Dieser Text führt den Text zu meinem Beitrag für ein Treffen zur „Selbstbestimmten Technikentwicklung“ in Bremen fort.


Wenn wir neuartige Beziehungen, d.h. eine neue Weise von Technik, entwickeln wollen, so muss diese widersprüchliche Anforderungen erfüllen: Sie muss einerseits Mühe und Anstrengungen ersparen, also mit wenig menschlichem Einsatz einen hohen Nutzeffekt haben – sie darf andererseits durch zu hohen Energie- bzw. Materialeinsatz die ökologischen und klimatischen Lebensvoraussetzungen nicht aus den Fließgleichgewichten bringen. Um individuelle Entscheidungen zu ermöglichen, muss die Produktion von lokalen und nicht zentralisierten Stellen aus geregelt werden – andererseits sind u.a. wegen den ökologischen globalen Verflechtungen regionale, kontinentale und globale Regulationsmechanismen notwendig.


Technik in der Selbstentfaltungsgesellschaft

Bis vor wenigen Jahren setzten alternative Vorstellungen über eine andere Produktion, eine andere Wirtschaftsweise und eine andere Technik vor allem auf die Losung „Small ist Beautiful“ (Schumacher 1973). Solche Konzepte und Praxen wie Ökodörfer, ländlich-handwerkliche Kommunen und auch die „Alternative/Solidarische Ökonomie“ bezogen sich vor allem auf die Forderung nach Dezentralität und die ökologische Verträglichkeit und diskriminierten Forderungen nach hoher Arbeitsproduktivität bzw. Globalität eher. Ich erinnere mich noch gut an die Kritik der Benutzung von Computern in den frühen 90er Jahren und des Internets in den späteren 90er Jahren. Seither stand die Frage im Raum, ob nicht auch produktive Techniken (also Techniken, die bei geringem Einsatz einen hohen Nutzen bringen) ökologisch verträglich sein können und Lokalität/Regionalität mit Globalität verbunden sein kann.

Die Theorie suchte danach und gleichzeitig zeigte sich in der Praxis die Realisierbarkeit: zuerst bei der Herstellung von Freier Software. Viele Akteure des Projekts „Oekonux“ sehen in der Freien Software „eine Form, wie ein gesellschaftliches Bedürfnis ohne staatliche Struktur und ohne privatwirtschaftliches Vorantreiben sich aufs Beste verwirklicht“ (Merten 1999). Es geht bei dieser Einschätzung der Freien Software nicht direkt um ihre Ergebnisform, den Softwarecode – sondern vor allem die Art und Weise ihrer Herstellung, Verbreitung und Nutzung als neuer Produktionsmodus (vgl. Meretz, Schlemm 2001). Eric S. Raymond fand für zwei gegensätzliche Weisen der Produktion die Bezeichnung “Kathedrale” und “Basar” (Raymond 1999). Die Freie-Software-Entwicklung entspricht im Unterschied zur bisherigen kathedralenartigen Softwareherstellung eher einer basarartigen Kooperation. Nicht lange nach diesen ersten Praxen wurde auch klar, dass sich im weitesten Sinne informationstechnisch kopierbare Kulturelemente auf ebenso freie Weise entfalten können („Freie Kultur“, vgl. Lessig 2006). Während die Frage des Eigentums an den Produktionsmitteln im Freie-Software-Bereich durch das sog. „Copyleft“ geregelt ist, entstanden für die Freie Kultur die Creative Commons.

In diesen immateriellen Bereichen konnten also „Keimformen“ für eine neue Produktions- und damit auch Vergesellschaftungsweise entstehen. Damit wurde in einer High-Tech-Branche die Zentralisierungstendenz aufgehoben und eine hohe Produktivität ermöglicht. Auch im High-Tech-Bereich geht die Bedürfnisbefriedigung dann von menschlichen Bedürfnissen aus und wird selbstbestimmt koordiniert. Es zeigt sich, dass Selbstbestimmung und Dezentralität trotz Globalität möglich sind. Die Anforderung der Ökologie sind hier wegen der Immaterialität per se erfüllt, wobei natürlich der Material- und Energieverbrauch der informationstechnischen Infrastruktur und –technik in Betracht gezogen werden muss.

Jetzt wird es nun spannend. Findet die „Keimform“ einer neuen Produktionsweise ihre Grenze in der Immaterialität (was z.B. Nuss und Heinrich annehmen, vgl. Nuss, Heinrich 2002), oder lassen sich die „Keimform“-aspekte grundsätzlich und auch praktisch auf „Hardware“-Produkte, also die Welt stofflicher Güter, übertragen? Bereits 2001 haben wir einige Freie-Hardware-Projekte genannt (Meretz, Schlemm 2001). Stefan Meretz hat diese Erfahrungen im „Universalgut“-Begriff verallgemeinert (Meretz 2007). Zur Frage der Übertragbarkeit haben wir insgesamt folgende Argumente entwickelt:

  1. Moderne Industriegüter enthalten insgesamt einen viel größeren „immateriellen Anteil“ als frühere Produkte (es wird von 70% gesprochen). Das ermöglicht es, zumindest diesen Anteil ebenso wie Freie Software und Freie Kultur auf nichtkapitalistische, d.h. auf neuartige Weise zu entwickeln, zu verteilen und zu nutzen (Projekte zu „Freien Konstruktionsunterlagen“ und „Freien Designs“).
  2. Dass durch die neuartigen Lizenzen (Copyleft, Creative Commons) die Eigentumsfrage neu gestellt wird, hat im Bereich der stofflichen Güter eine erweiterte Bedeutung: Sie stellt die Eigentumsfrage nun auch direkt für stoffliche/energetische Ressourcen und Güter neu. Als gesellschaftliche Praxis, die dieser Fragestellung gegenwärtig aufwirft, ist die weltweite Commons-Bewegung zu sehen. Auf dieser Basis haben sich vorher getrennte soziale und ökologische Bewegungen endlich getroffen: U. a. die 2009 vom Weltsozialforum geforderte Wiederaneignung der Gemeingüter (Helfrich 2009) und die Praxen von Freier Software und Freier Kultur.
  3. Weiterhin kann davon ausgegangen werden, dass es auch in der „Hardware-„Produktionstechnik einen Trend hin zu flexiblen Universalmaschinen gibt, die außerdem zum Teil ebenso wie die Personalcomputer eine Tendenz zur Verbilligung angesichts ihres wachsenden Masseneinsatzes haben können. Hiermit sind die sog. „Fabber“ gemeint, persönliche bzw. kollektive „Fabrikatoren“.