »die Eigentumsfrage« und blendet die Seite der Art wie produziert wird (materiell und sozial), völlig aus bzw. erklärt sie zum Neutrum.
November 23, 2012 at 12:05 am
Kommentar 6 ist die Antwort hierauf. Leider den falschen Antwort-Link erwischt.
November 23, 2012 at 7:38 am
Die Behauptung, dass die Frage nach den ETV gelöst wäre, war bekanntlich eine Lüge und die sich aus der Rechtsillusion ergebene Rechtfertigung funktionierte wohl nicht wirklich. Da verließen sich die Sozialismusdarsteller der SED doch lieber auf ihre bewährten Repressionsmittelchen wie Stasi, Bautzen, Medienzenzur usw. Die waren eben auch ein Teil der Produktionsverhältnisse also auch der gesellschaftlichen Aneignungs- bzw. Zweckbestimmungspraxis.
November 25, 2012 at 9:30 pm
Ob Lüge oder nur Rechtfertigung, spielt keine Rolle. Die ETV unterschieden sich nun doch unbestreitbar vom Westen. Du wirst das hier diskutierte Problem nicht los, wenn du auf Stasi und Co verweist. Ich verstehe aber, warum du das tust: Du willst die wesentliche Rolle der ETV »retten«, und das gelingt dir nur, in dem du die Lebenspraxis in der DDR in recht schlichter Weise denunzierst. Das tönt sehr verwandt mit dem üblichen medialen Runterputzem von allem, was DDR war.
November 26, 2012 at 8:25 am
Ob Lüge oder nur Rechtfertigung, spielt keine Rolle.
Na, wo das Streben nach Wahrheit, Wahrhaftigkeit und Richtigkeit einer Behauptung (und also deren freie Überprüfbarkeit) keine Rolle spielt, sind die Bedingungen der Möglichkeit zwischen richtig und falsch zu unterscheiden (und damit basale Parameter der Mitmenschwerdung) nicht gegeben und alles ist dann eine Sache der besseren Fähigkeit zur (Selbst-)Täuschung, Einschüchterung oder Erpressung.
Zweifellos. Als vermeintliches „Mitglied der herrschenden Klasse“ musste man 10 Jahre auf einen Trabbi sparen bzw. auf dessen Aneignung warten, während dort, wo die Gebrauchswerte (also die Bedürfnisse der Menschen) egal waren und alles nur um Profitmaximierung ging, die Angehörigen der unterdrückten Klasse kein Problem hatten, sich augenblicklich die schärften Schlitten anzueignen. Wie soll man diesen Unterschied übersehen?
Dein Unverständnis dieses Zusammenhangs zeigt doch, wie mächtig die Legitimationsfigur des formalen „Volkseigentums“ immer noch jede nüchterne Wahrnehmung der tatsächlichen Möglichkeiten der Aneignung bzw. Zweckbestimmung verbaut also auch der tatsächlichen „Eigentumsverhältnisse“.
Da kann jemand offenbar gewisse Wahrheiten nicht vertragen. Da kann man wohl nur noch beten, das sowas nicht noch einmal gefährlich aufkeimt.
November 26, 2012 at 7:48 am
Die VEB Enzyklopädie Leipzig erstaunt mich. Es gab also auch Lichtblicke im DDR-Braunbäsch.
Wenn von „Eigentumsverhältnissen“ als etwas den Produktionsverhältnissen (vermeintlich) äußerliches gesprochen wird, sind wahrscheinlich EigentumsFORMEN gemeint im Sinne umrissener Geltungsbereiche für Aneignungs- bzw. Nutzrechte, also ob es sich um Staatsunternehmen handelt, Genossenschaften, Stiftungen, GmbHs, Aktiengesellschaften, häusliche Gemeinschaften zum Zwecke der Lebensraumgestaltung und Regeneration oder um Freizeitbeschäftigungen zum Wohle der Menschheit.
Die faktischen Produktions. bzw. Aneignungsbeziehungen (und in so fern „Eigentumsverhältnisse“) auf die es am Ende natürlich ankommt, sind mit solchen Unternehmensformen (Eigentumsformen) allerdings keineswegs identisch. Ob ein Staatsunternehmen „volkseigen“ benamst ist oder Vattenfall signalisiert vielleicht unterschiedliche Ansprüche aber sagt erst einmal gar nichts über deren Realität, d.h. über die wirklichen Aneignungsbeziehungen.
September 23, 2018 at 4:33 pm
Es gab das stalinistische IML und die „aufgeklärte“ Akademie für Gesellschaftswissenschaften. Sollte man kenn, bevor man „Es gab also auch Lichtblicke im DDR-Braunbäsch.“ schreibt. Die Propaganda in den heutigen Massenmedien ist schlimmer als zu DDR-Zeiten, sagen wir, ab 1969.
Es macht keinen Sinn, die Unterschiede in den ETV anhand von BRD und DDR abzuhandeln, da sollten schon wesentlich mehr Länder herangezogen werden.
November 23, 2012 at 12:03 am
Da kann man ja d’rüber reden. Dazu bräuchten wir aber erst einmal von Dir eine Definition von PV und ETV, die den von Dir behaupteten Kurzschluss nicht entält. Andere Auffassungen zu erfahren war ja auch Teil der Absicht mit dem langen Zitat.
November 25, 2012 at 9:19 pm
Dazu siehe z.B. http://keimform.de/2012/vortrag-commonismus/ (Folie 3).
Eigentlich ist es recht einfach, wenn du die ETV nicht als PK + PV definierst bzw. PW = ETV setzt, sondern bei PW = PK + PV bleibst und die ETV als rechtsförmigen Ausdruck begreifst. Annette liefert dafür die philosophische Begründung: Die PV bestimmen die ETV und nicht umgekehrt.
Aber wie geschrieben hatte es eine legitimatorische Funktion, PW=ETV zu setzen, weil die ETV im Vergleich zum Westen ja tatsächlich andere waren. Wenn du dann die DDR-Ökonomie-Bücher liest, findest du das immer wieder: Das sei zwar Warenproduktion, aber eine völlig andere als im Westen, da sich ja die ETV unterschieden.
November 25, 2012 at 11:50 pm
Also, weder ich noch das beliebte Philos. Wörterbuch haben die ETV als PK+PV oder PW=ETV definiert. PW=PK+PV ist selbstverständlich korrekt. Im von mir angegeben Auszug steht, dass die PV ein sich „aus einem jeweiligen Entwicklungsniveau materieller Produktivkräfte sich ergebendes System (eine Gesamtheit) materieller Produktionsverhältnisse“ sind. Sie ergeben sich aus dem Entwicklungsstand der PK, sind aber nicht mit diesen gleichzusetzen. Die Produktionsweise taucht hier ‚mal gar nicht auf.
Deine Folie 3 gibt leider keine Definition der PV und geht auch nicht auf die Struktur der PV ein. Man kann sie zwar aus den folgenden Folien ahnen, aber für die von Dir aufgeworfene Frage hielte ich eine Definition schon für notwendig.
Weiter, Du schreibst
und weiter, dass durch die Behauptung eines Unterschiedes im Charakter der Warenproduktion, bedingt durch die unterschiedlichen ETV, die ETV der PW gleichgesetzt wurden. Ich erinnere diesganz gut so, dass aus diesem Unterschied der unterschiedliche Charakter der PW begründet wurde. Niemand hat aber je PW und ETV gleichgesetzt. Das hätte zur Disqualifikation geführt – bei Lehrern und Lernenden. Solltest Du aber wirklich der Meinung sein, dass dies der Fall gewesen ist, so bitte ich Dich diese Behauptung zu belegen.
November 28, 2012 at 12:42 pm
Den Beleg entnehme ich dem von dir angeführten Zitat, meine Kommentierung in eckigen Klammern: ETV = »ein historisch bestimmtes, aus einem jeweiligen Entwicklungsniveau materieller Produktivkräfte [PK] sich ergebendes System (eine Gesamtheit) materieller Produktionsverhältnisse [PV], gefasst unter dem Aspekt, dass diese Gesamtheit zugleich eine historisch bestimmte, sich ständig reproduzierende Art und Weise der Aneignung der Welt durch den Menschen [PW] ist.«
ETV=PK+PV=PW, q.e.d.
November 28, 2012 at 6:31 pm
Ok, jetzt verstehe ich, was Du meinst. Hier liegt ein sprachliches Missverständnis vor. Mag sein, dass es dadurch gefördert wurde, dass ich hier nur einen Auszug des Wörterbucheintrags wiedergegeben habe.
Du setzt nach meinem Verständnis Dinge gleich, die so dort nicht stehen. Ich nehme jetzt Dein Zitat und schreibe meinen Kommentar in geschweiften Klammen dahinter. Im Detail:
ETV = »ein historisch bestimmtes, aus einem jeweiligen Entwicklungsniveau materieller Produktivkräfte [PK] sich ergebendes System (eine Gesamtheit) materieller Produktionsverhältnisse [PV],
{ daraus schlussfolgerst Du ETV=PK+PV. Das steht nicht dort. Dort steht, dass sich ein bestimmtes System von ETV aus aus einem bestimmten Entwicklungsstand der PK ergibt. Weiterhin steht dort nicht, dass die ETV gleich den PV sind. Dort steht, dass die ETV ein System von PV sind. Das ist eine Teilmengenbeziehung. Bekanntermaßen sind die PV definiert als ETV+AV+VV (AV – Austausch-, VV – Verteilungsverhältnisse). Wenn wir es mit einer logischen Formel versuchen also PK_1=>ETV_1, PK_2=>ETV_2,… und PV:=ETV+AV+VV }
gefasst unter dem Aspekt, dass diese Gesamtheit zugleich eine historisch bestimmte, sich ständig reproduzierende Art und Weise der Aneignung der Welt durch den Menschen [PW] ist.«
{ Zwei Missverständnisse hier. Mit obigen Informationen ist es auch leichter einzusehen, dass ”diese Gesamtheit” nicht die Summe der beiden Teile meint. ”Gesamtheit” bezieht sich auf das System der ETV, wo der Begriff auch in Klammern eingeführt wurde.
Zweiter Punkt ist, dass ”Art und Weise der Anweisung der Welt durch den Menschen” nicht die Definition der PW ist. Das bezieht sich auf die Eigentumsverhältnisse }
ETV=PK+PV=PW, q.e.d.
{ PW:=(PV:=(PK=>ETV)+AV+VV)+PK
Leicht ist es wahrlich nicht. }
November 28, 2012 at 6:46 pm
Definition Produktionsweise (auszugsweise) aus Philosophischem Wörterbuch (Leipzig, 1971)
Einheit der gesellschaftlichen Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse.
Diese [die Gesellschaft] kann nur durch die materielle Produktion bestehen, sich entwickeln und nur sie ermöglicht die anderen menschlichen Tätigkeiten. Von der Art und Weise der Produktion wird der Charakter der Gesellschaftsformationen […] bestimmt.
Im Prozess der Produktion wirken die Menschen auf die Natur und erzeugen die notwendigen materiellen Güter. Dabei entwickeln sie ihre eigenen Fähigkeiten und Mittel zur Produktion, die gesellschaftlichen Produktivkräfte […] In der Produktion wirken die Menschen […] auch aufeinander, indem sie stets in einer bestimmten Weise zusammenwirken. Die Produktion ist daher unter allen Bedingungen Aneignung der Natur von Seiten der Menschen innerhalb und vermittels einer Gesellschaftsform. Die grundlegenden gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen untereinander im Prozess der Produktion bilden, im Unterschied zu ihren Beziehungen zur Natur, die ökonomischen Verhältnisse, die Produktionsverhältnisse. Sie bringen vor allem zum Ausdruck, in den Händen welcher sozialen Klasse sich die für die Existenz und und Weiterentwicklung der Gesellschaft notwendigen Produktionsmittel befinden.
Dezember 12, 2012 at 9:58 am
Danke für die Präzisierungen, sie sind mir bekannt. Gewiss, so einfach ist es nicht. Ich denke dennoch, dass die von mir verwendete grobe Form die gängige ist und als »Eigentumsfrage« firmiert. Ich habe mir das nicht ausgedacht, und es reicht nicht hin, auf eine präzisere Definition zu verweisen. Es gibt ja Gründe, warum sich viele Linke an der Eigentumfrage wie an einem Rettungsanker festhalten.
Wenn man in die Präzisierungen geht, dann sind noch ganz andere Vereinfachungen aufzuheben. Beispiel: »Diese [die Gesellschaft] kann nur durch die materielle Produktion bestehen, sich entwickeln und nur sie ermöglicht die anderen menschlichen Tätigkeiten.«
Das ist IMHO eine undialektische Formulierung, die die gesellschaftliche Sphärenspaltung im Kapitalismus in die materielle Produktion und die anderen Tätigkeiten (insb. Reproduktion) unbegriffen reproduziert. Tatsächlich sind die sogenannten anderen Tätigkeiten ebenso Bestandteil und Voraussetzung der gesellschaftlichen Produktion wie umgekehrt die der, im engeren Sinne, materiellen Produktion. Will sagen: An den alten Defintionen können wir nicht bloß festhalten, wir müssen sie aber auch nicht einfach wegwerfen, sondern kritisch reformulieren.
Den ETV kommt nicht der Primat zu, sondern der PW, der Art und Weise, wie wir unsere gesellschaftlichen Lebensbedingungen herstellen (wozu auch, aber nicht primär die ETV gehören). Das ist meine Kernthese, die »früher« genau umgekehrt galt: ETV gelöst, PW folgt. Daran ist Marx nicht unschuldig, der genau solche entsprechenden Vereinfachungen geliefert hat (die Zitate sind bekannt).
Dezember 14, 2012 at 9:23 pm
Ich glaube nicht, das es eine „gängige“ Form gibt. Es gibt sicher unterschiedliche Interpretationen. [Wortspiel an]Der derzeitige Erfolg linker Strömungen zeigt jedoch, das keine der Definitionen „geht“. 😉 [Wortspiel aus]
Wenn Deine Definition es wäre, die Du Dir ja nicht selbst ausgedacht hast, sollte es doch eine Literaturstelle geben, oder? Es wäre schön hier ein Zitat zu sehen.
Januar 29, 2013 at 1:02 pm
Entschuldige, mir ist entgangen, dass ein neuer an mich gerichteter Kommentar kam. Also hier eine aktuelle Quelle: http://www.rosalux.de/publication/37695/zukunft-eigentum.html
Geradezu klassisch: Inhalt der ETV = Rechte
In dem Buch kommt der Begriff der Produktionsweise nicht ein einziges Mal vor. Es ist also eine gutmütige Verkürzung von mir, die schlichte Gleichsetzung ETV=PW zu kritisieren, der Autor schafft es, die PW völlig aus dem Denken zu verbannen. Aber in gewisser Weise ist dieser theoretische Abstieg auch konsequent…
September 23, 2018 at 3:31 pm
In dem von Stefan genannten Text von der RLS werden die ETV als „Verhältnisse der Menschen zueinander in Bezug auf Güter oder Sachen“ bestimmt (S. 12). Das heißt doch, dass die „Verhältnisse der Menschen“ das Übergreifende sind, und der spezielle „Bezug auf Güter oder Sachen“ das Besondere der ETV. Auch wenn für „Verhältnisse der Menschen“ nicht das Wort „Produktionsweise“ oder „Produktionsverhältnisse“ verwendet wird, macht es die Nichtidentität, also das Verhältnis Allgemeines-Besonders deutlich.
Wenn es auch im dogmatisierten Sprachgebrauch, oder bei thematischen Verkürzungen, die berechtigt oder unberechtigt sein mögen, zu einer zu starken Identifizierung von PV/PW und ETV gekommen sein mag, ist das noch kein Grund, im Gegenzug nun die ETV völlig unterzubewerten…
Dezember 12, 2012 at 6:32 pm
Die „Eigentumsfrage“, die du vielleicht meinst, ist allerdings eine Fetischisierung des sprachlichen Mittels, mit dessen Hilfe sich nicht nur Linke der Problematiik annehmen bzw. sie vermitteln. Eine Form der Verdinglichung sozialer Verhältnisse!
Bekanntlich ist jede (Re-) Produktion menschlicher Existenz- und Bereicherungsmittel Aneigung von Arbeit, Energie, Naturstoffen bzw. Naturzusammenhängen, Wissen usw. Die verschiedenen Gesellschaftsformationen unterscheiden sich in den verschiedenen Formen dieser Aneigung (Lohnarbeit, das Kaufen und Verkaufen von Dienstleistungen und Gütern, Steuern und Abgaben sind typisch kapitalistische Formen der Aneignung. Diese Dinge charakterisieren die kapitalistischen Formen der Arbeitsteilung bzw. Teilung von Arbeit, Genuss, Verantwortung, Zweckbestimmungsvermögen usw., sprich: sie charakterisieren die kapitalistischen Produktionsverhältnisse.
Privateigentum (an Produktionsmitteln) und die damit zusammenhängende Reproduktion gesellschaftlicher Klassen (Kapitalklassen) sind nur der rechtliche bzw. ideologische und soziologische Ausdruck der Verfestigung dieser Aneigungsformen.(deren Legitimierung) wobei zwischen der formalen Seite und den tatsächlichen Aneigungsbeziehungen unterschieden werden muss. (Wir gehen nicht aus von dem, was die Menschen sich einbilden…“
)
Kommunistische Produktionsverhältnisse wären eben durch kommunistische (z.B. weltkommunistische) Foren der Aneignung charakterisiert. Man könnte von gemeineigentümlichen Formen der Aneigung sprechen.
Gemeineigentum wäre die Entsprechung zu Privateigentum. Nicht Eigentumslosigkeit. Aber diese Substantivierungen bedeuten in der Regel eben auch Verdinglichung, weshalb der Begriff als Mittel der Erfassung dieser Problematik eben tatsächlich suboptimal ist. Was bereits Marx bemerkte und allerdings nicht heißt, dass die Veränderung der Aneigungsweisen bzw. -fähigkeiten, -gewohnheiten, -rechte usw. nicht tatsächlich die Kernfrage der sozialen Emanzipation ist.
Was die Bedeutung der materiellen Mittel der Existenzsicherung und Bereicherung angeht, ist schon ein Bewusstsein von Nöten, dass ohne die materiellen Lebensbedingungen gar nichts ginge und die Art und die Ausmaße ihrer (Re-) Produktion wesentlich die geistigen Möglichkeiten bestimmen, die natürlich wieder zurückwirken.
Dezember 14, 2012 at 9:42 pm
Sehr gut, denn mit dem letzen Absatz kommen wir zu Fragen von Basis und Überbau. In Zeiten zurückgehender materieller Produktion in Europa machen nicht wenige den folgenschweren Fehler zu glauben, dass die Bedeutung der Produktion für die Gestaltung der Gesellschaft zurückgeht.
Mittlerweile fordern selbst viele Unternehmer, dass die Produktion hierher zurückgeholt weren muss und sind damit progressiver als manche andere Gruppe, die es eigentlich sein sollte.
Dezember 14, 2012 at 9:52 pm
Können wir das für Fußgänger an dem konkreten Beispiel Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft oder Gesellschafterversammlung einer GmbH abhandeln?
1) Über die Firma entscheiden letztlich die Eigentümer. Daraus schließe ich, dass die Eigentumsverhältnisse entscheidend sind.
2) Im Feudalismus entschied das Eigentum and Grund und Boden (Grundherrschaft), im Kapitalismus das an Kapital, im ggw. Finanzkapitalismus das an Finanzkapital. (weshalb der Terminus Meudalismus etliche Erscheinungen richtig beschreibt, doch am Wesen vorbeigeht – in guter alter Tradition der bürgerlichen Soziologie).
Dezember 15, 2012 at 10:57 am
In der Aktiengesellschaft entscheidet nicht zuletzt der für die Aktionäre zu erwartende Gewinn – an Kaufkraft, wenn man so will. Der hängt wiederum von allerlei gesellschaftlichen Bedingungen ab, die gewisse Produktionstandards setzen.
Dazu gehören etwa auch Arbeits- oder Umweltschutzstandards, gewerkschaftliche Aktivitäten, der Einfluss einer mehr oder minder kritischen Öffentlichkeit auf das Immage des Unternehmens und dessen Produkte und natürlich die technologischen und politischen Möglichkeiten etwa Eisenerz abzubauen und zu verhütten oder Öl zu fördern und zu Tiger im Tank zu machen. Auch das unternehmeriwsche Know How. Un das alles im Vergleich zu den Erfolgsbedingungen / Möglichkeiten der Konkurrenz,
Die Aktionäre deutscher Autobauer, deren Unternehmen auf die Bedürfnisse nach Klein- und Mittelklassewagen in Südeuropa gesetzt hatten wie etwa Opel nützt ihr „Eigentum“ derzeit nicht so sehr viel, während die Bedürfnisse der Aktionäre von Daimler oder BMW, die auf die Bedürfnisse der Menschen – nicht nur aber auch – in den sich rasch entwickelnden Volkswirtschaften Asiens nach Luxuskarossen setzen, vollkommen befriedigt werden können.
Begünstigt davon, dass es deren Lobby gelang, strengere europäische Abgasnormen zu verhindern. Was dem deutschen Steueraufkommen zu gute kommt und der Möglichkeit, die ALGII Beträge an die Inflation anzupassen.
Es gibt also jenseits des formalen „Eigentums“ bzw. formeller Aneignungsrechte jede Menge gesellschaftliche Bestimmungen der Produktionszwecke, -methoden, -mengen usw. Nur dass dies keine (welt-) gemeinschaftlich erarbeitete,reflektierte, festgelegte und gemeinschaftlich bzw. in gemeinsamer Verantwortung umzusetzende Bestimmungen sind.
Weshalb alles vorangebracht gehört, das dazu beizragen könnte, ein (am Ende weltgemeinschaftliches) Nachhaltigkeitsmanagement zur Grundlage des menschlichen Freinanders zu machen.
Januar 29, 2013 at 9:44 pm
Das ist sicher richtig – ist es jedoch auch für Fußgänger geeignet? Ich begrüße Deinen Versuch, zwischen allgemeinen und speziellen Bedingungen zu unterscheiden 🙂
September 23, 2018 at 4:35 pm
Wie ist es mit „Die Funktion bestimmt die Form.“?
September 23, 2018 at 4:46 pm
Ich wollte fragen, ob man ETV und PV nicht auch anders zuordnen könne, fand dann oben aber dieses:
Geht das auch umgekehrt? Entwickeln sich die ETV einfach durch ihre eigene Bewegung weiter und bestimmen dann die PV? Meiner Meinung nach und der realsozialistischen Erfahrung nach nicht.
Wenn ich Thomas Kuczynski richtig verstanden habe, ist die kapitalistische Produktion (Mechanisierung der Wolle-Verarbeitung) nicht durch eine Veränderung der feudalistischen Produktion, sondern durch ganz neue Produktionskräfte entstanden. Zu denen gehörten wieder bestimmte ETV an den neuen Maschinen.
September 23, 2018 at 5:10 pm
Die kapitalistische Produktion… die ist entsprechend einer mir noch gar nicht so lange bekannten Konzeption (von Robert Brenner) in England schon im Agrarsektor entstanden:
diese spezifischen Eigentumsverhältnisse lassen sich erklären durch spezifische Klassenverhältnisse, einerseits spielt da der Faktor der Organisiertheit der Klassen eine große Rolle (die Klasse der Grundherren in England war viel stärker organisiert als jene in Frankreich, im Gegenzug waren die Bauern in Frankreich besser vernetzt und konnten sich gegen Abgabenerhöhungen durch vielerlei Aufstände gut wehren) und andererseits eben auch die Ergebnisse der Kämpfe.
Die Nutzung technischer Neuerungen ist demgegenüber sekundär, vieles davon gab es vorher schon, wurde aber nicht weitläufig genutzt, weil es nicht notwendig gewesen war.
September 23, 2018 at 6:35 pm
Zu 1.
So (ohne Frankreich) wurde das in der Schule gelehrt, als „ursprüngliche Akkumulation des Kapitals“ nach Marx‘ Kapital.
Kuczynski, in einem Vortrag ca. 1987 an seinem Institut, bezieht sich auf Vorgänge in Italien schon im (Spät-?)Mittelalter, mithin an anderer Stelle und deutlich früher als jene.
Er arbeitete heraus, dass die Höherentwicklung nicht von den aktuell höchstentwickelten Formen/Strukturen (hier: Stadt) ausgeht. Ich würde es Marx nicht anlasten, dass er Darwins Hauptwerk (1858) nicht umgesetzt hat.
Zu 2.
Das bestätigt, dass die konkrete Ausprägung von spezifischen Bedingungen abhängt, wie in der Materiallehre.
„Die Grundgesetze sind einfach – ihre Anwendung ist es mitnichten!“